Die unterj<hlagen> Zu der Unterschlagung von 345 000 M., die für die Unter- stützung der Familien von Inhaftierten bestimmt waren, erstattet der Unabhängige Emil Barth der Presse einen sehr ausführlichen Be- richt, der eingangs die Entstehung der Unterstützungseinrichtung schildert, wie wir das bereits gestern moraen taten. Daran an- knüpfend sagt Borth , daß er wegen Abwesenheit von Berlin von Juli 1919 bis Januar 1920 an keiner Kommtssionssitzung teilgenommen hat. In der Sitzung im Februar 1920 fragte B a e r Paul Eckert, was nun mit den 72 000 M. sei. Eckert winkt? ab: Barth stellte aber fest, daß der Vollzugsrak in der Münzfkrahe für fein Druckereiunternehmen„Weckruf" und feine Verlagsgesell- schaft„Arbeiterrat" von Baer 72 000 M. geliehen habe. Barth er- hob schärfsten Protest und forderte sofortige Zahlung oder die Ver- Pfändung von Wertobjekten, die diese Summe decken müßten. Eckert erhob Einspruch, weil er dos erlte nicht kennte und das letzte nicht wollte. Mit der Direktion des„Weckruf", begehend aus Paul Neumann, Heinrich M a l z a h n und Paul Eckert, wurde nach langer Debatte vereinbart, daß die Verlaosanstalt einen Schein ausstellen solle, der der Unterstützungskommission das Eigentums- recht des„Weckrufs" zusprach. Dann sagt der Bericht Barths: „Doch— wenn— aber. Das ist eine Geschichte." Jedenfalls sollten die Maschinen des„Weckrufs" verkauft und die e r st e n 72 000 M. des Ertrages der Unterstützungskommission überwiesen werden. Bis spätestens 1. Oktober sollte alles bezahlt sein.„Es kam der 1. Oktober— aber kein Geld." Er fand dann wieder eine Sitzung statt, in der Eckert erlLrte, daß die Druckereieinrichtung an einen Holländer verkauft fei, der 40 000 M. anzahlte, am 15. No- nember die zweite und am 15. Februar 1921 die letzte Rate zahlen sollte. Bis dahin sollte auch die Unterstützungskommission den Rest des Geldes erhalten. In dieser Sitzung stellte Barth fest, daß die Abmachung, wonach die ersten eingehenden Gelder der Unter- stützungskommisston zufließen sollten, schon wieder bei den 40 000 M. Anzahlung durchbrochen seien. Er stellte weiter fest, daß man eine erneute Durchbrechung versuchen will, indem man von der zweiten Rate nur einen Teil der Unterstützungskommission zugehen lassen wolle. �Eckert erklärt darauf, daß sse noch andere Verbind- lichkciten zu erfüllen gehabt hätten. Schließlich wurde vereinbart, daß am 15. Februar die 72 000 M. endgültig zurückerstattet werden sollten. Am 15. Februar brachte dann auch Bw.r einen Scheck über 72 000 M. und die fälligen Zinsen und erklärte, daß er nunmehr auf die Bank gehe, um diese Summe zu überweisen. Barth überzeugte sich von der Richtigkeit des Schecks und hiett damit die Angelegenheit für erledigt. In der Aufstellung vom April 1920 war ein Bankguthaben von einer halben Million Mark vorhanden. Die Kommission be- schloß, 300 000 M. der Einnahmen nicht zu veröffentlichen, um die Sammelfreudigkeit nicht zu unterbinden. Dieser Beschluß wurde als streng vertraulich und einstimmig gefaßt. Auch die„Freiheit" hat einmal die Unterstützung der Kam- Mission in Anspruch nehmen müssen. Der Verlag war damals in materielle Verlegenheiten geraten. Die Unterstützungskommission stellte dem Verlag einen Bürgschaftsscheck aus. Der Schuldner zahlte der„Freiheit" die 50 000 M. und der Bürgschaftsscheck ging an die Aussteller zurück. Ein anderes Mal ersuchte die Geschäftsleitung der „Freiheit" um ein Darlehen von 200 000 M., wofür der Kommission die Maschine, die sie kaufte und die 300 000 M. kostete, mit der Maß- , gäbe oerpfändet werden sollte, daß das Geld zurückgezahlt werden sollte, wenn es acht Tage vorher angefordert würde. Dieser An-
trag der„Freiheit" wurde aber abgelehnt, da sie„ein konter- revolutionäres Organ sei". Nach dem diesjährigen Märzputsch wurde die„Rote Hilfe" ge- gründet und Ende März kam Baer zu Barth und erklärte, daß er am Tage vorher zur Zentrale der VKPD. geladen und dort auf- gefordert worden sei, das Geld der Unlerstühungskommission der„Roten Hilfe" zu überweisen, wogegen er sich gesträubt habe. Es wurde dann eine Sitzung der Unterstützungskommission einberufen, die zu dieser Angelegenheit Stellung nehmen sollte. Baer erklärte damals, es sei notwendig, eine öffentliche Abrechnung zu geben, da Gerüchte von Unter- schlagungen der Gelder der Unterstützungskommission im Umlauf seien. Die Sitzung beschloß, dem Ansuchen der Kommunisten nicht Folge zu leisten und den Kassenbericht in der Generalversammlung der Betriebsräte zu geben. Diese Generaloersammlung stellte sich auf dem Standpunkt, daß die Unterstützungskommission der Berliner Arbeiter weiter bestehe und daß die drei Parteien und die Gewerk- schaftskommission durch je 7 Personen darin vertreten sein sollten. Nach der Generalversammlung der Betriebsräte kam Baer erneut zu Barth, um zu erklären, daß die„Rote Hilfe" beantragt habe, ihn von der Unterstützungskommission 150 000 M. zu überweisen. In der Wohnung Eckerts sollte am nächsten Morgen ein offizieller Be- schluß der Kommission gefaßt werden. Die Wohnung des kranken Eckerts war aber verschlossen und auf der Straße einigte man sich einstimmig darauf, das Ansinnen der„Roten Hilfe" abzulehnen. Die Konstituierung der neuen Unterstützungskommission wurde von den Kommunisten wieder hintertrieben. Sie stellte immer wieder An- träge aus die Verschmelzung mit der„Roten Hilse", was außer den Kommunisten alle übrigen Mitglieder ablehnten. Barth machte am 1. August einen Bermittlungsvorschlag, der die Unterstützungskommission der der Berliner Arbeiterschaft anerkannte und besagte, daß die„Rote Hilfe" bis zum 30. September d. I. in Berlin ihre Tätigkeit fortsetzen könne, dann jedoch liquidieren und ihre Gelder an die Unterstützungskommission überweisen solle, die diese als Reservefonds für die Opfer der Mätzaktion 1921 reservieren müsse. Die Kommunisten lehnten diesen Vorschlag ab-und verließen die Sitzung. Der weitere Verlauf der Angelegenheit ist bekannt. Interessieren dürfte noch, daß am 18. November 1920 100 000 Mark, am 19. No- vember wieder 100 000 Mark und am 20. November 175 000 Mark abgehoben wurden. Der vorletzte Kassenbericht ging bis zum 16. November und wies ein Bankguthaben von 475 559 Mark auf. Der nächste ging bis zum 15. April. In ihm waren 139 540 Mark als von der Pank abgehoben bezeichnet. Es mußte also ein B e st a n d v v n 345 329 Mark vorhanden sein: in Wirklichkeit sind aber nur 250 Mark da. Weiter: Slm 15. Februar zeigte Baer den Scheck über 72 000 Mark und die fälligen Zinsen. Bei jeder einzelnen Besprechung er- klärte er, daß von dem Bankguthaben nicht ein einziger Pfennig ge- nommen wurde, dafür stände er mit seiner ganzen Person und seinem ehrlichen Namen. Barth wirtt die Frage auf:„Liegt- denn dafür jedem objektiv Denkenden nicht wie für mich die Vermutung nahe, daß das Geld nach dem 15. April restlos der„Raken Hilfe" überwiesen worden ist?" Zum Schluß macht er darauf aufmerksam, daß diese niederträchtige Handlungsweise, dieser schamlose Betrug der Kom- munistcn, jede Sammlungsmöglichkeit für Sowjetrußland einfach erschlagen habe.
Militarismus in öelgien. Einen neuen Beitrag zu dem Kapitel„Militarismus in Belgien " liefert das Brüsseler Kommunistenblatt„Exploitä" in seiner Nummer vom 16. v. M., indem es folgendes meldet: „Am 3. Juli d. I. wurde in Charleroi auf dem Boulevard de la Fontaine die Fahne des 2. Jägerregiments zur allge- meinen Begrüßung ausgestellt. Ein kommunistischer Arbeiter ging ohne Gruß an ihr vorbei. Ein Offizier schlug ihm darauf den Hut vom Kopfe. Der Arbeiter begab sich auf das Polizeibureau, um Anzeige zu erstatten. Dort wurde ihm aber kurzweg erklärt, daß Beschwerden von Menschen, die der Fahne den Gruß verweigerten, nicht angenommen würden." Der ehrerbietige Gruß des Publikums an eine Militärfahne ist bekanntlich auch in dem französisch gewordenen E l s a ß- L o t h- ringen eingeführt worden, und wird trotz aller Gegenbestrebungen nichtmilitaristischer Elsah-Lothringer streng gehandhabt. Immerhin Handell es sich dort immer nur um Fahnen, die im Geleite von Truppen, meist unter Fanfarenklängen, vorüberziehen. Daß aber eine Regimentsfahne nach Art eines Geßlerhutes zur Be- grllßung aufgestellt und jeder zufällig Borübergehende gezwungen wird, ihr durch Hutabnehmen zu huldigen, scheint eine Neuheit des jungen belgischen Militarismus zu sein. Es mag sein, daß wir in einem siegreichen Deutschland ähnliche Zustände haben würden, aber bekanntlich waren ja die Ententeländer in den Krieg gezogen, um den Militarismus auszurotten...
Zrieöe zwischen Zasciften und Sozialiften. Rom , 3. August. (EP.) Die Versöhnungsverhand-f lungen zwischen Sozialisten und Fascistcn. können als glück- lich abgeschlossen betrachtet werden. Heute vormittag wer- den die Vertreter beider Parteien dem Kammerpräsidenten das endgültige Abkommen zur Unterzeichnung unterbreiten. De Nicola hat auch die Republikaner zur Teilnahme an den Schlußverhandlungen eingeladen, doch haben diese höflichst a b g e- lehnt. Das endgültige Abkommen enthält 4 neue Bedingungen,
Der Rechtsgelchrke der„Kreuzzeitung " schreibt:„Am 4. August dieses Jahres läuft die Sperrfrist für den Artikel 13 der Reichsver- fnssung ab, wonach vor Ablauf von 2 Jahren nach Inkrafttreten des Friedensvertrages eine Abstimmung über die Loslösung und Neubildung staatlicher Territorien innerhalb der bisherigen Glied- staaten nicht möglich ist." In Wirklichkeit läuft die Sperrfrist am 11. ab. 2 Jahre nach dem Inkrafttreten n i ch t des Friedensvertrags, sondern der R e i ch s v e r f a s s u n g.— Der Rcchtsgelehrte der „Kreuzzeitung " heißt Dterberg, ist Doktor der Rechte, Rechts- anwalt, Notar, Landtagsabgeordneter etc. pp.
Schwerer Gewitterschaüen in �alle. Der Nathauöturm abgebrannt und zusammengestürzt. Halle, 3. August. (WTB.) Während eines kräftigen G e w i t- ters, das ansehnliche Regenmengen brachte, schlug der Blitz an mehreren Stellen ein. Der Turm des Rathauses, der vom Blitz getroffen wurde, glich in kurzer Zeit einer Feuersäule, Obgleich die Feuerwehr sofort zur Stelle war, gelang es nicht, den Turm zu retten. Dieser stürzte bald daraufhin aus das Dach des Rakhauses. Die Läscharbeiten nehmen ihren Fortgang. Die Feuerwehr hat das weitere Umsichgreifen des Feuers verhin- d e r t. Das Rothaus von Halle gehört zu den altehrwürdigsten Bau- werken Deutschlands . Es stammt aus dem 15. Jahrhundert und wurde im Jahre 1883 teilweise erneuert,
Aufklärung eines Raubmorüanfchlages. Der Täter verhaftet und geständig. Der Raubmordanschlag auf den Wächter Sünder auf dem Holz- platz in der Landwehrstraße hat jetzt seine restlose Aufklärung ge- funden, nachdem der Täter oerhaftet und nach längerem Leugnen seine Bluttot eingestanden hat. Der schwerverletzte Wächter liegt noch immer ohne Besinnung. Die Spuren, die am Tatort von dem Polizeispürhund„Schütz" aufgenommen wurden, führten zu der Wohnung eines Frau- lein Tomms in der Landwehrstraße. Diese wurde zur wei- teren Aufklärung des Verbrechens nach dem Polizeipräsidium gebracht. Die Ermittelungen ergaben nun, daß Fräulein Tomms am Sonnabend bei dem Wächter auf dem Holz- platz gewesen ist und ihm Essen gebracht hatte. Nach einiger Zeit erschien dann ein Mann, während sie sich noch bei dem Wächter aufhielt, auf dem Holzplatz, und Sünder unterhielt sich mit diesem, der ein Bekannter von ihm war. Im Lause des Gesv«ächs hörte sie nun, wie Sünder den Mann fragte, ob er wieder einmal bei einer ihnen bekannte Frau gewesen sei. Den Namen hatte Fräu- lein Tomms nicht verstanden Auf diese Aussage hin wurde nun weiter nachgeforscht, wer früher bei der Holzhandlung tätig gewesen und mit Sünder enger befreundet war. Die Ermittlungen ergaben nun, daß ein Arbeiter Karl Schöel, ein Mann von 31 Jahren, der in der Eroßbcerenstraße wohnt, als mutmaßlicher Täter in Frage kam. Die Beamten begaben sich nach der Wohnung, fanden aber Schöel nicht zu Hause. Seine Braut, mit der er zusammen wohnt, sagte aus, daß er seit drei Tagen nicht zu Hause gewesen sei. Jetzt wurde die Wohnung und das Haus bewacht und schließlich gelang es heute den Beamten, ihn beim Betreten seiner Wohnung festzu- nehmen. Auf dem Pölizeipräsidium bestritt er zunächst die ihm zur Last gelegte Bluttat Nach langem Leugnen legte er aber dann endlich ein Geständnis ab.
WirtftHaft Die Drotpreife. Durch die Presse läuft eine vom Landbund der Provinz Sachsen ausgegangene Kundgebung, die auf Grund von Berechnungen zu der Behauptung gelangt, daß der Landwirt auf jedes in Deutschland gebackene Umlagebrot 95 Proz. draufzahlen müsse, und im Anschluß daran von der Regierung oerlangt, daß sie der gegen die landwirt - schnftliche Bevölkerung gerichteten Hetze über Brotwucher entgegen- treten solle. Zu dieser Kundgebung wird uns von unterrichteter Seite folgendes geschrieben: Die Schlußfolgerung der Kundgebung, daß der Landwirt auf jedes in Deutschland gebackene Umlagebrot 95 Pf. draufzuzahlen habe, wird schon durch die Methode widerlegt, nach der die Preise für das Umlagegetreide festgelegt worden sind. Der Festsetzung liegen die von der Jndcxkommission geprüften Berechnungen der Produktionskosten zugrunde. Den Ausgangspunkt bilden die seiner- zeit für den 1. Januar 1920 auf Grund der damaligen Produkcions- kosten mit Einschluß eines, angemessenen Unternehmecgewinns be- rechneten Getreidepreise in Höhe von 1000 M. für die Tonne Roggen. Um die für das Umlagegetreide der Ernte 1921 angemessenen Preise zu ermitteln, sind zu den einzelnen Positionen der damaligen Kalku- lation Zuschläge hinzugerechnet worden, die der in- zwischen eingetretenen Steigerung der Unkosten entsprechen. Aus der Art ihrer Ermittelung ergibt sich, daß die Jndexkommission, in der die Landwirtschaft entsprechend vertreten ist. in diesen Preisen selbst einen vollständigen Ausgleich der durchschnittlichen Produkiions- kostensteigerung erblickt.
Steht somit das Ergebnis der Kundgebung des Landbundes Provinz Sachsen im Widerspruch mit den für die Preisfestsegung maßgebenden Totsachen, so sind auch die einzelnen Punkle, auf denen die Kundgebung sich aufbaut, ungenau und fehlerhaft. Zunächst sind Produktionskostenberechnungen, die auf den Mar, gen oder auf die einzelne Maßeinheit der Frucht abgestellt sind, stets grundsätzlich anfechtbar, weil sie vielleicht auf einen einzelnen Betrieb zutreffen können, aber nicht verallgemeiam werden dürfen. Stellt man sich jedoch einmal auf den Standpunkt des Artikels des Land- bundes der Provinz Sachsen und sucht den Reinertrag an Roggen je Morgen oder Zentner zu verrechnen, so ist es völlig ver- fehlt, hierbei einen für den Gesamtertrag so wesentlichen Punkt, wie das Stroh, außer Betracht bzw. mit der kurzen Redewendung: („das Stroh findet Verwendung für eigene Wirtschaft in der Ertragsberechnung verschwinden zu lassen. Nach den Eriiiutelungcn der Wissenschaft verhält sich der Körner- zum Strohertrag wie etwa 1 zu 2,44. Wenn dieses Verhältnis auch in den einzelnen Jahren nach dem Ernteausfall selbstoerständlich Schwankungen unterliegt, so wird man auch bei ungünstigerem Strohertrag das Verhältnis immer noch wie 1 zu 1,5 bis 2 anehmen dürfen, das ergibt bei der in Berechnung angenommenen Ernte von 7 Ztr. Roggen einen Strohertrag von 10,5 bis 14 Ztr., dessen Wert bei dem jetzigen Berliner Preis von etwa 20 M. für Stroh schlechterer Sorte mithin einen Ertrag aus dem Stroh von 2 10— 2 8 0 M. darstellt. Zieht man dies in Rücksicht, so verkehrt sich ohne weiteres der errechnete Fehlbetrag auf den Morgen von 190 M. in einen Gewinn von etwa 20 bis 90 M., oder für den Zentner Roggen auf etwa 3 bis 14 M. Schon damit ist die UnHaltbarkeit der Behauptung, daß der Landwirt auf jedes in Deutschland ge- backen« Umlagebrot 95 Pf. draufzuzahlen hat, und alle daran ge- knüpften Schlußfolgerungen hinfällig geworden. Im übrigen er- scheint der in dem Artikel unter k bezeichnete Posten: Steuerliche Belastung mit 120 M. bei weitem zu hoch angenommen. Eine zahlenmäßige Widerlegung muß schon aus Raummangel an dieser Stelle unterbleiben. Sie dürfte auch fehlen können, da die Verlust- bercchnung des Landbundes schon durch den Strohertrag, wie dar- gelegt, in dos Gegenteil umschlägt. Ferner seien nur noch zwei Behauptungen der Kundgebung be� leuchtet: Die Kundgebung beruft sich auf eine Erhebung des Statistischen Reichsamts, nach der in den beiden letzten Vorjahren für Winter- roggen ein Ernteertrag von 61� Ztr. auf den Morgen geschätzt worden sei.. Es ist an sich schon recht anfechtbar, diese Schätzung einer einzelnen Fruchtart, selbst wenn sie an sich nicht zu niedrig sein sollte, für die Beurteilung der Gesamtgetreideernte zugrunde zu legen und daraus Schlüsse für die finanzielle Belastung der Land- Wirtschaft durch die Umlage zu ziehen. Man verläßt aber vollends den Weg objektiver Beweisführung, wenn hierfür gerade diejenige Fruchtart ausgewählt wird, die im vorigen Jahre notorisch ganz besonders schlechte Erträge gebracht hat, während für die übrigen Getreidarten eine wesentlich günstigere Ernte erzielt worden isti Im übrigen sind in den letzten Jahren alle Ernteschützungen und Flächenerhebungen aus naheliegenden Gründen unter größter Vor- ficht vor jeder Ueberschätzung vorgenommen worden. Irreführend ist weiter der Vergleich der durchschnittlichen Roggenerträge von 6�4 Ztr. mit den den Durchschnitt wesentlich übersteigenden Unkosten der sächsischen Landwirtschaft. Die Provinz Sachsen gehört zu den Gegenden Deutschlands , die die intensivste Landwirtschaft, dem- entsprechend große Unkosten, aber auch die höchsten Ernte- ertrüge haben. Will man daher ihre Produktionskosten mit den Ernteerträgen vergleichen, so darf man nicht, wie die Kundgebung des Landbundes, den durchschnittlichen Roggenernteertrag von 614. Zentner in Rechnung stellest, sondern muß die hohen Ernten deich intensiver Kultur Sachsens berücksichtigen und gewinnt auch allein schon aus diesem Grunde ein für die sächsische Landwirtschaft viel günstigeres Ergebnis. Hermes über die V-otpreiserhöhnng. Gestern vormittag fand, wie WTB. melde!, in Ludwigs- Hafen eine Besprechung von Presseverlrelern mit dem Reichs. ernährungsminister Hermes statt. Bei dieser Zusammenkunft ant- wartete Dr. Hermes ausführlich auf die ihm gestellten Fragen. Be- züglich der bevorstehenden Brotpreiseihöhung erklärte er. daß eine 40proz entige Preiserhöhung nicht zu um- gehen fein weiche. Für die nächsten lUonale fei die Brotbeschas- fung gesichert. Las Umlagcver fahren bilde den lieber- gang zur freien Getreidewirtschaft, hierbei beständen wohl gewisse Gefahren für die richtige Ablieferung des Getreides. doch seien im Hinblick hierauf besondere Bestimmungen im Gesetz vorgesehen. Für Roggen und Weizen sei aller Wahrscheinlich- keit nach eine Millelernte zu erwarten. Die Aussichten für Futtermittel und Kartoffeln seien zwar weniger günstig. doch könne er den bestehenden Pessimismus nicht teilen. Morgen reist der Minister zur Besprechung mit der pfälzischen kreisregierung nach Speyer . Sodann wird er in 7k e u st a d t a. d. Hardt über sein(Ernährungsprogramm sprechen. Tie(Gefahren des Brotwuchcrs. Wir werden um Veröffentlichung folgender Kundgebung ge- beten: Der Aerztekam in ervorst and der Provinz Sachsen , die bekanntlich bisher am meisten von Arbeiterunruhen heimgesucht und gefährdet ist, erblickt in der nahe bevorstehenden b e t r ä ch t- l i ch e n Preiserhöhung des zur Lebenserhaltung> unbedingt nötigen täglichen Brotes eine ungeheuerliche Ge- fahr. Durch diese plötzliche Preiserhöhung werden neue, folgen- schwere und weitgreifende Unruhen und Kämpfe ausgelöst, die Ge- müter von neuem gewaltig erregt, die allmählich etwas abklingende Volkspsychose wieder mächtig angefacht. Ganz abgesehen davon, daß die Arbeiterschaft geschlossen bei diesem Anlaß ollen Widerständen zum Trotz neue Lohn- erhöhungen fordern muß und durchsetzen wird, damit jeder weitere Preisabbau vereitelt, vielmehr eine weitere allgemeine Preissteigerung hervorgerufen wird, werden durch die neuen Unruhen und Kämpfe wieder ungeheure Werte und zahllose Arbeits- Möglichkeiten vernichtet. Der so dem Reiche erwachsende Schaden wird, schon zahlenmäßig betrachtet, erheblich höher sein, als der bisher zur Brotoerbilligung geleistete Reichszuschuh. Die angekündigte beträchtliche Preiserhöhung des täglichen Brotes würde weiterhin zur Folge haben, daß zahllose Singe- hörige des unter der Zeiten Not am meisten leidenden niederen Mittelstandes noch mehr der Unterernährung mit all ihren üblen Folgen verfallen.' Der Aerztekammeroorftand der Provinz Sachsen hält es daher im Hinblick auf das allgemeine Wohl und die geistige Wieder- genesung unseres kranken Volkes für geboten, dos unbedingt zur Lebenserhaltung nötige tägliche Brot in bis- heriger Preishöhe weiter zu verabfolgen. Für dos über die jetzige Wochenmenge hinausgehende Brot kann ja entsprechender Mehrpreis gefordert werden. Magdeburg , 30. Juli 1921. Im Namen des Vorstandes der Aerztekammer für die Provinz Sachsen : der Vorsitzende Geheimrat Professor Dr. Alt.