Nr. 273+ 38. Jahrgang Sonntags- Ausgabe
Ausgabe A nr. 139
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Sonntag, den 12. Juni 1921
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Demonstriert gegen die Mörder!
bericht des Borwärts".)
"
den Händen geriffen werden. Die bürgerliche Presse ist heute
Arbeiter, Angestellte, Beamte! Sozialisten, Republikaner!
laffung der unschuldig politisch Inhaftierten) von allen im von der Streifleifung ausgegeben worden. Streit ftehenden Organisationen angenommen und als Parole
Die Beerdigung des Abgeordneten Gareis findet Montag
nachmittag 5 Uhr, auf dem Oftfriedhof statt.
München , 11. Juni. ( Eigener Drahtbericht des Borwärts".) Die Einheitsfront des Münchener Proletariats zur In München wüfet der weiße Schrecken. Erreichung der politischen Generalftreifforderungen ist wiederDer Fremde, der am Morgen des ersten Streiftages Mün chen betritt, merkt im ersten Augenblic feine sonderliche Ber - Die Gegenrevolutionäre, die Monarchisten, die( wiederherstellung der Bersammlungs- und Preßfreiheit, Freihergestellt. Die Formel der SPD . ist mit zwei Zufähen änderung. Das Straßenbild ist belebt wie immer, die Gasthöfe sind überfüllt, die Straßenbahn fährt. Aber da und dort Orgesch- Leute üben unter dem Schutze der von ballen sich Menschenhaufen zusammen, um die jüngsten er ihnen eingesetzten Regierung Kahr , unter Mitregenden Vorgänge zu besprechen. Sie sind am dichtesten dort, wo Berkäufer der sozialdemokratischen Münchener Bost" und hilfe der großen Kriegsverbrecher unerhörten des unabhängigen„ Kampf" erscheinen, denen die Blätter aus Terrorismus. Alle Machtmittel der Gewalt, morgen ausnahmslos nicht erschienen, und der Spießbürger, des Terrors und der brutalen Unterdrückung der sich über die fahrende Straßenbahn freut, schimpft über werden angewandt. Versammlungen werden das ausgebliebene Morgenblatt. Die Organisationen sind bemüht, die Lücken, die das Streitbild heute noch bietet, am gesprengt, linksstehende Referenten überfallen, Mentag, an dem die Arbeitseinstellung sich auf ganz mißhandelt und ermordet. Gegen unseren ParBayern ausdehnen soll, zu schließen. Inzwischen wird lebhaft erörtert, wie die eingeleitete feigenoffen Saenger wurde meuchlings ein direkte Aktion durch ein entsprechendes parlamentari Attentat verübt. Der unabhängige Abgefches Borgehen wirksam zu ergänzen ist. Die Bluttat von Schwabing hat in die Reihen des bürgerlichen Ordnungsblocks ordnete Gareis iff als Todesopfer dieser gestarke Erichütterung getragen. Ein Zeichen dafür ist wiffenlosen Maffia gefallen. die scharfe Stellungnahme des„ Regensburger Anzeigers", des Organs des banerisch- volksparteilichen Führers Dr. Held, gegen das deutschvöltische Rowdytum der äußersten Rechten.
Die Beteiligung am Streit in München ist froh aller Schitonen sehr groß. Die Musiker der Gaststäffen wurden mit der gelben Beamtengewerkschaft zum Teil aufrechterhalten. Die Entlaffung bedroht. Der Straßenbahnbetrieb wird von der Brauerei-, Hotel- und Warenhausangestellten haben die Urdem Streiffomitee. beit niedergelegt. Die Eisenbahner stehen in Verhandlung mif
Die Morgenausgabe des„ Kampf"( usp.) wurde heute hängt. Aufrufe des bayerischen Beamtenbundes fordern zum mittag beschlagnahmt und die Borzenfur über das Blatt verFernbleiben vom Streif auf. Anschläge und Handzettel realfionärer Herkunft famen zum Ausgabe mit dem Inhalt:„ Die Waffenablieferung der Einwohnerwehr unterbleibt. Die schon Die Arbeiter Bayerns kämpfen gegen die abgelieferten Waffen sind in den Depots fofort abzuholen. gegen die reaktionären
Das Gefühl, daß es mit dem Kahr Escherich- Regierung Kahr , Böhner Regimenicht weitergeht, ist auch in den Machenschaften, die sie unterstützt. Kreisen des Bürgertums sehr start. Unflar ist allerdings,
in welcher Weise die Kenderung erfolgen soll.
Abends wird uns gedrahtet: Die Lage in München ist außerordentlich verschärft worden. So ist die Beschlagnahme der Münchener Post" wegen Aufforderung zur Ausdehnung Die Arbeiter und Arbeiterinnen Berlins , die bot des„ Kampf" wegen verffecter Aufforderung zum Mord, des Streits auf lebenswichtige Betriebe erfolgt sowie das BerAufforderung zum Generalstreit, Aufforderung zum Besuch einer verbotenen Versammlung und Bezichtigung der Regierung an der Ermordung Gareis' miffchuldig zu sein. Trok ver großen Erregung der Arbeiterschaft ist es nirgends zu Aus
Im Landtag, der voraussichtlich schon am Mittwoch Angestellten und Beamten, die die Republik in wieder zu einer Bollversammlung zusammentreten wird, find die Kräfte folgendermaßen verteilt: Bayerische Volkspartei 65 , Bayern nicht gefährden lassen wollen, die den Bayerische Mittelpartei 20, Demokraten 13, Bauernbund 12, Bund preußischer und bayerischer GegenrevoluSozialdemokratie 26, Unabhängige 15, Kommunisten 7. Sozialdemokraten und Unabhängige verfügen zusammen also fionäre nicht zur Herrschaft gelangen lassen nur über 41 Mandate, von denen jetzt eines, eben das des er wollen, werden mordeten Gareis, infolge der Spaltung von Halle auf die Kommunist en übergeht.
fchreifungen gekommen.
Bei dem Aufruf der Münchener Post" handelt es sich um eine Aufforderung der Streifleitung, die aber Fortführung der wirklich lebensnotwendigen Arbeit in Krankenhäusern,
am Montag um 5 Uhr nachmittags Baffer- und Kraftwerken vorschrieb.
Aber auch die Unabhängigen lehnen grundsätzlich die Beteiligung an einer Koalitionsregierung mit den Bürger- profeffieren gegen die Zustände in Bayern in lichen ab, so daß die Arbeiterparteien für eine folche Koalition
nur über 26 Mandate, nämlich die der Sozialdemokratie, ver- folgenden Versammlungen:
fügen.
Fort mit Pöhner!
mit großer Sorge einen Ausweg aus dem Labyrinth und viel Brauerei Königstadt, Schönhauser Allee . Snartigen Augenblid, in dem die Mordlat noch feineswegs
leicht gern den Weg einer Koalition, ähnlich der im Reiche, be
treten würde, so ist auf der anderen Seite die Stimmung Germaniasäle, Chausseestr. 110.
der Arbeiterschaft begreiflicherweise gerade jetzt
aufs
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München , 11. Juni. ( Eigener Drahtbericht des„ Vorwärts".) Jm Stadtrat München verließen heute mittag um 12 Uhr die bürgerlichen Fraffionen nach Abgabe einer Erklärung, daß sie sich im gegenwärtigen aufgeflärt sei, an politischer Auswertung dieses an fich traurigen Falles nicht beteiligen fönnten, den Sihungsfaal. Hierauf beantragten die sozialistischen Fraktionen, die Forderungen des führte der Referent aus, fei selbstverständlich die Beseitigung der Leifung der Münchener Polizeidireffion eingefchloffen.
schwerste gereizt. Wie soll ein Zusammenarbeiten Prachtsäle des Westens, Spichernftr. 3. Generalftreils dem Landtag zu unterbreiten. In dieser Formel, möglich sein zwischen der Sozialdemokratie und den bürger- Kammersäle, Teltower Straße. lichen Parteien, die man für die erbitternden Borgänge der
letzten Zeit verantwortlich macht, und die es zum guten Kliems Festsäle, Hasenheide.
Teil auch wirklich sind?
Inzwischen versucht der Polizeipräsident Pöhner zu
militärisch befeßten Ausstellungsgelände zusammenzufinden.
Aus den Versammlungen werden die Massen beweisen, daß seine Herrschaft noch unerschüttert ist. Sein Bersammlungsverbot hat die Arbeiterschaft freilich nicht ge- in Demonstrationszügen nach einem noch zu behindert, sich heute zu vielen Tausenden in dem verbotenen und stimmenden Platz marschieren und dort in geAber wer weiß, was weiter geschehen wäre, wenn nicht Ge- meinsamer Schlußkundgebung den noff: Crhord Auer gerade noch im richtigen Augen unter Kampf ansagen den gegenrevolutionären gefordert hätte, auseinanderzugehen? Draußen standen die Mächten, denen feiger Meuchelmord ein zuPanzerautomobile und drehten ihre Rohre in der Richtung auf den Feind". Hinter ihnen standen die grünen lässiges Kampfmittel ist.
schärfstem Proteft gegen die Kahrsche Brutalitätspolitik auf
Lanzenreiter eine bayerische Spezialität, dergleichen
-
Nieder mit den Mördern!
man sonst nirgendwo sieht. Das Bild mahnt ein wenig an die trieben, in allen Bureaus, in allen Amtsstuben In Massen versammelt Euch! In allen BeRosaten des alten russischen Zarenreiches. Daß die Masse, obwohl es ihr natürlich sehr gegen den Strich ging, die Mah- werbet für diese Demonstration! nung des Genossen Auer befolgte, zeigt die große Autorität des sozialdemokratischen Führers. Kommunistische Zwischenrufe fanden feine Beachtung, und was sollte auch der Widerspruch? Für die Sozialdemokratie ist Arbeiterblut ein besonderer Saft; sie ist nicht geneigt, mit ihm so freigebig um- dafür ist, daß man mit der Kahr - Wirtschaft schließlich doch zugehen wie die Kommunisten. feitic wird. Diese sind natürlich drauf und dran, die Bewegung Ueber den ermordeten Führer der Unabhängigen, Gareis, , weiterzutreiben" und jeden seiner Verantwortung bewußten hört man auch in sozialdemokratischen Kreisen nur Gutes. Arbeitervertreter als" Berräter am Proletariat" zu be- Seiner Begabung dankte er es, daß er schon im Alter von schimpfen. Um so notwendiger ist es, ein reibungslofes Bu- etwas über 30 Jahren in eine leitende politische Stellung fam. fammenarbeiten mit den Unabhängigen zu ermöglichen, Sein Charakter wird als untadelig gerühmt. Die Soliwas bisher auch ganz gut gelungen ist. Der Wunsch nach darität in der Trauer um den Berlust dieses Mannes ist so Cinigteit ist durch den tragischen Tod des Abgeordneten vollkommen, wie es auch die Solidarität des politischen Gareis in der Arbeiterschaft nur noch viel stärker gewor: handelns fein müßte, wenn sich Bayern eines Tages doch den. Allgemein erfennt man, daß eine Zusammenarbeit der durch die Kraft der Arbeiter aus dem blutigen Sumpf, in dem beiden Parteien auf vernünftiger Grundlage die Borausfegung es fich befindet, erheben soll.
Die fehlen noch:
München , 11. Juni. ( Eigener Drahtbericht des Borwärts".)
Die Hauptversammlung des Reichsbürgerrats hat heute mittag begonnen. Das Referat hielt der preußische Minister a. D. Wahlrechtsfeind 25 bell. Er redete gegen die Kriegsprozesse in Leipzig für unteilbarkeit Oberschlesiens und sein Berbleiben bei Deutschund gegen die Farbigen im Rheinland , und brachte eine Entschließung land ein.
Interpellation im Reichstag.
Die Unabhängigen bringen folgende Interpellation ein: In der Nacht zum 10. Juni 1921 ist der bayerische Landtagsabgeordnete Gareis, Borsitzender der Fraktion der USPD . er schen Kreisen, die sich unter Begünstigung der Rahr- Regierung in mordet worden. Der Täter ist entkommen. Es steht jedoch fest, daß
das Berbrechen angeftiftet wurde von den monarchistisch- militaristi
den Einwohnerwehren und Orgeschformationen Waffen für thre reaktionären Pläne geschaffen haben.
Was gedenkt die Regierung zu tun, um:
1. eine ausgiebige Sühne für die Ermordung des Abg. Gareis zu bewirken; 2. die der Sicherheit Deutschlands im Innern und Aeußeren gefahrbringenden Einwohnerwehren und Orgefchformationen zur fofortigen Auflösung zu bringen und ihre restlose Entwaffnung zu fichern;
3. in Bayern verfaffungsmäßige Zustände herbeizuführen durch Beseitigung des Ausnahmezustandes und der Boltsgerichte? Was gebentt fie
4. zu tun, um die verfassungswidrige, allen reaktionären Umtrieben in Bayern Vorschub leiftende Kahr- Regierung daran zu hindern, weiteres Unheil anzurichten?
Diese wirklich dringliche Interpellation muß natürlich sofort auf die Tagesordnung gesetzt werden.