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Nr. 267.

Erscheint täglich außer Montags. Breis pränumerando: Biertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags: Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt. pro Quartal. Unter Kreuze band: Deutschland   u. Desterreiche Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1894 unter Nr. 6919.

Vorwärts

11. Jahrg.

Insertions Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pig. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet. Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berling

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2. Donnerstag, den 15. November 1894. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Arbeiter! Parteigenossen! Trinkt kein boykottirtes Bier!

07.

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Des Baren Tod und Begräbniß.

Nun hallen im weiten Barenreich Die Todtenglocken zusammen,

Und schaurig schimmern und geisterbleich Umflorte Trauerflammen.

Auch aus Sibirien's Marterfeld,

kind Aus eisigem Schneegeflimmer, Aus bergwerksnächtiger Leidenswelt Zönt klagendes Gewimmer.

Das tommt von der Verbannten Schaar,

Den unglücksel'gen Polen  ,

Im Namen des hochfel'gen Zar

Um alles Glück bestohlen.j

Es singen die Popen im erusten Chor Grablieder mit einander.

Todt ist, der sie geschützt zuvor, Der dritte Alexander.

Aus feuchten Kerkern tönt herfür Schmerzruf der Nihilisten; Hier kunten bei verschloss'uer Thür Des Zaren fromme Christen.

Am Rabenstein heult laut der Wind Und spielt mit Todtenbeinen;

Manch' Mutterherz hat um ein Kind Im Zarenreich zu weinen.

D'rum winseln die Popen im Trauerchor Ihr jammernd Miserere.

Das Bolt legt an den Trauerflor Den todten Opfern zur Ehre.

Ein sächsischer Justizstreich.

Manch' jugendfrisch Studentenblut Mußt' dort am Galgen enden. Man würgt des Volkes Freiheitsmuth Mit blutbefleckten Händen.

Jetzt folgt der Zar den Opfern nach. D'rum hallen die Glocken zusammen, D'rum werden die Trauerklagen wach, D'rum leuchten die Todtenflammen.

Den Opfern der Tyrannenmacht, Die ausgerungen haben; Den Aerm'ren, die in Bergwerksnacht Lebendig sind begraben.

Und was für ein Preßvergehen? Die zehn Monate Gefängniß wegen einer Zeitungsnotiz, die vor einem Jahre unseren braven Genossen schon auch Wochen dieser Notiz selber denunzirt haben, und zwar der sozialistischen   Propaganda, die er als aktiver Unteroffizier betrieben haben sollte.

Aus Dresden   erhalten wir nachstehendes Telegrammin's Gefängniß gebracht hatte. Angeblich sollte er sich in Dresden  , den 14. November 1894.

Gradnauer wurde heute vom Schöffengericht zu zehn Monaten Gefängniß verurtheilt wegen angeblicher Be. Mit einiger Phantasie und starkem Vorurtheil' gegen leidigung der Militärbehörde. Die Beleidigungen sollen enthalten sein in jener Notiz, deretwegen er im Oktober dieser Annahme allenfalls kommen. Die Annahme erwies enthalten sein in jener Notiz, deretwegen er im Oktober Sozialdemokratie und Sozialdemokraten, konnte man zu vorigen Jahres von der Militärbehörde verhaftet wurde. sich als falsch, und Gradnauer mußte von der Militär­Gradnauer bestritt heute entschieden die Verfasserschaft, zubehörde freigelassen werden. der er sich damals unter dem Drude des Militärdisziplinar­

verfahrens bekannt hatte. Genosse Wekker als Verfasser ein Beleidigungsprozeß gegen Gradnauer angestrengt und Wegen dieser nämlichen Notiz wurde nachträglich wurde als Zeuge überhaupt nicht vernommen. Fischer ist heute auf 10 Monate Gefängniß und sofortige Ver­als Verantwortlicher der betreffenden( Nummer wurde haftung erkannt worden. #freigesprochen. Graduauer in Haft genommen wegen Wer die Notiz lieft, kann dies einfach nicht begreifen, Kollusionsgefahr. Genoffe Redakteur Reichhardt wurde kann nicht begreifen, wie auf sie ein Beleidigungsprozeß, turz vorher wegen ganz geringfügiger Gemeindeältesten- und noch weniger: wie eine Verurtheilung auf sie ge­beleidigung zu drei Monaten Gefängniß verurtheilt. gründet werden fönnte. Es ist einfach unglaublich, und Bebn Monate Gefängniß wegen eines einfachen Preß- damit man das Unglaubliche glaube, drucken wir die frag­vergehens! Das ist an sich schon sächsisch. liche Notiz hier ab. Sie lautet:

milia vil di

e

Feuilleton.

von Marie Kunert  .

4

-

Julius Hirschberg  .

Unfer Genosse Gradnauer( welcher als Unteroffizier der Reserve eingezogen war) erfreute sich bei seiner ganzen Rompagnie allgemeiner Anhänglichkeit und hat, soweit es unter den schwierigen Verhältnissen möglich war, dazu beigetragen, den Sozialismus unter die Leute zu bringen, welche die Bajonnette tragen."

Das ist die Notiz.

Wo ist da die Beleidigung?

Wer ist beleidigt? Was ist beleidigt? Hand auf's Herz: wo ist die Beleidigung? Und zehn Monate Gefängniß!

Und sofortige Verhaftung wegen Kollufionsverdachts", das heißt wegen des Verdachts der Verständigung mit Bengen, zum Zweck der Verdunkelung der Thatsachen.

geradezu widersinnig! Kollufion nach einem Jahre! Der Gedanke ist ja

Wir werden, sobald wir näheren Bericht haben, auf diese neueste That der sächsischen Justiz zurückkommen. Es gehört das zum Kampf gegen den Umsturz". Gegen den Umsturz?

Nein für den Umsturz". Denn diese sächsische Justizpraxis bedeutet den Umsturz der Justiz und der Logik.-

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Н

ansehen müssen, wie die Schwachen zermalmt, gebeugt tische Rolle spielen zu können, war er noch zu jung wurden unter Gesetze, so ungerecht, daß die Kammer sie und unbekannt. Er war in jenen Tagen nur der später selbst wieder zurückziehen mußte. Man mußte es Sekretär eines Mannes gewesen, den die Krise mit vielen [ Nachdruck verboten.] dulden, daß man in die Vergangenheit zurückkehrte und andern emporgehoben und an einen besonderen Platz gestellt Int Exil. darauf verzichtete, für das Vaterland mehr Glück, mehr hatte. Er hatte nichts weiter gethan, als daß er die Roman von Georges Renard. Autorisirte Uebersetzung natürlichen Abschen vor dem vergossenen Blut, der Gewalt schrieb. Aber dadurch, daß er ebenso sehr, wenn nicht Licht, mehr Freiheit zu erstreben. Gewiß, René hatte einen Briefe und Zirkulare des Delegirten für Volksbildung" that, der Kämpfe zwischen Brüdern. Er hatte dies alles mehr Zuschauer war als Handelnder, hatte er von seinem René fühlte, wie ihm noch jetzt die Nöthe in die Wangen aus nächster Nähe zu genau mit angesehen, als daß er Posten aus, wie von einer Beobachtungs- Warte die ftieg, wie er sich dabei überraschte, daß er die Faust ballte, nicht seitdem für sein ganzes Leben den tiefften Efel davor Schrecken erregende Entwickelung der Tragödie verfolgen wenn er gewisser Personen und gewisser Ereignisse von bewahrte. Aber denen, die sich einer wahuwizigen Reaktion fönnen. Auf Seiten der Vers iller  : der erste Angriff; dann neuem gedachte. Mit heftigen Schritten ging er auf und entgegen warfen, die zu den traurigen Spufgeistern aus die Gefangenen ohne Urtheilsspruch einfach füfilirt, jede Unter­ab, und drückte dann und wann seine heiße Stirn den finsteren Zeiten des Mittelalters sagten: Nur handlung verweigert, ebenso das Schiedsgericht der Schwester gegen die Fensterscheiben. Der Regen fiel noch immer über unsere Leichen geht der Weg, die ihre Besieger republiken; vom Einzug in Paris   an die Massenschlächtereien. einförmig, ohne Unterbrechung hernieder. Eine Röhre selbst zwangen, sich gegen sie die Unterstützung anderer Auf Seiten der Kommune: Auge um Auge, Zahn um spie beständig kleine Ströme Wassers auf das Trottoir, Städte zu sichern und die republikanische Staatsform bei- Bahn", die Verhaftung der Geiseln als Antwort auf die die niemals versiegen zu wollen schienen. Allmälig wurde zubehalten, diesen würde er noch heute zurufen: Nein, Hinrichtungen, auf die Erschießungen Erschießungen, auf René ruhiger, aber auch trauriger. Er warf sich in einen Bürger, hierin habt Ihr Euch nicht getäuscht. Ich schwöre, die Megeleien die Feuersbrunst, schließlich unsicheres Tasten, abgenügten Stuhl, und in seiner Erinnerung zogen alle die daß Ihr die Republik   gerettet habt! Unordnung und Spaltungen, wirre Begeisterung, das ver traurigen Ereignisse von neuem vorüber. René hatte diese Worte laut vor sich hingesprochen, zweiflungsvolle Verröcheln einer improvisirten und ver Das war jest der Bürgerkrieg, der noch hundertmal wie wenn er auf der Tribüne stand. Erregt war er auf- fehlten Revolution. Wer vermag angesichts dieses Chaos wilder und widerwärtiger war als der andere. Wie war gesprungen, aber unter dem Druck düsterer Gedanken sant von Schrecknissen zu sagen: Diese sind unschuldig! Jene René zu einem Insurgenten, einem Rebellen geworden? er bald wieder in sich zusammen. allein find die Schuldigen? Wußte er es denn selbst? Hatten sie denn erst lange Be Warum mußte jede That für den sozialen Fortschritt Und dennoch hieß es auch hier wie immer: Tod und rathungen gepflogen und die Folgen ihres Aufstandes er immer für diejenigen, welche sie wagten, oft sogar für die Verderben der Besiegten! Hetzt sie nieder! Kein Quartier wogen, die viermalhunderttausend Pariser, die gleich ihm ganze Gesellschaft, eine Quelle des Unheils werden? Durch für sie! Kein Mitleid! Keine Gerechtigkeit! Bahllose an dem Aufstand theilnahmen? Die Nationalversammlung, welchen Rückfall in die Zeit der Barbarei war es möglich, unvergeßliche Szenen stiegen in einer flüchtigen trostlosen die für andere Dinge ernannt war, hafte verrätherischer Weise daß ein Kampf der Geister, der Interessen zum Kampfe mit Vision vor ihm auf: Paris  , sein Paris  , das nur noch ein Die Monarchie wiederherstellen wollen. Sie hatte Paris   für seinen Waffen ausartete? Durch welche verhängnißvolle Ver- einziger Flammenherd war, dessen Pflaster von Franzosen­Widerstand gegen die Invasion, für seine begeisterte Liebe kettung von Umständen, von Herausforderungen und Ant- leichen bedeckt, von Pariser   Blut getränkt, von menschlichen zur Hepublik, für seine demokratischen Ansichten strafen wollen. worten, von Mord und Rache bildet sich jene blutige Rette, Gliedmaßen übersät war. Auf dem Plage vor dem Paris   widersetzte sich. in die selbst diejenigen gerathen, welche von reiner, fried- St. Jakobsthurm sah er inmitten der ganzen Blüthenpracht Ach! die braven Leute, die nachträglich am warmen fertiger Brüderlichkeit träumen? des Mai flüchtig begrabene Körper, und ach! so viele! Ofen Einem sagen: Das war thöricht, ganz und gar un- Er brauchte sich nicht davor zu fürchten, daß man ihn deren Köpfe, von Fliegen bedeckt, aus der Erde hervor finnig!" Die braven Leute, welche die Wirkung betrachteten, fragte: Rain, was hast Du mit Deinem Bruder gethan? ragten und zum Himmel starrten. Er sah, wie Frauen ohne ihre Ursachen prüfen zu wollen! Wenn es nach ihnen Nach der Belagerung war er zu leidend, als daß er noch und Kinder zu Dußenden füfilirt wurden. Am Fuße einer gegangen wäre, dann hätte man es noch einmal ruhig mit länger die Waffen tragen konnte. Um eine polis Mauer, vor der sie niedergeschossen wurden, floß ein rother