Einzelbild herunterladen
 
  

Das obeefchleßjche Pulverfaß. Die oberschlesische Frage hat plötzlich eine äußerer- d entliche Verschärfung erfahren. Nicht etwa durch die Schandtaten der Berbrecherbanden, die diesmal im Gegensatz zu Vorkriegszeiten unter dem Vorwand eines nationalen Befreiungswerkes über die polnische Grenze her- eingebrochen sind, und das von Korfanty begonnene Werk auf ihre Art fortsetzen, sondern durch ein Ultimatum der En- tentekommisiion an den Führer des deutschen Selbstschutzes, General v. Hoeser. Es wird ihm die Zurücknahme seiner letzthin etwas vorgegangenen Streikräfte befohlen, widrigen- falls die Ententebesatzungen aus den noch von ihnen gehalte- nen Städten zurückgezogen würden. Hoefer hat diese Forde­rung abgelehnt, weil er nicht die Macht zu ihrer Durch- setzung habe; der Selbstschutz und noch viele andere Deutsche könnten und würden die preisgegebenen Deutschen in den Städten nicht im Stich lasten können, und was also aus der Räumung der Städte entstehen würde, sei unabsehbar. Dies ist leider nur zu wahr. Man kann sich schwer zu ruhiger Betrachtung zwingen, wenn man sieht, wie die Oppel- ner Kommission auch den letzten Rest von Schutz, den sie ge- mäß ihrer feierlichen Pflicht den deutschen Oberschlesiern noch gewährt, freiwillig hinwerfen will. Hat sie Sicherheit, daß nach dem Zurückgehen des Selbstschutzes die Polen Ober- ichlesien räumen? Wenn ja warum teilt sie das dem Selbst- schütz nicht mit? Es wäre das beste Mittel, ihn zum Rückzug zu bewegen. Trotzdem muß an den Selbstschutz appelliert werden, über alle Leidenschaft den Verstand triumphieren zu lasten, mag das zunächst auch noch als ein Opfer erscheinen. Mit Gewalt kann Deutschland nichts erreichen, es würde damit die Deutschen in Polen und vielleicht auch bald im Ruhr- gebiet, zu denen im besetzten Gebiet nur der härtesten Rache aussetzen, die in Ostrowo schon angefangen hat. Von den britischen Truppen darf man erwarten, daß sie das Recht in Oberschlesisn wiederherstellen werden nicht un­seres, sondern auch das der Entente, das heute unter die Stiefel der Korfanty-Banden getreten ist. Von Berlin aus wird, wie wir hören, alles versucht, um eine friedliche Lösung herbeizuführen. Die Reichsregierung bemüht sich seit Sonntag früh darum und man hofft auf günstigen Erfolg. Der Kattowiher Bahnhossraub. Saktowib. S. Sunt.(MTB.) Bei einem früheren anderen Ver­suche der Insurgenten, den hiesigen Bahnhos zu besetzen, wandte sich die Tisenbabndirektion an Herrn C h o q u e t, der die Erklärung abgab, die Insuraenten dürften den Bahnhof nicht besetzen, so- lange er in der Direktion sitze. Weiter erklärte er, die deutschen Eisenbahner trügen an der Stillegung des Eisenbahnverkehrs die Schuld. Sie seien nicht sähia und nicht willig. Es wurde entgegnet, die Eisenbahner seien von Ansang an bereit gewesen, den Verkehr im ganzen von den Insuraenten besetzten Gebiet aufzunehmen, so- bald Gewähr für die Sicherheit der Züge, der Beamten und der Reisenden besteht. Die alliierten Behörden hätten diese Bürg- schafi bisher stets abgelehnt, und deshalb habe der Verkehr nicht aulaenommen werden können. Arn 4. morgens zwischen 6 und 7 Uhr fuhr dann ein Zug von Idoweiche aus mit etwa IM un- bewaffneten Insurgenten in den Bahnbof ein. Am Vormittag folg­ten bewaffnete Ausständisch« und der Bahnhof befindet sich seither in ihrer Hand. Am 4. Juni vormittags begab sich eine Abordnung der deutstb-n Bürgerschaft zum Kreiskontrolleur, Maior Salerou und zum Stadtkommandanten. Obersten Ardision, die den letzteren daran erinnerte, daß er wiederhost versichert habe, die Insurgenten würden die Stadt oder Teste der Stadt nicht besetzen. Der Kreis- kontrolleur und der Stadtkommandant erwiderten, daß der Bahnhof nicht von Aufrührern besetzt worden sei. sondern dntz es sich um arbeitswillige polnische Eisenbahner handele, die den Bahnhof besetzt bätten. weil die deutschen Eisenbahner unfähig und unwillig seien, den Verkehr aufzunehmen. Die deutschen Herren betonten, daß der Bahnhof ein Test der Stadt Kattowitz sei, und daß die Besetzung entgegen der französischen Ansicht durch die polnischen Aufrührer vollzogen sei. Am Nachmittag erklärte Oberst Ardision. dafi er bereit sei. den Bahnhof zurückzuerobern, aber di- Stadt müsse sich damit ablinden, kein Licht und kein Wasser zu erholten. Die deutsche Ab- vrdnting lehnte ab. auf diese Auskunft eine Antwort zu aeben, und verwies den Stadlkommondanten darauf, dah es fem« D sticht und die der alliierten Behörden fei. die Stadt zu schüren und dafür zu sorgen, daß sie von Insuraenten frei bleibe und daß ihr die Lebens- möglichkett nicht abgeschnitten werde. Das.ausgelieferte Lattd. Hiudenburg, 5. Juni. lWTB.) sBerlvätet eingetrossen.s Am 4. Juni erschienen etwa 200 bewaffnete Aufständische in der Händler- schen Brauerei, stehen ztmächst die Fernsprechapparate besetzen, durch- suchten dann die ganze Brauerei und die Wirtschaftsräume und er- klärten, die Vorräte abfahren lasten zu müssen: sie seien für das polnische Rote Kreuz bestimmt. Widerspruch gegen di« Gewalt- maßnahmen war zwecklos. Es wurden nicht nur die Biervorräte, sondern nahezu alles, was man sonst an Eh», Trink- und Rauch- waren vorfand, auf Wagen fortgefahren, soweit die Aufständischen die Waren nicht in ihren Taschen und Rucksäcken verstauen kannten. Unter den Aufständischen befanden sich auch polnische S t a d t v e r- ordnete aus Hindenburg . Königshütte, 3. Juni.<WTB.) sDerspötet eingetroffen.! Seit dem Einmarsch der neuen Besotzungstruppe der Insurgenten sind auch einige Straßen der bisher freien Südstadt von den Insurgenten besetzt worden. Die Kontroll« und Durchsuchung beim Betreten und Verlassen der Stadt wird jetzt schärfer gehandhabt. Dleß. 5. Juni. tWTB.) sVerspätet«ingetroffen.I Die bisherige französische Besatzung der Stadt Pleh ist am 3. d. M. abgerückt. Man befürchtet eine neue Besetzung der Stadt durch die Insurgenten.

Das Reparationssthieüsgericht. Paris , 6. Juni. (WTB.) Wie derTemps" seststellt, beruht das Verlangen des Reparationsausschustes, für Auslegungsschwierig- keiten über irgendeine Klausel des Friedensoertrages einen Echieds- richter zu ernennen, wie§ 13 des Anhangs 2 Abschnitt 8 vorsieht, aus dem Wunsche, einige bereit» seit längerer Zeit bestehenden Mei- nungsverschiedenheiten zu beseitigen. Es handle sich um Textver- schiedenheiten in der französischen und der englischen Ausgabe de« Friedensvertroges, ferner um die Festsetzung des Preises der von den Deutschen gelieferten Kohlen, um di« Festsetzung der bel- gischen Schuld und um andere». Noch demTemps" soll der Schiedsrichter nicht notwendigerweise ein Neutraler sein, denn bei der Festsetzung des Gesamtschadens Hobe ein Schiedsrichter mit- gewirkt, und dieser sei Amerikaner gewesen. Da» Blatt stellt weiter fest, daß di« Fragen, die einem Schiedsspruch unterworfen werden. einzig und allein juristische Fragen sind und sich nicht aus die Aus- legung des Anhangs 8 des Friedensoertrage» selbst beziehen.

Zum Abbruch de» niederschlesischeu Lergarbeikerstrelks. worüber wir im gewerkschaftlichen Test berichteten, ist noch mitzuteilen, daß das abgeschlossene Uebereinkommen vom 1. Juli ab eine Lohnerhöhung von durchschnsttlich 3 Mark je Schicht zusichert. Der Abbruch de« Streiks wurde durch die Revierkonferenz der Bergarbeiter mit 171 gegen 46 Stimmen beschlossen. Die übergroße Zahl der daraus sol- genden Belegschostsversammlungen trat dem Beschluß der Revier- konserenz bei._

DleMemungsfrecheit" ües Mnifterftürzers Das Urteil im Ponsick-Prozetz. Hg. Potsdam, 6. Juni 1921. Die Disziplinarkammer in Potsdam beschäftigte sich gestern mit dem seinerzeit viel erörterten Fall des Vortragenden Rats im Reichsarbeitsministerium, Geh. Regierungsrat Dr. Ponsick. Das Disziplinarverfahren hängt zusammen mst den Angrissen, die der frühere Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Otto Braun gegen den Angeschuldigten im Landtag gerichtet hatte. In seiner Sitzung im Januar 1921 erklärte der Genosse Braun, daß er durch einen Brief davon Kenntnis erhallen habe, daß der Geheimrat Ponfick im Reicharbeitsministerium gegen ihn eine Hetze wegen seiner Siedlungstätigkeit veronstallet habe. Eine Erklärung für das Borgehen dieses Herrn stege wohl darin, daß er, der Minister, ihn nicht für den Posten eines Präsidenten der Landeskultur- stelle haben wollte, weil er ihn für z u j u N g und n i ch t g e e i g- n e t hielt. Darauf antwortete Geheimrot Ponfick in einem offenen Brief, der in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht wurde, sehr scharf. Wegen dieser Antwort, die auch persönliche Ausfälle gegen den Ministerpräsidenten enthielt, wurde gegen ihn«ln Diszipli­narverfahren eingeleitet. Nach d-r Anklage wird Geheimrat Ponsick beschuldigt, gegen einen Erlaß des Rcichsorbeitsministers verstoßen zu haben, der de» Beamten eine gewisie Zurückhaltung in bezuq aus die Aus- Übung politischer Tätigkeit auserlegt.(§ 10 des Beamtengesetzes.) Ponfick wurde vom Amt dispensiert und die Hülste des Gehalls ein- beHallen. Wie der Angeschuldigte aber erklärt, ist am 21. Mai die Disvensierung wieder aufgehoben worden, da der Reichsarbeits» minister ihn für unentbehrlich erklärte. Der Angeschuldigte gibt an, daß der Leiter des Siedllmgswesens im Reichsarbeitsmini- sterium. Dr. A l b r e ch t, von dem Vorsitzenden der Kreiswohlsohrts- stelle in Nauen einen Brief erhallen habe, worin um Auskunft ge- beten wurde, wie man den Schwierigkeiten in der Siedlungsfrage in Preußen begegnen könne. Dieser Brief wurde dem Angeschuldig- ten von Dr. Albrecht übergeben. Er habe nun in einem Schreiben darauf hingewiesen, er habe schon in der Reichssiedlungskonferenz betont, daß verschiedene Staaten, insbesondere Preußen, das Reickssiedlimgsaesetz sabotieren. Dieser Brief gelangte zur Kenntnis des Ministerpräsidenten, der in der Landesoersammlnng darauf ent. sprechend anwortete. Nach einer Unterredung mit dem Reichs- arbeitsmini st er richtete der Angeschuldigte dann ein Schreiben an diesen, worin er erklärte, daß er in den Zeitungen ein« Ant- wort an den Ministerpräsidenten Braun und Anlagen über besten schädliche Wirksamkeit oeröffentlicken werde, falls der Minister nicht im Reichstage die Angiffe gegen ihn zurückweise. Auf dieses Schrei- den ist ein Bescheid des Ministers nicht ergangen. Nach drei Tagen wurde ein Erlaß des Ministers an die Leiter der Abteilungen ge- richtet, worin es heißt: Ein Einzelfall gibt mir Anlaß. Nachstehendes bekanntzugeben: Es liegt für Beamte das verfassungsmäßige Recht der freien politischen Meinungsäußerung vor, das aber durch 10 des Beamtengesetzes in gewissem Sinne beschränkt wird, denn dieser Paragraph legt den Ministerialbeamten eine besondere Zurückdaltung auf in Angelegenheiten, die sie selbst dienstlich in leitender Stellung zu bearbeiten haben. Sie müssen jede Stellungnahme gegen di« politischen Richtlinien ihrer Minister oder der Reichsregierung vermeiden. Dr. Ponfick leate dagegen Verwahrung ein, weil diese Per- iügung geaen die R e i ch s v er fa ss u n« verstoße. Am 17. Fe- bruar veröffentlichte Ponsick ein offenes Schreiben in den Zeitungen, dos auch in derTäglicken Rundschau" abgebildet war. Darin waren sehr scharfe Angriffe aegen den Ministerpräsidenten Braun entHallen. U. a.Braun der Siedler, als gehetzte Unschuld." Braun wird als Schödling in der Siedlungsfrage bezeichnet, und es wird bedauert, daß er keinen Hauch von der preußischen histo- rischen Siedlungsausgabe habe. Es ist auch von Dilettantis- m u s die Red«, und es heißt weiter darin. Braun versuche dem v e r- haßten Reich, in dos wieder etwas Ordnung gekommen sei, eins zu versetzen und dazu sei ihm jedes Mittel recht, im Interesse einer skrupellosen Parteipolitit. Wenn die JJlut vom 20. Februar Herrn Broun dahin spüll, wohin er gehört, werde Preußen aufatmen und er werde stolz sein, durch seine poli- tische Tätigkeit dazu beigetragen zu haben. Wegen dieses Briefes ist gegen Ponfick dos Disziplinar- verfahren eingeleitet worden, wegen Verstoßes gegen Z 10 des Beamtenqesetzes und Ungehorsam gegen die Verfügung des Reichs. arbeitsministers. In seinem auf Freisprechung abzielenden Plädoger be- schäftigte der Angeschuldigte sich mit der Person des früheren Mi- nisterpräsidenten Braun und bestand auf seinem Recht der freien Meinungsäußerung. Deshalb werd« auch der heutige Prozeß der Grundstein für die politische Meinungsäußerung der Beamten. Wenn auch im Fall« einer Freisprechung das Gericht Anfeindungen ausgesetzt sein werde, erwarte er sie doch, d a auch eine Verwarnung der Sozialdemokratie Oberwasser bringe. Er sei ans Kaiser und König vereidigt und habe andere Ideen, wie die Männer, die den Verlrag von ver- saille» unterschrieben hätten. Nach langer Beratung verkündete der Vorsitzende, Landgerichtsrat Hortung, das Urteil: Der Angeschuldigte wird wegen Dienstvergehens mst einer Per- w a r n u n g bestrast und hat die 2 o st« n des Verfahrens zu trogen. Begründend führte der Dorsitzende aus: Di« Reich sdisziplinar- kammar ist der Ansicht, daß der in der Anschuldigungsschrift erhobene Vorwurf der Verletzung der Würde, die sein Beruf von ihm er- fordere, aus den Angeschuldigten nicht zutreffe. Er habe sedoch be- wüßt gegen das Verbot feines Vorgesetzten, des Reichsarbeitsmtnisters, gehandelt und dadurch die ihm auferlegte Gehorsamspflicht außer Acht gelassen. Wenn auch diese dienstliche Anordnung des Ministers nur vorläufigen Charakter gehabt habe und durch eine Kabinettsentschließung bestätigt werden sollte, so werde sie dadurch ihrer amtlichen Bedeutung nicht ent- kleidet. Die Annahme des Angeschuldigten, daß der Artikel 118 der Reichsverfossung das Recht der steien Meinungsäuße- rung den Beamten verbürge, fei insofern falsch, als die Verfassung die Gehorsamspflicht der Beamten nicht habe ändern wollen, da ohne die Gehorsamspflicht die Führung der Berwoltungsgeschäste undenkbar sei. Der Abschnitt 1 des zweiten Houptteils der R. B. behandle die Grundrechte der Einzelpersonen, Rechte und Pflichten der Beamten seien aber aus dem zweiten Abschnitt zu sol- gern. Der BegriffAngestellter" umschließe nicht ohne weiteres Beamte. Das geh« hervor aus Artikel 16 der R. V., 11, 33 und 73 der preußischen Verfassung. Artikel 130 der R. V. gewährleistet den Beamten nur das Recht der G e s i n n u n g s s r e i h e i t, dos fei jedoch begrenzter als das Reebt der freien Meinungsäußerung. Der Angeschuldigte könne sich demnach nicht auf Artikel 118 berufen. Er hätte mit der polittschen Betätigung zurückholten müssen. Unzweifelhaft habe er gegen ehrenrührig« und unbegründete Vorwürfe des Mini st erpräsiden- ten Braun sich in einer Zwangslage befunden und in Notwehr gehandelt und dabei berechtigte Interessen wahrgenommen. Er mußte ober wegen Ber- gehens gegen§ 10 des Reichsdifziplinargesetzes bestraft werden. Er- wogen wurde dabei, daß er durch falsche Auslegung der Reichsversassung zu feinem Entschluß gekommen sei, nach- dem er sich vergeblich um Genugtuung bemüht habe. « Das Urtell des Difziplinargerichtshofes muß als geradezu grotesk bezeichnet werden. Festgestellt ist. daß der Angeschul- digt« gegen das Verbot seines Vorgesetzten, des Reichs- arbeitsministers, handelte: festgestellt ist ferner, daß feine Be- rufung auf die Berjassung irrig war: dennoch begnügte sich das Gericht mit der geringsten zulässigen Strafe unter Zu-

billigung sämtlicher nur denkbarermildernder Umstände". Hierbei ist besonders bemerkenswert, daß zugunsten des An- geschuldigten irrtümliche Perfassungsaus, l e g u n g angenommen wurde. Wann hätte man wohl gehört, daß eine solche Milde einem Arbeiter gegenüber zutage ge- treten wäre? Der erste Grundsatz der deutschen Justiz, der bei Arbeiterprozessen denn auch stets vom Vertreter der Anklage ins Feld geführt wird, lautet bekanntlich:Unkennt- nis des Gesetzes schützt vor Strafe nicht." Es ist ein Skandal sondergleichen, daß dieser Fundamentalsatz gerade einem An- gehörigen dergebildeten Stände" und einem auf die Ber- fassung vereidigten Beamten außer Kraft gesetzt werden soll. Die urteilenden Richter haben sich in der Begrün- dung ihres solomonischen Spruches alle Mühe gegeben, d/n Angeklagten Ponfick freizusprechen und den Kläger Braun zum Angeklagten zu machen. Die Vehauptung, Ponfick habe sich im Zustande der Notwehr befunden, ist eine glatte Ver- drehung der Tatsachen, da in Wirklichkeit Genosse Braun der Angegriffene war. Das Urteil der Disziplinarkammer ist nicht geeignet, die gesunkene Autorität der Justiz zu heben: im Volke wird man wissen, was man davon zu halten hat, wenn sich ein verfassungsuntundiger reaktwnärer Beamter als Schützer der politischen Meinungsfreiheit einem sozialdemo- kratifchen Minister gegenüber aufspielt.

Zestungshast für Sranüler. Das Gericht hat den Vorsitzenden der DKPD. nicht irgendwelcher Gewaltakte überführen können, aber ihm die bekannten Austufe der Zentrale und der VKPD. als Anrei- zung zu schweren Gewalttaten angerechnet. Wenn er trotz- dem. in Berücksichtigung ehrenhafter Gesinnung und selbst ehrlichen Wollens. nur zu Festung allerdings zu fünf Jahren verurteilt worden ist. so ist dieses Urteil offenbar. wenn auch unbewußt, von gewissen Nützlichkeitsrücksichten be- einflußt. Mit ihrem Vorsitzenden im Zuchthaus hätte die BKPD. ganz anders agitieren künnen.«ls mit den Verbrechern oder mit den armen Verlockten, die von den Sondergerichten in Massen hinter Zuchthausmauern geschickt worden sind. Heinrich Brandler ist sein Idealismus zugute gehalten war- den. Er hat tatsächlich in seinem letzten Wort eine ftaunens- werte Weltfremdheit bewiesen, indem er sagte, die Diktatur des Proletariats in Deutschland werde nicht den zehnten Teil von Gewaltmaßnahmen nötig haben, wie die Regierung von heute, ja, sie würde sogar ohne Beseitigung der jetzigen Ver- fassung durchzuführen sein. Eine derartige Behauptung, wenn man die Praxis Moskaus und die Stärke der nicht nur anti» sozialistischen / nein, selbst der ontirepublikanischen Reaktion in Deutschland vor sich sieht, das ist freilich schon mehr als Idealismus, ist kindliche Naivität. Heinrich Brandler ist ein Deutschböhme aus dem Weber- land von Warnsdorf. Wie oft hat Viktor Adler den Genossen aus dieser Gegend gesagt:No ja, Ihr Deutschböhmen, Ihr seids ja alle Dichter!" * In der Strafsache gegen den Vorsitzenden der Zentrale der BKPD., Heinrich B r a n o l e r. führte Staatsanwalt P eltz er au», daß Brandter des Hochverrats, der Aufreizung zum Klassenhaß und der Aufforderung zum Ungehorsam schuldig sei. Die Beweis- aufnahm« habe dies voll ergeben. Inwieweit die Zentral« di« ttei- bende Kraft bei der Aktion in Mitteldeutschland gewesen, hat sich nicht beweiskräftig ausklären lassen, da sich der Angeklagte ebenso wie seine kommunistischen Genossen überhaupt m dieser Beziehung in Schweigen hüllt. Der erste Anstoß zu der. mitteldeutschen Aktion sei von Moskau ausgegangen. Wenn auch zugegeben werden mag, daß unter den deutschen Kommunisten viele an sich der Anwen- dung von Gewalttaten nicht zuneigen, so sei doch zweiselloe die deutsche Partei finanziell und geistig völlig abhängig von Moskau . das beweise schon die Tatsache, daß das Gebot von Moskau , für eiw gute Parteileitung zu sorgen, dazu geführt habe, daß der bisherig» Porsitzende Levi durch Brandler ersetzt worden ist. Es wird eine maßlose Hetze gegen die Regierung betrieben und fortgesetzt Auf- fordernnzen zur Bewofsnüng erlassen, unter völliger Entstellung der wirklichen Tatsachen. Da handelt es sich nicht um«ine Defensiv«. sondern um«ine gewaltsame Offensive. In dem Aufruf vom 24. März werde diese ganz kraß und deutlich als der einzige Weg er- klärt, um die Diktatur des Proletariats zu erreichen. Bon einer Zuchthausstrafe bat der Staatsanwatt abzusehen, da nach dem ganzen Ergebnis der Verhandlung dem Angeklagten«in« ehrlose Gesinnung nicht zum Vorwurf gemacht werden könne; er sei wohl mehr Idealist, und nach der gan- zen Sachlage sehe er die Dinge mehr vom theorettschen Standpunkte an und neige auch theoretisch mehr dem Bestreben zu, derartige Der­brechen zu vermeiden. Aber er habe doch auch zugegeben, daß er prinzipiell der Anwendung von Gewalt nicht unter allen Umständen abhold sei. Andererseits sei zu berücksichtigen, daß der Angeklagt« von seinem Standpunkt sich redlich bemüht, dem Proletariat zu helfen. Wenn der Staatsanwalt hiernach auch Festungshaft in Dorschlog bracht«, so wi«s er doch auf die Gefährlichkeit ver kam- munistischen Bewegung für das Deutsch Reich hin und beantragte demgemäß eine Festungshaft von 7 Jahren unter Anrech- nung der Untersuchungshaft. In längeren Ausführungen plädierten die Rechtsanwälte Dr. S. Weinberg- Berlin und G a r e i s. Chemnitz für Freisprechung eventuell auf mildernde Umstände: B r a n d l e r selbst wies in län- geren Darlegungen den Vorwurf, daß er Hochverrat begangen habe, entschieden zurück und hielt es für ganz unverständlich, daß die An- klagedehörde sich einer solchen Annahme überhaupt habe zuneige» können. Die Diktatur des Proletariats, wenn sie endlich durchgeführt werden würde, würde nicht den zehnten Teil von GewattmaßregA» nötig haben, wie die setzige Regierung, sie würde sogar durchzuführen sein, ohne die bestehende Persassung beseitigen zu müssen. Das Gericht hielt es nicht für zweifelhaft, daß durch die fraglichen Aufrufe der Zentral« in derRoten Fahne" und in Flugblättern eine ge- waltsame Aendenmg der Persassung angebahnt werden sollte. Der Angeklagt« hat sich daher einer Aufsoroerung zum Hochverrat in Verbindung mit Aufreizung schuldig gemacht. Die Verhandlung hat ergeben, daß der Angellagte nicht aus ehrenrühriger Gesinnung ge- bandett hat, sondern überzeugt ist von den kommunistischen Idealen. Was die Höhe der Strafe bettifft, so ist erwogen, daß infolge dieser Austufe in Mitteldeutschland erhebliche Straftaten begangen worden sind, für die der Angeklagte demnach in gewisser Beziehung moralisch mit verantwortlich fft. Dos Gericht erkannt« auf 3 Jahre Festungshaft. _ Der Riesenprozeß pegen Max Höst wegen aller erdenklichen Straftaten beginnt am kZ. Juni vor dem Berliner Sondergericht unter dem Borsitz des Landgerichtsdirektors Braun. Es sind gegen 70 Zeugen geladen. Alle» zurückgenommen! Das Privatklageverfahren zwischen dem Redakteur der»Freiheil", Felix S ssing er. und dem Cbes- redakteur de«Berliner Tageblatte«", Theodor Wolfs, über dessen Entstehung wir vor Jahresfrist berichteten, ist durcb einen ver- gleich dahin erledigt worden, daß die den Gegenstand der Klage und Widerklage bildenden Aeußerungen. soweit sie aegenteiug al« beleidigend angesehen werden, wechselseitig zurück- genommen sind.