Nr.317 38.Jahrgang Ausgabe A nr. 161
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Freitag, den 8. Juli 1921
Vertagter Streikbeschluß in Berlin .
Die Berliner Gewerkschaftskommission hatte zum Donnerstag Un Stelle des bisherigen Stadffommandanten General Lecomte nachmittag die drei sozialistischen Fraktionen und ihre Magiftrats- Denis ist der englische Oberstkommandant Bauchope, der Führer vertreter zu einer Besprechung eingeladen, in der fie einen Ber - der füdlichen Brigade in Oberfchlesien, zum Stadttommandanten erständigungsvorschlag zur Debatte stellte. Diese Be- nannt worden. fprechung führte zu einem einheitlichen Beschluß. Hieran schlossen sich ab 6 Uhr Versammlungen mit Vertretern des Magistrats. Hierbei ergab sich die Aussicht einer
gütlichen Beilegung
der Differenzen. Während dieser Verhandlungen hatte eine ab 5 Uhr in der Bodbrauerei tagende Funktionärverfammlung der Arbeiter der städtischen Betriebe befchloffen, sofort in den Streit einzutreten, und es wurde eine Streitleitung eingesetzt. Die Berjammlung verlagte sich auf eine Stunde. Während dieser Zelt nahm die Streilleitung einen Bericht von den Verhandlungen mit dem Magistrat entgegen. Dieser Bericht führte zu dem einstimmigen Beschluß der Streifleitung, daß der Beginn des Streits zu vertagen fei, bis am Freitag die Verhandlungen mit dem Magistrat ein endgültiges Resultat gezeitigt haben.
Die Versammlung ftimmte dem zu und erteilte der Streifleitung die notwendigen Bollmachten.
Das Gesamtergebnis der Streitabstimmung war folgendes: für den Streif 30 786( 75 Pro3.), gegen den Streit 10 353 ( 25 Proj.), ungültig 832 Stimmen.
( Weiteres fiehe 4. Seite.)
Vollendete Tatsachen.
Der deutsche Bertreter des New Yorker New Republic" übt in seinen Organ scharfe Kritik an dem Verhalten der Franzosen in Oberschlesien . Die Tatsachen, die er anführt, sind für uns in Deutschland kein Geheimnis. Von Interesse für uns find aber einige Aeußerungen, die er dem Borsigenden der JK., Le Rond, in den Mund legt. Er schreibt:
" Ich sprach mit General Le Rond. Er war offensichtlich in größte Berlegenheit gebracht durch die gegenfäßlichen Interessen, die er zu vertreten hatte. Es war ihm, bin ich überzeugt, aufrichtig um eine Wiederherstellung der Ordnung zu tun. Aber er ließ mich nicht im Zweifel darüber, daß der Aufstand Resultate gezeitigt habe, die die Alliierten als fait accompli anerkennen müßten. In dem Augen blid, wo dieses zugegeben werden würde, vermöchte ich nicht zu sehen, wie die Interalliierte Kommission, deren Borsiz der General führt, noch behaupten tönnte, eine Autorität zu bedeuten oder das Bertrauen der Deutschen oder den Respekt der Aufständischen zu ver
dienen."
Hier haben wir also das berühmte fait accompli( vollen bete Tatsache), von dem Lloyd George und Briand einmütig behaupteten, daß es die Entente nie anerkennen werde. Die Regierungen in Paris und London werden zu dieser Aeußerung ihres Beauftragten für Oberschlesien Stellung nehmen müssen. Vielleicht benutzt die deutsche Regierung die Gelegenheit zu einer Kleinen Anfrage.
Die Trauerfeier für den Major Montelègre verlief ohne Zwischenfall. Ce Rond, de Marini und Harold Stuart nahmen an der Feier feil, die mit großem Pomp vor sich ging. Die Beijehung des durch einen Bajonettffich getöteten Praktikanten mittags flatt und darf bei einer beschränkten Zahl von Leidtragenden Erziroh findet auf Befehl der Befatungsbehörde um 5 Uhr voreine Stunde nicht überschreiten.
Oppeln , 7. Juli.( WIB.) Seit dem 6. Juli besteht für die Ein- und Ausreife von und nach Oberschlesien wieder der Paßzwang, wie er vor dem oberschlesischen Aufstande eingeführt war. Die Päffe müssen also wieder das franzöfifche Bijum tragen.
Die Verantwortlichen.
Im Populaire" schreibt Jean Longuet , die schwerste Berantwortung, ja die entscheidendste lafte zweifellos auf den Allier ten, die sich unfähig erwiesen, irgendeine Lösung des schmerzlichen oberschlesischen Problems zu finden. Besonders aber trage der franzöfifche Kommandant eine Verantwortung, der die Soldaten durch die Lektüre des Echo de Paris" und der Action Française" habe vergiften laffen. Diese Politik der Truppe bringe es dahin, daß sie einen Teil der Bevölkerung, die fie beschützen folle, als Feinde anfähe; es sei nötig, in Oberschlesien zu einer gerechten Lösung zu gelangen und einem Provisorium ein Ende zu bereiten, das wirklich zu lange angebauert habe.
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Wirths Steuerprogramm.
Bon Wilhelm Reil.
Der Reichskanzler und Reichsfinanzminister Dr. Mirth hat das Steuerprogramm, das er in der Mittwochsitzung des Reichstags entrollte, wiederholt als ein vorläufiges bezeichnet. Auch wenn das nicht geschehen wäre, hätte man es der Rede angemerkt, daß endgültige Entscheidungen noch nicht getroffen find. Grundlegende Fragen, von denen das Gelingen des großen Finanzwerkes wesentlich abhängt, befinden fich noch im Stadium der Erwägungen.
Es ist begreiflich, daß das neue Reichskabinett nicht schon allen Einzelheiten wohl ausgearbeiteten Plan, der fünf oder nach achtwöchiger Tätigkeit mit einem fig und fertigen, in sechs Dugend Milliarden neuer Reichseinnahmen zu beschaffen geeignet ist, vor den Reichstag zu treten vermag. Ein bißchen weiter aber hätten wir doch schon sein sollen, als wir sind. Es hätte alsbald nach der Annahme des Ultimatums und der Bildung des neuen Kabinetts mindestens unter den Parteien der jezigen Regierung eine erständigung herbeigeführt werden müssen über die zunächst zu unternehmenden Schritte. Das wäre um so notwendiger gewesen angesichts der finanzpolitischen Verfäumnisse des letzten Jahres, die darin bestehen, daß nicht einmal die Dedung des ordentlichen Etats und des einstweilen nicht zu streichenden großen Aufwands des außerordentlichen Etats angestrebt wurde. Obgleich Herr Dr. Birth dem früheren Kabinett schon angehörte, tann ihm persönlich die Schuld für diese Versäumniffe nicht zugeschoben werden. Die Deutsche Boltspartei drückte dem Kabinett FehrenbachSimons so start den Stempel ihres Wesens auf, daß auch der meitblickendste Finanzminister sich in diesem Kreis mit den Borschlägen, die die Situation gebot, nicht durchzusetzen ver
mochte.
Die Taftif der Rechtsparteien war während des legten Jahres darauf gerichtet, die Finanzlage noch um ein Erhebliches ungünstiger erscheinen zu lassen, als sie in WahrBerlin, 7. Juli. ( WTB.) Die deutsch - polnische omheit schon ist. Man bildete sich ein, die Entente nehme alle mission aus Bofen ist am 7. Juli von ihrem Besuch im Nieder ihr unterbreiteten Zahlenaufstellungen unbesehen als ein gelaufiger Braunfohlenrepier zurückgekehrt. Sie hat dort treues Spiegelbild der deutschen Finanz- und Wirtschaftsverfestgestellt, daß seitens der Behörden oder Arbeitgeber feinerlei hältnisse hin und ziehe daraus die gewünschten Konsequenzen. 3wang zur Erzielung der Abwanderung der Bolen ausgeübt wor- Man sprach stetig und überall von der bereits überden ist. fchrittenen Grenze der Besizbelastung und Soweit polnische Arbeiter unter dem 3wange wirtschaftlicher verzögerte damit die Flüssigmachung derjenigen Mittel, die oder nationaler Spannung zur Auswanderung veranlaßt worden zur Ausbalancierung des inneren Etats auf jeden Fall in find, haben sie diese mit Hab und Gut ungehindert durchführen Anspruch genommen werden mußten. Auf jeden Fall: denn daß wir zunächst einmal unseren Etat ausbalancieren mußDie Kommission hat sich am 7. Juli wieder nach Posen zurüidten, wie hoch immer die Kriegsentschädigungsforderung gebegeben. Es muß erwartet werden, daß nunmehr dort auch den schraubt werden mochte, das war teinen Augenblick zweifelbegerischen falschen Darstellungen über die Lage der Polen in haft. Wenn das nicht geschah, so ist die Folge nicht nur die, Deutschland ein Ende bereitet wird.
fönnen.
"
daß nachträglich noch die Summen aufgebracht werden müssen, die schon im vergangenen Jahr hätten beschafft werden können, sondern auch die, daß der Markkurs infolge gesteigerter Tätigkeit der Notenpreffe noch tiefer gesunken ist, als es im anderen Falle geschehen wäre.
Die Friedensbedingungen Amerikas . Paris , 7. Juli. ( WTB.) Chicago Tribune" meldet aus Washington , welche Form der Friede mit Deutschland annehmen Die Einstellung auf die Auffassung, daß eine weitere Bewerde, scheine man in Washington ebensowenig zu wissen, wie in laftung des Befizzes nicht mehr möglich sei, wirkte auch noch Berlin . Es stehe indessen fest, daß die Absicht der Regierung dahin nach, als die Entscheidung über das Ultimatum getroffen war Der Reichskanzler Dr. Wirth und der preußische Mi- gehe, in der Reparationsfrage den Alliierten zur Seite zu stehen. und wir vor der unabweisbaren Notwendigkeit standen, Einnister des Innern, Dominicus, haben sich heute zu mehr Das Blatt bestätigt die gestrige Meldung des New York Herald " nahmequellen zu erschließen, die in der Geschichte der Völker tägigem Aufenthalt nach Breslau begeben, um mit den daß die Frage, ob eine Friedensproffamation notwendig sei, noch fein Beispiel finden. Nicht so sehr der neue Reichskanzler, als dortigen oberschlesischen und schlesischen Stellen persönlich geprüft werde. Die Friedensentschließung des Kongreffes stelle für vielmehr seine berufenen Ratgeber in der Finanzverwaltung Fühlung zu nehmen. Der Reichskanzler wird morgen abend in den Augenblid weder den Frieden her noch die diplomatischen Be- brauchten geraume Zeit, um zu erkennen, daß es ein Ding der der Jahrhunderthalle in Breslau eine Rede halten, in der er ziehungen, dies fönne erst geschehen durch einen Sonderver Unmöglichkeit ist, ohne einen starten Zugriff auf den trag die oberschlesische Frage im besonderen erörtern wird. trag, falls die Regierung nicht beabsichtige, den Versailler Bertrag fähigen Befiz auch nur über die allernächste Zukunft Die Waffen des Selbstschuhes. als Grundlage für den Frieben zu benutzen, wobei jene Bestimmun hinwegzukommen. Erst nach wochenlangem Besinnen gaben In einer Unterredung mit dem Vertreter des B. I." gen ausgemerzt würden, die Amerika abträglich wären. Präsident Harding habe tein Interesse an der Etikette oder dem sie zu, daß in der Tat der Besiz durch die bisherigen Steuern erflärte General Hoefer, das Gerede einzelner Offiziere und Leitspruch, durch den der Friede gesichert werden solle, was er ver- höchft ungleich getroffen worden ist und daß folglich der be Mannschaften des Selbstschutes von einem Vormarsch auf lange sei eine Maßnahme, die ein Minimum von Berhand günstigte Teil der befizenden Schichten, dem überdies die in Berlin sei nicht ernst zu nehmen. Das mag richtig sein. Aber lungen mit einem Marimum von Resultaten verbinde. raschem Tempo por fich gehende Angleichung der Inlandsdie Sache hat doch einen Halen- oder vielmehr ein Hafen. Der Bertrag," sagt das Blatt zum Schluß, müsse die Wiederaufpreise an die Weltmarktpreise große Gewinnaussichten eröffnet, freuz. General Hoefer gab in feiner Unterredung zu, daß die nahme normaler Beziehungen mit Deutschland vorsehen einschließ. ohne empfindlichen Schaden für die allgemeine Bolkswirtschaft Hakenkreuzmode bei dem Selbstschutz zeitweise geradezu lich ber Fragen des Verfalles der feindlichen Güter, der ameritani- ein neues Opfer ertragen fönne. groteste Formen angenommen habe. Mag er dem Unfug schen Ansprüche auf Schäden, die Deutschland verursacht habe, der Die Langsamkeit der Umstellung der ressortmäßig berufe ein Ende gemacht haben, den Hafentreuz ge i st hat General amerikanischen Ansprüche auf Schiffe und Patente, die während des nen Mitarbeiter des Reichsfangler war eines, vielleicht das Hoefer taum ausgemerzt. Wes Geistes Kind die Haten- Krieges beschlagnahmt wurden, der Baßregulierung und des Er- wichtigste der Hindernisse, die eine rechtzeitige Berständigung freugler find, hat der Kapp- Butsch gelehrt. Es ist nicht Sache faßes von Ausgaben durch die amerikanischen Besagungstruppen." der Regierungsparteien hemmten. Auch in der Programmrede des Kanzlers begegnet man noch den Spuren dieser des Reichs, die Geistesverfassung dieser Gilde einer Revision zu unterziehen. Sache des Reichs aber ist es, zu verhüten, hemmenden Einflüsse. Der Gedanke der Veredlung" baß fie linheil anrichtet. Das wird angehen, wenn man ihr des Reichsnotopfers trägt noch ganz embryonales die Möglichkeit nimmt, die Waffen des Geistes mit anderen Gepräge und die Sorge ist nicht ganz von der Hand zu meijen, Waffen zu vertauschen. Es wäre deshalb von öffentdaß er von den Reffortkapazitäten nur aufgenommen worden lichem Intereffe, zu erfahren, was mit den lei, um den durchgreifenderen und größeren Gedanken der Waffen und dem Kriegsgerät des aufgelösten Beteiligung des Reichs am Besiz und Ertrag Selbstschußes geschieht. Der Sachwerte zu erstiden. 3war hat der Kanzler diesem größeren Gedanken freundliche Worte gewidmet und mitgeteilt, zunächst sei der Teilplan in Angriff genommen, das Reich an den größeren Unternehmungen, die an der Konjunktur vorwiegend teilhaben, zu einem Bruchteil ihres Ertrags und ihres Wertes zu beteiligen. Das soll gefchehen in der Form der Ausstellung von Genußscheinen, die durch Einziehung der Dividende oder durch Verkauf und Verpfändung verwendet werden können. Das Reich werde also an
Der Beuthener Mord.
Beuthen , 7. Jull.( WIB.) Die Untersuchung des Mordes an dem Major Montalegre hat ergeben, daß die Kugel von der Sedanstraße aus Rohberg gekommen ist. Der Mörder foll ein 19jähriger Bursche( früherer Insurgent) fein. Die Muffer wurde verhaftet, weil der Sohn flüchtig ist. Die Geifeln find bisher nicht freigegeben.
Konferenz zwischen England, Japan und US ? Washington , 6. Juli. Nach dem hiesigen Berichterstatter des Philadelphia Public Ledger" hat die britische der amerikanischen Regierung Vorschläge gemacht, um eine Verständigung der drei Großmächte Großbritannien , Japan und die Bereinig. ten Staaten im Stillen Ozean herbeizuführen. Der näm. liche Berichterstatter berichtet dazu, daß die englischen Borschläge auf dem üblichen diplomatischen Wege übermittelt wurden und somit durchaus amtlichen Charafter tragen. Sie unterliegen zurzeit der Brüfung durch die Regierung in Washington .
Asquith soll nach einer Meldung des„ Daily Herald" die Absicht haben, die Führung der Partei der unabhängigen Liberalen nieberzulegen und nur noch seinen Sitz im Unterhause zu behalten.