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Nr. 268.

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für 1894 unter Nr. 6919.

Vorwärts

11. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzetle oder deren Naum 40 Pfg., für Vereins: und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Erpedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Bor mittags geöffnet.

Zerusprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse:

Sozialdemokrat Berlin Berliner

Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuts- Straße 2. Freitag, den 16. November 1894. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Arbeiter! Parteigenossen! Trinkt kein boykottirtes Bier!

Bur Diphtherikisfrage. egen sollen, zumal ein bauernder Bezug bes Mittels noch Hauswirth erzürnen, und darum wird er möglichst ein

Aus ärztlichen Kreisen wird uns geschrieben:

lichkeit verhandeln und dadurch das Publikum vorzeitig seine Praxis angewiesen, darum darf er sich nicht mit dem erregen nicht gesichert ist. Dabei ist der Vertrieb einer Aktien Gutachten über die Wohnung zu vermeiden suchen. An­

Zur Zeit ist die Frage der Behandlung der Diphtherie gesellschaft übergeben; dieselbe wird natürlich auch noch genommen den Fall, in einer Arbeiterwohnung auf dem durch das sogenannte Heilserum eine brennende geworden, durch Reklame- Artikel die Kauflust zu steigern suchen, nicht Lande bricht der Typhus aus; der Physikus ist der Arzt nachdem der Kongreß für Hygiene in Budapest sich für die zum Schaden der Aktionäre. Allerdings scheint ja bezüglich des Gutes, behandelt den Kranken und macht zugleich Anwendung dieser Behandlung entschieden hat. Die meisten der Beschaffung für die arme Bevölkerung gesorgt werden pflichtgemäß Anzeige von den Umständen, welche den Typhus Nichtärzte werden nun wahrscheinlich eine falsche Vor- zu sollen; umsomehr hätte man, durch das Koch'sche verursacht haben. Sun, so kann man als fast sicher annehmen, stellung von dem Wesen der Serumbehandlung haben, da Tuberkulin- Fiasko gewißigt, vorsichtig sein sollen mit der daß der Gutsbefizer sich einen anderen Arzt engagirt. In man meift von einer Impfung" gegen Diphtherie sprechen Veröffentlichung; denn es bleibt die Gefahr einer neuen Ents beiden Fällen hätte der Medizinalbeamte aus eigener hört. Es erfolgt aber die Einverleibung des Serums täuschung bestehen, und von neuem werden sich viel schwerer Initiative einschreiten einschreiten müssen; hat hat man es aber feineswegs in der Weise, wie man mit Pockenlymphe impft, die Mittel finden, die Anwendung zu verallgemeinern, falls auch schon einmal erlebt, daß er amtlich beauftragt worden sondern der Stoff wird mittels einer Nadelsprize unter die nach einiger Zeit die Methode verbessert sein sollte. wäre, die Wohnungen in den Arbeitervierteln zu revidiren? Haut gesprißt, indem also die Nadel der Sprize in eine Wie bemerkt, scheint dafür gesorgt zu werden, daß die Die Wohlhabenden können wohl für sich allein sorgen; Hautfalte gestochen wird. Dabei ist zu unterscheiden, ob Anwendung des Mittels, trotz seines unvermeidlich hohen aber wer beschafft dem Armen eine gesunde Wohnung, ge noch gesunde Kinder für Diphtherie unempfänglich gemacht Preises, auch bei Armen geschehen kann. Uns scheint sundes Wasser, gesunde Arbeitsräume, wer hilft ihm die oder bereits franke geheilt werden sollen. Im ersteren aber das bedenklich dabei: wird man nicht seitens Seuche von seiner Familie fernhalten? Hier muß ihm der Falle sollen 4 Kubitzentimeter, im letzteren 10 eingespritzt der Regierung in Preußen, im Bewußtsein, einmal Staat beistehen. werden. Den meisten wird eine Morphiumeinsprigung be- wieder etwas Besonderes für die ärmere Bevölkerung gethan Was dann die Schulen betrifft, so ist jeder, der sich fannt sein; eine solche umfaßt aber nur 1 Rubikzentimeter; zu haben, wieder eine Weile eine unendlich wichtigere Sache nicht einen Privatlehrer halten kann, also die breite Masse eine Diphtherie Einsprißung würde also gleich 4 resp. vertagen? Wir meinen die Beaufsichtigung der Wohnungen des Volkes, gezwungen, seine Kinder denselben anzuvertrauen. 10 Morphiumspriten sein. Es leuchtet von selbst ein, und der Schulen. Der Kongreß stellte fest:" Anhäufungen Sollte man es da eigentlich nicht für ganz selbstverständlich daß eine solche Einspritzung bei einem kleinen Rinde einen von Schmutz, dunkle und feuchte Wohnungen begünstigen halten, daß der Staat dafür sorgt, daß die Schulräume erheblichen Eingriff in den Organismus bedeutet, zumal die Konservirung der Bazillen und die Verbreitung der gesund sind, daß sich überhaupt die Kinder aus der Schule diefelbe oft genug wiederholt werden muß. Wohl hat sich Krankheit. Als besonderes wichtiges Moment ist in erster feine Krankheit mit nach Hause bringen? Da wären also in zahlreichen Fällen eine Schädlichkeit der Impfung nicht Reihe Kinderreichthum der Familien hervorzuheben. Aber vor allen Dingen die Schulräumlichkeiten zu beaufsichtigen, ergeben, aber ob die Theilnehmer des Kongresses auf die auch andere Vereinigungen von Kindern können zur Ver dann die Ueberfüllung derselben, ferner der Gesundheitszustand absolute Gefahrlosigkeit derselben schwören würden, scheint breitung der Seuche Anlaß geben, so Schulen, Krippen 2c." der Kinder periodisch festzustellen 2c. Es wäre also eine sehr uns recht zweifelhaft. Hat doch Prof. Löffler, der Entdecker Diese Säße wurden nicht nur vom ganzen Kongreß ange- wichtige und dankbare Aufgabe. Aber hat jemand bemerkt, der Diphtheriebazillen, seine eigene Tochter vor kurzem an- nommen, sondern sind auch seit vielen Jahren allgemein daß dieselbe in Preußen irgendwie ernstlich in Angriff ge­scheinend nicht so behandelt. Gegen die Unschädlichkeit anerkannt. Warum greift der Staat nicht endlich hier an, nommen worden ist, trotzdem seit Jahr und Tag darüber sprechen schon die öfter beobachteten Hautausschläge nach warum tritt er nicht endlich der Abstellung der Uebelstände geredet und geschrieben wird und vom Regierungstische aus der Impfung. Ferner glaubte man anfangs, bei der Schutz- in den Wohnungen der Arbeiter und in den Schulen näher, die Sache als durchaus nothwendig seit langer Zeit an­impfung mit einer Menge von 1 Rubitzentimeter auszu- als einem Schußmittel, an dessen Wirksamkeit im Gegen- erkannt worden ist? Warum wohl nicht? fommen, hat aber dieselbe bereits auf 4 erhöhen müssen. saße zum Heilferum ein 3 weifel nicht besteht? Ferner wird niemand leugnen können, daß die Zahl Dann nahm man anfangs an, daß der Schuh etwa 2 Jahr Gewiß wird hier mancher denken, ja, sind denn dazu nicht der Todesfälle den besten Gradmesser für die Bösartigkeit vorhalten würde, allein jetzt meint man, nur für einen die Kreisphysiker da? O ja, sie sind wohl dazu da, aber einer Epidemie bildet, mithin auch für die Diphtheritis. Schutz auf 4 Wochen garantiren zu dürfen. Man sieht, sie können nur nicht. Oft genug kommen die Leute zu Um eine wirksame Abwehr gegen lettere und jede andere die Sache ist noch nicht reif. Das hat auch der Kongreß denselben und bitten Sehen Sie sich doch blos mal ansteckende Krankheit zu schaffen, müssen also vor allem die ausgesprochen, indem er aufforderte, die Schutzkraft weiter meine neue Wohnung an; der Wirth wollte alles machen Todesursachen genau festgestellt werden. Das kann natur zu erforschen. Das haben viele Regierungen durch ein- lassen, aber es ist noch gerade so ein Schmugloch geblieben, gemäß nnr durch eine obligatorische Leichenschau geschehen. schränkende Bestimmungen für die Anwendung und durch wie es der vorige Miether verlassen hat. Da müssen einem Warum haben andere deutsche Staaten fie und Preußen Warnung befundet. Könnte man durch Einspritzung von ja die Kinder krank werden." Und der unglückliche Physikus nicht? Warum ist sie nicht weiter gekommen, trotzdem 1 Rubitzentimeter einen Schuß auf etwa 1 Jahr er- möchte wohl helfen, und er könnte es auch; denn er brauchte schon vor Jahr und Tag das Fehlen der obligatorischen zielen, dann wäre die Sache schon anders. Wir wollen ja nur hinzugehen und zu bescheinigen, daß die Wohnung Leichenschau im Reichstage als standalös bezeichnet wurde? gewiß nicht die Verdienste der Entdecker verkleinern; aber für Menschen nicht geeignet ist, und der Mann ist erlöst. Damals erklärte Herr von Boetticher, daß die Einführung man hätte die Angelegenheit noch nicht in breitefter Deffent- Aber er ist bei seinem lächerlichen Gehalt von 900 M. auf die Leichenschau nach Erledigung des Reichs- Seuchen

Feuilleton .

Im Exil.

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eine merkwürdige, phantastische Landung im Hafen von.

III. Das Reisen in einem fremden Lande besitzt die Bouveret. wunderbare Eigenschaft, daß es alle unnöthigen Grübeleien, Eine Stimme rief ihm zu! Geradeaus! als er nichts [ Nachbruck verboten.] ja sogar großen Kummer zerstreut. Es mag für den Körper weiter als sich überschlagende Wellen und einen Berggipfel, der ermüdend sein, für die Seele bedeutet es immer ein Aus- wie eine Mauer steil in die Höhe stieg, vor sich sah. Dann mußte ruhen. Sie ist dann passiv, sie braucht nicht mehr nach er sich auf einem schmalen Wege, der zwischen zwei Gewässern bei jedem Schritte drängen entlang führte, vorwärts tasten; dann ging er eine in den sie sich ihr von selbst auf. Die Außenwelt tritt durch das Felsen gehauene Stiege hinauf, und schließlich in das einzige Auge an sie heran. Sie erfüllt die Seele mit einer Reihe Gasthaus des Dorfes, wo er beim einförmigen Wiegenlied wechselnder Bilder, die für die Sorgen, von denen sie früher der Wellen eine unruhige Nacht hatte. gequält war, feinen Platz übrig lassen.

Roman von Georges Renard . Autorisirte Uebersetzung neuen Eindrücken zu suchen,

von Marie Kunert .

des

Gefegnet sei er, dieser Brief aus Frankreich ! René füßte ihn voll Entzücken, dessen er sich nicht erwehren konnte. Wenn dies noch nicht das Glück war, so war es doch ein Am nächsten Tage jedoch änderte sich das Bild. Rings Sonnenstrahl, der den Nebel durchbrach, eine Liebkosung René hatte dies schon auf der eiligen Reise von Paris lag auf der Landschaft ruhiger, heiterer Glanz. Die Berga aus weiter Ferne. Der Brief war traurig und brachte nach Genf empfunden. Noch beffer konnte er es jetzt gipfel trugen Kronen von frischgefallenem Schnee und doch Freude, Muth und Kraft. empfinden, als er mit dem Dampfschiff von Genf nach hatten sich ganz in weiße Gazeschleier gehüllt. Rückfahrt Hené war nicht mehr allein. Er fühlte, er wurde Vevey fuhr. Diese erste Seefahrt vergaß er nie wieder. mit demselben Dampfer auf dem nun blausammetnen See, geliebt, sein Dasein war für andere nöthig, unsichtbar be Die Sonne kämpfte beständig gegen den Regen an, der in prächtigen, großen Mogen dahinrollte den schönen, buchtenreichen Ufern gleiteten ihn ihre Wünsche. So war er seiner Muth- es waren beinahe Aprilschauer im September, als ob entlang losigkeit entrissen. das zu Ende gehende Jahr noch einmal in seine Kindheits- Sees, vorüber am Fuße der grünen Berge, wo Alpen in weiche Formen Am selben Abend noch las er in einer Zeitung ein launen zurückfiel. Ein Regenbogen, stets zurückweichend, die strenge Hoheit der Alpen in Stellenangebot. Am Gymnasium zu Vevey war die Stelle 30g vor dem Schiff her. Der See war bald durch die übergeht, vorüber an den Stätten, wo die Poesie der eines Lehrers für Geschichte und französischen Unterricht Wolfenschatten von violetten Flecken übersäet, bald in Menschen sich mit der der Natur vermählt, um welche Dreißig Klassenstunden wöchentlich. 2000 Frants breiter Fläche golden beglänzt durch einen Sonnenstrahl, die Schatten von Byron und Jean Jacques Gehalt. Prüfung in zehn Tagen." Bevey! das sagte ihm der den bläulichen Nebel durchdrungen hatte. Sanft glitt Rousseau schweben, wo die Welle, die das Ufer tüßt, vorläufig nicht viel. Ein Vers von Musset: Nach das Boot der Savonischen Küste entlang. In Eviau, wo 2 amartine'sche Verse zu murmeln scheint. In Vevey , unter grünen Apfelbäumen angehalten wurde, war René etwas unruhig. Er mußte langem, bewunderndem Staunen, bei dem es René schwer fam ihm hartnäckig immer wieder in den Sinn. hier auf einen anderen Dampfer warten und durfte es doch wurde, sein Entzücken nicht laut auszusprechen, erfolgte erinnerte sich, daß hier daß hier einftmals die Liebe nicht wagen, den Fuß auf französischen Boden zu setzen, der endlich die Ankunft in der kleinen Stadt Vevey , die sich Juliens und Saint- Breur's) begonnen. Jedenfalls war ihm jezt verboten war. Ahnte er schon, wie oft er von seinem Blick bisher entzogen hatte, wie das gelobte Land. Beven vorläufig ebenso gut wie irgend etwas anderes! dem gegenüberliegenden Ufer mit Neid, mit Sehnsucht würde er je in diesem lachenden Paradiese, in dem die Die Bedingungen waren nicht gerade glänzend. Aber er auf dieses Winkelchen von Frankreich , auf dem nun seine Erhabenheit der Natur ihn in Staunen und Entzücken vera konnte jetzt nicht wählerisch sein, und ohne zu zögern reiste Blicke und Wünsche frei umherschweifen durften, hinüber- fegte, unglücklich sein können? René war es, als hätte eine gute Fee ihn hierher ges René am nächsten Tage nach der kleinen Stadt, zu der ihn schauen würde? Der warme Südwind verstärkte sich zum der Wind des Bufalls trug. Sturm, der See schäumte und schlug Wellen wie das Meer, führt, und die Ereignisse der folgenden Tage trugen mit so daß der Dampfer in Vevey nicht landen konnte. Mitten dazu bei, ihn in seiner Meinung zu bestärken. Er siegte in düsterer Nacht erfolgte endlich die Landung in Bouveret in dem Weltkampf mit seinen Mitbewerbern um die von

vakant.

Er

B

Aus dem Roman Rousseau's: Die Neue Heloise .

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