Prozeß gegen General Stenger.
Generalleutnant a.D. Stenger fuhr in feiner Schilderung fort. Völlig ferngelegen habe ihm der Gedanke, daß wehrlose Feinde getötet werden sollten. Einen Befehl im Sinne der Anklage habe er nicht gegeben, anderfalls müßten ihn die ihm unterstellten Regimentskommandeure gehört haben. Daß einzelne Offiziere feine Aeußerung als einen Befehl aufgefaßt hätten, könne möglich fein, aber diese Auffassuno beruhe dann auf einem Mißverstand-, n i s. In der Schlacht bei Saorburg sei eine große Zahl von Ge- fangenen gemacht worden. Bei der Verfolgung des Feindes am nächsten Morgen habe er sich mit verwundeten Franzosen beschäftigt, ebenso am 26. August. Die Franzosen wurden ebenso verpflegt wie die deutschen Verwundeten. Erst lange Zeit nachher, eigentlich erst vor wenigen Monaten, habe er davon gehört, daß damals verwundete Gefangene erschossen sein sollen. Die Behauptung m der Auslieferungsliste, er habe die Abführung Ge- fangener beanstandet, sei unwahr. Er ist überzeugt, daß er keinen solchen Befehl gegeben hat und der Ansicht, daß das, was er damals sagte, nicht als Befehl aufgefaßt werden konnte. Auf Vorhalt des Oberreichsanwalts bestreitet der Angeklagte entschieden, am 26. August nieder Befehl gegeben zu haben, alle Gefangenen zu erschießen. Wenn er am M. August gesagt haben sollte, man brauche keinen Gefangenen zu machen, so habe er nur damit gemeint, man solle sich nicht mit der Gefangennahme von Feinden aufhalten, sondern lieber in den Operationen fortschreiten. Hierauf werden die Aussagen, die Stenger früher zu Protokoll gegeben Hot, verlesen. Er bat damals feine Aeußerungen vom August 1914 so ausgelegt, daß sie als Ausfluß der Notwehr aufzufassen waren. Der Angeklagte Stenger erklärt weiter, daß es nicht seine Sckmld sei, wenn Major C r u s i u s als einziger seine Aeußerung mißverstanden habe. Crusius sei damals nervös erregt gewesen und bald darauf in eine Heilanstalt gebracht worden. Es wird nunmehr der zweite Angeschuldigte, Major a. D. E r u s i u s, vernommen. Er gibt zu, am 26. August infolge ner- vöser Erschöpfung zusammengebrochen und in die Heimat geschickt worden zu sein. Der Präsident bezeichnet es als auffallend, daß Erusius dann später wieder an die Front geschickt wurde und mehr- mols erkrankte. Major Erusius ist dann schließlich nach dem Osten gekommen und war dort infolge seines erregten, nervösen Zu- standes Sinnestäuschungen unterworfen. 1916 wurde Erusius zur Westfront abkommandiert, wo er abermals einen nervösen Zusammbruch erlitt. Als er in ärztlicher Behand- lung war. soll Erusius gesagt haben, die Ereianisie am 21. und 26. Auoust 1914 lasteten auf ihm und ließen ihm keine Ruhe. Dieser Aeußerung will sich der Angeklagte nicht mehr erinnern. Der Brälident findet es erstaunlich, daß der Angeklagte sich auf diese Aeußerung nicht mehr besinnen könne, obwohl er soeben seine mili- tärische Laufbahn sehr genau geschildert habe. Der Vorsißende weist weiter daraufhin, daß Erusius bei den Ermittlungen, die sich gegen Stenger richteten, sich nicht so bestimmt über die Vorgänge am 21. und 26. August 1914 ausgesprochen hat wie heute. Der Angeklagte Crusius verbreitet sich dann über die Vorgänge am 20. und 21. August 1914. Gen-ral Stenger Hobe den Befehl gegeben, alle auf dem Schlachlfelbe gebliebenen verwundeten Leinde zu erschießen. Der Präsident Höst d�m entgegen, daß die Untergebenen einen solchen Befehl zum Morden als etwas Unerhörtes bezeichnet haben müßten. Der Anqe- klagte erwidert hierauf nichts und erklärt dann weiter, daß er den Befehl weitergegeben Hobe. Ein anscheinend tot daliegender Fran- zose, der die Augen auftat und ein Gewehr neben sich liegen hatte, fl erschossen worden. Der Major Müller, der später gestorben ist, Hot nach Angabe des AngeNagten den Befehl dazu erteilt, nach- dem der zur Erschießung kommandierte Soldat sich zunächst geweigert doste, d.'es zu tun. Ein anderer Franzose, der flehentlich um sein Leben bat, ist ebenfalls erschossen worden, nachdem er in Gefangenschaft geraten und von einem deutschen Soldaten mit Kaffee erquickt worden war. Der Angeklagte schildert die Kämpfe des ersten Tages, die sehr verlustreich waren. Er habe dabei zum ersten Male beobachtet, daß Dumm-Dumm-Geschosie und deutsche Munition gegen uns verwendet wurden. Auf eine Frage des Präsidenten sagt der Angeklagte aus, daß der Befehl des Generals Stenger am Vormittag des 21. August gegeben wurde, ebe der Exerziervlaß in Saarburg vaisiert wurde. Daß Musketier Müller auf dem Exerzierplatz einen Gefangenen auf feinen Befehl erschosien habe, bestreitet der Angeklagte. Es seien damals 20 bis 30 Gefangene erschosien worden. Der Angeklagte aibt zu, er habe angenommen, daß auch Verwundete erschossen worden seien. Bei Schilderung der Ereignisse am 26. August erzählt der An- oeklagte, es sei damals der Befehl gegeben worden, keinen V a r d n n zu geben und keine Gefangenen zu machen. Dieser Befehl sei vor allen Offizieren vom General Sienger gegeben worden. Andere Personen bäten ähnliche Aeußerungen des Generals gebärt. Den Befehl des Generals habe er an seine Kompagnien weitergegeben. Damals sei er Herr seiner Nerven gewesen. Was weiter geschehen sei, wisse er nicht mehr. Der Angeklagte S t e n g e r bleibt gegenüber den Behauptun- gen des Angeklagten Crusius bei seinen früheren Angaben, daß er sich nicht so bestimmt ausgedrückt habe. Es wird dann die Aeußeung des Anaeklagten Crusius gegen- über dem ihn damals behandelnden Professor, Geheimrat Anton- Hal'e erörtert, daß Crusius unter dem Druck der fürchterlichen Ereignisse bei der Erschießung der Gefangenen schwer gelitten habe. Der Angeklagte Erusius erzählt, daß er geaen Alkohol sehr wenig widerstandsfähig sei. Vor Mitteilung des Befehls am Morgen des 21. August habe er Wein getrunken, nachdem er vorher überhaupt nichts gegessen hatte. Der Angeschuldigte S t e n g e r bat am 26. August den Erusius zwar nicht betrunken gefunden, aber den Eindruck gehabt, daß dieser Offizier sofort von der Front wegmüsse.— Crusius will sich der weiteren Vorgänge nach dem Vormittag des 21. August nicht mehr erinnern. Der Oberarzt in der Jrenanstalt Ilten bei Hannover , Dr. Sern au, wird hierauf als Sachverständiger vernommen. Er hat Erusius damals in Behandlung gehabt und sich Notizen über die Angaben des Angeklagten gemacht. Erusius habe damals gesagt, es fei gegen sein Gefühl gewesen, daß er Gefangene auf höheren Befehl habe erschießen lassen müssen. Es wird nunmehr in die Zeugenvernehmung eingetreten. Generalmajor a. D. Konrad Neubauer aus Blankenburg a. Harz erzählt von den Borgänaen am 21. August und den Aeuße- rungen, daß die verwundeten Franzosen heimtückisch zu den Ge- wehren griffen und auf die Deutschen schössen. Er habe dann an-
geordnet, daß olle französischen Gewehre zerschlagen würden. Don dem angeblichen Befehl seines Vorgesetzten, des Generals S t e n g e r, weiß er nichts. Er habe keine Befehle erhalten. Wenn ein Vorgesetzter wirklich einen solchen Befehl erteilt hätte, würde er ihn als unzulässig nicht ausgeführt haben. Der Zeuge erwähnt dann die Nochrichten, die über die Säuberung des Waldes, über die heimtückische Kampfwcise der Franzosen von den Bäumen her- unter usw. verbreitet wurden. Darüber habe natürlich große Ent- rüstung geherrscht. Aber einen Befehl, verwundete zu erschießen, habe Skenger uicht gegeben. Der Zeuge hätte es hören müssen, da er in der kritischen Zeit in unmittelbarer Nähe Stengers seines Vorgesetzten, sich befand. Zu- rufe cm die Mannschaften seien allerdings üblich gewesen.— Der Angeklagte Erusius hält diesen Angaben gegenüber seine frühe- ren Angaben aufrecht, daß Stenger den erwähnten Befehl gegeben habe. Zeuge Neubauer erklärt, wenn festgestellt wäre, daß die Franzosen instruiert waren, in der erwähnten heimtückischen Weise von hinten und oben auf unsere Truppen zu schießen, würde er einen solchen Befehl für gerechtfertigt gehalten haben. Der Zeuge erzählt dann, daß Crusius sehr erregt aus dem Walde gestürzt sei und wie ein Wahnsinniger gerufen habe, alles fei vorüber. Er, der Zeuge, habe den Angeklagten sofort suspendiert und zurückgeschickt. Das war am 26. August. Der Zeuge macht darauf aufmerksam, daß schreckliche und erfreuliche Ereignisse in der Phantasie der Soldaten in unglaublicher Weise verschärft und aufgebauscht wurden, so, daß auf deren Aeußerungen in Briefen, Tagebüchern usw. tatsächlich wenig Wert gelegt werden könne. Generalleutnant a. D. Eckermann aus Freiburg i. Dr. erklärt bestimmt, daß er weder am 21. noch am 26. August einen Befehl der erwähnten Art von Stenger erhalten habe, weder schriftlich noch mündlich. Der Zeuge sagt, man habe da- mals an der Grenze das Gefühl gehabt, daß wir überfallen feien. Daraus erklärte sich die Erbitterung der deutschen Mannschaften. Die Stimmung am 26. Auaust sei eine derartige gewesen, daß man die Kampsweise der französischen Alpenjäger, die von den Bäumen und von hinten schosien. nicht für ritterlich gehalten habe. Von einem Defehl des Majors Müller, alles lolzuschießen, hat der Zeuge gehört, und zwar in der Weife, daß Müller einige Gefangene habe er- schießen lassen. Bon dem Gespräch und Befehl Stengers, Der- wundste niederzuschießen, Hobe er am Morgen des 21. August nichts gehört, obwohl er bäite es hören müssen. Auf Befragen sagt der Zeuge, er halte es für unzulässig, einen feindlichen Sol- baten, der sich ergeben wolle und die Hände hochhöbe, zu erschießen. Nur wenn er wisse, daß Gefangene von verbotenen Waffen Gebrauch zu machen versuchten, würde er die Erschießung solcher Gefangenen für berechtigt halten. Dr. med. D ö b n e r aus Untergrombach b. Bruchsal wurde als Zeuge und Sachverständiger vernommen. Er teilte mit, daß er an dem fraglichen Tage Assistenzarzt war. Er habe auf dem Exerzier- platz Tote und Verwundete liegen sehen. Dort hörte er den An- geklagten Crusius brüllen: „Wollt ihr den Brigadebefehl nicht ausführen?" Ein Soldat Hab-' dem Zeugen auf Befragen gesagt,„Wir sollen dle verwundeten erichießen." Zweifellos hätten die am Boden liegen- den Franzosen hinter den Deutschen Herneschossen. Der Mann, mit dem er gesprochen, habe nesaqt:„Wir können doch nicht wehrlose Verwundete erschießen." Die deutschen Soldaten seien dann weiter- geaanoen. Erusius sei ganz rot und in großer Erregung gewesen und habe Säbel und Revolver in der Hand gehabt. Ob irgendein Franzose damals erschossen worden ist, weiß der Zeuge nicht. Er kam ohne Waffen in eine Scheune, in welcher viele Franzosen lagen. Ein franzölllcher Kapitän sei mit einem Gewehr auf ihn einaedrungen, wobei der Kapitän von einem deutschen Soldaten er- schössen wurde. Der Zeuge Hot in den Gewehren der Franzosen Dum-Dum-Geschosse gefunden, und zwar seien diese Ge- schösse Maschinenarbeit aewesen. Diese Geschosse hat er dem General Stenger übergeben. Am 26. August hat er den Angeklagten Erusius wieder getroffen und ihn vollkommen aufgslöst gefunden. Er habe ihn dringend empfohlen, zurückzuoeben. Der Zeuae er- innert sich keines Falles, in welchem auf Befehl des Angeklagten Erusius jemand erschossen worden sei. Er hat aber in diesen Tagen seine damaliaen Briefe in die.fieimai wieder in die Hand genom- men und teilt daraus mit,' die Franzosen hielten sich nicht an das Genfer Kreuz. „Auch wir haben Gefangene erschießen müssen, weil sie heimtückisch aus dem Hinterhalt auf uns schoflen." Der Zeuge erzählt dann noch weiter über die Nichtachtung des Genfer Kreuzes durch die Franzosen. Auf Befraaen des Sochverständioen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Anton aus Halle a. d. S., erklärt der Zeuge, daß der Angeklagte am 26. August zweifellos unzurechnungsfäbig war, und daß er dies auch für den 21. August annehmen müsse.. Daß Erussus übermäßig dem Alkobol ergeben war. hatte er damals nicht gewußt. Staatsanwaltschoftsrat Langels aus Berlin war Ende 1914 Adjutant des Ersatzbataillons in Müllbeim i. Baden. Er erklärte, daß Erusius auf ihn einen verwirrten Eindruck gemacht habe. Landbauer Pauk Grienenberger aus Franken i. Elsaß , ein französischer Zeuge, war be- der dritten Kompagnie des Infanterieregiments 11? als aktiver Soldat, hat die Schlacht bei Saarburg mitgemacht und ist dann. zu den französischen Truppen übergelaufen. Am 21. Auaust 1914, so sagt er aus, babe Erusius angeordnet, einzeln angelroffeue Franzosen und verwundeke Gefangene zu erschießen. Ernssus habe vor der Schlachtlinie gellanden und gesagt, es siege ein Brigadebefehl vor. Ans Grund dieses Befehls habe ein Soldat einen verwundeten Franzosen erschossen, der auf dem Ererzierplatz gelegen bat. Der Franzose habe keine Waffe in der Hand gehabt und um sein Leben gebeten. Am 26. Auaust habe Erusius den Befehl wiederholt und gesagt, es solle alles über den Haufen geschossen werden. Erusius habe von aus- aestocstenen Augen und abgeschnittenen Obren gesprochen und damit den Bcfebl begründet. Der Zeuge selbst habe sich an der Erschießung nicht beteiligt. Hierauf wird um 3 Uhr die Wciterverhandlung auf Donnerstag, vormittags 9 Uhr, vertagt. * Den Verhandlungen wohnt der holländische Kriegsgerichts- Präsident van Slooten bei. Italien verzichtet. Mailand . 29. Juni. (DA.) Der„Secolo" meldet: Italien hat dem alliierten Rat mitgeteilt, daß es vorläufig von einer Aburteilung der deutschen Kriezsbeschuldigken, soweit fle auf der iiallenischen Liste stehen. Abstand zu nehmen gewillt sei.
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Regierung und Nlont Cenis. Im Hauptausschuß des Landtags gab Dergrat Hatzfeld gestern eins ausführliche Darstellung des Unglücks auf der Zeche Moni Eenis. Er führte u. a. ans: Der Haupianteil an der Explosion ist auf K o h l e n st a u b zurückzuführen. Fraglich ist, ob eine Schlag- wctterexplosion dazugekommen ist. Das ist ober wenig wahrschein- lieft. Die Veranlassung kann nur ein Schuß gewesen iein. Cün Schießmeister ist tot, der andere hat aber glaubwürdige Aussogen gemacht. Für einen Dynomitschuß liegen keine bestimmten Anhalts- punkte vor. Alles spricht für eine Kohlenstaubexplosion, die durch
einen Schuß veranlaßt wurde. Die Schießmeister waren dabei nicht beteiligt. Energische Unschädlichmachung des Koblen- staubes ist erforderlich. Die Wirkung der Berieselung wird vielfach übertrieben. Die systematische Berieselung in den' Abbaustrecken hat nicht den beabsichtigten Erfolg gehabt.— Abg. Otter lU.Soz.) wünscht Einsetzung eines ständigen parlamentarischen Untersuchungsausschusses.— Minsster F i s ch b e ck: Aus eigener Anschauung erkläre ich, daß eine besttnmte Schuld nicht fest- zustellen ist. Ich lege Verwahrung dagegen ein, daß der Reichs- tagsausfchuß den Berghauptmann von den Verhandlungen ausgeschlossen hat.
Wirtschaft Lanöwirtfchast unü Umlageverfahren. Me großen landwirtschaftlichen Körperschaften, wie der Deutsche Landwirtschaftsrat, Deutsche Bauernbund, General - verband der deutschen Raiffeisen-Genossenschaften, Neichsgrund- besitzeroerband und Reichslandbund, Rcichsverband der deutschen land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberoereinigungen, Reichsver- band der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften und die Der- cinigung der deutschen Bauernverewe haben folgende einmütige Kundgebung zur Ausführung des Umlageversahrens in Getreide beschlossen: „Die landwirtschaftlichen Körperschaften stehen nach wie vor auf dem Standpunkt der völlig freien Getreidewirtschaft. Nachdem das von ihnen bekämpfte Umlagevcrfahren, in dem sie eine Fort- setzung der Zwangswirtschaft nur in anderer Form sehen, Gesetz ge- worden ist, werden die landwirtschaftlichen Körperschaften unter Be- rücksichttgung der dadurch geschaffenen Lage und im Interesse der Verbraucher den Landwirten schnellste Erfüllung der ihnen aus- erlegten Lieferungsverpflichtungen empfehlen, um sich behördliche Zwangsmaßnahmen zu ersparen und um möglichst bald freie Wahl über die Ueberschußmcnge zu erhalten. Die land- wirtschaftlichen Körperschaften erwarten, daß die Umlage der letzte zwangsmäßige Eingriff dieser Art sein und nicht über das kommende Erntejahr ausgedehnt wird, mithin aljo auch wirNich den versprochenen Uebergang zur völligen freien Getreidewirtschaft be- deuten wird. Um in dieser Beziehung Beruhigung in die durch das Umlageverfahren schwer enttäuschte Landwirtschaft zu tragen, wird die Regierung ersucht, nach der diesjährigen Herbstbestellung die völlige Beseitigung jeder Zwangswirtschaft für Getreide mit dem Erntejahr 1922 23 gesetzlich festzulegen. Die Möglichkeit höchster Produktionssteigerung muß der deutschen Landwirtschast endlich wieder zurückgegeben werden" Hier wird also wieder einmal mit erfteulicher Offenheit ausge- sprachen, daß die Landwirtschaft in dem Umlageverfahren das Sprungbrett zur schleunigen Herbeiführung der freien Wirtschast bei Weltmarktpreisen sieht. Eine Regierung, der um die Er- füllung der Wiedergutmachung ernst ist, wird mit dieser Tatsache rechnen und zusehen müssen, wie sie die riesigen zu erwartenden Konjunkturgewinne für den Reichssäckcl erfaßt. Schon die Konjunkturgewinnabgabe in der Lederindustrie, einem Verhältnis- mäßig kleinen Gewerbezweig, hat seinerzeit über 100 Millionen Mark erbracht, die zur Versorgung der minderbemittelten Bevölkerung ver- wendet wurden. Wieviel mehr erst wird das Umlageverfahren, das für einen bedeutenden Teil der Getreideproduktion bereits die Welt- Marktpreise oder gar die freie Wirtschaft in den wichtigsten Rahrungs- Mitteln bringen soll, große Konjunkturgewinne den Landwirten bringen, die ohnehin von den meisten anderen Steuern, besonders von der Einkommensteuer, unverhältnismäßig wenig betroffen werden. Ein so einfaches Verfahren wie eine einmalige Konjunktur- gewinnabgabe kommt für die Landwirtschaft deshalb nicht in Be- tracht, weil mit dem Eintreten der Weltmarktpreise der deutsche Land- wirt an dem Sinken der Valuta, das die Lebenshaltung des ganzen Volkes verteuert, unmittelbar interessiert wird und aus ihr am meisten Gewinne zieht. Die steigenden Preise aber haben bisher die Extenstoierung der Landwirtschaft eher begünstigt als aufgehalten, wie die von ihren Vertretern oft zitierten, wissenschaftlich freilich an- fechtbaren Produktionsziffern beweisen. Will also das Reich an den mit der Valuta steigenden Gewinnen der Landwirtschaft teilnehmen, so ist das nur in der Weise denkbar, daß das Reich eine Hypothek in Goldmark auf den gesamten landwirtschaftlichen Grundbesitz legt. Die Zinsen dieser Hypothek steigen und fallen dann mit den Brotpreiscn und mit der Valuta. Dadurch aber würde die Landwirt- schaft gezwungen werden, durch eine großzügige Produktions- st e i g e r u n g die Valuta zu stützen, indem sie die ausländischen Ge- trcideeinkäufe durch die Vermehrung der heimischen Erzeugung größtenteils Lberflüsstg macht. Das kann sie nach dem Urteil ihrer maßgebenden Führer. So läuft das Interesse der Allge- m e i n h e i t an der Besteuerung gleich mit dem an der Produktions- steigerung, und es wäre nur zu wünschen, daß die verantwort- lichen Führer der Agrarier sich dieser Einsicht nicht verschließen. Tun sie es doch, so wird man ihren Reden von der Produktionsfreudigkeit der Landwirtschaft weiter mit den Zweifeln begegnen müssen, die ihre oft unsachliche Agitation heraufbeschworen hat.
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