Material mar f» siymer, daß Weflel auf einen.Haftbefehl dee Stet» tiner Staatsanwaltschaft unter dem dringenden Verdachte des Mor- des festgenommen und am 12. Moi 1919 nach Stettin gebracht wurde. Auf dem Bahnhof dort gelang es dem Verhafteten, seinem Begleit. wöchter zu entschlüpfen. Seitdem war er flüchtig und wurde überall �>ie Ermittelungen ergaben unterdesien. daß der Feldwebel in Büdingen bei St. Aoold ein Liebesverhältnis mit einer Ehefrau Weber unterhalten hatte. Auch deren Mann war ermordet worden. Der verdacht fiel alsbald auf Wessel. Auch die Frau des Erschofie- neu teilte ihn in der Annahme, daß der Feldwebel ihren Mann er« schosien Hab«, um sie heiraten zu können. Wessel wurde auch ermittelt und festgenommen. Bei der Revolution entkam er in Saar- brücken aus der Untersuchungshaft und auch feine Akten verschwan- den mit vielen anderen. Die Berliner Kriminalpolizei, die noch nach ihm fahndete, erfuhr nunmehr seinen Aufenthalt, der sich in der Krupp» straße befand, woselbst Wessel unter dem Nomen Weflely bei einer Abwicklungsstelle tätig war. Seine Verhaftung war aber nicht leicht. Es entfvann sich eine wilde Hetzjagd, im Verlauf deren der Verfolgt« angeschossen wurde und dann auf den Boden flüchtete. Dort brach er. da ihn eine Kugel in den Rücken getroffen hatte, zu» fammen und wurde als Gefangener nach der Ehoritee gebracht. Die weiteren Feststellungen ergaben, daß der wegen Doppel» morde? überoll gesuchte Mann unangefochten unter seinem richtigen Namen bei verschiedenen Tsuppentetlen gedient hat. u. a. in Pots- dam und bei den Baltikum -Truppen. So gehörte er ein« Zeillang als Oberfeldwebel der Brigade von Dassel an. Alle Mllitärftellen, denen er angehörte, hatten in ihm einen sehr tüchtigen Soldaten, dem sie die besten Zeugnisse ausstellten. Sühne für einen Affektmord. Im weitereu Verlauf de» Potsdamer Prozesses gegen den Schlosser Grabt erklärte Sanitätsrat Dr. Magnus Hirschfeld den Angeklagten nicht für einen Sadisten. Er bezeichnete die Tat ali im Äffekttaumel eines geistig minderwertigen Menschen ausgeführt. Die Voraussetzung des ß öl hielt dieser Sachverständige und auch der zuständige Kreisarzt Medizinalrat Dr. Geisler nicht für vor- liegend. Der Staatsanwalt konnte die Frage nach Mord nicht ausrechterhalten und beantragte, die Frag« nach Tötung bei Unter- nebmung einer strafbaren Handlung i§ 214) zu bejahen. Nach dem Wahrspruch der Geschworenen wurde der Angeklagte zn 12 Jahren drei Monaten Zuchthaus verurteilt, vier Monate wurden auf die Untersuchungshaft angerechnet. ' Stein Wasser! Die Bewohner der Grundstücke in der Ueckermünder Str. 18, 14, 15 und 16 wurden gestern mit der Absperrung der Wasserleitung durch die städtischen Wasserwerke überrascht. Die Grundstücke standen bi« vor kurzem zur Subhastalion und haben jetzt einen neuen Eigentümer gefunden. Seinem Verwalter wurde die Wasser- sperre angekündigt, falls die schuldigen Kassergelder nicht entrichtet würden. Durch die Maßnahme der Wasserwerle wird jedoch nicht der Eigentümer geschädigt, sondern die Mieter mit ihren Familien. Es geht auf keinen Fall, den Mietern rücksichtslos das Wasier abzusperren, weil der Eigeniümer das Wasiergeld nicht zahlt. Die Maßnahme muß unverzüglich rückgängig gemacht werden. DaS Arsenal im Schöneberger RathanS. Ein hübscher runder Fund wurde im Schöneberger Rathaus entdeckt, und zwar wurden— man sollte es kaum für möglich halten — folgende nicht ganz ungefährliche und harmlose Dinge beschlag. nahmt: 9 schwere Maschinengewehrschlitten. Handfeuerwaffen, voll- ständig abzugbereite Handgranaten, eine große Kiste mit Seite» gewehren, zirka 1509 neue Stahlhelme, zirka KOV neue Patronentaschen, Gewehre, Stiefel, Decken, Bekleidungsstücke, zirka 29 099 Schuß scharfe Maschinengewehrmunitwn und sonstige Kriegsgerät- schaftsn. Es scheint in Schöneberg und in seinem Rathaus noch allerlei ausgewachsene Kinder zu geben, die, wiewohl sie oft genug oerwarnt worden find, da» schöne Sprichwort offenbar vergessen haben: Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es kann geladen sein. Und Herr Minister Domimcus, was sagen Sie dazu, daß aus- gerechnet an der Stätte Ihrer langen segensreichen TÄigkett eine solche Stinkbomb« platzt?_ Das KanfmaunS- und Gewerbegericht Gross-Berlin. Ein am Moniag im Berliner Rathaus tagender Ausschuß zur Vorberatung der Magistrattvorlage über den Erlaß eine? neuen OrlSgeietze» für das Berliner Gewerbe- und KaufmannSgericht be- schloß, die Stadtverordnetenversammlung zu ersuchen, unverzüglich bei der Staatsregierung vorstellig zu werden, eine Notstands- Verordnung dahingehend zu erlassen, daß die jetzt bestehenden Ge- werbe- und KaukmannSaerichte im Bezirk der neiien Stadtgemeind« Berlin bis zum Zusammentritt der neuen Gerichle, längstens bis zum 89. September er. tätig bleiben.' Ferner:.Zur Erleichterung der Klagecinbringung müssen nach Bedarf für ein oder mehrere Verwaltungsbezirke besondere Klageaulnahmestellen eingerichtet werden. Im Interesse der VerkebrSerleicklerung müssen außerdem an geeigneten Stellen noch Bedarf und für einzelne BerukSgruppen auf Antrag der Bezirksverwaltungen Gerichtstage abgehalten werden.' An Stelle des zum ersten Vorsitzenden des Neuköllner MietS- rinigungSamtS bestellten Magistratsassessor« Dr. Korella Hot da« Bezirksamt 14 den bisherigen stellvertretenden Borsitzenden des Gewerbe- und KaufmannSgericht« Neukölln, Magistratsassessor Dr. Hecht, zum ersten Vorsitzenden dieser Gerichte gewählt. Die Ermordung des Gutsbesitzers Otto auf dem sogenannten Schneckenberg im Tiergarten, die das Schwurgericht des Land- gerichts I an zwei Tagen beschäftigte, hat nun gestern durch den Spruch der Geschworenen ihre teilweise Sühne, wenigstens gegen den einen der am Verbrechen Beteiligten gefunden. Der zweite der Beteiligten, Godow, befindet sich, wie mitgeteilt, in Dalldorf zur Untersuchung seines Geisteszustandes. Gegen den Angeklagten Martin R a s ch k« gaben die Geschworenen ihren Spruch auf Schuldig des schweren Diebstahls und des schweren Raubes ab. Der Staatsanwatt beantragte 9 Jahre Zuchthaus, das Gericht verurteille den Angeklagten zu 7�- Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehroerlust. Neuoerpachwug de« Verllner Ratskellers. Mit dem langjährigen Pächter des Berliner Ratskellers Falkenberg ist ein Vertrag bis zum 1. Oktober 1926 zustande gekommen. Di« Pacht ist auf 25 999 M. pro Jahr ermäßigt worden. Dafür übernimmt der Pächter Falken- berg einen großen Tell der 289999 M. betrogenden Kosten für die vollständige Renovierung der Kellerräume. Zum Qrsterreichisch-Drutlchen Tommerfest im Zoo am 25. d. Mi». koliet di? Eintrittskarte nicht 75. sondern 2S M. Volttdundmltglieder er- Kalten in der Festkanzlei, Dorotheenstr. 13, bis zum 22. d. Ml». Karte« für IS 2*.
Sport.
Mtueklmvfe i» Ackiömeberg. Im Garten der Schloßdrauer«! findet zurzeit ein Ringtampswettstreit statt, an dem die hervorrazendste« Ringer, rote: HanS Schwarz. Heinrich Weber. Kuttchke, N-ber n. a. m teilnehmen. Jeden tlbcnd bitrelen'vier Kampfpaare die Matte. ES ist meist«in Harles Ringen robuster Kräfte mit einander, ab und zu entscheidet aber auch einmal die ausgebildete Technik den Steg. Wie bei allen diesen Konkurrenzen ist neben den anerkannt erstklassigen Ringern noch ein ganzer Stab erst im Kommen begriffener Kräste vertreten, die ihre Kampitätigkeit weit mehr aus die belustigende Unterhaltung des PizbktkumS. al» aus den Steg eingestellt zn baben scheinen. Di« Kenner des Ringkampssport» kennen dies« Kunst- slückchen: ihr Interesse«endet sich lediglich den ernsten imd vorlchrtstS- mäßig geführten Sömviea zu. Dagegen kommen die weniger Svortbeffissencn gerade durch dies«.BeluftiaunaSlämpse' erst voll auf ihre Kosten. Dadurch werden aber auch allabendlich jede« Besucher der schloßbranerei einige »«mjante Stunde» geboten.
Gericht über die Justiz.
Der Preußische Landtag beschloß in seiner 28. Sitzung am Mittwoch, den 15. Juni 1921, zunächst die Aufhebung der Straf- verfahren gegen die Abgg. R a b o l d(II. Soz.), Buchhorn(DDp) und Frau E g e(Soz.). Nach Erledigung kleinerer Vorlagen folgt die 2. Seratung Ües Haushalts der Justizverwaltung. Justizminister Am Zehahofs: Der soziale Gedanke muß in Zukunft auch in der Justiz mehr zum Ausdruck kommen. Die Angliederung der Kaufmanns- und Gewerbegerichte als Arbettsgerichte an die Amtsgerichte sst noch unentschieden. Hinsichtlich des materiellen Strafrechtes liegt der Entwurf eine» neuen Strafgesetzbuchs« vor. Allgemein häll man das alle Strafgesetzbuch für veraltet. Die Preußische Justizverwaltung hat an dem neuen Entwurf rege mitgearbeitet. Die Abänderung der Strafen für Forstdieb- st ä h l e war besonders dringlich, well das alle Forstdiebstahlgesetz sehr drakonisch« Maßregeln enthiell. Jetzt kann der Richter auf die Verhällmsse der kleinen Leute und auf die Rot der Zell Rücksicht nehmen. Freiheitsstrafen sollen, wenn sie einen Monat nicht über- steigen, durch Geld st rasen erfetzt werden. Zur Förderung des Ausbaues der Jugendgerichte soll die Skrafmündigkcit von 1z auf 14 Jahre herousgeseht werden. An Stelle von Strafmaßregeln sollen Erziehungsmaßregeln angewandt werden. Die Angliederung der Jugendgerichte an das Dormundfchaftsgericht ist unbedingt not- wendig. Von Tag zu Tag mehrt sich die Zahl der Uebertretungen von wirtschaftlichen Verordnungen. Dadurch wird der Strafrichter seiner eigenen Aufgabe der Sttafjustiz entzogen. Hier wird Haupt- sächlich der Abbau der Zwangswirtschaft günsttge Wirkungen bringen. Das Reichsgesetz, daß Frauen zum Geschworenen - und Schöffemimte herangezogen werden können, wird demnächst erledigt werden. Die Justizverwaltung hat keinen Einfluß auf die Auswahl der Schöffen und Geschworenen. Eine Erhöhung der Tagegelder für die Schössen und Geschworenen ist erforderlich. Die Reform des S t r a f o o l l- zugs wird durch die Arbeiten der Kommission, deren Einsetzung der Rechtsausschuß beschlossen hat, erheblich gefördert werden. Hinsichtlich der Verfahren in Gnadensachen ist eine Degnadi» gung nur dann ausgeschlossen, wenn Gnadenrichter und Staats- anwall sich dagegen aussprechen. In Fällen, in denen aus eine Freiheitsstrafe von nur 6 Monaten erkannt worden ist, soll die be- dingte Begnadigung eintreten. Don der Untersuchungshaft soll nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn auf sie nach Lage des Falls unter keinen Umständen verzichtet werden kann. Das dreijährige Rechtsstudium genügt durchaus, wenn der Student wirklich arbeitet. Die Behauptung, die Richter enffprächen in ihren Urteilen nicht den Anforderungen der veränderten Ver» Hältnisse, ist nicht stichhaltig. Die Schuld an Fehlsprüchen liegt in den meisten Fällen nur an dem engen Rahmen des Gel f e tz e s für die Strafzumessung. Den Borwurf der Klassenjustiz, wonach die Richter bewußt oder unbewußt das Recht beugen, weife ich auch in der abgemilderten Form entschieden zu- rück, daß die Richter infolge ihrer Erziehung zu faffchen Urteilen neigen. Abg. Heilmann(Soz.): Der Iustizministtr hat Uebersicht über die geplanten Reformen gegeben. Die allgemeine Richtung und der Wille zur Reform ist. zu begrüßen. Ob man uns in den Einzelheiten befriedigen wird. sst eine andere Frage. Rur sind wir etwas ungeduldig. Es sind beretts einige Jahr« feit der Revolution ins Land gegangen. aber man verspürt noch nichts von dem neuen Geist in dar Rechts- pflege. Beim Strafrecht liegen die Dinge besonders im argen. Sondsrgerichte und Ausnahmsgerichte beschäftigten in einem fort die Gemüter. Aus dem Wirrwarr der Eondergerichte findet man sich überhaupt nicht mehr heraus. Sie gefährden die Reckrssicherhett: denn die Gefährdung der öffentlichen Ordnung, auf die sie ihre Be-> rechtigung gininden, sst längst vorüber. Ferner machen sich über ihre Verfassungsmäßigtett die schwersten Bedenken gellend. Die Taffache, daß in verschiedenen Fällen, sowohl das Reichs-� j u st i z m i n i st e r i u m wie das Reichswehrministerium� sich nicht für zuständig erklärten, zeigt, wie groß die Verwirrung geworden ist. Die Sondergerichte haben besonders in Mitteldeuffch- land mtt ihrer Sttafjustiz mehr Menschen zugrunde gerlchfek, als der Aufstand gekostet hat. Gewiß, es sind schwere Berbrechen begangen worden. Aber die 2599 Jahr« Zuchthau» gehen weit über den Schaden hinaus, der angerichtet wurde. Man hat doch auch nicht bei dem Kapp- Puffch jeden einzelnen Soldaten wegen Hochverrats be. straft. Bei der Roten Armee deduziert man umgekehrt: du warft dabei und deshalb bist du für alles verantwortlich, was geschehen � ist. Da» üblich« Schlußwort kommunistischer Redner:.Nieder mtt der Regierung!" wird als Aufforderung zum Hochverrat mit sechs Jahren Zuchkdaus bestraft. Aehnlich liegen unzählige Fälle. Als der Aufstand vorüber war, standen die Kommunisten allein. Niemand hatte Sympathie für sie. Heut«, nach den Urteilen der Sondergerichtsjustiz wenbet sich die Sympathie wieder den Opfern dieser Justiz zu. Was soll man dazu sagen, daß ein einbeiniger Kriegskrüppel, der wie so mancher andere mit dem roten Haufen mitmarschierte, zu 8 Jahren Zuchthaus verurteilt! wurde. Wir hegen die wärmste Sympathie für die Opfer � und wir verlangen von der Regierung Stegerwald, daß sie schleu-. nicht auf die Nachprüfung der Urteile durch das Reichs- juftizminffterium dringt, damit der MMr zur Begnadigung unverzüglich in die Tat umgesetzt wttd. Oder glaubt die Regierung Stegerwald, mit den 2599 Iahren Zuchthaus die nationale Einheit, die Stegerwald so sehr ersehnt, zu fördern? Der Wahnsinn der Klassenjustiz fochtet doch das Volk erst reckst in die zwei Nationen, zerstört die Einheit.(Große Unruhe rechts) Das Kabinett Stegerwald ttägt die Schuld dafür, daß die Sondergerichte immer noch weiterbestehen und der Belagerungs- zustand nicht verschwindet(Lärm rechts). Was wollen Sie? Die Bemühungen der Reichsregierung in dieser Richtung werden ge- hemmt durch den Mderstand des Kabinett» Stegerwald. Die Gerichtsurtelle. die ohnehin drakonisch genug lauten, werde» noch oerschärft durch de» Umstand, daß von den Kapp- Ver- b r e ch e r n kein einziger vor Gericht bestraft wurde.(Zuruf des Abg. Stendel(D. Dp): Ihre Partei hat doch der Amnestie zuge- stimmt!) Herr Stendel, die Amnestie ist erst 4 oder 5 Monate nach dem Kapp-Puffch gekommen, und gerade deswegen, weil die Justiz gegenüber den Kappisten vollkommen versagt hat. Sie mußte komemn: denn Tausend«, die gegen die Kappisten kämpften, waren hinter die Zuchthausmauern aebracht worden. Gegenüber den Kappisten haben die preußischen Strafverfolgungsbehörden ihre Schuldigt«» nicht getan, wie sie diese Schuldigkett niemals tun gegenüber Leuten, die auf der äußersten Rechten zur Gewalt auf- fordere Wie war es im Fall Leblu». wo Mitglieder des Bundes Neues Daterland zweimal mit Ermordung bedroht wurden? Ein« Geldstrafe von 1999 M. war die Sühnel(Hört, hört! links.) Wie steht es bei dem Prozeß gegen die Angehörigen des Freikorps Aulock? Die Offiziere werden gar nicht angevagt, die vom Land- gericht verurteillen Unteroffiziere sind letzt vom Reichsgericht amnestier« worden, obwohl dos Landgericht festgestellt hat, daß gewöhn- liche Rohheitsdelikte vorlagen. Wie steht es in dem Fall de« Staatsanwaltes Z u m b r o i ch, der zur Universität ging und die Studenten aufforderte, sich der Kapp-Regierung zur Verfügung
zu stellen. Es geschah ihm gor nichts, er ist im Dienst, es ,«« ihm nichts nachzuweisen'. Woher kommt nun dies alles? Der Herr Iustizministtr erklärt, nichts liege ihm ferner, als der Ge- danke, daß die Richter bewußt das Recht beugten. Gewiß, auch wir sind der Ansicht, daß die Richter nach besttm Wissen und Gewissen urteilen. Aber. Die Richter stammen alle aus den be- sitzenden Schichten. Sie stehen der Arbeiterklasse fern. Der Abg. Deerberg erklärte ja ganz offen im Ausschuß, daß der größte Teil der preußischen Richter sich innerlich mit dem neuen Staat noch nicht abgefunden habe, sondern an der Monarchie festhalle. Der Richter ist aber kein Automat, sondern bei seiner Tätigkett spiell seine ganze Persönlichkeit, spielen Erziehung und Traditionen, politische Ansichten und dergleichen die
rechts: Sehr richttgl Enttüftungsrufe links). Keine Revolution ist mit dem Richterkorps so schonend umgegangen, als die Revolution des Jahres 1918. Damals oerordnete der Iustizminister Dr. Rosenfeld von der Unabhängigen Sozialdemokratie, daß die Unanhängig- teit und Unabsetzbarkell der Richter gewährleistet sei. Es ist nichts anderes als eine Niederträchtigkeit, wenn die Richter es heute so hinstellen, als solle die Unabsetzbarkell beseitigt werden. Es handelt sich hier um ein« schamlose Verdächtigung, ja anscheinend um eine bewußte Unwahrheit. Wir wollen, daß �wenigstens die neuen Richter der Republik ein besseres Verständnis siir die Arbeiter haben. Das alle Richtertum war und ist fürstentteu, arbellerseindlich und kapitalistisch in seiner Grundstimmung. Nur ein paar kleine Zeugnisse, um die Grundstimmung unseres Richter- tums etwas zu beleuchten. Da ist der Staatsanwall Dr. Gysae. Er schreibt in der.Deutschen Tageszeitung', die Sozialdemokratie möchte gerne eine Rote Justiz haben, damit die Mordbrenner ge- schützt werden und man rechtsstehende Personen um Hob und Gut bringen könne. Da fft der Staatsanwalt Dr. Meyer in Kassel , der alle Kommunisten ohne viel Bedenken als ehrlos erklärt. Nun ober noch einen Zeugen, der gar nicht gehässig, sondern ganz ruhig und leidenschaftslos spricht und deshalb ein um so besserer Zeuge ist. Der Iustizminister hat zum höchsten preußischen Richter, zum Kommergerichtspräsidenten den Herrn v. Stoff gemacht. Herr o. Stoff ist der Typus des alten Richterftandes, er fft ein ganz rechtsstehender Monarchist. Er schrieb in der.Deuffchen Juristenzeitung" anläßlich des 25. Regierungsjubiläums Wilhelms II. einen Festartikel. Darin spricht er von der„deutschen Langmut", die zu viel Rücksicht nehme gegen den äußeren und inneren Feind, das sind wir. Herr v.' Stoff rühmt als große Tat Wilhelms II. das Sozialistengesetz vom 28. Oktober 1878(Schallende Heiterkeit), und er schließt seine Artikel mtt dem Hinweis, daß man in Wilhelm II. „den ersten Juristen Deutschlands " zu verehren habe.(Langanhaltende schallende Heiterkeit.)
WWA, Und ein Mann mit' solcher Gesinnung wird in Preußen zum obersten Richter gemacht. Und noch eine Reihe von kleinen Fällen. Ein Gutsbesitzer v. Wansdorf, der einen Gewerkschaftsangestellten des Landarbeitervcrbandes beschimpft, wttd ttotz erwiesener Tat freigesprochen. Man höre! Die Strafkammer in Kreuz- ourg sagt in ihrem Urteil, der Ausdruck„Stinkiger Kerl" sei keine Beleidigung. Der Grundbesitzer habe sich nur volkstümlich ausgedrückt, um die beabsichtigte Wirkung zu erzielen.(Stürmische Heiterkeit.) Auch der Ausdruck„Hetzer" fei von Herrn v. Wans- dorf nur gebraucht worden, well die Landbevölkerung das Fremd- wort„Agitator" nicht oerstehe.(Schallendes Gelächter.) Ein ander« kleiner Fallt Das Amtsgericht Bentheim verlimdc: feine Urteile noch immer„Srn Namen des König». Das gleiche Gericht verurteilte wegen Schmuggclverdacht einen Arbeller zu hoh-r Geldstrafe, dagegen der vornehme Graf, der einen Brillan tc»s chmuck von Millionenwcrt der Grenzkontrolle entzog, wurde fr«ige- fproche» mit der famose» Begründung, er habe das Schmuck- stück nicht ins Ausland verschieben, sondern nur feiner Frau zu einer Hoffesttichteit noch Doorn bringen wollen.(Sturmisches Gelächter.) Wir glauben dem Iustizminister gern, daß er gegen die Mißstände kämpft. Allein leine Kraft reicht nicht aus. Vor allem müssen wir verlangen, daß die Auswahl der Geschworenen nicht mehr so ein- seitig erfolgt, wie bisher. In Kottbus wurden 6 Jahre hindurch sämtliche Seuslenberger Arbeiter von der Geschworeneallste ge- strichen. Die Laienrichter müssen aus Wahlen hervorgehen. Ein Berufsrichtertum wird daneben natürlich immer notwendig sein. Aber zwei Dinge find nötig: 1. muß den Kindern der ärmeren Leute der Weg zur Iustizlaufbahn fteigemacht werden, 2. müssen auch erwachsene Menschen Richter werden können, auch dann, wenn sie nicht eine volle und normale Ausbildung im Justiz- wefen aufweisen können. In Amerika ist man schon längst dahinter gekommen, daß zumeist erst die erwachsenen Menschen ihren währen Beruf entdecken. Bei uns in Preußen dagegen kann nur der Jurist werden, der vo» Kindesbeinen an schon sich auf die Iustizlaufbahn vorbereitet hat. Unter den mittleren Iustizbeamten, unter den Arbeiterfekretären gibt es genug Leute, die sich für den Richterberuf eignen. Die Auffrischung des Richtertum» ist doppell notwendig, angesichts der Zustände, die heute auf den Universitäten Herr- schen. Die alten Juristen haben sich wenigstens im Laufe der Zeit die Hörner abgelaufen, der juristische Nachwuchs dagegen ist von Haß und Neid geoe« die Arbeiterklasse erfüllt. Bezüglich der Rest- rendare ist folgendes zu sagen: Entweder man gibt ihnen Gehalt oder man erlaubt ihnen jede Art Nebenbeschäftigung. Der Iustizminister will entgegenkommen. Ich sage: Arbeit schändet nicht! Warum soll nicht ein Referendar sich am Abend als Kellner feinen Lebensunterhalt verdienen dürfen! Leute, die durch Not und Arbeit sich vorwärts gearbeitet haben, eignen sich viel mehr zum Richter, als die, die sich in einem ordentlichen Geschäftzganq heraufgesessen haben. Die Einseitigkeit des Richterstandes muß überwunden werden. Unser Antrag zeigt in seinen 5 Punkten den Weg, der gegangen werden muß.— Sie kennen die Ungerechtig- keit im besetzten Gebiet, wo deutsche Beamte und Bürger oft zu harten Strafen verurteilt werden. Dort im besetzten Gebiet sprechen fremde Ricbter Recht über das Dolk, das sie nicht kennen. Diese Fremdheit ist der große Feind in der Justiz, sowohl im besetz. ten Gebiet, wie hier bei uns. Gerade das unterdrückte Deutsch- land, gerade das Proletariervolt der Welt hat es nötig. Gerech- tigkeit zu üben, damit Gerechtigkeit auch in der Well zum Durch- bruch kommt. Gerechtigkeit überall— das ist unsere Losung. Gerechtigkeit vor allein fürdasDolt!(Lebhafter Bei- fall bei den Soz.) Iustizminister Am Zehnhoff: Herr o. Stoff ist als ein Beamter bekannt, der das volle Berttausn der ihm unterstellten Beamten in Düsseldorf genoß. Wenn v. Stoff den Kaiser den ersten Juristen des Reichs nennt, so ist das aus dem ganzen Zusammenhang ver- ständlich. In, Falle Zumbroich war der Minister des I n n e r n zu- ständig und der war damals ein Parteifreund des Abg. Heilmann. (Große Heiterkeit.) Abg. Oppeuhoff(Ztt.): Da» Urteil der Sozioldemokraiie über unser« Richter ist unbegründet. Die Kenntnisse der Arbellersetre- täre reichen für einen Vollrichter nicht aus.(Zuruf des Abg. Kag sKommss: Aber Ministerpräsident können sie werden!) Auch wir wünschen, daß das soziale Verständnis der Studierenden und Juri- sten größer wird. Krauen als Richter werden von dem großen Teil meiner Freunde abgelehnt. Auch wir sind für die Bereit- stellung von Mitteln zur Förderung Unbemittelter in ihrem juristischen Studium. Abg. Dr. Deerberg(Dnat.): Es ist doch ein sellsam« Wider- struch. daß heut« diejenigen sich als Hüter des Rechts ausspielen, die sich durch eine» unerhörten Rechtsbruch in den Besitz der Macht gesetzt haben.(Lachen link».) Wenn der sozialdsmokrattsche Redner