Am Schlüsse seiner Ausführugnen empfiehlt Herr v. Campe die Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie: Wir können keine Kraft entbehren, die aufbauen will. Wer die ehrliche Mitarbeit der Sozialdemokratie ablehnt, lebt nicht in der neuen Zeit. Aber wer alles, was nicht sozialdemokratisch ist, mit der Phrase reaktionär abtut, kennt die neue Zeit ebensowenig. Die Sozialdemokratie hat durch ihre vergangene Politik deutlich genug bewiesen, daß sie nicht in der bequemen Phrase des letzten Satzes denkt. Aber ebensowenig können wir unsere Augen davor verschließen, daß die sehr beachtenswerten An- schauungen des Herrn v. Campe nicht die allgemeine und. typische Denkart der Deutschen Volks- partei darstellen. Herr v. Campe braucht nur Tag für Tag die„Tägl. Rundschau" selber zu lesen, um uns ohne weiteres recht geben zu müssen. Wir wissen, daß auch Herr o. Campe Anbänger seiner Denkweise in den Reihen seiner Partei zählt. Aber selbst bei günstigster Betrachtung sind diese Herren nur erfreuliche Einzelerscheinungen. Solange es ihnen nicht gelingt, der Politik und der Agitation ihrer Partei den Stempel Ihrer Denkart aufzudrücken, solange kann die von ihnen gewünschte Gesundung des politischen Lebens nicht eintreten. Wir würden es gewiß begrüßen, wenn man in der Deutschen Volkspartei allgemein wie Herr v. Campe denken würde. Aber wir sind nicht optimistisch genug— zumal nach den Erfahrungen in der Krise aus Anlaß des Ultimatums— an einen solchen Wechsel der Ge» sinnung von heute auf morgen zu glauben. Das Echo von Seuchen. Es ist gewiß sehr wahrscheinlich, daß der franzosische Bataillonskommandeur in Beuthen von einem einzelnen ver- antwortungslofen Fanatiker erschossen worden ist. Ob dies erst geschah, als das französische Militär bereits mit unsag» barer Brutalität auf die Menge, die die Engländer als Be- freier begrüßte, losgegangen war, oder ob dieses Vorgehen. das man bisher nur gegen die bedauernswerten Kolonial- Völker gewohnt war, die Folge der Schüsse gegen Franzosen war, ist noch nicht klar. Sicher ist aber schon, daß der Tod dieses einen französischen Offiziers, dem so viele andere Morde polnischer Insurgenten an wehrlosen Deutschen gegenüber- stehen, zu einer neuen Hetze gegen Deutschland mißbraucht wird. Paris , 6. Juli. (MTB.) Nach dem„Matin" beabsichtigt der Abg. Lef�ore, wegen der Zwischenfälle in Beuthen zu inler- pellieren. Paris . 6. Juki.(C?) Der neue oberschlesische Zwischenfall ist einigen Blättern, oeson'ccrs„Echo de Paris",„Figaro",„Eclair" und „Action frangaise Anlast zu energischen Ausführungen, wobei auch behauptet wird, daß die Schuld an dem tragischen Ende des frarize. sifchen Majors das Kabinett Wirth treffe. Namentlich dem Kanzler wird der Borwurf gemacht, daß er in seinen letzten Reden cm ungeteiltes Oberfchlesien forderte. Derartige Ausführungen feien nur geeignet, wie„Figoro" bemerkt, die Stimmung in Oberfchlesien zu oergiften. Der Kanzler treibe nur das Spiel der A l l d e u t s ch c n. —„Echo de Paris" fordert strengste Ahndung dieser Tat, welche es als eine Kundgebung des wütendsten Hasses der oberfchlefifchen Be- oölkerung Frankreich gegenüber bezeichnet. Die Umstände, unter denen sich dos tragische Ereignis vollzogen, beweisen nur von neuem, daß die Deutschen die Gegensätze zwischen Franzosen und Engländern auszubeuten suchen. Man müsse ihnen zeigen, daß sie sich täuschen und daß die Alliierten in ihrem Willen, die Ordnung aufreckt- z'icrhalten, einig seien und jedes Attentat unterdrücken werde».— ..Petit Parisien" schiebt die Schuld an dem Attentat deutschen Offizieren in die Schuhe, die Gewaltstreiche hervorzurufen ver- üchen und sich in der Zahl von mehreren Tausend in den Reihen der Freiwilligen in Lberschlesien befinden. Wer ist schuld'{ Im Gegensatz zu diesen nationalistischen Blättern schreibt Gustave H e r v � in der„Victoire", daß das Kabinett Wirth keinerlei Ver- anlwortung an diesen Ereignissen treffe, sondern daß diese nur den polen zur Last falle, die den Aufruhr In Oberschlesien herbeigeführt und infolgedessen die deutschen Abwehrmahnahmen heraufbeschworen haben. Das Kabinett Wirth erweise seinen guten Willen. Die Wirt-
schaftsverhandlungen dauerten fort, und die deutsch « Regierung zeige, daß sie die Versailler Bestimmungen durchführen will. Wenn es eine Schuld gebe, so treffe diese nur die polen . Das beste Mittel, solche Attentat« zu verhindern und die Nerven der aufgeregten ober- schlesischen Bevölkerung zu beruhigen und sie nicht mehr zu reizen, sei, endlich über das Schicksal Oberschlesiens zu entscheiden. Aber schon wird wieder gemeldet, daß der Oberste Ententerat erst Mitte August zusammentrete. Oppeln , V. Juli.(DA.) Sobald die Ententetruppen die Ge- biete besetzt haben, entstehen allerorts hinter ihrem Rücken neue Insurgentengruppen, die das Land weiter beunruhigen. Myslowitz und Schoppinitz sind entgegen den Abmachungen noch nicht ge- räumt. Man befürchtet ganz allgemein eine Verzögerung der Räumung. Eine Beuthener Deputation, die beim Kreiskontrolleur wegen Freilassung der Franzosen-Geiseln vorsprechen sollte, ist verhaslet worden.
Der Mißbrauch öes Selbstschutzes. Breslau , 6. Juli. (Eig. Drahtbcricht des»Vorwärts".) Die Breslau «„Volksmacht" richtet heute im Anschluß an ihre gestrigen Mitteilungen folgende Fragen an die zuständigen Stellen: 1. Wie steht es mit der Rechtslage für die O r g e s ch in Schle- sien? Wird die preußische Aussührungsbestimmung zur Auflösungs- Verordnung des Reichskanzlers dahin verstanden, daß der nachträgliche Austritt des Heimatschutzverbandcs verfassungstreuer Schlcsier aus der Organisation Cscherich diesen Verband vor der Anwendung der Auflösungsbcstimmunzen schützt? 2. Was geschieht, um die deutschen Oberschlesier über die Gründe aufzuklären, aus denen der Selbstschutz zurückgezogen werden mußte, und um vor allein auch die Angehörigen de» Selbst- schutzes ins Bild zu setzen, aus welchen Gründen sie in Oberschlesien der deutschen Sache nicht mehr dienen können? Hat insbesondere das A ue w ä r t i g e Amt sich darum bemüht, an den entscheiden- den Stellen in Schlesien die Tatsache bekannt zu machen, daß«ine nochmalige Verwendung von Selbstschutz, und zwar gegenüber einem vierten Polenaufstanö nach den Erfahrungen de« dritten Auf- standcs ausgeschlossen ist, daß sie die denkbar schwerste Ge- fährdung der deutschen Sache darstellt? Hat das Auswärtige Amt schon über irgendwelche Bemühungen berichten können, für den Fall des vierten Aufftandes einen Schutz der deutschen Be- völkerung in anderer Form zu sichern? S. Sind Maßnahmen zur Verstärkung der Schutz- polizei in Mittelschiesien getroffen worden, die gegenwärtig, soweit sie zur Durchführung der Entwaffnung verwandt wird, außerordentlich dünn verteilt ist? 4. Ist den zuständigen Stellen bekannt, daß ein großer Teil der schlesischen Behörden der Auffassung ist, daß jede strafrechtlich ver- düchtige Tat, soweit sich die Täter als Selbstschutzangle- hö-rige auch nur ausgeben, nachlässig behandelt werden darf? 5. Ist von amtlicher Seite Sorge dafür getragen worden, daß die Selbsischutzleute wissen, daß die Gewerkschaften kroß der Herr- schenden Arbeitslosigkeit die Selbstschutzaagehörigen in ihrer Heimat in Brot und Arbeit bringen wollen? Daperistbe Zlugblottrickter! Alünchen, S. Juli.(Eigener Drahtbericht des„Vorwärts".) ver Kampf der bayerischen Regierungskoalition gegen die sozialistische Flugblattpropaganda hat seinen besonderen Ausdruck in der Be- stellung eines Richters für die Bestrasung der„Flugblattoerbrecher" gefunden. Die Vergehen gegen den Ausnahmezustand, worunter die Flugblattvcrteilwtg fällt, wurden bis jetzt im Ordnungs- staat Bayern von Schöffenrichtern, denen die UebeUäter nach ihren Anfangsbuchstaben zugeteilt waren, abgeurteilt. Sie setzten die be- antragte Gefängnisstrafe meist auf geringe Geldbußen herab. Dieses freie richterliche Ermessen scheint aber den heutigen Macht- habern in Bayern nicht mehr Gewähr zu bieten, daß die verbreche- rischen Flugblattverteiler der SPD. auch mit der entsprechenden Schärfe abgeurteilt werden. Infolgedessen wurde ein neues Ausnahmeverfohren angeordnet, Straffälle aus den Ab- teilungen, denen sie ordnungsmäßig zugeteilt werden mutzten, heraus- gezogen und einem eigenen Richter, einem bekannten Amts-
Eine noröisthe Lpststeata. In einer deutschnationalen Versammlung in Vorpommern forderte eine Diskussionsrednerin in flammenden Worten alle Frauen auf, ihren Männern die eheliche Gemeinschaft zu versagen, wenn sie nicht gelobten, sich nach Kräften für die Rückkehr der Hohen- z o l l e r n auf den Thron einzusetzen. Diese Dettstreikparole soll nicht ungehört verhallt sein und der Erfolg ist angeblich ungeheuer. Nur ganz wenige Ehemänner, ent- artete Glieder dieses germanssch biderben Volksjchlagee, lehnten es ob, das verlangte Versprechen zu geben, froh darüber, daß ihnen die Nichterfüllung ehelicher Pflichten einen triftigen Grund zur Scheidung liefert. Die meisten fallen nächtens um wie Kräuter im Maien. Be- währte Republikaner schwören auf dem Altar der Liebe feierlich zum Hause Doorn . Die demokratischen und sozialistischen Parteigruppen schrumpfen überall auf«in paar Hagestolze zusammen. In den nächsten Reichstag schickt Vorpommern nur noch stramm« Man- archisten, und au» dem Schoß« seiner Heldenmütter ersteht schon im kommenden Frühjahr die junge Garde, mit der Wilhelm das Kind dereinst die große Rcvancheschlacht im Westen schlägt. Am Schluß ihrer Red« passiert« der nordischen Lysistrata übrt- gens ein kleines Malheur. Nachdem sie weidlich über die»Juden und Judengenossen" geschimpft, die uns unserer edlen Fürsten be- raubt hätten, rief sie mit feierlichem Ton:»Wir aber wollen immer eingedenk sein des Wortes unseres großen vaterländischen Dichter»: Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen!"— Auf dem Montmartre zu Paris glaubte ein französischer Fried- Hosswächter um dieselbe Stunde aus dem Grabe eines gewissen H- n r i H e i n e ein diabolisches Gelächter zu hören. _ Peter Michel.
Dle Ueberpflanzung von Otogen. Aus Wien kommt di« aufsehenerregende Nachricht, daß es einem Studenten der Biologie, Th. Koppanyi, gelungen sei, die Augen eines Versuchstieres auf ein anderes zu übertragen. Koppanni, ein Schüler oe« Professors Przibram , habe solche Versuche mit Fischen, Fröschen und Ratten angestellt und es habe sich gezeigt, daß die eingesetzten Augen in der Augenhöhle fest gewachsen seien. Auch habe die mikroskopische Ueberprüfung ergeben, daß die neuen Augen normal und funktionsfähig seien« denn der neue Sehnero sei in den alten hineingewachsen. Ssweit die Wiener Meldung. Wenn sie das hält, was sie zu versprechen scheint, so hätten wir in der Augenheilkunde allerdings einen ungeheuren Fortschritt zu verzeichnen. Aber was versp-icht sie tatsächlich? Es heißt: die Augen sind„sestgcwachsen" und sie sind, saweii das mikroskopisch zu kontrollieren ist,„normal" und .junttionsjähig", Da» Feftwachsea bedeuettt an sich noch wenig, denn
die Ueberpflanzung von Organen, z. B. Nieren, ist schon öfter«xperi- mentell mir Erfolg vorgenommen worden. Es heißt dann weiter: in der mikroskopischen Untersuchung hätten sich die«ingeletzen Augen als normal und funktionsfähig erwiesen. Normal— gewiß: denn e« bandelt sich eben um gesunde Augen, die ihren normalen Cbarakter dem äußeren Anschein nach auch an der neuen Stelle eine Zeitlang bewahren können. Es fragt sich nur, auf wie lange. Denn nach den bisher gemachten Erfahrungen pflegen überpflanzte Organ«, auch wenn sie gut eingeheilt sind, nach Ablauf einiger Zeit entweder doch abzu st erben, oder, wenn sie lebendig bleiben, ihre Besonderheit zu verlieren und sich in ein N a r b« n g e w« b e zu verwandeln, das die Funktionen des Organs natürlich nicht auszuüben imstande ist. Die mikroskopische Untersuchung kann dabei etwas Ausschlaggebendes überhaupt nicht feststellen. Sie kann in diesem Fall höchstens ergeben haben, daß die Sehneroenenden miteinander ver- wachsen und verheilt sind. Nun besteht aber jeder Nerv sozusagen aus einem Bündel von Leitungsdrähten, von denen jeder einzeln« seine besondere Funktion bat. Beim Sehnerv ist jeder Leitungsdraht mit einer bestimmten Stelle der Netz- haut verbunden und von dieser Stelle der Netzhaut gehen wieder Leitungsdrähte nach bestimmten Gehirnzellen. Erst wenn zwischen allen einzelnen Leitungsdrähten des Sehnerve, den dazu gehörenden Stellen der Netzbaut und den entsprechenden Gehirnzellen der»An- schluß" hergestellt Ist, kann ein richtiges Sehbild entstehen. Da nun ober die Wissenschaft nrch gar nicht imstande ist, die einzelnen Leitungsdrähte voneinander zu unterscheiden, so kann auch durch eine mikroskopische Untersuchung unmöglich festgestellt werden, ob die richtigen Leitungsdrähte mit einander verwachsen sind. Das könnte erst durch den prakttschen Erfolg erwiesen werden. Erst wenn es sich ergibt, daß die Versuchstiere mit den eingesetzten Augen tatsächlich wirtlich und richtig sehen, wäre das neu« Ver- fahren für die Augenheilkunde von Bedeutung. Zwei Fachärzte, Prof. Maller, der Direktor der Ersten Wiener Augenklinik, und Dr. Guist, sind mit den nötigen Nachprüfungen nach dieser Richtung hin betraut und man wird das Resultat ihrer Untersuchungen ab- warten müssen.
»Englische Autoren und cln deutscher Verleger"— unter diesem Titel widmet I. C. Sergue dem Berlagshau» Tauchnttz einen Artikel in den„Daily News" und teilt interessante Briefstellen aus dem Archin mit. in dem die zahlreichen Zeugnisse über eine lang- jährige Zusammenarbeit der berühmtesten englischen Dichter mit der deutschen Firma aufbewahrt werden. Dickens scheint nach dem Umfang und dem Ton seiner Briefe in einem besonders nahen Der- hältnis zu dem Gründer der Firma gestanden zu haben.„Mein ältester Sohn," schreibt er im Dezember 1SS2, der setzt 18 Jahr« ist, Ist von mir aus Eton— der großen öffentlichen Unterrichtsanstalt. die Sie gewiß dem Namen nach kennen— herausgenommen war- den, weil ich ihn nach Deutschland schicken möchte, damit er dort nach meinem Wunsch die deutsche Sprache vollkommen bshcrrschsn lernt. Nun möchte ich ihn gern bei einem deutschen Herrn unterbringen, in dessen Familie er angenehm leben und wissenschaftlichen Unter- richt im Deutschen und Französischeu erhalten könnt«, sowie auch so
gerichtsrat und Spezialisten für bayerische Innenpolitik, übertragen. Die Bestellung dieses Ausnahmerichters, dessen bisherig« Täiig- keit ihn hierfür besonders geeignet erscheinen läßt, bedeutet den An- fang vom Ende der Unabhängigkeit der Richter Bayerns . Der Sozial- demokratische Verein München beabsichtigt, gegen die Strafbesehle schleunigst Einspruch zu erheben und gegen die Züchtung von antisozialistischen Richtern in Bayern mit aller Schärfe vorzugehen. * Die Versammlungen des Deutschen Landarbeiterverbandes werden von den Bezirksämtern des Freistaates Bayern nach Möglichkeit beschränkt und verboten. Ein Amt gab auf das Gesuch um Dersammlungszenehmigung überhaupt keine Antwort, ein anderes verbot die Dasammlung mit der„Begründung", daß der Verband auf kommunistischer Grundlage aufgebaut seil Weiter wurde erklärt, Versammlungen könnten nicht mehr ge- n e h m i g t werden, da die Ernte vor der Tür stehe und die Land- arbeiter zu Ernte st reiks aufgefordert werden könnten! So sieht es mit dem Bersammlungs- und Koalitionsrecht der frei- gewerkschaftlich organisierten Arbeiter in Bayern aus.
Paul Müller geht! Wie uns aus Hamburg gedrahtet wird, hatte der Vor- stand unserer dortigen Parteiorganisation an Paul Müller wegen seiner Rede gegen die Handelsflagge ein Schreiben ge- richtet, in dem er ihm mitteilte, daß gegen ihn das Aus- l ch l u ß v e r f a h r e n aus der Partei eingeleitet worden sei. im Schreiben wird dieser Schritt damit begründet, daß sich Paul Müller durch die B e s ch i m p f u n gder F a r b e n der R e p u b l i k und durch Artikel in seinem„Mitteilungsblatt des Aktionsausschusses seemännischer Berussoerbände" einer parteigenossischenEhrlosigkeit schuldig gemacht habe. Müller wurde aufgefordert, sich zu dem Ausschlußantrag zu äußern oder in einer Parteivorstandssitzung seine Hand- lungsweise zu verteidigen. Darauf hat Müller an die Partei ein Schreiben gerichtet, in dem er seinen Austritt aus der Partei erklärt. Er schreibt dazu: „Ich kann und will einer Partei nicht angehören, die das Recht der freien Meinungs- und Willensäußerung nicht respektiert. Nach- dem ich festgestellt habe, daß dies«„demokratische" Partei mit ihren führenden Kreisen und mit ihrer Presse drauf und dran ist. nicht nur das freie Wort zu unterdrücken, sondern auch den Geist zu töten, würde ich es als Heuchelei betrachten, wenn ich dieser Partei noch ferner angehören würde." Die sinnlosen Verleumdungen zu widerlegen, mit denen Müller seinen schweren Disziplinbruch zu entschuldigen sucht. lohnt nicht der Mühe. Un ere Genossen werden in weitesten Kreisen außerordentlich erfreut sein, diesen Mann, dessen anti- republikanisches Treiben schon längst eine schwere Schädigung für das Ansehen der Sozialdemokratie bedeutete, nicht mehr zu den Ihren zählen zu müssen.
Der �allzuftrenge" Zinanzamtsöirektor. Sieg der Steuerdruckeberger? Au» Salzwedel (Altmark ) schreibt man uns: Das Finanzamt Salzwedel war der Schrecken der Steuerdrücke- berger. Es war ihm gelungen, weiteste Kreise der Steuerscheuen zur Rechenschaft zu ziehen. Allein bei IS Drückebergern(darunter 16 Landwirten), deren Namen da» Finanzamt in öffentlicher De- kanntmachung anprangerte, waren 1 Z21 818 Al. hlnlcrzogene Steuern festgestellt worden. Weiter« Entlarvungen wurden vom Finanzamt in Aussicht gestellt. Da bringt auf einmal dl« bürgerliche Presse folgende Notiz: Salzwedel . Der Leiter de» hiesigen Finanzamt», Regierung?- rat Groth, hat vom Reichsfinanzmtnister einen Ruf nach Berlin erhalten. Was bedeutet da»? Die Frag- erscheint um so dringlicher, als dt« in Oster bürg bei Salzwedel erscheinende„Allmärtische Zei- tung" mit fühlbarem Seufzer der Erleichterung folgende weitere Nottz bringt: Reaieningsassessor Hamann verläßt heute Osterburg , um den allzu scharfen Herrn vom Finanzamt Salzwedel abzulösen. beobachtet würde, wie es ein Junge seines Alters werden muß." T h a ck e r a y schreibt 13ö6:„Ihr Brief vom 26. Mai hat mich ge- rade bei meiner Rücklehr aus Amerika erreicht, wo ich eine sehr gewinnbringende Tournee gemacht habe, wenn ich auch nicht ganz die Summe von 500 000 Dollar erreichte, von denen die»Allgemeine Zeitung " als meinen Einnahmen berichtet. Beunruhigen Sie sich nicht wegen Ihres Englisch. Ein Brief, der eine Anzahl Pfund Sterling enthüll , ist immer in einem schönen Stil geschrieben, on den Briefen von M e r e d i t h kehrt die Klage darüber wieder, daß das englische Publikum ihn so langsam verstehe.»Jedes Werk von mir." schreibt er bitter, hat lange darauf zu warten, bevor es in England Käufer findet. Sie kaufen jetzt ein Werk, das vor 37 Jahren entstanden ist!" D i s r a e l i schreibt am 23. September 1870:„Die Bücher, die sich mit mir beschäftigen, sind im allgemeinen infame Streitschriften, die ich stets mit äußerster Gleichgültigkeit be- handelt habe. Ich frage mich manchmal, was man wohl nach meinem Fortgang machen wird: wer wird dann da fein, um miß- braucht und karikiert zu werden?" Unter den vielen hundert Brie- fen, die sich in den Tauchnitz-Archwen befinden, sind solche von Macaulay. Milh R. L. Stephenson, Longfellow und anderen. Feuerschaum, ein neues Löschmittel. Man schreibt uns: Ein eigenartiges Feuerlöschsystem gelangt gegenwärtig in den Bereinig� ten Staaten zur Anwendung. Unter dem Namen„Foamite (von loem— Schaum) bedient man sich einer flüssigen chemischen Masse, die wie Wasser aus Schläuchen verspritzt wird, sich dann aber an der Luft in einen lockeren Schaum verwandell. Dieser besitzt fcuerlöschende Eigenschaften und legt sich über alle brennenden Gegenständ« wie«ine Decke. Mit dem neuen Verfahren, heißt es. könne jede Art von Feuer, auch brennende Flüssigkeit, schneller als mit anderen Mitteln gelöscht werden. Jede Wiederentzündung sei ausgeschlossen, und durch das Löschen werde»einerlei Wasserschaden angerichtet. Das System beruht offenbar auf dem Prinzip der Er- stickung de» Feuers durch Abschluß von der Lust. Der Feuerschaum- apparat wird als Handspritze, al» tragbarer oder fahrbarer Lösch- apparat, als fahrbare Spritz« usw., geliefert: besondere Systeme werden für große industrielle Anlagen und für außergewöhnlich gefährliche Oel- und Petroleumrisiken angefertigt. Das neue Mittel, dessen chemische Zusammensetzung die her- stellende Firma geheim hält, wird von dieser in der Propaganda als die Lösung des Feuerproblems in den Vereinigten Staaten be- zeichnet und soll sich bereits in der Stahl-, Automobil-, Farben- und chemischen Industrie bewährt haben. 3n Schönheit gelebt und in Schönheit begraben. Gabriel d'Annunzio hat sich zwischen den Hügeln im Ouellgebiet des Pescara ein prächtiges Mausoleum erbauen lassen, in dem er einst das jüngste Gericht zu erwarten gedenkt. Wir erinnern uns, daß d'Annunzio nach seinem Fiume-Fiaska den Entschluß verkündete, den Staub Italiens von seinen Füßen zu schütteln. Merkwürdig, daß dos undankbare Land, das nicht einmal wert erscheint, als Staub ouf Lackstiefel zu haften, später den ganzen Staub des unsterblichen Sängers und Helden besitzen soll.