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B preußischer LanStag. 24. Sitzung. Donnerstag, den 2. Juni, mittags 12 vhr. Vor Eintritt in die heutige Tagesordnung entwickelt sich eine ausgedehnte Geschäftsordnungsdebatte. Abg. Goebel (Ztr.) stellt den Antrag auf wirtschaftliche Unterstützung der bedrohten Einwohner des oberfchlesifchen Abstimmungsgebietes. Der Antrag wird einstimmig angenommen. Dr. Meyer-Ostpreußen beantragt den Bericht des Rechtsausschusses über die S o n d e r g e r i ch t e auf die Tagesordnung zu fetzen. Genosse Siering(Soz.) unterstützt diesen Antrag. Der Antrag wird darauf, da sich kein Widerspruch erhebt, auf die Tagesordnung gefetzt. Codann ergreift der Finanzminister Sämisch das Wort zum Haushaltetat für das Jahr 1921 und schildert ausführlich in seiner Rede das Finanzelend, in dem sich auch Preußen durch den Dersailler Vertrag befindet._ Das Wehrmachtversorgungsgefetz. Im Reichstagsausschuß für soziale Angelegenheiten stand heute das Wehrmachtoersorgungsgesetz zur Be- ratung. das die Versorgung der Angehörigen des Reichsheeres und der Reichsmarine samt ihren Hinterbliebenen regelt. Ein Antrag Hoch(Soz.) verlangte, daß den Unteroffizieren und Mannschaften, die keinen Zivildienstschein besitzen, bei Nachweis der Bedürftigkeit auf Antrag ein V o r f ch u ß auf die laufenden Ueber. gangsgebührnisse bis zu ihr�r vollen Höhe gewährt werden solle, während der Gesetzentwurf die Borschußgewährung durch eine Kann» Vorschrift in das Belieben der Behörde stellt. Der Ausschuß nahm dann einen entsprechenden Antrag Andre(Z.) an, der an Stelle der Kann- Vorschrift eine die Behörde bindende Soll- Vorschrift setzt. Auf weitere Ausführungen des Abg. Hoch(Soz.) entgegnete Reichswehrminister Dr. Gsßler, daß bei wichtigen Verwaltungsangelegenheiten stets die Vertrauensmänner der Truppen gehört würden; eine Mitwirkung der Unter- offiziere und Mannschaften sei also gesichert. Im übrigen wurde der Gesetzentwurf bis zu§ 22 teilweise in veränderter Form an- genommen. Weiterberatung Freitag. Eine Ansprache öes Ministers Sarthou. Paris  . 2. Juni.  (EE.) Auf feiner Inspektionsreise ins Rheinland   hielt der französische   Kriegsminister B a r t h o u vor den Soldaten in Worms   eine Ansprache, in der er ausführte, er habe sich allenthalben davon überzeugt, daß die Leute gut gekleidet, gut ge- nährt seien und gut« Wohnungen hätten. Er beglückwünsche die Offiziere zu ihrer Wachsamkeit und Aufmerksamkeit und stelle fest, daß der Jahrgang 1919 allen Drohungen und Versuchungen Widerstand geleistet Hab«, Er habe eine Hallung eingenommen, für die Frankreich   dankbar fein könne. Die Soldaten von 1919 sollten von ihrer unvorhergesehenen Rheinlandreise einen be- friedigenden Eindruck haben. Ihre Einberufung sei nicht zweck- l o s gewesen. Der Anwesenheit dieser Soldaten sei es zu ver- danken, daß Deutschland   sich unterworfen habe. Die Soldaten wären es, die Deutschland   zum Zahlen zwangen. Und darauf könnten sie stolz sein. GroßGerüu Die Nöte üer Sezirksämter. Die unerfreuliche Hinausschiebung der Bildung der Bezirks- Smter hat zu einer überhasteten Aufstellung der Be» zirkshauShaltpläne geführt, die nicht im Interesse der Entwicklung des neuen Berlin   liegen kann. Die Beznte mußten bis 31. Mai die HauShaltpläne fertig gestellt haben, das Gesetz ver- langt die Fertigstellung des Etats Berlin   bis zum 80. Juni. Die erste Etataufstellung im neuen Berlin   sollte man meinen, erfordert eine eingehende vorbereitende Arbeit, die doch nur Borbedingung sein kann» die schwierigen finanziellen Klippen zu umschiffen. Kommt doch für die Bezirke 720 hinzu, daß nicht allein die Haushaltpläne der früheren Einzelgemeinden mit hineingearbeitet werden müssen, sondern auch die Bezirksvoranschläge müssen dem Berliner   Musterentwurf angepaßt werdend der nahezu unüber- sichtlich ist. Den Bezirken müßte nach Zusammenstellung aller Voranschläge die Möglichkeit der Nachprüfung ihrer eigenen HauShaltpläne gegeben werden. Der»LoS-von-Berlin*- Bewegung wird durch die un- zureichende Beratung nur neuer Stoff zur Agitation geliefert werden. wenn nicht, was kaum zu erwarten ist, bei der Etataufstellung in Berlin   die örtlichen, verschiedenarttg gelagerten Bedürfniffe der ein- zelnen Bezirke berücksichtigt werden. Waren doch im Jahre 1920 die Lasten in den Lrbeitergemeinden schon fast unerträglich. Bei größter Sparsamkeit wurden fast alle Finanzquellen erschöpft, um den Bedarf per Kopf der Einwohnerzohl zu erhalten, der hier gegen- über den westlichen Gemeinden bedeutend niedriger geholten wurde, was ja in den Schulverhältniffen sowie öffentlichen Anlagen be- sonders zum Ausdruck kommt. Berlin   hatte 1920 einen Bedarf per Kopf von 410 M., der 10. Bezirk(Zehlendorf  ) 589 M., der 16. Be­zirk(Köpenick) 222 M.. der 7. Bezirk(Charlottenburg  ) 471 M., der 17. Bezirk(Lichtenberg  ) 260 M. Der Etat 1920 schloß mit einem Fehlbetrag von 400 Millionen ab. die in den nächsten fünf Jahren getilgt werden sollen, für 1921 erstmalig 80 Millionen. Die Teuerung gegenüber 1920 bringt schon allein eine starke Mehrforderung aller Bezirke mit sich, so daß es äußerst schwierig ist, in so kurzer Zeit Einnahmen und Ausgaben in Einklang zu bringen und hierbei die Bedürfnisse der Außen- bezirke genügend zu berücksichtigen. Die Bautätigkeit beginnt sich hier zu regen, die nachgesuchten Bauerlaubnisse steigern sich in er- freulicher Weise, womit natürlich die Aufgaben der Bezirk«- Verwaltung wachsen, wie Schaffung von Schulen usw. Diese für die Gesamtgemeinde in ihrer zukünftigen Entwicklung bedeutungs- vollen Vorgänge können bei der mit Eilzugsgeschwindigkeit be- triebeuen Aufstellung der HauShaltpläne nicht gebührend beachtet werden. ES sollte daher die Frage aufgeworfen werden, ob eS nicht im Interesse der ordnungsgemäßen und gewissenhaften Ausstellung der Etats der neuen Stadtgemeinde Berlin   liegt, eine Verlange- rung der gesetzlichen Einreichungsfrist zu erreichen. Dem Werden des neuen Berlin   sind schon soviel Widerstände er« wachsen, die durch eine oberfläche Etatberatung nur noch gesteigert werden könnten. Komtesse Gceana aus Neukölln. Man sollte meinen, daß in Berlin  , der»Stadt der Intelligenz", die Leute allmählich so klug geworden sind, daß sie nicht gleich bei der Nennung eines Adelsnamens in»Ehrfurcht ersterben". Da das aber nicht der Fall ist, so kann es denn nicht Wunder nehmen, daß Gauner und Schwindler immer wieder mit Erfolg auf die Titelsucht jener Leute spekulieren, die nicht alle werden. Eine Heiratsschwindlerin ungewöhnlicher Art machte am Kaiser- dämm eine ansehnliche Beute. Bei�einer Familie, die dort wohnt,
Die /lrmeniergreuel vor Gericht.
Der Prozeß gegen den Mörder Talaat Paschas  , des ehemaligen türkischen   Großvesiers, bildete heute den Gegenstand einer umfang- reichen Verhandlung vor dem Schwurgericht des Landgerichts ll unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Dr. L e h m b e r g. Die Anklage wegen Mordes richtet sich gegen den türkischen Staatsangehörigen, Studenten der Mechanik, Salomon T e i l i r i a n aus Eharlottenburg, der beschuldigt ist, am 15. März den srüheren türkischen   Eroßvesier Talaat Pascha   ermordet zu haben. Die Anklage wird vom Staatsanw.-Rat Dr. G o l l n i ck ver- treten, die Verteidigung liegt in den Händen der Rechtsanwälte Geh. Iustizrat Dr. v. Gordon, Iustizrat Dr. Werthauer und des bekannten Staatsrechtslehrers Prof. Dr. N i e m e y e r- Kiel. Da der Angeklagte der deutschen   Sprach« nicht mächtig ist, sind zwei Dolmetscher der armenischen und der französischen   Sprache ge- laden. Unter den zahlreichen von der Anklage und der Verteidigung geladenen Zeugen befindet sich die Witwe des Ermordeten, Frau Talaat Pascha  , General Liman von Sanders  , Lektor Hahn-Charlottenburg. Als Sachverständige sind anwesend: Geh. Sanitätsrat Dr. Schmielinsky- Charlottenburg, Prof. Dr. C a s- f i r e r, Prof. F o r st e r, Geh. Rat Prof. L i e p m a n n, Medizinal- rat Dr. S t o r m e r, prakt. Arzt Dr. Sch l o ß, Kaufmann Baker, Hofbüchsenmacher B a r e l l a. Der jetzt 24 Jahre alte Angeklagte ist in Pakaritsch in der Türkei  geboren. Auf Befragen des Vorsitzenden schildert er zur Vor- geschichte der Tat ausführlich die türtischen Greuel in Armenien  . Im Jahre 1915 sei die armenische Bevölkerung dieses Ortes durch die Nachricht in die höchste Erregung verfetzt worden, daß die türkische  Regierung gewaltsame Maßregeln gegen die Armenier ergreifen werde. Er war damals 18 Jahre alt. Es sei plötzlich das Gerücht gekommen, daß die Schulen geschloffen werden und die angesehensten Personen der Stadt weggebracht werden würden. Das sei denn auch geschehen. Die Bevölkerung sei in Kolonnen unter Führung von Gendarmen und Soldaten, denen sich zahlreicher Pöbel angefchloffen habe, weggeschleppt worden, nachdem man den Leuten ihr Geld und ihre Habe weggenommen, und es fei dann ein Maffaker veranstaltet worden, dem auch feine Eltern und Geschwister zum Opfer gefalle« seien. Cr selbst habe, nachdem seinem jüngsten Bruder mit einem Beil der Schädel gespalten worden sei, einen Schlag aus den Kopf erhalten, so daß er bewußtlos zu Boden stürzte. Nach seiner Meinung sei er erst nach zwei Tagen wieder zu sich gekommen. Die Leiche seines ältesten Bruder» habe auf ihm gelegen. Er sei dann in das nächste Dorf gewandert, wo ihn eine zum Stamm der Kurden gehörende
jjui] ycmuiiucLi, ixtu u;ii eint g'lir» wiuiiikii wt*. wvmwv«».-v/ alte Frau beherbergte, bis feine Wunden geheilt waren. Dann habe! Pascha zu töten.
ihn die Frau bedeutet, daß sie ihm nicht weitere Gastfreundschaft ge- währen könne, da die Regierung es oerboten habe, armenischen Flüchtlingen Obdacht zu gewähren. Nachdem sie ihm, da seine eigenen Kleider blutbefleckt waren, alte kurdische Kleidung gegeben hatte, flüchtete er in die Wildnis und stieß in den Bergen auf zwei Leidensgenossen. Sie wären zu Dreien dann des Nachts marschiert und am Tage hätten sie geschlafen, da sie sich nicht von den türki- schen Gendarmen sehen lassen durften. Der Angeklagte schilderte, mit Hilfe des Dolmetschers schwer verständlich, sein wei- teres ruheloses Hin- und Herwandern in Persien   und anderen Län-> dern. Als er gehört, daß feine Vaterstadt wieder befreit sei, sei er dorthin zurückgekehrt, habe aber nur noch zwei Familien der früheren armenischen Bevölkerung vorgesunden. Als er fein völlig verwaistes und verödetes Vaterhaus betteten, fei er völlig haltlos geworden, ohnmächtig zusamt mengesunken und habe seitdem mehrfach solche Anfälle gehabt. Von seinen Eltern wußte er, daß sein Vater etwas Geld in der Erde vergraben gehabt hatte: er habe danach gefahndet und auch 4800 türtische Pfund ausgraben können. Der Angeklagte schil- dert feine weiteren Wanderungen in aller Welt. Auf Befragen nach dem Grunde dieses Hin- und Herreisens erklärte er, daß er stu- dieren wollte. Anfang 1920 sei er nach Paris   gekommen. Die Armenier haben Talaat Pascha   für den Urheber und Verantwortlichen für das Maffaker angesehen und allgemein sei die Empörung gegen diesen Mann gewesen. Schon damals fei ihm der Gedanke ge- kommen, Rache für die an seiner Familie begangenen Verbrechen zu nehmen. Geh. Rat Prof. Dr. N i e m e y e r: Ist dem Angc- klagten bekannt, daß vom Kriegsgericht in Konstantincpel wegen der armenischen Greuel Talaat Pascha   zum Tode verurteilt worden ist? Dem Angeklagten ist dies bekannt. Hierauf wird der Eröffnungsbeschluß verlesen und ins armenische übersetzt. Der Angeklagte erklärte heute, daß er die Frage nicht mit ruhiger Ueberlegpng begangen habe. Auf den Vorhalt, daß er früher dies offen zugegeben habe, erklärt T e i l i r i a n: 3ch fühle mich nicht schuldig, weil mein Gewissen rein ist. Etwa zwei Wochen vor der Tat, tauchten wieder die Bilder des Massakres von Erflnia vor mir auf. 3ch sah meine Mutter und meine Brüder und meine vergewaltigten Schwestern als Leichen liegen. Plötzlich stand die Leiche meiner Mutter auf. stellte sich vor mir hin und sagte:Du weißt, daß Talaat Pascha   hier ist. Du bist völlig indifferent, du bist also nicht mein Sohn!" Ich wurde nun plötzlich wach und da faßte ich den Entschluß, Talaat  
ein Unterkommen. Es nannte sich Komtesie Tronjewitas Oceana von Odparlemolanowicz und erzählte, daß es vor den Bolschewiften aus der russischen Heimat habe fliehen müssen. Die Russin gab sich für eine Verwandte der Familien von der Osten aus, die in Ruß  > land einen Grundbesitz im Werte von 22 Millionen hätten. Ihr eigener Grundbesitz sei auch 20 Millionen wert. Verfügen könne sie aber darüber einstwellen noch nicht, weil sie noch unter Vormund- schaff stehe. Vorgespiegelte Beziehungen zu einem bekannten Staats- sekretär waren geeignet, ihr Vertrauen und Ansehen zu verschaffen. So kam es, daß die Russin nach und nach auf einen Sohn der Fa. milie so großen Eindruck machte, daß er um sie warb. Der 20-Mil- lionen-Grundbesitz in Rußland   mag den günstigen Eindruck wohl noch etwas verstärkt haben. Die»reiche Russin" erwiderte auch die Net- gung, bat jedoch, die Verlobung hinauszuschieben, bis sie selbständig über ihr Vermögen verfügen könne. Die Regelung der Vermögens- verhältniffe kostete aber einstweilen noch erhebliche Mittel, die die Russin auch nach und nach erhielt, bis sie eines Tages unter Mit- nähme schöner Schmucksachen verschwand. Der Familie war, alles in allem, ein Schaden von 150 000 Mark erwachsen. Jetzt beschäs- tigte sich die Inspektion B IT, 2 der Kriminalpolizei mit dem ruf- fischen Flüchtling und erkannte in ihm'eine 26 Jahre alte, aus Neu- kölln gebürtige Erna Preiß, die Tochter eines Schmiedegesellen wieder, die schon einmal die Polizei beschäftigt hatte. Eine Spur führte nach der Lutherstraße. Hier wurde sie dann auch bei einem zweiten Bräutigam, den sie mit den gleichen Vorspiegelungen ein- gefangen hatte, ermittelt und festgenommen. Die Verhaftete ver- sichert, daß sie niemals um Geld gebeten habe. Ihr falscher Name und ihre allerdings schwindelhaften Erzählungen allein hätten ge- nügt, die Leute zu veranlassen, ihr»das Geld nur so an den Hals zu werfen"._ Auto- und �usirwerksfalle in Zehlendorf  . Wir erhalten folgende Zuschrift: Im Zuge der Potsdamer Chauffee zwischen Zehlendorf   und Schlochtensee befindet llch eine Bahnüberführung der Wannseebahn  . Das Niveau der Sttaße mußte bei der Herstellung der Ueberführung stark gesenkt werden, so daß die Straße unter der Uebersührung eine starke Einsenkung erfahren hat. Nach den letzten Regengüssen waren die Wasiermassen von beiden Seiten in diese Einsenkung ge- strömt und stauten sich dort, da kein Abfluß vorhanden ist, bis zu einer Tiefe von einem Meter an, so daß der starke Fuhrwerksoertehr (Auto, Wagen, Motorräder und Fahrräder) am letzten Sonntag nicht nur gehindert, sondern zum Teil geradezu gefährdet war. Einige Autos, die die Durchfahrt versuchten, erlitten mitten im Wasser eine Panne. Vor den Fuhrwerken scheuten die Pferde. Am schlimmstey aber waren die Motorradfahrer daran, die ihre schweren Räder über einen sehr schmalen Fußsteg führen mußten. Diese schauderhaften verkehrehemmenden Zustände bestehen schon längere Zeit, ohne daß anscheinend eine Behörde sich darum kümmert oder gar sür Abhilfe sorgt. Die fragliche Stelle liegt zwar im Dereich des 10. Bezirks (Zehlendori), aber die Chaussee wird vermutlich Provinzialchaussee Sein, so daß die Provinzialverwaltung für die Aenderung zu sorgen jätte. Wer auch immerzuständig" sein mag, je schneller hier Abhilfe geschaffen wird, desto besser ist es für den Verkehr., Es könnte sonst geschehen, daß geschädigte Fuhrwerksbesitzer Schadenersatz­ansprüche stellen, für die dann die' Steuerzahler aufkommen müssen.
Eine neue Verteuerung der Gräberpflege. Auf den meisten Friedhöfen muß, wer die Gräber feiner Ver- storbenen pflegen und schmücken will, die ärgste Geldschneiderei über sich ergehen lassen. Er kann z. B. keinen Denkstein aufftellen, keinen Baum oder Strauch pflanzen, ohne d' man- ihm dafür eine besondere Gebühr abnimmt. Daher ttitt denn auch der Klassen- gegensatz auf den Friedhöfen fast noch kraffer als im Leben hervor. Gräber zu begießen ist gewöhnlich nur nächsten Angehörigen der Verstorbenen erlaubt. Wer diese Arbeit nicht selber besorgen kann, darf sie nicht einer beliebigen fremden Person Überträgen. Zur Gräberpflege gegen Entgelt müssen die Hinterbliebenen sich der Angestellten des Friedhofes bedienen. In neuester Zeit sind er- finderische Köpfe auf den Gedanken verfallen, auch bei Pflege durch Angehörige noch eine Gebühr zu erheben. Warum sollen wir, sagten sie, den Leuten das Waffer umsonst liefern, wo die Herrichtung von Brunnen oder gar einer Wafferleitung uns schweres Geld kostet? Zwar hat früher wohl niemals ein Mensch daran gezweifelt, daß die Lieferung von Gießwasser zu den selbst- verständlichen Leistungen gehört, auf die mit der Zahlung des Grab- stellengeldes ein Anrecht erworben wird. Aberin dieser teueren Zeit" ist man ja um Begründungen nicht verlegen, wenn dem Ver- braucher ein neue» Opfer aufgepackt werden soll. Wie die Ein
der Brief einer alten Frau, die auf dem Weißenseer   Friedhof der Berliner   Georgengemeinde die Gräber von Angehörigen pflegt. Sie Nagt bitter, daß dort plötzlich eine Wassergebühr von 5 M. pro Sommer erhoben wird. Wer sie nicht bezahlen will, darf auf dem Friedhof kein Wasser mehr entnehmen und kann die Gräber seiner Lieben verkommen lassen. Auf Anfrage beim Zenttalbureau der Georgenkirchengemeinde(Kurze Stt. 2) wird uns allerdings ge- sagt, daß Unbemittelten die Gebühr erlassen werden kann. Da sind wtt neugierig, wie weit man den Begriffunbe- mittell" ersttecken wird. Wir empfehlen, in weitestem Umfange den Anspruch auf Gebührenerlaß geltend zu machen.
Aeriensonderzöge. Zum ersten Male nach dem Kriege sollen in diesem Jahr» wieder Feriensonderzüge gefahren werden, die die Ausgabe haben, zu ermäßigten Sätzen den Haupffttom der Reisenden auszunehmen und so zur Entlastung der fahrplanmäßigen Züge beizutragen. Zu diesen geplanten Feriensonderzüge» soll ein ermäßigter Satz gelten, und zwar wird in der dritten Klaffe der Einheitssatz statt 19.5 Pfennig je Kilometer nur 13 Pf. betragen. Da jedoch die sonst üblichen 45tägigen Rück« fahrkarten nicht mehr ausgegeben werden, müssen die Reisenden für jede Fahrt in solchen Zügen einfache Karten zu dem ermäßigten Satze lösen. Infolge der durch die oberschlesischen Vorgänge hervor- gerufenen Kohlennot sind nur verhältnismäßig wenige Züge gegen« über dem Friedensverkehr vorgesehen. Bon Berlin   aus ist der Verkehr von Feriensonderzügen vorgesehen: nach dem Riesengebirgs 6 Züge, nach dem Harz 3 Züge, nach der Nordsee 3 Züge, nach Baden 3 Züge, nach München   4 Züge, nach den Ostseebädern inS« gesamt 10 Züge, von denen u. a. Züge nach Warnemünde  . Rügen  , Swinemünde  , Kolberg   und Stettin   verkehren sollen, nach Württem- berg sind 2 Züge vorgesehen, während nach dem Sauerland  , nach Thüringen   und der Sächsischen Schweiz   je ein Zug verkehren soll. Die Fahrpläne und die Preise für die Sonderzüge werden erst jetzt aufgestellt und voraussichtlich in etwa 14 Tagen, jedoch rechtzeitig vor Beginn des Vorverkaufs, veröffentlicht.
......~* l]. ly Hi l 4? er..... U"'It..... v.. v,,, t.. U....... I......,**.~.......-----.- u T-T--~"lw--------- fand i« Dezember». I. ein junges Mädchen als russischer Flüchtling jsührung der besonderen Wassergebühr wirkt, zeigt unsjEme in diesem Sinn» gehattene Resolution wurde angenommen.
Keine Besteuerung desExistenzminimums". Die Stadt Berlin   hatte, wie erinnerlich, nach lebhaften Kämpfen die Besteuerung des reichssteuerfreien Einkommensteils beschlossen und erwartete hieraus eine jährliche Einnahme von 10 Millionen. Durch die im März Gesetz gc-uordenen Aenderungen des Reichs- einkommenfteuergesetzes ist diese Steuerquelle der Stadt verschlossei, worden. Eine Besteuerung des reichssteuerfreien Mindestein- kommens gibt es nicht mehr. Die preußischen Minister des Innern und der Finanzen heben dies in einem Erlaß an die Oberpräsidenten ausdrücklich hervor. Eine Genehmigung und Zustimmung zu Ge- meindesteuerordnungen über eine derartige Besteuerung des Mindest- einkommens kommt also nicht mehr in Bettacht. Ueber die Frage, inwieweit den Gemeinden hierfür Ersatz geleistet werden soll, schweben noch Verhandlungen mit dem Reichssinanzminister, die aber bald zum Abschluß kommen dürften. Eine Liebeskragödie hat sich heute Nacht in der Nähe von Gatow  auf der Havel   abgespielt. Beamte der Schutzpolizei   hörten mehrere Schüsse fallen und bemerkten ein führerloses Boot. Als man es ans Land gezogen hatte, entdeckte man in dem Kahm die leblosen Körper eines jungen Paares. Der Mann hatte einen Revolver in der Hand, mit dem er erst da» Mädchen und daraus sich selbst durch Kopffchüffe getötet hatte. Die Leichen der beiden wurden zunächst nach dem Krankenhaus in Spandau   gebracht, wo die ärztliche Unter- fuchung nur den Tod bestätigen tonnte. Die Personalien konnten noch nicht ermittett werden. Die Lnkter im Freioerkehr kostete heute im Westen Berlins  28 M. da» Pfund, während in den Außenbezirken das Pfund mit 25 M. angeboten wird, ohne allerdings große Abnahme zu finden. «Die Arbeiter, Angestellten und kleinen Beamten mit vielen kleinen Kindern können diese Preise nicht zahlen und sind weiter auf Schmalz und Margarine angewiesen. Gegen die Besteuerung der Kraftdroschken wandt« sich eine von etwa 2000 Personen besuchte, in den Germaniasälen tagende Protest- Versammlung der Berliner   Kraffdroschkenbefitzer. Falls die Absicht BerlmS, die Kraftdroschken mit einer zehnprozentigen Steuer zu belegen, durchgeführt werde, sei mit einer 25prozentigen Abnahme de« Verkehr« zu rechnen. Das würde aber die Entlassung von mindesten« zwei Dritteln der Angestellten zur Folge haben. Biel  - mehr müffe auf einen Abbau der Fahrpreise hingewirkt werden.