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Kriege bleiben möglich. Kopenhagen  , 5. Juli.  (WTB.) Aus dem Nordischen Jnterparla- wentarischen Kongreß leitete B r a n t i n g- Schweden die Diskussion über dos internationale Abrüstungsproblem ein. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die o b e r s ch l e s i s ch e Frage. Falls bei der Lösung dieser Frage auf die Ansicht des deutschen   Volkes keine Rücksicht genommen werde, so würde das Ministerium W i r t h, das bei den Westmächten Vertrauen besitze, in eine äußerst schwierige Stellung kommen; die Situation könne dadurch sehr gefährlich werden. Branting fuhr fort: Leider ist der Völkerbund nicht so stark, wie es wünschenswert wäre. Durch die Lösung der Aland  - frage ist er nicht gestärkt worden. Man kann sich nicht darüber wundern, daß die großen Nationen kein besonderes Zutrauen zum Völkerbund haben. Man muh daran denken, daß die Aufnahme Deutschlands   in den Völkerbund mit Schwierigkeiten verbunden ist, daß Amerika   andauernd außerhalb steht, daß Rußland   das große Fragezeichen ist und daß in Japan   der Imperialismus weiterhin blüht. Deshalb kann man leider nicht sagen, daß in Zukunft der Krieg ein Ding der Unmöglichkeit sei.
Spanisch  -französischer Konflikt. Die Uebertragung der Hafenbauarbeiten in Tanger   an die dank Versailles   französische, ehemals internationale Gesellschaft, beschäftigt die spanische Presse andauernd. Sie erhebt gegen Frankreich   schwere Vorwürfe. Die spanische Regierung hat in Paris   protestiert, aber offenbar nichts ausgerichtet, denn sie ist zurückgetreten. Wir wollen diesen Anlaß nicht vorübergehen lassen, um nach Spanien   zu rufen, daß wir in Deutschland   seine ehrliche und mutige Neutralität so wenig vergessen, wie das Eintreten verschiedener spanischer Zeitungen für Gerechtigkeit und Menschlichkeit auch dem Besiegten gegenüber! polnische Herrschaft. Die russischen Emigranten, die flüchten muhten vor der Sowjet- regierung und es gibt ihrer sehr viele der verschiedensten Partei- richtungen, Sozialisten, Kadetten, Reaktionäre, sie geben von ihren Zufluchtsstätten aus eine ganze Reihe von Zeitschriften, Zeitungen oder auch nur periodisch erscheinende Flugblätter heraus, die in der verschiedensten politischen Beleuchtung Nachrichten aus Rußland  bringen und die Vorgänge des osteuropäischen Riesenreiches be- sprechen. Eine dieser Wochenschriften heißtPour la Russie(Für Ruhland) und erscheint in Paris  . In der Nummer dieser Zeitung vom 30. Juni veröffentlicht A. Kerensky einen Artikel unter der Ueberschriftklonte*(Schande). Der Artikel beschäftigt sich mit dem Schicksal jener früheren russischen Bevölkerungsteile, die keine Katholiken sind, die sich nicht zur polnischen Nationalität bekennen und die gleichwohl an Polen   gelangt sind. Ueber den Segen dcr polnischen Herrschast gibt dieser Artikel erneut Ausklärung. Wir setzen wörtlich einige Ausführungen Kerenskys hierher: Nichts ist übrig geblieben von den erhabenen hohen Träumen der Propheten polnischer Freiheit. Aus ollen Ecken und Enden der Provinz Eholm, Podolien, Polesien, Galizien  , Wol- hnnien und Weißrußland   klingen zu uns Klagen und Seufzer. Die Massen der russischen Bauern ersticken, erschöpfen sich dort unter dem Druck der Willkür und Gewaltherrschaft, und die herrscht nur aus dem einzigen Grunde, weil die Einwohner keine Polen  , weil sie keine Katholiken sind. Und an anderer Stelle des Artikels finden sich folgende Sätze: Was sich an den östlichen Randgebieten Polens   abspielt, ist nur ein Tropfen in dem Meer von Leiden und Erniedrigun- gen, in dem alle jene Russen, Litauer. Ukrainer  . Juden, Weih- russen zu ertrinken drohen.alle jene, die-u ihrem Unglück nicht Polen   von Geburt sind. Für Rußland   ist der Bestand und das Bestehen eines unabhängigen Polens   nicht eine Kaprice und nicht das Ergebnis einer Gefüblswällung: es ist eine historische Notwendigkeit für Rußland  . Im Namen unserer gemeinsamen Zukunft, im Namen unserer Freiheit und der Euren erheben wir russische  Revolutionäre und russische   Demokraten unsere Stimme gegen die Schande, die sich jetzt im befreiten Polen   abspielt. Solch ein Protest findet freilich ein Echo in einzelnen sozio- listischen Organen Polens  . Daß er aber Beachtung findet bei den regierenden Kreisen in Frankreich  , ist sehr unwahrscheinlich, und daß er Beachtung findet bei den heute regierenden Kreisen in Polen  , muß man leider als ausgeschlossen betrachten. So ist es denn verständlich, daß Kerensky in seinem Artikel eine düstere Zukunft für Polen   voraussieht, wenn es nicht der polnischen Demokratie gelingen sollte, die Gewalttätigkeiten und die Willkürherrschaft zp beseitigen, die heute das polnische Regiment kennzeichnen._ Der Mostauer Kongreß. Terioki, 5. Juki.(OE.) Am 1. Juli sprach Radek über die Taktik der Kommunistischen Internationale  ", die nur durch Bil- dung von Massenparteicn das Proletariat weiter revolutionieren könne. Die deutsche Märzaktion sei daran gescheitert, daß die Masten nicht genügend vorbereitet waren. Die Taktik der italienischen so- zialistischen Partei wurde durch Lozzari und Maffi verteidigt, die eine energische Zurückweisung durch Lenin   und ebenso durch Klara Zetkin   fanden, die den entschiedenen und sofortigen Bruch mit den Reformisten sorderten. Die nach einigen weiteren Reden Trotzkis u. a. vom Kongreß«instimmig angenommene Resolution verlangt von den italienischen Sozialisten die sofortige Entfernung der Re- formisten aus der Partei, widrigenfalls die italienische Partei aus dieser Internationale ausscheide. Der KAPD  . wird unter Androhung des Aussthlustes das Ultimatum gestellt, sich binnen kurzer Frist mit der VKPD. zusammenzuschließen. X Weltrevolution verschoben. Stockholm  . 5 Juli.  (EP.) Der schwedische Kommunist H o e g- l u n d äußert sich, eben aus Moskau   zurückgekehrt, gegenüber einem Nertreter vonFolkets Dngbladet"(Komm.) über die 5ommunistische Weltrevolution. Lenin   und Trotzki   hätten sich vollkommen über die zukünftige Politik geeinigt. Sie seien sich darüber klar geworden, daß die Weltrevolution nicht unmittelbar bevorstehe, daß sie sich vielmehr in einer langen Zeitperiode abspielen werde. Hiernach habe man in Moskau   die Politik eingestellt. Riga  , Z. Juli.(EP.) Nach Meldungen aus Sowjetrußland ge- stalten sich die Lebensmittelverhältnisse mit jedem Tage schwieriger. Die Judenpogrome in der Ukraine   dauern fort. Es wird behauptet. daß in 400 Städten 100 000 Juden ermordet worden und ihre Hau- fer geplündert sind._ Trotz Friedensschluß Fascifkenkrach. In Sestri Ponente   gaben Kommunisten Schüsse aus eine Gruppe Fascisten ab, dieohne feind- tiche Absichten' an der Arbeitskammer vorbei gingen. Die Karabinieri machten von der Waffe Gebrauch. Drei Personen wurden verwun- det. Die Kommunisten haben sich in der Arbeitskammer verschanzt, wo sie von Fascisten und Karabinieri belagert werden. ekin deutsche» Konsulat in Liverpool   ist errichtet worden. Adreste: Liverpool S, Alexandra Terrae«, Princes Road.
Tsitzeiöfe in Serlin.
Die Funktionärversammlung der SPD.   begrüßte am S. Juli in den Germaniasälen eine Delegation der G e o r g i- schen Sozialdemokratie. Genosse Tscheidse. mit lebhaftem Beifall empfangen, führte aus: Parteigenossen! Ich begrüße Sie im Namen dcr georgischen   Sozialdemokratie, des georgischen   Pro- letariats und des georgischen   Volkes.(Lebhafter Beifall.) Parteigenossen! Warum sind wir jetzt zu Euch gekommen, wo Ihr selbst soviel Sorgen habt, wo Ihr selbst den Aufbau eines neuen Staates durchführen müßt? Wir sind gekommen, weil unsere Auf- gaben den Eurigen gleichen. Es gab eine Zeit, wo Ihr noch nicht wissen kanntet, daß irgendwo weit an den Pforten Asiens   am Schwarzen Meere, in Georgien  , dieselbe Arbeit geleistet wurde wie bei Euch, die Arbeit der Sozialdemokratie. Es war Euch nicht be- kannt, daß wir in unserem kleinen Lande mit Aufmerksamkeit alles verfolgten, was hier in der Arbeiterbewegung vorging, wie wir jedem Worte Eures August Bebel   und Eurer anderen Parteiführer lauschten.(Lebhafter Beifall.) 30 Jahre hindurch führten wir dort unsere Arbeit als Eure Schüler und in Eurem Geiste.(Beifall.) Tie georgische Sozialdemokratie war die getreueste und kcn- sequentcste Schülerin der alten deutschen   Sozialdemokratie. Nach dreißigjähriger Arbeit unter dem zaristischen Regime, unter dem Terror der zaristischen Bajonette war uns der glänzendste Erfolg be- schieden.(Beifall.) Als mein Land noch zu Rußland   gehörte, hat meine Partei in den ersten Reihen der russischen Revolution gekämpft, und sie hat viel dazu beigetragen, daß die Revolution siegreich wurde. Als es uns nun gelang, als Errungenschaft dieser Revolution einen eigenen demokratischen Staat aufzubauen, da fanden sich Leute, die erklärten, daß dem ein Ende gemacht werden müsse. Es ist Euch klar, welche Leute uns vernichten wollen. Mit welchem Reckte frage ich? Ihr wißt natürlich, daß es die Moskauer   kommunistische Re- gierunq war, und Ihr wißt sehr gut, wer die Bolschewisten sind. Wir sind nicht dazu hergekommen. Euch zu belehren, ober wir wollen Euch sagen, was wir von den Bolschewisten denken, denn wir haben ihr Handeln am eigenen Leibe gespürt. Nach meiner tiefsten Ueberzeugung und nach meiner Kenntnis der Dinge erkläre ich, daß sich der Bolschewismus in eine reaktionäre Ge- walt verwandelt hat. Es wird vom Kommunismus ge- sprachen, aber ich muß sagen, daß in dem Handeln der Bolschewisten keine Spur von Kommunismus zu finden ist: es ist nur eine Fahne da. auf die man Kommunismus geschrieben hat, aber in Wirklichkeit gibt es bei ihnen nichts vom Kommunismus. Wir haben es mit einer grandiosen Fälschung der öffentlichen Meinung zu tun. Unter der Maske des Kommunismus, dieses hohen Ideals der Menschheit, blüht die reaktionärste Politik, deren Ergebnis unter anderem auch die Zerstörung der demokratischen Re- publik Georgien   ist. Dort herrscht ein Terror ohnegleichen. Es dürfte auch begreiflich sein, warum die Sowjetregierunq die Georgische Republik   nicht dulden konnte, denn dort wurde das Leben nach den Prinzipien des demokratischen Sozialismus gereaelt und Georgien   war ein lebendiger Beweis dafür, daß mit den Methoden des demokratischen Sozialismus erfolgreicher gearbeitet werden könne, als in Sowjetrußland. Das war e i n Grund, aber noch wesentlicher war der zweite. Im alten zaristischen Rußland   galt Georgien   mit seinen Boden- schätzen als die herrlichste Perle in der Krone des russischen Zaren. Und genau so denken auch heute die Bolschewisten, und sie befolgen auch die Taktik des Zarentums, das unfähig war, die produktiven Kräfte des Landes zu entfalten und die darauf hinausging, fremde Länder zu rauben, um sie auszuplündern. Kann sich Georgien   damit abfinden, ein Land, das so weit vor- geschritten war, in dem der Sozialismus der Verwirklichung nahe war? Kann es sich mit dem Terrorsystem der Bolschewisten zu- frieden geben, die Analphabeten, teilweise geradezu Banditen, zu uns gebrockt haben?(Lebhaftes Nein!) Niemals wird sich das georgische Volk beruhigen.(Bravo  !) Unsere Arbeiterklasse ist im Kample groß geworden, sie wird den Kampf weiterführen und wird das Joch des Bolschewismus genau so stürzen, wie sie seinerzeit das Joch des Zarisnuis gestürzt hat. Wir hoffen, daß die deutsche Sozialdemokratie dazu Stellung nehmen wird und unserer Sache ihre moralische Unter st ützung zuteil werden lasten wird, die für uns von außerordentlicher Wichtigkeit ist. Wir werden darin einen Trost in unserer Lage sehen, und wir werden darin einen Ansporn finden für unsere fernere Arbeit. Es lebe die deutsche Sozialdemokratie, es lebe der Sozialismus!(Langanhaltender Beifall.) Alsdann sprach Genosse Ramischwili über den Ueberfall Sowjet- rußlands auf Georgien  .
Die Georgische Republik  , die als unabhängiger Staat anerkgnnt worden war, ist von den bolschewistischen Truppen besetzt morden. Wiederholt versuchte Sowjetrußland, die Georgische Republik   von innen zu sprengen. Aber jeder derartige Versuch mißlang, weil er sofort von der Bevölkerung selbst unterdrückt wurde. Da entschloß sich Sowjetrußland, Georgien   mit militärischer Gewall niederzu- werfen. Nach Errichtung der selbständigen Georgischen Republik stand die Sozialdemokratie an der Spitze und genoß ununterbrochen drei Jahre lang das volle Vertrauen des Volkes. Die Verfassung- gebende Versammlung letzte sich aus 102 Sozialdemokraten und nur 28 Vertretern anderer Parteien zusammen. Sie beschloß einstimmig- die Unabhängigkeit Georgiens  , sie nahm die völlig demokratische Ver- fassung dcr Republik a», alle politischen Freiheiten wurden ver- wirklicht. Oer Großgrundbesitz wurde ohne jede Entschädigung ent- eignet. Alle Güter und Domänen wurden Staatseigentum. Güter mittlerer Größe von sozialer Bedeutung wurden von den örtlichen Selbstverwaltungen übernommen, der Rest des Grund und Bodens wurde an die armen landbedürftigen Bauern verteilt. Achfftunden- tag und Koalitionsfreiheit wurden verwirklicht und eine Tarifkammer auf paritätischer Grunolage geschaffen, die auf friedlichem Wege Streitigkeiten im Arbeitsverhältnis regelte. Es gelang, die Arbeiter- schaft mit billigen Lebensmitteln zu versorgen, die kommunale Selbst- Verwaltung wurde durchgeführt, eine Einkommensteuer beschlossen und ein Gesetz über die obligatorische Volksschulbildung erlassen. Ferner wurden olle Bodenschätze nationalisiert, Waldungen, Wasser- kräfte, Eisenbahn und Telephon. Der Staat besaß das Monopol auf die Hauptexportartikel des Landes, wie Manganerze, Tabak, Wolle, Seide, Kupfer usw. Die Kohlenfelder von Tkwibuli, die unter dem Zarenregime jährlich 200 000 Pud(1 Pud 16 Kilo) Kohle er­zeugten, förderten unter der Republik   1 200 000 Pud monatlich. Bei Grenzstreitigkeiten mit den Nachbarvölkern wurde das Prinzip der gegenseitigen Verständigung beobachtet. Die georgische demokratische Republik   war der lebendige Be- weis dafür, daß man den Sozialismus nicht durch Militärdiktatur eines Häufleins Gewalthaber erreichen kann, sondern nur durch den Willen der ungeheuren Mehrheit der Bevölkerung verwirk- lichen kann. Am 11. Februar drangen ohne Kriegserklärung Teile der russischen Armee in Georgien   ein. Schließlich wurde Georgien   von drei Seiten angegriffen, und als die Bolschewisten die Hilfe der Kemalisten bekamen, unterlag Georgien   der Uebermacht. Georgien  wurde besiegt und besetzt. Die oberste Gewalt hat das Reoolutions- komitee. In Georgien   gibt es nicht einen einzigen Arbeiterrat. Die freien Gewerkschaften sind alsGelbe Verbände" der Gegen- revolution bezeichnet worden.. Die tatsächliche Gewalt liegt in den Händen des Stabes der 11. Armee, der unumschränkt herrscht, die verfassungsmäßige Ver- sammlung ist weggejagt, die örtlichen Selbstverwaltungen sind auf- gelöst. Alle Zeitungen außer den bolschewistischen sind verboten. Versamlungssreiheit besteht nur für die Bolschewisten. Ein Netz außerordentlicher Kommissionen bedeckt das Land und ihre Grau- famkeiten kennen keine Grenzen. Um Mastenverhaftungen zu recht- fertigen, inszenieren die BolschewistenAttentate". Plündere! und Mord ist an der Tagesordnung. Die Erregung des Volkes ist grenzenlos. Die Bauern boykottieren die Agenten der bolschewisti- schen Regierung. Die Preise steigen ins grenzenlose. Die bolsche- wistische Gewaltherrschaft ist von katastrophalen Folgen begleitet. Das Gespenst der Hungersnot geht um. Die Wiederherstellung Rußlands   in den alten Grenzen ist eine Unmöglichkeit. Ich hoffe, daß es dem georgischen   Volke gelingen wird, sich vom bolschewistischen Joch zu befreien.(Lebhafter anhol- tender Beifall.) Genosse Krüger erklärte, daß die georgischen   Genossen der wärmsten Symvathie der deutschen   Sozialdemokraten sicher sein könnten. Gewiß wünschen wir gute Beziehungen zu Rußland  , auch zu Sowjetrußland, aber es muß klar ausgesprochen werden, wo immer sich Eelegenbeit findet, daß wir konsequente Gegner der bol- schewistischen Methoden sind. Und auch die Bolschewisten werden bald genug einsehe» lernen, daß sie nicht nur die Hilfe fremder- pitalisten zur Wiederherstellung ihrer Wirtschaft benötigen, sondern vor allem auf die Hilfe der internationalen Arbeiterschaft angewiesen sind.(Lebhafter Beifall.) Ueber dos Referat des Genosten Graßmann über die wirt- schaftliche Lage und das Arbeitslosenproblem werden wir später ausführlich berichten.
Preußische Domänenwirtfthast.
Der preußisch« Landtag hat am Dienstag das Gesetz über das Stimmrecht der Provinziallandtagsabgeordneten west- preußischer Kreise im ostpreußischen Provinziallandtage angenommen. In der Fortsetzung der zweiten Beratung des Domänenhaushalts wiederholt Abg. Stendel(D. Dp.) die altbekannten Angriff« auf die Ministertätigkeit Otto Brauns. Abg. Dr. Mendorf(Dem.) erklärte diese Vorwürfe als unbe- gründet. Den sozialdemokratischen Antrag auf grundsätzlich« Selbst- bewirtschaftung der Domänen lehnt auch er ab. Minister Dr. Warmbold: Ich habe eine Rundfrage veranstaltet darüber, in welcher Höhe die Pachteinigungsämter für die nächsten 6 Monate die Pachtzuschläge festgesetzt haben. Von dem Ergebnis dieses Materials wird unsere Stellungnahme zur Veränderung dcr Sätze abhängig g-..... ht. Die Domänenverwaltunq hat sich angelegen sein lassen, den Pächtern nur angemessene Preise zu stellen. Im übrigen besteht die Möglichkeit, sich wegen Festsetzung angemessener Pacht an die P a ch t ä m t« r zu wenden. Das ist aber sehr selten geschehen. Eine Kontrolle der Domänenoerwaltung über die Art der Verpachtung verbietet die gegenwärtige Rechtslage. In Zukunft soll die Rchfterung für den Fall der Weiterverpachtung das Ge­nehmigungsrecht erhalten. Es ist wahr, daß die Arbeiter- Wohnungen auf den Domänen vielfach den hygienischen Forde- rungen nicht entsprechen, Besserung wird angestrebt. Die Do- mänenoerwaltung hat während des Krieges bei der Verpachtung bis zu drei Iahren gehen müssen. Voriges Jahr wurden die Preise der Neuoerpachtungen als zu h o ch bezeichnet. Der Pachtzins muß in den Grenzen dcr Leistungsfähigkeit der Pächter bleiben.(Sehr richtig! rechts.) Die gegenwärtigen Pachtpreise sird durchaus ausreichend und stellen eine angemessen« Verzinsung dar. Die Verpachtung an den Meistbietenden soll die Regel bilden. Hat der Pächter jedoch die ihm anvertraute Domäne gut gehalten, gilt er als tüchtig, so ist ihm allerdings vor d«m neuen Konkurrenten der Vorzug zu geben, wenn er einen angemessenen Pachpreis bietet. Die Mehrzahl der Domänen war bereits vor dem 1. Juli 1919 verpachtet, bei Erlaß des Siedlungsgesetzes konnte also über sie nicht mehr verfügt werden. In den Bezirken mit ungünstiger Grundbesitzoerteilung werden wir in weitestgehendem Maße Domänen zur Verfügung stellen. Die Er- böhung des Pachpreifes in Form von Naturalien wird von den Pächtern ollgemein der Zahlung in Geld vorgezogen. Di« Domänen- Verwaltung wird diesen Wünschen Rechnung tragen. In Preußen soll die Naturolienlieferung jedoch beschränkt sein auf Roggen und Weizen."Vaifanb der Domänen wird von der B:rwaltung außerordentlich sorgfältig kontrolliert. Die Berichte lassen jedoch er« kennen, daß nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der Domänen sich m schlechtem Zustand« befindet. Ueberdies wäre es für den Domänenpächter tm schlechtes Geschäft, wenn er gerade in den letzten
Jahren absichtlich eine schlecht« Wirtschaft geführt hätte.(Sehr richtig! rechts.) Abg. Jürgensen(U. Soz.): Durch Landgewinnungsarbeiten könnte das Heer der Arbeitslosen abgebaut werden. Auch die Arbeitslosen aus den Küstenstädten könnten hier verwendet werden. Bei den Moorkultioierungsarbeiten müssen aber die Arbeiter im Akkord 10 bi» 12 Stunden arbeiten(Hört, hört! links.) Trotz der geringen Pocht- preise fordern die Domänenverwaltungen von den Arbeitern un- erhörte Pachtzinsen. Mit Rücksicht auf die ungeheure Arbeitslosen- zahl muß dafür gesorgt werden, daß alle irgzndwie für die Land- Wirtschaft geeigneten Arbeitslosen aus» Land hinausgebracht werden. Die bürgerlichen Parteien arbeiten, wenn sie für ihre Siedlungs- Politik eintreten, doch für uns, denn in ganz kurzer Zeit werden sie die Früchte ihrer Politik ernten. Landryirtschaftsminister Dr. Warmbold erklärt sich gegen einen Antrag, für Landgewinnungsarbeiten nicht 4, sondern 10 Millionen Mark in den Haushalt«inzustellen. Wir kommen in diesem Jahre mit 4 Millionen Mark aus, mit mehr wüßten wir nichts anzufangen, da es schon zu spät ist. Abg. Schulz-Neukölln(Komm.): �Dic Rechtsparteien reden hier im Landtag große Töne über ihre Siedlungsfreundlichkeit, draußen wuchern ihre Anhänger mit dem Boden. Den Soldatensiedlungen ist ein wachsames Auge zuzuwenden. Von dort her kommen die freiwilligen" Banditen, die dem'Drang des Herzens" folgen und in Oberschlesien   die eigenen Oandsleute mißhandeln und löten. Können die Agrarier, die ihren Wucherprosit in den Städten verjubeln, kein billigeres Brot erzeugen, dann sollen sie abtreten, die kleinen Bauern und Landorbeiter können schon billiger und rentabler wirtlchasten. Mittwoch 12 Uhr: Kleine Vorlagen, Abstimmungen über den Domänenhaushalt. Ministerium des Innern. Schluß 6M, Uhr. Der Aeichsral stimmte in seiner Sitzung vom Dienstag einer Reihe vom Reichstag angenommener Gesetzentwürfe zu, so u. a. dem Gesetzentwürfe über das Einkommen ausArbeitslohn und dem Gesetzentwurfe betr. Errichtung eines Staatsgerichts- Hofes. Hierbei schloß sich der Rcichsrat dem Beschlüsse des Reichs- tages an, wonach der Staatsaerichtshof bei Ministeranklagen usw. beim Reichsgericht, in verfassungsrechtlichen Fragen jedoch beim Reichsverwaltungsgericht gebildet wird. Dem Gesetzentwurf betr. die Besoldung der Reichsbankbeamten wurde vom Plenum des Reichsrates zugestimmt, desgleichen dem Entwurf eines Luft- verkehrsgefetzes. Nach diesem Gesetzentwurf wird das ge- famte Luftoerkehrswesen, das bisher vom Rcichsamt für Luft- und Kroftsahrwefen eigenmächtig geregelt wurde, in gesetzliche Bahnen gelenkt und besonders die Kontrolle und die Haftpflicht der Unternehmer verschärft. Der Reichsrat brachte dabei zum Ausdruck, daß es sich bei dieser weitverzweigten Materie um ein»erfafsungänderudes Gesetz handelt.