Nr. 295 38.Jahrgang
Beilage des Vorwärts
Sonnabend, 25. Juni 1921
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In den Zügen zusammen zu reisen, ohne Gefahr zu laufen, im Ge Es folgten mehrstündige Plädoyers der Berteidiger R.-A. Dr. dränge auf den Bahnsteigen getrennt zu werden. Die Bahnhofs- Halpert für Bock und Dr. Alsberg für die Geschwister Nägler. Dorfieher der Abgangsbahnhöfe in Berlin sind angewiesen worden, Sie brachten zahlreiche rechtliche und psychologische Gesichtspunkte für 6 und mehr zusammenreisende Personen auf besonderen Antrag hervor, die sich gegen die Haltbarkeit der juristischen Ausführungen hin ganze Abteile, je nach der Anzahl der Personen, auf den Namen des Staatsanwalts richteten und alle Momente unterstrichen, die der Reisenden vorbehalten zu lassen. Inhaber von Bahnsteigtarten die unbegreifliche Tat der zweifellos abnorm veranlagten, minder haben im allgemeinen zu den Sonderzügen teinen Zutritt. Nur wertigen Angeklagten in etwas milderem Licht erscheinen lassen Stolpe a. d. Oder In Herzsprung an der Stettiner Bahn oder Kinder zu den Zügen zu geleiten, find Ausnahmen zugelassen. wenn es sich darum handelt, trante, fieche oder gebrechliche Reisende könner beginnen wir die Wanderung. Bom Nordende des Dorfs führt der Diese Maßnahme soll verhüten, daß, wie es schon häufig vorgeBeg gen Nordost nach Neukünkendorf. Nördlich vom Weg liegen fommen ist, durch die Besetzung von Plägen mit Nichtreifenden die Prozeß gegen den Kaufmann hans Günther Goede, der Der vor dem Schwurgericht des Landgerichts II verhandelte die 81 Meter hohen Boßberge, südlich steigt der 105 Meter hohe gleichmäßige Verteilung der Sitzplätze an die Reisenden unmöglich seinen Onkel, den Buttergroßhändler Eitner in der GleditschGottesberg an, der von schönem Mischwald mit vielen Birken und gemacht wird. Buchen bedeckt ist. Neufüntendorf verlassen wir gen Nord. In Die amtlichen Uebersichten für die nach der Ostsee verkehrenden endet. Die Geschworenen bejahten die Schuldfragen wegen Körperstraße 36, getötet hat, wurde ebenfalls durch ergangenes Urteil beöftlicher Richtung kommen wir nach Gellmersdorf. Allenthalben Ferienfonderzüge mit den Fahrpreisen sind noch nicht fertiggestellt, verlegung mit Todeserfolg. Das Gericht verurteilte den Angeklagten sehen wir Steinhaufen am Wege. Wir sind im Gebiet der großen boch kann nunmehr schon gesagt werden, wann und wohin Ferien zu 4 Jahren Zuchthaus unter Anrechnung der UntersuchungsFerien- perlegung am 8. und 9. Juli ab Charlottenburg 9,45 Uhr vormittags; ab fonderzüge überhaupt vorgesehen sind. Nach Swinemünde haft. Stettiner Bahnhof am 11. und 12. Juli um 9,54 Uhr vormittags. nach Misdron am 10. Juli ab Charlottenburg 1,20 Uhr nachmittags. vormittags; am 11. Juli ab Stettiner Bahnhof 10,31 Uhr vormittags. Nach Misdron am 10. Juli ab Charlottenburg 1,20 Uhr mittags. Nach Warnemünde am 10. und 12. Juli sowie am 15. August ab Stettiner Bahnhof 10,57 Uhr vormittags und nach Stettin in diesem Jahre wieder der rücksichtsloseste Nepp der Produzenten am 11. Juli ab Stettiner Bahnhof 7,10 Uhr vormittags. Die Fahr- erwacht. In den Berliner Markthallen stehen die Frauen der Sonderzüge vorgesehen sind, fönnen erst in einigen Tagen mitge- werden nur noch 5- Pfundweise von den Händlern abgegeben, weil pläne für die Badeorte nach Rügen, für die ebenfalls noch einige arbeitenden Bevölkerung wieder nach Kartoffeln an. Alte Kartoffeln teilt werden. Der Vorverkauf für obengenannte Züge wird vorausfichtlich ebenfalls am 27. Juni eröffnet werden können.
Kartoffel- Nepp.
Vorgehen gegen übermäßige Verfeuerung. Mit den neuen Kartoffeln, die auf den Markt kommen, ist auch
nur ganz geringe und sehr minderwertige Quantitäten auf dem Markt sind. Die Zufuhren an neuen kartoffeln haben in den letzten Tagen wieder reichlicher eingesetzt. Die hohen Preise, die bisher dafür gefordert werden, haben jetzt die Preis. prüfungsstelle veranlaßt, näbere Feststellungen auf den Märkten zu machen. Beamte dieser Behörde unterzogen nachts den eutöllner Frühtartoffelmarkt einer. Prüfung und stellten dabei fest, aß die Landwirte für den Zentner durchschnittlich 180 m. betlangten und erhielten. Die Beamten schritten gegen diese Verteuerung fofort ein und zwangen die Produzenten, den Preis auf 120 m. zu reduzieren und von den erhaltenen reis auf 120 m2. zu reduzieren und von den erhaltenen Kaussummen entsprechende Beträge zurückzuzahlen.
baltischen Endmoräne, und die Steine, die vom Felde abgelesen wurden, sind Geschiebe. Mit dem Eis der Eiszeit sind sie von Standinavien hierher gewandert und liegen geblieben, als das Eis abschmolz. Bon der Höhe bietet sich ein schöner Ausblid. Hinter uns Neufünkendorf mit dem Gottesberg. Bor uns der Abfall des Landes zur Oder und die bewaldeten Berge jenseits des Stromes; im Norden das Kloster und die Marienkirche von Angermünde . Wir durchwandern Gellmersdorf und kommen in nordöstlicher Richtung zur Gellmersdorfer Forst, die vorwiegend aus Kiefern, Buchen und Eichen besteht. Ueber das Stolper Mühlenfließ nach Stolpe , einer ehemaligen Stadt. Nahe dem Ort die Ruine des Bergfrieds der ehemaligen Burg Stolpe. Von der Bergfuppe prächtiger Blick über das Obertal und die von Regen- und Schmelzwaffern wild zerklüfteten Uferhänge. Stolpe ist der Geburtsort des Geologen Leopold von Buch ( 1774-1853). Wir überschreiten den Kanal", einen Oderarm, und folgen dem Weg, der gegenüber dem Schloß Stolpe durch die von Gräben und alten Oderarmen durchDer Raubmord an dem Kaufmann Wolfner im Hotel zogene Niederung zum Oderdamm bei Stolper Dammhaus führt. Münchener Hof" in der Königgräger Straße, der am 21. Juli 1920 Auf dem fruchtbaren Boden wird viel Weizen und Tabat angebaut. verübt wurde, hat gestern seine Sühne gefunden. Das Urteil lautete Auf der Krone des Deichs gen Süd. Deftlich von Stolzenhagen auf Grund des Spruches der Geschworenen, nach den Anträgen des führt ein Weg durch die Niederung nach diesem Ort. Malerisch Staatsanwalts, gegen den Angeklagten Bod wegen schweren schmiegen sich die Häuser und die Kirche an die steilen Uferwände. Raubes mit Todeserfolg auf eine lebenslängliche Zucht. Südlich vom Dorf liegt ein Burgwall, eine vorgeschichtliche Sied- hausstrafe. Die Angeklagte Gertrud Nägler wurde wegen lungsstätte, wie wir sie häufig in der Mart antreffen. Von Raubes, aber nicht mit Todeserfolg, zu 1 Jahren Zuchthaus , Stolzenhagen führt der Weg gen Südweft über die Hochfläche zum ihr Bruder Ernst Nägler wegen Anstiftung zum schweren Raub Ein staatenloser Millionenbetrüger. Bahnhof Lüdersdorf . Weglänge 20 Kilometer. Hinfahrt ab mit Todeserfolg und wegen Anstiftung zum Raub ebenfalls zu lagen der Anklage zugrunde, die gegen den Weinhändler Johannes Unglaubliche Schwindelgeschäfte eines falschen Amerikaners Stettiner Fernbahnhof 6,00 oder 7,30 Uhr früh. Rückfahrt ab einer lebenslänglichen Zuchthausstrafe verurteilt. Den Rüd wegen Betruges und schwerer Urkundenfälschung vor der Lüdersdorf 7,05 Uhr abends( in Freienwalde umsteigen). beiden Männern wurden dauernd, Gertrud Nägler auf 10 Jahre die Stolpe a. d. Nordbahn. Bom Bahnhof Hermsdorf gen Ehrenrechte abgesprochen. Die Verteidiger meldeten Revision Der Angeklagte hatte im Februar d. J. den in New York ge3. Straffammer des Landgerichts II verhandelt wurden. Ost zum Sandsee. An der Solquellstraße wurde 1889 eine 3pro- an. Aus der Verhandlung ist noch folgendes nachzutragen: zentige Sole erbohrt. Ein Holzgerüst bezeichnet heute noch die Nach den Gutachten der medizinischen Sachverstän- daß dieser direkt aus dem Plößenseer Gefängnis fam. Welz war borenen Kaufmann Ernst Wela fennen gelernt, ohne zu ahnen, Stelle. Diese Bohrung hat wertvolle Aufschlüsse über den geolo- digen Prof. A. Strauch und Sanitätsrat Dr. Juliusburger 1916 zu 6 Jahren Gefängnis und 5 Jahren Ehrverlust verurteilt gifchen Aufbau des Untergrunds der Berliner Umgebung gegeben. gab Sanitätsrat Dr. Friz Leppmann gleichfalls ein sehr ein- morden, hatte es aber verstanden, vor Verbüßung dieser Strafe die bar an diesen Ort schließt sich die Gartenstadt Frohnau . Wir wan. Nägler. In wesentlicher Uebereinstimmung mit Prof. Dr. Strauch tanischer Bürger sei und daher gemäß dem Waffenstillstandsvertrage dern auf den schön angelegten Wegen zum Bahnhof und weiter in übrigen Momente, die zu einer unharmonischen Entwicklung des er das amerikanische Bürgerrecht längst verloren hatte. Es gelang und westlicher Richtung. Bald ist das Ende der Siedlung erreicht. Der Seelenlebens beider, insbesondere auch des Ernst Mägler führte. ihm, ben 10 Jahre älteren, gänzlich unbescholtenen Angeklagten Beg führt jetzt durch schönen Kiefernhochwald. Am Priesterberg Staatsanw.- Rat Ritter führte in feinem Plaidoyer den Geschwore- völlig in seinen Bann zu bekommen. Rüd gab seine gut bezahlte, und am Wilsberg vorüber fommen wir nach Neubrück an der nen nochmals das Bild der Persönlichkeiten der Angeklagten, ihr seit Jahren von ihm bekleidete Kassiererstellung auf, lieferte Welz Havel . Wir folgen dem Ostrand der Havelnieberung gen Nord; Borleben, das Zusammenarbeiten derselben bei verschiedenen Straffeine gesamten Ersparnisse aus und ließ es zu, daß diefer unter der die Wanderung bietet einen schönen Blick über den Fluß zum jen- taten, die Borberatungen und Borbereitungen zu bern Berbrecher feitigen Ufer. Die Havel zeigt hier noch nichts von jener Schön Staatsanwalt gab zu, daß nach den Gutachten der Sachverständigen von Handel und Industrie" eröffnete. Es begann nun feitigen Ufer. Die Havel zeigt hier noch nichts von jener Schön- und dieses selbst in allen feinen Einzelheiten vor Augen. Der Firma J. K. Rüd u. Co." in der Potsdamer Straße eine angebliche Eintaufsgesellschaft der Beamten und Arbeiter heit, die sie uns in der Seentette füdlich von Spandau und bei die Angeklagten gewiffe Abnormitäten aufweisen, daß sie ein wahrer Herenfabbat vermegenfter Betrügereien im großen Stil.
Potsdam offenbart. Still und verträumt zieht sie durch die Wiesenniederung, ein echtes Kind der märkischen Ebene. An der Stolper
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aber nicht unzurechnungsfähig
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In furzer Zeit war die Einkaufsgesellschaft" mit mehreren hundert Werfen in Berbindung getreten, die gegen Wechsel
Ziegelei wenden wir uns gen Dst durch den Wald nach Stolpe. bei der Tat gewefen feien. Die verminderte Zurechnungsfähigteit mit 2 Monaten Ziel Unmengen von Waren lieferten. Diese wurden
Bom alten Dorf wandern wir durch eine Landhaussiedlung zum Bahnhof Stolpe, von dem wir zurückfahren. Weglänge 15 Kilo.
meter.
Die Ferienfonderzüge.
Um eine Ueberfüllung der Ferienfonderzüge unter allen Um ständen zu vermeiden, hat die Eisenbahnverwaltung die Fahrkarten rationiert, d. h. sobald die in den einzelnen Zügen verfügbaren Bläge verkauft find, wird der Vorverkauf zu den Zügen geschlossen. Als Neuerung hat die Eisenbahndirektion Berlin die Möglichkeit geschaffen, deß zusammenreisende Familien Gelegenheit haben, auch
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Die Rächer.
Roman von Hermann Wagner. ,, Schweigen Sie!" raunte ihm der Geschäftsführer zu noch immer bemüht, einen Auftritt zu vermeiden. Schweigen Sie, man ist auf uns aufmerksam geworden!" Ist man das, mir gleich!"
Ich bitte Sie
Reisner schlug mit der geballten Fauft auf den Tisch. Wollen Sie schweigen," schrie er, Sie Feigling?" Der Geschäftsführer pochte mit einem Geldstück auf den Tisch und rief angstvoll: 3ahlen!"
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Man hörte das Rüden von Stühlen, einige Gäfte erhoben sich und reckten die Köpfe, andere lachten, aus einer Ede tam der Ruf:„ Unverschämtheit!"
Drei Kellner waren an den Tisch herangeeilt, umftanden ihn und zeigten eine drohende Miene. Bahlen?" fragte wenig liebenswürdig der eine.
Reisner warf ein Goldstück auf den Tisch, stand auf, schob mit dem Fuß den Stuhl heftig zurück und zischte halblaut Gesindel" vor sich hin.
habe in der Anklage schon dadurch Ausdruck gefunden, daß die Anflage nicht wegen Mordes, sondern wegen Raubes mit Todeserfolg erhoben worden sei. Ernst Nägler, der spiritus rector des ganzen Berbrechens, sei der schweren Begünstigung, des Raubes, bes Dieb stahls und der Hehlerei schuldig zu sprechen. Die Bewilligung mil bernder Umstände da, wo sie überhaupt gefeßlich zulässig feien, sei selbstredend vollständig ausgeschlossen, wenn man bedenkt, mit welcher verbrecherischen Energie die Angeklagten gehandelt haben, daß ein in geordneten Verhältnissen lebender Mensch zu Tode gebracht wor den ist und die Angeklagten um so gefährlichere Menschen sind, als fie eigentlich ohne Grund sich entschlossen haben, diesen Raub zu begehen.
sich nur noch ein wenig. Wie dumm war es von ihm gewesen, zu zeigen, was er fühlte, ja überhaupt zu fühlen! Was gingen ihn die Menschen an, da er nichts mehr mit ihnen gemein haben wollte? Nein, er marschierte nicht in Reih und Glied, er ging abseits, und er würde es noch erleben, daß die anderen, die ihn heute noch verachteten und die glaubten, ihn ducken zu können, ihm nachliefen!
von Welz teils sofort in Berlin verschleudert, teils nach London ver mehrere Millionen Mart. Rüd ließ sich von Welz auch schoben. Der Gesamtschaden der Lieferanten beläuft sich auf als Borspann benutzen. Zu guter Leht verbrannte Welz sämtliche nach England verschleppen und bei dortigen Transaktionen Geschäftsbücher und verschwand spurlos auf Nimmerwiedersehen nach Amerifa.
Das Gericht erkannte an, daß Rüd unter ungewöhnlichem Einfluß gehandelt habe, und verurteilte ihn troz des riesigen Umfangs der Straftaten zu einem Jahr Gefängnis unter voller Anrechnung der Untersuchungshaft von 6 Monaten.
Er nahm war, wie es flarer und ruhiger in ihm wurde. Und er litt nicht darunter, daß er allein war, denn er fühlte sich plöglich wieder start.
In den Gärten der Häuser von Uhlenhorst duftete der Flieder. Ein junges Paar hatte sich an einen Zaun gedrückt. Reisner spürte eine süße Bangigkeit in sich.
7.
Das Auto hielt vor dem Hauptbahnhof, Reisner stieg aus und gab einem herbeieilenden Gepäckträger die Weisung: Nehmen Sie meine Koffer!"
Er schämte sich mit einem Male auch dessen, daß er diesem Manne da, der fünftig doch auch nur ein gefügiges Werkzeug in seinen Händen sein sollte, so offen gezeigt hatte, wie er über ihn dachte. Immer aufs neue drängte sich ihm die Ueberzeugung auf, Alles Gepäck, das er mit sich führte, hatte in drei großen daß die Lüge, in die man sich der Welt gegenüber hüllte, nicht Rohrplattenkoffern Platz gefunden. notwendige Schwäche sein mußte, daß sie im Gegenteil eine Er verabschiedete den Chauffeur und begab sich sodann an Stärte sein tonnte, gegen die die Menschen machtlos waren. den Billettschalter. Eine Fahrkarte erster Klasse nach Berlin ," Da es für ihn feststand, daß die Menschen bös und rach- sagte er. Und wenige Minuten später saß er rauchend in dem füchtig waren, gelangte seine Natur leicht dahin, zu glauben, Abteil, von teinem Mitreisenden belästigt, und blidte den daß es eine Dummheit wäre, sich gegen sie mit Güte zur Wehr Häusern Hamburgs nach, die langsam vor ihm zurückwichen. au fetzen. Womit man sie am erfolgreichsten tnebelte, waren vielmehr dieselbe Rachsucht und dieselbe Tücke, die sie selber gegen einen zur Anwendung brachten. Nur mußte man, wie fie, heucheln und so tun, als wolle man ihr Gutes, welche Heuchelei dann den Genuß, sie zu beherrschen, noch erhöhte.
So wurde Reisner nun mit einem Male zu dem Geschäfts
führer freundlich und entschuldigte sich bei ihm wegen der hef
Draußen in der frischen Luft entblößte er den Kopf und fuhr sich mit der Hand über die feuchten Haare. Ein Gefühl der Scham und Berachtung würgte ihn. Sein Wunschtigen Szene im Restaurant. war es, die Welt zu vergiften, und doch lähmte ihn eine dumpfe Angst vor dieser Welt.
Der Geschäftsführer schritt neben ihm einher und versuchte es, ihn zu trösten. Der Unterton seiner Wort war Freude. Schadenfreude über die Niederlage des anderen, der sich damit gebrüstet hatte, der Welt überlegen zu sein.
Nein, niemand war der Welt überlegen, in der Welt hing der eine vom anderen ab, ein jeder brauchte den Nachbar, der ja im Grunde gar nicht so böse und rachfüchtig war, wenn man ihm nur zeigte, daß man sich der Allgemeinheit fügte! Die Allgemeinheit! Sie war es, die man bei allem, was man tat, vor Augen haben mußte. Man mußte immer in Reih und Glied marschieren, durfte nie so anmaßend sein, fich abseits zu begeben. Und gar gegen den Strom fonnte niemand schwimmen
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Als der Zug Bergedorf passiert hatte, öffnete Reisner seine Handtasche und entnahm ihr ein Bündel Briefe, die er auf den Bolstersiz neben sich legte, um sie noch ein legtes Mal durchzusehen. Es waren Angebote, die auf eine von ihm in Berliner Zeitungen eingerückte Anzeige haufenweise eingegangen waren. Nur wenige davon interessierten ihn wirklich, während eins doch seine volle Aufmerksamkeit erweckt hatte.
Es war ein Schreiben, das in seiner Naivität fast rührend Als einer, der noch allzusehr unter dem Eindruck der ver- wirfte.„ Sie suchen," hieß es darin, ein größeres Unterflossenen vier Jahre stehe, sei er außerordentlich reizbar und nehmen, an dem Sie sich mit einer beträchtlichen Summe seiner neuen Mitwelt gegenüber ungrecht: und so bedauere er gewinnbringend beteiligen können. Ich möchte Ihr Interesse vor allem seine ehemalige Braut, der er durch sein Benehmen auf mein Holz- Importgeschäft lenfen, das, wenn es auch jetzt unverdienterweise einen solchen Schrecken eingejagt habe. vor dem unmittelbaren Zusammenbruch steht, doch wieder in Das nahm der Geschäftsführer fofort zum Anlaß, sich des eine Goldgrube verwandelt werden fann, wenn ich einen ehrnäheren über die Verhältnisse dieser Dame auszulassen. Sie lichen und fapitalfräftigen Teilhaber finde, der sich meiner anhabe eine vortreffliche Partie gemacht. Ihr Mann sei ein nimmt. Ich empfehle Ihnen, mein Angebot ernstlich zu Architekt, der trotz seiner Jugend schon sehr bekannt und mit prüfen. Sollten wir einig werden, dann würden Sie an Aufträgen überhäuft sei. Und das Ehepaar erfreue sich auch mir einen dankbaren und fachkundigen Mitarbeiter haben. schon zweier reizender Kinder. Im Kaufmännischen bin ich freilich nicht so gut beschlagen, wie ich es sein müßte, und das ist mir auch zum Verhängnis geworden. Ein junger Mann, den ich zu meinem Kompagnon gemacht hatte, hat mich durch seine betrügerischen Machenfchaften an den Ruin gebracht. Ich bin nun alt und nicht mehr fähig, mich aus Eigenem wieder emporzuarbeiten."
Ja," sagte Reisner wie bereuend ,,, wenn ich daran dente, welche Wendung vielleicht mein Leben genommen hätte, wenn fie meine Frau geworden wäre
" Nun," tröstete ihn völlig befriedigt der Geschäftsführer, ,, Sie dürfen trotzdem den Mut nicht verlieren!"
Reisner gab ihm die Hand und trennte sich von ihm. Er ging allein durch die nächtliche Stadt, voller Gedanken
Reisner verglich die Worte, die er da hörte, mit denen, die der alte Justizrat zu ihm gesagt hatte, und lachte laut auf. Es gelang ihm allmählich, ruhiger zu werden, und er schämte und Pläne