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zeitraubend ist weg-» der Entfernung nach Berlin ; auch die im Bankverkehr umgesetzten Summen sollen erheblich sein. Die Frier des Raucherbundes bei boykottirtem Bwr findet nicht, wie irrthüinlich von uns berichtet, Sonntag, sondern schon heule Sonnabend im Feenpalast statt. Möge kein Arbeiter sich übertölpeln lassen. Mit dem allgemeinen Ehrenjeichen ist der Kriminal- sa,utzmann Zachau, sowie ein anderer Schutzmann bedacht worden, der gleich Zachau mit den beiden zu horrenden Strafen verurtheilten Anarchisten Dräger und Schäwe gekämpft hatte. Das allgemeine Ehrenzeichen hat bekanntlich s. Z. auch der Kriminalschutzmann Jhring-Mahlow erhalten. Nacht-Omuibusse. Das Polizeipräsidium hat nunmehr die Genehmigung für den Betrieb von Nacht-Omnibussen auf folgen den Linien ertheilt: I. Krenzberg- Wedhingplatz. 2. Hasen- daide-Rosenthalcr Thor, 3. Oranienplatz- Zoologischer Garten, 4. Alexanderplatz -Botanischer Garten, 5. Marheinckeplatz-Rosen- lhaler Thor, 6. Alexanderplatz -Moabit (Hansaplatz) und zurück. Die Wagen werden von 11 Uhr Abends bis 7 Uhr 85 Min. früh fahren, und zwar von 11 bis 1 Uhr alle 10 Minuten, von 1 bis 2 alle 15, von 2 bis 5 alle 30 und von 5 bis 6 Uhr 45 Mi- nute» früh alle 15 Minuten. Der Einheitspreis auf alle» Linien wird niit 20 Pf. angenommen und giebt dem Publikum ohne Preiserhöhung das Recht zum einmaligen Wechseln der Tour an den Schneidepnnkten der Linien. Will also Jemand vom Wedding zum Zoologischen Garten fahren, so zahlt er für die ganze Tour nur 20 Pf. und steigt an der Ecke der Friedrich und Leipzigerstraße in den betreffenden Wagen um. Um die Sache der in Magdeburg inhaftirten Ober- Feuerwerker steht es, nach derRat-Ztg.', zur Zeit so, daß die Voruntersuchung abgeschlossen und die Eröffnung des kriegsgerichtlichen Verfahrens demnächst zu erwarten ist. Ueber den Termin ist noch nichts bekannt. Ueber de» Selbstmord eines Studenten wird berichtet' Seit kurzem wohnte in der Artilleriestr. 27 bei einer Familie W. der zwanzig Jahre alte stuäiosus juris Kurt Deutschmann, der bei der Universität immatrikulirt war. Als am Donnerstag Abend gegen 7 Uhr seine Wirtbin das Zinimer betrat, lag der junge Mann iu einer großen Blutlache. Neben der Leiche wurde ein scharfes Messer gefunden und auf dem Tische ein Zettel, auf dem Deutschmann mittheilt, daß er Iselbst Hand an sich gelegt habe. Ein sofort hinzugezogener Arzt stellte fest, daß der Student sich den Hals völlig durchschnitte», vorher aber die Pulsadern der linke» Hand geöffnet hatte. Die Beweggründe konnten bisher nicht ermittelt werden. Deutschmann ist der Sohn eines Kauf manns aus der Gartenstraße zu Breslau . Zu dem mnthmaßlichen Frauenmorde bei Bernau wird mitgelheilt, daß ein Verbrechen noch nicht erwiesen ist. Die Leiche wurde in einem durch die letzten Regengüsse mit Wasser gefüllten Wiesengraben mit dem Gesicht»ach unten liegend vor- gefunden und die Todte muß an dieser Stelle schon mindestens 14 Tage gelegen haben. Die gestern stattgehabte Obduktion er- gab, daß der Tod der Unbekannten aller Wahrscheinlichkeit nach durch Ertrinken erfolgt ist. Spuren eines gewaltsamen Todes waren nicht zu entdecke», mehrere Wunden am Kopse find anscheinend durch den Verwesungs- prozeß hervorgerufen, so auch eine tiefgehende Ver- letzung an der Schläfe, welche irrthüinlich für eine Schußwunde gehalten wurde. Auffällig ist nur, daß fich An- gehörige der Tobten noch nicht gemeldet haben, da die Un- bekannte unbedingt schon längst vermißt worden sein muß. Auf der Straße verstorben ist am Donnerstag Vormittag eine unbekannte etwa 50jährige Frau, welche gegen II Uhr die Linienstraße passirte. Unweit der Mendelssohnstraße brach die allem Anschein nach dem Arbeiterstande angehörige Frau plötzlich zusamii'en und verstarb, bevor noch ärztliche Hilfe zur Stelle war. Die Leiche wurde»ach dem Schauhause gebracht. Die Opfer eines Schwindlers sind am Montag Abend die Tischler Mösstng'schen Eheleute aus der Oranienstraße 116 geworden. Gegen 8 Uhr fand sich bei ihnen ein etwa 80jShriger Mann ein und erklärte der ollein anwesenden Frau, daß er Maschinenführer sei und eine Schlafstelle in Gemeinschaft mit einem Heizer suche. Bisher habe er im Nebeuhause bei einem Bruder, der Schutzmann sei, gewohnt, die Räume seien aber zu eng. als Nachbar sei er ohne Kopsbedeckung erschienen. Das Zimmer wurde sogleich gemiethet. Der in diesem Augenblick eintreffende Ehemann wurde um Hilfe bei der Abholung ves Koffers gebeten, zunächst aber nach einem Wirthshause geführt. Nun brauchte der Gauner den Vorwand, seine Wäsche erst holen zu wollen, benutzte aber die Zeit, um sich von Frau Mösssng Geld zu leihen, damit kehrte er zu dem Manne zurück und wußte auch diesen unter einem Vorwande zur Hergabe eines Darlehns zu bewegen. Die Eheleute mußten sich später gegen- seitiq das Gestäudniß ablegen, daß sie beschwindelt seien. Der Unbekannte macht den Eindruck eines Schlossers und tritt mit großer Sicherheit auf. Schwerbestrafter Unfug. Der 24 jährige Mechaniker Paul Lehmann, der am Engel-Ufer 7 bei den Eltern wohnt, ging in angeheiterter Stimmung mit vier Bekannten die Ackerstraße ent- lang. Bei gegenseitigen Neckereien wurde ihm sein Regenschirm zerbrochen. Man beschloß nun, das aufgespannte Wrack aus einen Baum zu hängen, und Lehmann wurde zu dem Zweck von den übrigen in die Höhe gehoben. Kaum hatte er das Kunst- stück ausgeführt, als man ihn losließ. Lehmann fiel auf die Spitzen des den Baum umgebenden Gitters und trug so schwere Verletzungen davon, daß er bis nach dem Engelufer gelragen werden mußte. Sin Arzt ordnete dami seine Ueberführung nach einer Klinik an. Russisches aus Berlin . Ein Einbruch ist in der Nacht zum 4. d. M. in der Leichenhalle des russischen Kirchhofes auf Tegeler Gebiet verübt und dabei der Kircbhofswächter angegriffen worden. Der russische Propst hat den Russen Iwan Reschkow als Theilnehmer an dem Verbrechen der Kriminalpolizei über- geben. Er hat ober noch nicht vernommen werden können, da er nur russisch spricht. WitternngSiibersicht vom 16. November 1894. u"» 5 »=8= cij�, II Station gebracht, wo er nach einer Stunde starb. Mittags erschoß sich ein Mann in seiner Wohnung, in der Markgrafen- straße. Auf dem Anhalter Außen-Bahnhofe ivurde Nachmiitags ein Kutscher durch einen Eisenbahnwagen gegen einen Prellbock gedrückt und so schwer verletz!, daß er bald darauf starb. Abends wurde ein Siudent in seiner Wohnung, in der Artillerie- straße, mit schweren Verletzungen am Halse und an der Hand lodt aufgefunden, es liegt unzweifelhaft Selbstmord vor. Hinter der städtischen Gasanstalt sprang eine Frau in den Louisen- städtischen Kanal und ertrank. Im Laufe des Tages fanden drei kleine Brände statt. E t a t i o n» n. Swinemünde Sani bürg. erlin.. Wiesbaden . München . Wien .. Haparanda Peiersburg Cork... Aberdeen . Paris jetter H halb bedeckt Nebel wolkig Regen Nebel Nebel Nebel Nebel heiter. halb bedeckt bedeckt 4 7 5 8 2 3 1 2 7 4 2 Wetter-Proanose für Sonuabeud den 17. November 1894. Etwas kühleres, theils heiteres, theils nebeliges Wetter mit schwachen südöstlichen Winden ohne wesentliche Niederschläge. BerlinerWetterbureau. Polizeibericht. Am 10. d. Mts. Vormittags fiel ein Maurer in dem Neubau Tanzigerstr. 28 von einer Leiter etwa V/2 Meter herab und blieb bewußtlos liegen. Er wurde nach der Unfall- Prozeß Gerlach. Aus Erfurt wird vom 14. d. Mts. weiter bencdtet: Als am Mittwoch gegen 6 Udr Abends die Sitzung wieder eröffnet wird, erscheint als Zeuge Ober- Konfistorialrath tofprediger Zahn(Soudershaufen). Präs.: Herr Ober- onsistorialrath, die Herren Verlheidiger haben sich auf Ihr Zeugniß berufen. Sie sollen wissen, daß Frau Gerlach christlich gesinnt und auch sehr wohlthätig sei. Sie soll namhafte Beträge für den Gustav-Adols-Verein und arme Wittwen gespendet haben. Zeuge: Frau Oberförster Gerlach ist allerdings sehr wohlthätig gewesen, sie hat namhafte Beiträge für Arme gespendet, ob das speziell für arme Wirtwen war, kann ich nicht sagen. Auch dem Gustav-Adols-Verein bat sie namhafte Beiträge gespendet. Beide Angeklagte sind soivohl in Sondershausen wie auch in ihrem frühereu Wohnort Gehren fleißige Kirebeubesucher gewesen. Verlheidiger Rechtsanwalt I ä n i ck e: Haben Sie einmal gehört, daß Frau Oberförster Gerlach sehr jähzornig war und ihr Dienstmädchen geschlagen habe? Z e u g e: Es ist wohl ein derartiges Gerücht in Sondershausen gewesen, ans eigener Wissenschaft kann ich darüber nichls bekunden. Die folgende Zeugin Frau L' E t i e n n e bekundet: Im Mai d. I. sei in Sondershausen ein studentisches Gesangsfest gewesen. Zwei Festtheilnehincr wollten das Gerlach'sche Ehepaar besuchen. Das Mädchen sagte ihnen aber: sie könne ihnen nicht öffnen, da es ein- geschlossen sei. Ob das Mädchen auch ein anderes Mal ein- geschlossen gewesen ist, wisse sie nicht. Sie habe einmal gesehen. daß das Mädchen im Hofe bei größter Sonnenhihe mit bloßem Kopf Holz sägen mußte. Auch auf dem Acker mußte das Mädchen unrer denselben Umstände» in größter Sonnenhitze arbeiten. Die Anna Köhler sei, soweit ihr erinnerlich, nicht von Anfaug an lahm geivesen. Das Mädchen durfte mit niemandem in der Nachbarschaft sprechen. Als ein Mädchen mit der Köhler ein- mal sprechen wollte, habe ibr letztere abgewinkt und durch Zeichen zu verstehen gegeben, daß sie nicht sprechen dürfe. Präs.: Sie sind Besitzerin des Nebenhauses von Gerlach? Zeugin: Jawohl. Präs.: Die Angeklagten behauplen: Die Insassen Ihres Hauses und auch Sie feien Ihnen feindlich gesinnt? Zeugin: Das kann gar nicht sei». Ich habe mit den Ger- lach'schen Eheleuten niemals ein Wort gesprochen. Präs.: Wissen Sie, daß Frau Gerlach ihren Mann einmal ge- schlagen hat? Zeugin: Aus eigener Wahrnehmung kann ich darüber garnichts sagen, meine Tocbier hat mir aber einmal er- zählt: sie habe gesehen, wie Frau Gerlach ihren Mann auf dem Hofe geschlagen bar. Präs.: Wie alt ist Ihre Tochter? Zeugin: 13 Jahre. Präs.: Haben Sie Ursache, an der Wahrheitsliebe Ihrer Tochter zu zweifeln? Zeugin: Keines- wegs, eine andere Frau, die das Schlagen auch niit angesehen, hat das im übrigen bestätigt Die Zeugin bekundet im weiteren auf Befragen, daß die Köhler insbesondere bezüglich ihrer Haarsrisur sehr verwahrlost ausgesehen habe. Präs.: Wann machten Sie diese Ihre Wahrnehmungen? Zeugin: Etwa im Mai oder Juni. Ein Geschworener: Sah die Köhler gleich bei ihrem Antritt verwahrlost aus? Zeugin: Nein, anfänglich habe ich keinerlei Verwahrlosung an dem Mädchen wahrgenommen. Danach wird der Bruder der Anna Köhler, der lüjährige Schlosser Hermann Köhler, als Zeuge in den Saal gerufen. Dieser schließt sich vollständig den Bekundungen seiner Mutter an. Weder er, noch seine Mutter hätten»ie Annck jemals geschlagen. Die übrigen Zeuge» bekunden fernere Bestialitäten, die von den Angeklagten an der Köhler begangen worden sind. Zeugin Dienstmagd Apperolh: Ich habe eines Tages das Gerlach'sche Ehepaar mit der Anna Köhler auf dem Kartoffel- acker gesehen. Die Köhler trug einen großen Korb und eine große Schürze voll Kartoffelkraut. Die Last wurde der Köhler so schwer, daß das Mädchen zur Erde fiel; dann erhielt es von der Frau Gerlach in's Kreuz oder auf's Geiäß einen Fußtritt. Der Ehemann� Gerlach ging nebenher und that nichts dagegen. Als die drei in der Wohnung angelangt waren, hörte ich furcht- bar schreien, so daß ick die Ueberzeugung gewann, das Mädchen werde gemißhandelt. Tags darauf habe ich die Köhler auf dem Felde getroffen und sie nach ihren, Namen gefragt. Ich sagte ihr: Nehmen Sie doch den Korb nicht so sehr voll. Die Köhler begann zu weinen und sagte: ich muß ja. Ich sagte darauf zu der Köhler: Sagen Sie der Frau Oberförster, wenn ich die Mißhandlungen noch einmal sehe, dann werde ich der Polizei Anzeige machen. Einige Wochen später, im Monat Juni, habe ich die Köhler einmal während der größten Sonnenbitze Holz sägen sehen. Frau Gerlach stand ans dem Balkon und sah zu. Da die Köhler nicht schnell genug sägte, so schimpfte Frau Gerlach und rief das Mädchen schließlich ins Zimmer. Der Ehemann Gerlach folgte und nun hörte ich wiederum lautes Schreien, sodaß ich vermuthete, das Mädchen werde gemißhandelt. 'iegeleibesitzer Heß bekundet: Die Anna Köhler sei, als sie bei erlach antrat, ein gesundes, wenn auch nicht gerade starkes Mädcken gewesen; später habe dieselbe sehr elend ausgesehen. DieOberförsters" waren gewissermaßen menschenscheu, sie ließen niemanden zu fich und hielten das Hans immer, vährend ver- chlossen. Einmal habe er gesehen, wie Frau Gerlach ihren Mann auf dem Hofe geschlagen habe. Präs.: Womit schlug Frau Gerlach ihren Mann? Zeuge: Genau konnte ich es nicht sehen, es war aber jedenfalls ein so harier Gegen- stand, daß, wenn man damit eins bekam, man genug hatte.(Heiterkeit im Auditorium.) Zeugin Frau ünther: Sie sei einmal zugegen gewesen, wie die Köhler aus der Treppe Wasser verschüttet hatte. Frau Gerlach kam hinzu und sagte zu dem Mädchen:Kanaille, jetzt wischest Du sofort auf."«Ich werde ja sofort aufwischen." versetzte das Mädchen mit weinender Stimme.Ich arbeite ja gern, schlagen Sie mich nur nicht." Sie(Zehg>n) habe dabei die Ueber- zeugung gewonnen, daß das Mädchen von der Frau Ober- iörster oftmals gemißhandelt werde. Am II. Juli habe sie aus dem Gerlach'schen Hause ein Wimmern vernommen. Sie sei zunächst der Meinung gewesen, daß ein Mensch wimmere, später habe sie fich gesagt, es könne auch ein Hund sein. Als sie aber von der Ueberführung der Köhler ins Krankenhaus hörte, hatte sie die Ueberzeugung gewonnen, daß das Wimmern von der Köhler herrührte. Zeuge Rentier Kämmerer: Er habe die Wahrnehmung gemacht, daß der Oberförster seiner Frau aufs Wort gehorchte, er wurde förmlich von ihr gedrillt, er mußte auf Kommando seiner Frauspringen". Die Anna Köhler habe ansänglich ganz gesund, später aber sehr elend ausgesehen. ZweilerTagderVerhandlung. Die Angeklagten bewahren beide dieselbe kaltblütige Ruhe und Zuversicht, wie seit Beginn der Verhandlung. Es erscheint heute zunächst als Zeuge Schieferdecker Keil: Er habe eines Tages gesehen, ivie Frau Gerlach die Köhler im Gerlach'schen Garten etwa fünfzehn heftige Schläge mit einer Hacke auf den Rücken versetzt habe. Die Köhler habe dabei heftig geschrien. Dienstmädchen E b e n r a t h : Sie habe im Jahre 1891 zehn Tage lang bei Gerlach gedient. Sie sei damals erst IS Jahre alt gewesen; sie habe kolossal viel arbeiten müssen und iveniz zu essen bekommen, so daß sie nach zehn Tagen den Dienst verließ. Präs: Wie war denn die Behandlung? Zeugin: Frau Oberförster war sehr grob, der Herr Oberförster dagegen freundlich. Oberforstmeister H e l a n d: Der Angeklagte Gerlach sei vor etwa 18 oder IS Jahren in seinem Forstamr thätig gewesen. Gerlach habe zu Klagen niemals Veranlassung gegeben. Ob derselbe sich gegen Jemanden brutal benommen, wisse er nicht. Als Pfingnen dieses Jahres das studentische Gesangsfest zu Sondershausen stallfand, habe er die Familie Gerlach besucht und dabei wahrgenommen, daß Frau Gerlach das Dienstmädchen Köhler freundlich behandelt habe. Forst-Jnsvektor D o r l e: Er habe auch Gerlach als ruhigen und leidenschaftslosen Mann, ja als Biedermann kennen gelernt. Tapezirer Scherzberg: Er habe einmal gesehen, daß die Köhler am Küchentisch saß und einen Brief schrieb. Als das Mädchen den Brief bereits verschlossen harte, kam Frau Gerlach hinzu, rief ihren Mann herbei und entriß der Köhler den Brief. Frau Gerlach erbrach densilb«, forderte das Mädchen auf, den Brief vorzulesen. Daraus ohrfeigte Frau Gerlach das Mädchen rechts und links und befahl ihr, den Brief in den Ofen zu werfen. Alsdann habe er gebort, wie Frau Gerlach schrie: Nun setze Dich an den Küchentisch und ich werde Dir einen Brief diktiren, wie ich ihn haben ioill." Er(Zeuge) habe nun von seiner Wohnung aus gesehen, wie Frau Gerlach die Lippen bewegte, so daß er annahm, Frau Gerlach diktire de» Brief. Baugewerksmeister Rosen stiel: Er habe den Neubau des Gerlach'schen Hauses zu Ende geführt. Seine Leute seien von den Gerlach'schen Eheleuten, ganz besonders von Frau Gerlach, derartig behandelt worden, daß er groß- Noth hatte, die Arbeiter auf dem Baue zu behalten. Verschiedene Leute haben auch deshalb die Arbeit, bei ihm verlasse». Wenn Gerlach den Ba"leiiten etwas sagte, oa kam gewöhnlich sofort Frau Gerlach hinzu und sagte:Halte Deinen Mund, jetzt rede ich." Einmal sagte Frau Gerlach zu ihrem Manne:Baust Du oder baue ich?" Der Ehemann Gerlach Nabe sich nach solchem Dialog gewöhnlich sofort entfernt. Seine Poliere haben ihm erzählt, daß Frau Gerlach ihre Tochter un- menschlich mißhandle. Die Dienstmagd Schütze bekundet: Sie habe im Jahre 1893 einen Monat bei den Angeklagten gedient. Sie sei von beiden Angeklagten, ganz besonders aber vom Oberförster blau und braun geschlagen worden. Sie sei von beiden Eyeleuten mehr- fach mit der geballte» Faust auf den Kopf, ins Gesicht, in die Seite oeschlagen»nd auch mit den Füßen getreten worden. Eine ähnliche Behandlung habe die Tochter der Gerlach'schen Eheleute erduldet. Mehrere Maurer und Zimmerleute, die hierauf als Zeugen ver- nommen werben, bekunden: Sie haben auf dem Gerlach'schen Neubau gearbeitet und seien von beiden Angeklagten, ganz be- sonders von der Frau Gerlach schlecht behandelt worden. Frau Gerlach habe sie wiederholtBengels",«faule, dumme Kerls" k. gescholten und ihnen selbst bei heftipilem Unwetter nicht ge- naltel, im Neubau zu frühstücken. Alle Zeugen hatten die Ueberzeugung gewonnen, daß Frau Gerlach im Hause das Regi- ment führe. Zeugin, Dienstmädchen A u g u st i n: Ich diente im Sommer 1893 sechs Wochen lang bei Gerlach. Ich mußte vom frühen Morge» bis zum späten Abend furchtbar schwer arbeiten, bekam dabei wenig zu essen und wurde außerdem bei der geringsten Ursache heftig ausgeschimpft und furchtbar mißhandelt. Ich wurde furchtbar gehetzt und konnte nicht? schnell genug machen. Einmal hatte ich die Fenster geputzt und dar- ans wieder geschlossen. Frau Gerlach befahl mir, das Fenster wieder zu öffnen. Da ich letzteres aber nicht schnell genug öffnen konnte, so rief Frau Oberförster ihre» Mann und forderte diesen auf, mich zu schlagen. Der Oberförster schlug mich mit geballter Faust mehrfach auf den Kopf und in den Rücken, so daß ich wochenlang Schmerzen hatte. Eines Tages konnte ich nickt schnell genug meine Schuhe finden. Frau Oberförster schlug mich deshalb nnit geballter Faust mehr- fach auf den Kopf, ins Gesicht und in die Nierenaegend des Rückens, sodaß ich nach sechs Wochen noch heftige Schmerzen im Rücken hatte und mich in ärztliche Behandlimg begeben mußte. In ähnlicher Weise wurde ich fast täglich gemißhandelt. Eines Tages wollte ich an meine Tante einen Brief schreiben. Frau Gerlach sagte: Den Brief mußt Du mir, ehe Du ihn abschickst, zum Lesen geben. Du wirst Deiner Tante schreiben, daß eS Dir hier gut gefällt. Da Frau Gerlach sich neben mich stellte, so mußte ich derartig schreiben, obwohl es mir gar nicht gefiel. Auf Be« fragen des Vertheidigers bemerkt die Zeugin: Der Oberförster Gerlach habe sie nur geschlagen, wenn ihn leine Frau dazu auf- gefordert habe. Frau Gerlach sagte gewöhnlich, wenn sie ihren Mann aufforderte, sie oder die kleine Frieda Gerlach zu schlagen: Hau doch die Aester zu Pulver." Auch der Ober» sörster sei von seiner Frau oftmals geschlagen worden. Als einmal der Oberförster den Stubenschlüssel nicht finden konnte, wurde er von seiner Frau mit geballter Faust heftig ins Gesicht geschlagen. Sie(Zeugin) habe selbst des SonntagS auf dem Acker arbeiten und auf dem Hofe Stunde» lang Holz sägen müffen. Präs.: Derartige Arbeit ist doch am Sonntag ver- boten? Zeugin: Jawohl, ich machte auch Frau Gerlach daraus ausnierksam. Diese erwiderte mir aber: Wir sind fleißige Kirchengänger, da paßt die Polizei nicht so auf.(Bewegung im Zuhörerraum.) Präs.: Wie kamen Sie nun von Gerlach'S fort? Zeugin: Frau Gerlach gestattete mir, auf einen Tag zu meiner erkrankten Tante zu fahren. Als ich letzterer von den Miß- Handlunge» mitlheilte, ließ mich die Tante nicht mehr fort und holte später meine Sachen von Gerlach's. Es erscheint alsdann eine Anzahl Entlastungszeugen, die jedoch etwas Wesentliches nicht zu bekunden vermögen. Bürgermeister Springer (Langenwiesen) bekundet, daß Frau Gerlach, als sie in Langen- wiesen wohnte, eine sehr fleißige Kirchengängerin war. Außer» dem sei Frau Gerlach sehr wohlthätig gewesen. Sie sei Mit- glied des Fraucnvereins der Gustav Adolf- Stiftung gewesen und habe diesem und auch für arme Wittwen namhafte Geldbeiträge gespendet. Aehnliche Be­kundungen macht eine als Zeugin virnommene Jugendsreundin der Gerlach. Die letzte Zeugm ist eine Frau Kellner aus Sonders- Hausen. Diese bekundet aus Befragen des Präsidenten: Ich war mit Gerlach's befreundet und habe dieselben Anfang Juli d. I. einmal besucht. Im Laufe des Gesprächs sagte ich zur Fra » Oberförster: Sie scheinen ein sehr gutes Dienstmädchen zu haben. Frau Oberförster antwortete: Das Mädchen ist nicht schlecht; es bekommt aber täglich solche Hiebe von mir, daß meine Hände bisweilen wie Kiffen angeschwollen sind. Auf meine Gin- wcndung: Dazu haben Sie doch aber kein Recht: eS ist auch gar nickt mehr zeitgemäß, ein Dienstmädchen zu schlagen, versetzte Frau Oberförster: Das Recht daz» nehme ich mir. meine Dienst- mädcken müssen täglich tüchtige Hiebe bekommen, anders geht es nicht. Nach einigen Bekundungen der Sachverständigen ist die Be- Weisaufnahme beendet. Der Präsident formulirt die den Ge- schworenen vorzulegenden Schuldfragen: I. Ist der Angeklagte. Oberförster Gerlach schuldig, das Dienstmädchen Anna Köhler allein oder gemeinschaftlich mit feiner Ehefrau, vorsätzlich mittels eines gefährlichen Werkzeuges oder mittels einer das Leben ge- fährdenden Behandlung mißhandelt zu haben, sodaß durch die dadurch eutstandene Verletzung der Tod der Verletzten verursacht worden ist? 2. Im Falle der Verneinung dieser Frage: Ist der Angeklagte schuldig, durch Fahrlässigkeit den Tod der Anna Köhler verursacht zu habe»? und im Falle der Verneinung dieser Frage. Ist der Angeklagte schuldig, durch Fahrlässigkeit eine Körper- Verletzung der Anna Köhler verursacht zu haben? Dieselben Fragen werden bezüglich der Frau Gerlach und soweit gesetzlich zulässig, auch die Nedenfrage. ob mildemd« Umstände vorhanden