eid der Vorstand der leitenden Ringbrauerei in der letzten General- Versammlung gegeben hat: Es war im neuen Jahre im September ein M i n d« r a b s a tz von 4270 Hektolitern(im Preise von 106 7ö0 M.), im Oktober ein solcher von 4637 Hekto- litern(im Preise von 115 925 M.) und im November bis in die ersten Tage des Monats ein solcher von 500 Hektolitern(im Preise von 12 500 M.) zu verzeichnen. Der Vorstand tröstete die Aktionäre damit, daß dieser Verlust nicht ausschließ- lich(!) auf den Boykott, sondern theils auch ans die un- günstige Witterung und auf die Erwerbsverhällnisse zurück- zuführen sei! Bemerkt sei noch, daß eingedenk des Bibelivorts„Ge- theilter Schmerz ist halber Schmerz", auch der Vorstand der Schultheiß-Branerei so gnädig war, einen Theil des Boykott- jammers zn tragen. Die Tantieme des Vorstandes, die im vorigen Jahre 99 000 M. betrug, wurde für dies Geschäftsjahr auf 75 000 M. reduzirl. Armer Rösicke! Die Arbeiterschaft steckt schmunzelnd die Quittungen über ihr pflichteifriges Wirken ein und verspricht, den Boykott auch ferner mit der alten Umsicht zu üben, bis die Ningbrauereien sich zu einem annehmbaren Frieden bereit erklären. Zur Lokalliste. Rummels bürg. Rosen, Schiller- firaße 20, schänkt wieder Boykottbier. Boykottfreies Bier wird jetzt wieder von Ohnesorge, Nene Prinz Albertstraße, geführt.— G. Kähler wohnt nicht Oranienburgerstraße, sondern Oranien- straße 169. Im 6. Wahlkreis sind zu streichen: Hennig, Swine- münderstr. 33; Kinzel, Wollinerstr. 58. Beide verweigern die Vornahme der Kontrolle. Hagen , Fehrbellinerstr. 20, schänkt ringfreies Bier. Die Kommission der Brauer und Brauerei- Hilfs- arbeiter qnitlirt über folgende Eingänge: Ueberschnß von dem am 4. November in Hoffmann's Festsälen nbAehaltenen Vergnügen 40 M. Vom abbestellten Vergnügen der Gurtler und Bronzeure trotz des Defizits von 25 M. gezahlt 25 M. Vom Verband der Möbelpolircr 100 M. Daö Spandaner Krankenhaus. In der vorletzten Sitzung des Stadtverordneren- Kollegiums zu Spandan kamen u. a. folgende erbauliche Beschwerden über die Zustände im dortigen städtischen Krankenhaus zur Sprache: I. Ei» Pflegling des Krankenhauses beschwert sich, daß er zum Mittag Kartoffeln mit Hering erhallen habe. Die Ver- waltung giebt das zu, erklärt aber, daß in Zukunft diese Speise nur als Abendbrot, und ferner auch nur auf Wunsch verabreicht werden soll. 2. Beschwerde über verdorbene Wurst mit Maden. Erwiderung: Daran hat der Lieferant Schuld. 3. Fünf kleine Käfer in dem Napf mit Linsensuppe. Erklärung: Die Linsen waren vor dem Kochen nicht aus- gelesen; übrigens kommt das in jedem Haushalt vor. 4. Beschwerde: Auf der Wochenstube werden in demselben Wasser mehrere Säuglinge gebadet und das Badewasser gleich- zeitig als Mundwasser bei den Säuglingen benutzt. Erwiderung: 51 o m in t in jeder Familie vor! 5. Ein Arbeiter führt Beschwerde, weil er erst a m dritten Tage nach seiner Einlieferuug in ärztliche Behandlung genommen wurde. Antwort:»Ist kaum möglich, oder der Betreffende ist bei dein Rundgang des behandelnden Arztes übersehen worden. 6. Ein Anderer sagt aus, daß ihm ein schon von einem Kranken benutztes Bett angewiesen worden sei. Antwort: Ist so schlimm nicht, soll aber in Zukunft ver- mieden werden. Und nun 7. das drolligste, wenigstens so weit es die Ant- wort betrifft. Stadtverordneter W a s m u t h:„Mein Gewährsmann hat aus seiner Suppe einen Fetzen Verbandgaze herausgefischt und hat darauf nichts mehr essen tönnen". Antwort:„Das ist nicht wahr! Die eingeleitete Unter- suchung hat ergeben, daß es keine Gaze, sondern Lein- wand war. welche wahrscheinlich vom Kesselscheuern herrührt." Außerdem wurden noch eine ganze Reihe Beschwerden darüber vorgetragen, daß Haare im Essen, nnd Maden in de» Konserven vorgefunden worden seien! Preußische Gewissensfreiheit. Der Kassirer der Berliner Freireligiösen Gemeinde, Möbelfabrikant P. Peege, hatte sich nach der„Volks-Zeitung" wegen Dispens seines Kindes vom Religions- Unterricht auf Anrathen des Stadtschulraths Bertram mit seinem Anliegen an das Provinzial-Schulkollegium als die oberste Be- Hörde gewendet und in seinem Gesuch betont, daß er in Gemein- schast mit seiner Frau sein Kind in der Moral unterweise und rhin auch die wichtigsten Momente aus der Religionsgeschichte mittheile. Das Gesuch ist vom Schulkollegium abgelehnt worden. P. sei gehalten, sein Kind zum Religionsunterricht zu schicken, da ein ausreichender Ersatz für diesen Unterricht nicht nach- gewiesen sei. Majestätsbeleidigung des olle« Willem? Eine sehr zu bezweifelnde Nachricht bringt die„Rixdorfer Zeitung": Es soll gegen den Kuratus der katholischen Gemeinde zu R i x d o r f, Herrn Klose» die Untersuchung wegen Majestäls- beleidigung eingeleitet worden sein. Danach habe sich der Kuratns bei Ertheilung des Geschichtsunterrichtes im vorigen Jahre(!) in einer Schulklasse„unehrerbietige" Aenßerungen über Wilhelm I. zu Schulden kommen laffen, diese Aenßerungen seien seitens der Kinder den Eltern hinterbracht und jeyt, nach Jahresfrist(??) sei von irgend einer Seite der Regierung zu Potsdam über diesen Vorgang Mittheilung gemacht worden. Nach der Notiz des Borortsblattes hätten zahlreiche Ver- nehmungen von Schulkindern stattgefunden. Augenscheinlich handelt es sich, da ein freimnthiges Urtheil selbst über die 1848cr Großthaten des hochscligen Heldengreises nicht mehr kriminell strasbar ist, um eine Disziplinaruntersuchung. Immer- hin ist die Meldung der„Rixdorser Zeitung", falls sie sich auch nur in diesem Sinne bewahrheiten sollte, bezeichnend für die heutige Herrlichkeit der Dinge. Militärboykott. Ein Verbot, das Wirthshaus von Hertel in der Potsdamerstraße zu Groß-Lichterfelde zu besuchen, ist für die Haupt-Kadetienanstalt erlassen worden. Das Lokal, das in unmittelbarer Nähe der Anstalt liegt, erfreute sich bisher eines regen Zuspruches seitens der Angestellten des Kadettenhauses, die «ine große Anzahl ausmachen. Nun sind kürzlich einige Kadetten, nachdem der nachsehende Offizier seinen Rundgang beendigt hatte, zur Nachtzeit in Zivilkleidung über die Einfriedigungsmauer ge- stiegen und bei Hertel eingekehrt. Dies ist zur Kenntniß des Kommandos gekommen und soll dem strengen Befehl, das Wirths- Hans zu meiden, für alle Angestellten zu Grunde liegen. Der Wirth, der erheblich geschadigt ist, hat gestern die Petition der Ringbierwirthe um Bestrafung des Boykotts unterschrieben. Zur'Affäre Schwanke. Der Rechtsanwalt Dr. Tiktin als Beistand des Gastwirths Schwanke hat die Haftentlassung seines Klienten am Dienstag in Form einer Beschwerde von dem hiesigen Gericht gefordert. Falls der hiesige Richter auf die Sache nicht «ingeht, muß das Schriftstück einer höheren Instanz sofort unter- breitet werden. Die Zahl der Enllastungszeugen hat sich um einen Polizei-Wachtineister und um mehrere Beamte der Steuer- kasse am Gartenplatz vermehrt. Am Montag Abend ist auch ein Gesuch um Haftenllassung an den Staatsanwalt in Breslau als Eilbrief abgegangen. Eine Antwort ist auf keines der beide» Schriftstücke ergangen. Die immer noch nicht erfolgte Vereidigung der Enllastungszeugen beantragt Rechtsanwalt Tiktin auf grund des 8 �5 der Straf- Prozeßordnung schon in der Vorunter- suchung. Des Armen Ende. Todt aufgefunden wurde in einer Nische des Schlesischen Bahnhofes am Mittwoch Abend gegen 8 Uhr ein etwa 40 Jahre alter Mann, der ärmlich gekleidet war. Er bat keinerlei Ausweispapiere bei sich und ist daher bis jetzt der Person nach unbekannt geblieben.— Polizeilich beschlagnahmt ist am Dienstag Abend die Leiche der 55 Jahre alt gewordenen Almosenempfängerin Jobanna Röske, die Schützenstr. 75 wohnte. Die Röske hatte sich seit Sonntag in dem Hause nicht sehen lassen, und der Schloffermeister Müller als Hauseigenthümer öffnete gewaltsam die Wohnung. Die Röske lag todt auf ihrem Bette. Obgleich kein Grund bekannt ist, der auf einen unnatürlichen Tod schließen lassen könnte, so ist die Leiche dennoch polizeilich ab- geholt worden. Aus der Löwe'schrn Gcwehrfabrik zu Martinickemelde wird über Unfälle berichtet, die dem unsicheren Funktioniren eines Fahrstuhles zuzuschreiben sind. Am Montag dieser Woche ivollten Arbeiter den in der Tischlerwerkstätte befindlichen Fahrstuhl zum Transport von Gewehrschäften benutzen. In dem Glauben, daß der Apparat ausgerückt sei, schoben sie einen Wagen, der 200 Schäfte enthielt, auf den Fahrstuhl hinaus, als dieser plötzlich versagte und mit der schweren Last in die Trefe stürzte. Glück- licherweise vermochten sich die Arbeiter»och zur reckten Zeit zu retten, doch gingen Wagen und Gewehrschäfte in Trümmer. Am Dienstag früh kurz nach 7 Uhr wollte der Tischlermeister Rauler in der sicheren Voraussetzung, daß der Schaden reparirl sei. mit einem Arbeiter zusammen Kisten auf dem Fahrstuhl transportiren, als der Apparat ebenfalls versagte, Diesmal wurde der Arbeiter mit Hinabgeriffen; er erlitt eine Verrenkung des Schulterbeins; der Meister kam mit der Quetschung eines Fingers davon. Beide mußten sich in ärztliche Behandlung begeben. Nachdem das zweite Unglück geschehen, wurde auch mit der Reparatur des Fahrstuhls begonnen. Versnchc mit geheizten offene» Droschken erster Klasse finden gegenwärtig hier statt. Die Heizvorrichlung wird in die Wagen hineingelegt, ohne daß dazu eine besondere Veränderung erforderlich ist. Der Apparat hat die Form einer Botanisir- trommel, ist mit einem Tcppich überzogen und liegt zu de» Füßen des Fahrgastes. Das Heizungsmaterial besteht aus Glühsteine» der Deutschen Glühstoff- Gesellschaft zu Dresden , ein chemisch hergestelltes, rauch- und geruchlos wirkendes Kohlenpräparat. Ein Glühstein heizt den Wagen für die Zeit von 14—16 Stunden; die Kosten belaufen sich auf kaum einen Pfennig für die Stunde. Am Montag ist dem Leiter des Kommissariats für öffentliches Fuhrwesen, Hauptmann Pfoten- Hauer, eine so geheizte Droschke vorgestellt worden. Um nun die Neuerung bekannt zu machen, werden den Besitzern von Droschken tausend Heizapparate auf die Zeit von vier Woche» unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Der Fahrpreis für das Publikum soll sich durch die Heizung nicht erhöben. Die geheizten Wagen sind durch kleine Schilder kenntlich, die an den Laternen angebracht sind und die Ausschrist„geheizt" tragen. Ein Jagdbild aus der Hauptstadt der Sozialreform. Einen glücklichen Fang, so meldet ein Berichterstatter, machten gestern früh Beamte der Exekutivpolizei in einer 5iaffee- klappe in der Krausenstraße. Der„glückliche Fang" bestand in zwölf unglücklichen Menschenkindern. Zweien derselben wurde die preußische Freiheit wiedergegeben; die übrigen zehn dagegen mußten mit zur Wache. Von dem Transport dahin berichtet der brave Reporter weiter: Unter den zehn befanden sich auch �wei Knaben, von denen der eine zu entiviichen versuchte. zedoch gleich wieder e i n g e f a n g e n wurde. Wie herrlich wird die preußisch-deutsche Zivilisation nnd die Anschauungsweise des Philisterthuins doch durch solche„Fangberichte" illustrirt. „Bombe". Von einem Leser unseres Blattes wird uns folgendes Borkommniß mitgelheilt: Auf den Verdacht hin, das Wort„Bombe" ausgesprochen zu haben, wurde am Montag früh 3 Uhr der Tischler Paul Meinke vor dem Hanse Königsbcrgcr- straße 30 festaenommen. Die Festnahme erfolgte auf die Tenun« zialion des Restaurateurs Soppatschewsky. Königsbergerstraße 34, der gehört haben wollte, daß M. im Gespräch mit einem Kollege» das schauerliche Wort gebraucht habe. Nach Feststellung seiner Personalien wurde M., der etwa eine Stunde aus der Wache zubringe» mußte, von der Polizei entlassen. Zwei große Tachstnhlbrände nahmen vorgestern die Thätigkeit der Feuerivehr in Anspruch; in der zweiten Morgen- stunde ging der Dachstuhl des Hauses Marienburgerstraße 30 in Flammen auf, Abends kurz vor 8 Uhr wurde der sogenannte Triangel, das bekannte Gebäude Mauerst?. 1, von einem gewaltigen Dachstuhlbrand heimgesucht. Sehr idealistische Anschauungen hat die„Germania " trotz Allem übe: die Spitze der Sicherheitsbehörde, die in Berlin schaltet und waltet. In seiner vorgestrigen Nummer schreibt das Blatt:„Ein böser Auftritt zwischen einem Schutzmann und dem Marktpublikum hat sich schon wieder gestern Abend in der Markthalle der Dorotheenstraße abgespielt. Der Schutzina»» B. faßte den jugendlichen„Rollmops" eines Speditionsgeschäftes anscheinend hart an, wonach die Augenzeuge» für den Knaben Partei nahmen. Hiernach sah sich der Schutzmann veranlaßt, blank zu ziehen, was wiederum zu ärgerlichen Szenen Vera». lassung gab. Zu Schade» gekommen ist bei dem Renkontre glück- licherweise niemand. Auf eine Anzeige beim Reviervorslande sind sofort eingehende Ermittelnugen seitens desselben eingeleitet worden; es wäre aber sehr angebracht, wenn nach solche» Vor- gängen der Polizeipräsident einmal Veranlassung nähme, den Herren Schutzleuten ganz gehörig klar zu machen, wann sie die Waffe gebrauchen dürfen."!!! Durch einen Kohlensäure-Apparat schwer verunglückt ist am Bußtage, Morgens um 8 Uhr, der 53 Jahre alte Gastw>rth Thurau aus der Frankfurter Allee 123. Er wollte an dem Be- gräbniß eines Kollegen theilnehmen und begab sich in seinen Bier- keller, um nachzusehen, ob der Vorrath noch so groß sei, daß während seiner Abwesenheit nicht frisch angesteckt zu werden brauche. Kaum war er an die Vierteltonne herangetreten, als diese infolge des mächtigen Druckes der zuviel hineingelassenen Kohlensäure zersprang. Die Stücke des Fasses flogen dem Wirth gegen Kopf und Brnst und verletzten ihn derart, daß er sofort nach dem Krankenhause am Friedrichshain gebracht werden mußte. Thurau befindet sich noch am Leben, liegt aber sehr schwer darnieder. Der Unglücksfall muß darauf zurückgeführt werden, daß der Zeiger des Bierdruckmanometers nicht beachtet wurde, während aus der mit jkohlensäure gefüllten Flasche der Druck in das Faß gelassen wurde. Eine ebenso höfliche wie dringende Einladung wird von der Arbeiterschaft Rixdorfs an diez.D ir e k ti o n der Stadt-»ild Ringbahn gerichtet. Es ergeht nämlich an sie das bescheidene Ersuchen, einmal lumpige 10 Pfennig pro Person zu opfern und etwa mit dem 6 Uhr 19 Minuten Morgens von Rixdorf in der Richtung Schlesischer Bahnhof abgehenden Zuge eine kurze Fahrt im Koupee dritter Klasse zu riskiren. Es ist wirklich ein Bild, das nicht mehr schön zu nennen ist, wenn man das Dränge», Stoßen und Schubsen der Arbeiter und das Geschnauze der Beamten auf dem Bahn- Hof beobachtet. Die Viehbeförderung aus preußischen Bahnen kann als Jdealzustand betrachtet werden gegenüber der Be- fvrderung von Arbeitern, die, müde und abgespannt noch von den Anstrengungen des vergangenen Tags, in doppelt so großer Anzahl als zulässig sich ins Koupee hineinzwängen müssen, um nur einigermaßen zur rechten Zeit an die Arbeitsstätte zu kommen. Warum können die sogenannten Arbeiterzüge nicht mit der nöthigen Anzahl Waggons ausgestattet werden? Ist eine menschenwürdige Personenbeförderung auf der Ringbahn nur für „Herrschaften " vorgesehen? Kann die Direktion es verantworten, daß die Arbeiter ffir ihr Geld ohne jede erkennbare Rücksicht befördert werden; kann sie ferner die zahlreichen Zugversvätungen verantworten, die als Folge der von den Arbeitern mit Unwillen wahrgenommenen Szenen«intreten müssen? Unverbesserliche Idealisten, wie die Arbeiter es sind, hoffen sie iinmcr neck', daß persönliche Erfahrung nnd Beobachtung die maßgebenden Spitzen der Eisenbahnbureaukratie bewegen werden. endlich Abhilfe zu beschaffen. Mögen diese Herren sich recht bald das Vergnügen einer Eisenbahnfahrt im Arbeiterzuge leisten. Arbeiterrisiko. Auf dem Bau der Herren Ravens Söhne. Wallstraße 5/3. sind am Donnerstag Nachmittag 4'/« Uhr zwei Arbeiter im Beruf zu Schaden gekommen. Bei der Kasten- senknng, die um diese Zeit ausgesührl wurde, verlor ein 5iasten das Gleichgewicht und fiel auf zwei Arbeiter, welche beide am Fuß verletzt wurden und in einer Droschke nach ihrer Wohnung beschafft wurden. Des versuchte» Kindeömordes und Cinbrnchsdiebstahls wird die unverehelichte 33jährige Pauline Jmmolczek beschuldigt, welche gestern in das hiesige Untersuchnnzsgefängniß eingeliefert wurde. Sie soll am 4. d. Mis. im Hause ihrer Dienstherrschaft aus deni Zylinderbureau 800 M. entwendet und ein Kind im Alter von IV« Jahren mit Tüchern und Kissen zu ersticken ver- sucht haben. Erst am Montag wurde die Jmmolczek in Benthe» in Oberschlesteu dingfest gemacht, wohin sie gefahren war. um ihre Eltern, wohlhabende Bauern in der Umgegend, zu besuchen. Bei ihr wurden noch etwa 500 M. in baar gefunden. Es wird gesagt, daß das wenig intelligente Mädchen einen Komplicen ge« babt, der es zu dem Einbruch verleitet und dem es für das Fortschaffen des Koffers nach dem Schlesischen Bahnhof 30 M. gegeben haben will. Keine Treppenbelenchtung. Am vorgestrigen Abend gegen 5Ve Uhr betrat die in der Waldemarstraße wohnhafte, zirka 60 Jahre alte Frau Noll das Hintergebäude des Hauses Oranienstraße 19. um dort eine» Besuch abzustatten. In der Dunkelheit und bei dem noch nicht erleuchteten Treppenflur be- trat Frau Noll nicht die nach den oberen Etagen führende Treppe, sondern die dicht daneben belegene Treppenanlage, die zum Kellergeschoß führt, und stürzte diese bis zur untersten Stufe hinunter. Mit zerschmettertem Schädel wurde die Aermste durch den Künzel'schen Krankenwagen in hoffnungslosem Zustande nach dem Krankenhause am Urban gebracht. Unglückliche Liebe zum«oldatenstand? Aus Nauen wird berichtet: Am Freitag früh warf sich vor den Vorortzug, welcher 5 Uhr 30 Min. Berlin verläßt, zwischen Spandau und Seegefeld ein mit Drillichanzug bekleideter Soldat der Spandauer Garnison . Der Maschinensührer bemerkte den Mann, der augenscheinlich in selbstmörderischer Absicht sich dem Bahnkörper genähert hatte, und gab sofort Kontredampf. Der Soldat, der Grenadier Luthe von der 3. Kompagnie des Garde-Grenadier-Regiments Nr. 4 (Königin Augusta ) wurde infolge dessen nicht direkt überfahren; die Verletzungen in den Weichtheilen sind aber so stark, daß er auf dem Transport vom hiesigen Bahnhof(wohin ihn der Zug mitgenoinmen hatte) nach dem hiesigen Lazareth verstarb. Die Leiche fand vorläufige Anfnahme in der Leichenhalle Hierselbst. Der Selbstmörder muß schon am frühen Morgen die Kaserne verlassen und auf Seegefeld zu gelaufen sein. Der Schwer« verletzte kam hier ohne Schuhe und ohne Kopfbedeckung an. Eine Kommission von vier Offizieren begab sich mit dem nächst« solgenden Zuge nach Seegefeld , um den Thalbestand und die »äderen Umstände festzustellen. Allem Anschein nach ist der Selbstmörder ein erst im Oktober zur Fahne einberufener Rekrut. P�lizeibericht. Am 20. d. M. Vormittags versuchte ein Arbeiter in seiner Wohnung in der Fruchtstraße, nachdem bei ihm eine Durchsuchung abgehalten worden war, sich den Hals zu durchschneiden. Er wurde nach der Charitee gebracht.— Nach- mittags hängte sich in der Neuen Schönhauserstraße ein Knabe an einen vorüberfahrenden Geschäflswagen, riß dabei die Hinter- schütze desselben ab und wurde durch ein« herabfallende Kift« schwer verletzt.— Gegen Abend lies in der Wafferlhorstraße ein Schlosserlehrling beim Spielen unter einen Geschäflswagen und wurde über die Brust gefahren.— Am 21. d. M. Vormittags platzte in dem Keller eines Hauses in der Frankfurter Allee ei» gefülltes Bierfaß beim Anlegen an den Bierdruck-Apparat. Durch die umhergeschleuderten Holzstücke wurde der Schankwirlh am Kopse schwer verletzt.— In der Landsbergerstraße siel Nach- mittags eine Frau infolge eines Fehltritts hin und erlitt Ver- renkungen der Hüfte und der Schulter.— In der Nacht zum 11. d. M. sprang ein Mädchen am Luisen-Ufer, hinter der städtischen Gasanstalt, in den Landwehr-Kanal. Es wurde je- doch, ohne Schaden genommen zu Huben, aus dem Wasser ge» zogen.— Am 20. und 21. d. M. fanden siebe» unbedeutende Feuer statt; außerdem brannten in der Nacht zum 21. d. M. auf dem Grundstück Marienburgerstr. 30 und am 21. d. M. Abends auf dem Grundstück Friedrichstr. 204 die Dachstühle in größerem Umfange. Witternngsübersicht vom 22. November 1894. Wetter- Prognose für Freitag, den 2Z. November 1894. Ausklärendes Weiter mit mäßigen südlichen Winden, Nacht- frost und rasch steigender Tageslemperatur; keine oder unerheb- liche Niederschläge. Berliner Wetterbureau. Thentev. Deutsches Theater. Ein neues Schauspiel von Ernst von Wolzogen ,„Daniela Weert" wurde am Dienstag im Deutschen Thealer zum ersten Male aufgeführt und unter Hohn- gelächter im Schlußakt abgelehnt. Das kann dem verschrobensten, wie dem genialsten Drama passiren. Daniela Weert est aber nicht das eine und nicht das andere. Ehrliche künstlerische Begabung hat ein ehrlich Stück Arbeit gethan und nach so vielem Wort- schwall, den philiströse Engherzigkeil uns in diesem Jahre aus der Bühne bescheerl hat, war wiederuin ein freierer Alhemzng zu verspüren. Aber Wolzogen hat keine allzustarke Kühnheit, keine unerhörte Neuerung ausgesprochen; er hat kein Thema aufgerührt, das schwer zu begrclfe» wäre; er hat sogar, viel- leicht mehr als dem Stücke gut thut, dem üblichen Theater- geschmack nachgegeben; und dennoch hat man den Autor ver» dämmt. Weib und Ehe sind eben immer noch auf dem Deutschen Theater die heikelsten und schwierigsten Vorwürfe fürs ernste Drama. Im Zuschauerraum herrscht eben die Spießbürgerlich- keit, und wo sie thront, muß man am Gedeihen freier Kunst verzweifeln. Da ist alles in Traditionen verrannt. An die Satzungen und Anschauungen der bürgerlichen Familie glaubt man so fest, wie an die zehn Gebote. Selbst in Köpfen, die sonst ziemlich aufgeweckt sind, spuken innner noch Reste von Begriffen. unter denen die Frau im letzten Grunde nniner zur Hörigkeit verwiesen wird. Entringt sich solcher Frau ein Schrei der Leidenschast, dann ist's dem lieben Publikum immer unbehaglich zu Muthe; und et fragt gc-
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