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Am gestrigen Sonntag tagte in den Arminhallen der Dezirkstag des Bezirksverbandes Verlin. Von der Tagesordnung: 1. Stellung- nähme zum Parteitag, 2. Wahl der Delegierten, 3. Geschäfts- und Kassenbericht und 4. Wahlen wurden die ersten beiden Punkte er- ledigt, während der Rest am Sonnlag, den 14. August, behandest werden wird. Das Referat des 1. Vorsitzenden des Bezirksverbandes, Genosien Franz Krüger , leitete die Verhandlungen ein. Er führte etwa fol- gendes aus: Ln der ziemlich allgemeinen Ablehnung des Programmentwurfs sehe ich einen Beweis der Geschlossenheit der Partei. Eine ernsthafte positive Kritik zur Abänderung des Entwurfs ist bisher nicht er­folgt. Mit Befriedigung können wir auf die Entwicklung unserer Partei hinsehen. In der Kritik am Programmentwurf wird vielfach bemängelt, daß die Worte Arbeiterklasie und Klassenkampf umgangen werden: es wird dadurch der Anschein erweckt, als ob wir ängstlich bestrebt seien, den Gedanken des Klassenkampfes auszuschalten. Das ist eine durchaus falsche Auffassung, Denn die Tätigkeit einer sozial- demokratischen Partei trägt an und für sich schon den Charakter des Klassenkampfes. Ich bin der Auffasiung, daß es ein Programm vermeiden muß, sich zu sehr auf Einzelheiten festzulegen. Forderungen, wie durch- gehende Arbeitszeit. Sechsuhr-Ladenfchluß usw., sind berechtigt, wür- den aber bei einer Ausnahme in das Programm die Uebersichtlichkeit desselben beeinträchtigen. Unsere wirtschoftspolitischen Forderungen sind in den Vorder- grund zu stellen. Insbesondere ist eine weitestgehende Besteuerung des Besitzes zu fordern. Schon der letzte Parteitag in Kassel hat den wirtschaftlichen Fragen großes Interesse beigemessen, ich erinnere nur an die Debatte'Wissell Schmidt. Nicht unterstützen kann' ich die Auffassung des Aufbaues von Wirtschafrskörperschaften auf Grund des ollgemeinen gleichen Wahl- rechts. Wir müssen bei wirtschaftlichen Fragen beachten, daß die Bewegungsfreiheit Deutschlands durch den'Friedensvertrag, die Sanktionen usw. beschränkt ist und die Abhängigkeit Deutschlands von den anderen Ländern in wirtschaftlicher und politischer Be- Ziehung sind Faktoren, i>\: uns In der Durchführung dieser Fragen im Wege stehen. Es sind dies Tatsachen, die selbst-von russischen und deutschen Kommunisten anerkannt wurden. Auch auf dem Gebiete der Steuerpolitik sind wir stark behindert durch den Friedens- vertrag. Die steuerliche Belastung des deutschen Voltes darf nicht geringer fein als die steuerliche Belastung der ehemaligen Feind- länder. Trotzdem muß unser Programm bestimmte Grundsätze auf- stellen, um so mehr, als die Regierung jetzt ein umfangreiches Steuer« bukett vorlegt, das in vielen Punkten verbcsserungs- und reform- bedürftig ist. Das sozialpolitische Programm soll nur große allgemeine Nicht- linien enthalten. Die Aussührung und praktische Tätigkeit auf diesem Gebiete liegt hauptsächlich den Gewerkschaften ob. chier darf nicht die agitatorische Ausnutzung leitend fein, an solchen Forderungen festzuhalten. In der Frage der Rechtsprechung halte ich es für einen schweren Fehler, die Wahl der Richter nach parteipolitischen Gesichtspunkten vorzunehmen. Dadurch hätten wir in einigen großen Städten ein kommunistisch-sozialistisches Richterkollegium, während auf dem platten Lande zweifellos das nationalistische Element die Oberhand gewinnen würde. Einer krassen Klassenjustiz wäre dann Tür und Tor geöffnet. Die Tätigkeit juristisch gebildeter Richter ist nicht ent- behrlich. Das Parteiprogramm muß besagen: In allen Zweigen der Rechtsprechung müssen Laienrichter mitwirken, die aus dem Volke zu wählen sind. Die weitere Forderung, daß der Richterstand aus ollen Volksklassen hervorgehen soll, ist ein Wechsel aus lange Zukunft. Ein diesbezüglicher Antrag ist im preußischen Landtag bereits zur Annahm? gelangt._ Die Fassung der kommunalpolitischen Fragen erscheint mir zu allgemein. Bei der Ausarbeitung des Agrarprogramms scheint man versuwt gewesen zu sein, eine Zugkraft auf die Bauern und kleinen Besitzer ausüben zu wollen. Die Erfahrungen haben in der Bauern- agitation gezeigt, daß die Bauern und kleinen Besitzer zu den Arbeitern in einem Gegensatz stehen, der schwer zu überbrücken ist. Die Werbung in Bauernkreisen darf uns nicht von einer konsequenten Arbeiterpolitik abbringen. Die Lösung der Wohnungs- frage geschieht nicht durch den Bau von etagenlosen Siedlungs- Häusern, da dies einerseits zu teuer und auf der anderen Seite tech- nisch unmöglich ist. Wir müssen den Großhäuserbau erstreben. Es ist nicht angängig, daß sich der Görlitzer Parteitag mit der Woh- nungsfrage befaßt, da dies auf dem Kasseler Parteitag ausgiebig ge- fchehen ist. Unsere Parteipolitik war nicht immer unbestritten. Besonders die Fraae der KoaliiGn mit bürgerlichen Parteien, insbesondere mit der Deutschen Volkspartei wurde viel und heftig diskutiert. Die Richtlinien des Parteitages von Kassel finden nur auf das Reich Anwendung, während in den Ländern von Fall zu Fall entschieden wurde.(Vgl. Koalition in Lippe, Mecklenburgs Braunschweig , Sachsen sowie die Stellunanahme der preußischen Landtagsfraktion in preußischer Koalition. Im wesentlichen kommt es nicht auf den Namen der Partei an, sondern darauf, welche Politik mit ihnen ge> trieben werden kann. Es gilt Richtlinien festzulegen, unter denen wir mit anderen Parteien eine Koalition eingehen können, die dann aber von diesen Parteien rückhaltlos anerkannt werden müssen. ffeftige Kritik in den Reihen der Parteigenossen fand die Tat- fache, daß prominente Parteigenossen an bürgerlichen Zeitungen über parteitaktische Fragen schreiben. Die Partei protestiert ener- gisch gegen dieses Gebahren. Anders verhält es sich, wenn Genossen über praktische Reaisrungsfragen oder kulturelle und wissenschaftliche Fragen in diesen Blättern schreiben. In der Einigungsfrage befindet sich unsere Partei in der an- genehmen Lage, zu diesem Punkt stets eine konsequente Haltung eingenommen zu hoben. Don Würzburg bis Kassel haben wir die Hand zur Einigung geboten und auch Görlitz wird hierdurch Ge- legmheit bieten. Wenn bis jetzt die Einigung nicht zustande kam, so nur, weil die USP. nicht den Mut hatte, die Konsequenzen aus ihrem Verhalten der letzten Monate"zu ziehen. Durch Arbeits- gemeinschaften zwischen SPD. und USP. kann eine Einigung wirk- sam vorbereitet werden. Hoffen wir, daß der Parteitag seinem ungeheuren Aufgabenkreis gerecht wird und in der Frage der Einigung die Grundlagen schafft zu einem weiteren wirksamen Verfolgen unserer bisherigen konfe- quenten Politik.(Beifall.) In der viLkufsion sprach zunächst Genosse Herms zum Programmentwurf. Er ver- M'bt im Proqrammentwurf Formeln, die eine Einigung mit der USP. ermöglichen. Der jetzige Entwurf kann nicht den Beifall der Parteigenossen finden. Während der Verhandlungen eingelaufene Anträge finden die Unterstützung des Bezirkstages mit Ausnahme eines Antrages, der die Zurückweisung des Prvqrammentwurfee an die Programmkom- Mission fordert, dessen Unterschriften jedoch versehentlich nicht zur Ver- lesung gebracht wurden. Genosse heinig: Die positiven Vorschläge zur Aenderung des Parteiprogramms sind vom Genossen Krüger einfach nicht erwähnt i ad berücksichtigt worden. Ich erinnere an die Artikel von David, S rmpfer und Ströb«!. O u a r ck hat als Mitglied der Programm- kcanmission imVorwärts" erllürt, daß der Entwurf unfertig ist. Es muß klar ausgesprochen werden, daß der Programmentwurf zurückgewiejev und neu bearbeitet werden muß.(Beifall.) Ihr Bei»

fall läßt mich besonders bedauern, daß der Antrag, den Entwurf zurückzuweisen, vorhin von Ihnen abgelehnt worden ist. Redner kritisiert die Behandlung der Finanzsragen im Programm. Bei der Regierungsbildung in Preußen sind Fehler gemacht worden. Wir sollten uns nicht auf Resolutionen festlegen auch nicht, wenn es sich um die Teilnahme der Deutschen Volkspartei an der Regierung handelt.(Beifall.) Zuoerlässige Führer werden auch ohne Richtlinien richtig handeln, und unzuverlässige werden durch Richtlinien nicht zu- verlässiger. Skröbel: Man kann von einem Genossen nicht verlangen, daß er im Handumdrehen ein neues Aktionsprogramm schaffe. Auch ich bin dafür, daß der Programmentwurf an die Kommission zurückgewiesen wird. Der jetzig« Entwurf ist gänzlich unannehmbar. Das ganze Programm muß von dem Gedanken des Klassenkampfes durchweht sein. Es muß hervorgehoben werden, daß die Arbeiterschaft der Kern der Partei ist, und daß die Interessen des Proletariats, der Hemd- und Kopfarbeiter in Stadt und Land identisch sind. Wir müssen unbedingt zu einer Planwirt'chaft kommen, wie sie Wissell und neuerdings Striemer vertreten. Wenn wir uns über die wich- tigsten Forderungen klar find, wird das Programm, das den An- ziehungspunkt für die Wiedervereinigung des Proletariats bilden muß, klar formuliert werden können.(Beifall.) Strieder ist der Auffassung, daß die alte Programmkommission nicht mit der Aenderung des Programmentwurfs beauftragt werden kann und wünscht, daß die Berliner Delegierten für eine Aenderung in der Besetzung der Kommission eintreten. Wenn die Grundsätze des Genossen Krüger zur Regierungsbildung angenommen wer- den, wird eine Regierungsbildung mit bürgerlichen Parteien über- Haupt nicht mehr möglich fein. Es ist bedauerlich, daß führende Parteigenossen sich für eine Regierungsbildung mit der Deutschen Volkspartei ausgesprochen haben. Und das ist zweifellos ein Hinde- rungsgrund für dir Einigung des Proletariats.(Beifall.) Ein Geschäftsordnungserntrag, die Diskussion über das Partei- Programm abzubrechen, wird abgelehnt. Riesstahl: Der Reichswehrminister wird nicht so in der sozia- listischen Presse angegriffen wie früher Noske.(Sehr richtig.) Die Zahl der Offiziersoereiae ist datkernd gewochsen und das ist eine Gefahr der Republik . Wir müssen oerlangen, daß die Schupo sich in durchaus republikanischer Weise betätigt und alle, die sich dem widersetzen, müssen rücksichtslos entlassen werden. Es ist eine Schande, daß die Hundertschaft zur besonderen Verwendung noch besteht, trotzdem wir einen sozialistischen Polizeipräsidenten haben. (Beifall.) Leute, die ihren Posten bewußt oder unbewußt vernach- lässigen, müssen entfernt werden. Ehrhardt tut als Fregattenkapitän in der Marine Dienst. Er ist befördert worden. Das muß be- achtet werden. Redner zeigt an einem Beispiel, wie die Agitation der Antirepublikaner in der Schupo unterstützt, während die Freunde der Republik nach jeder Richtung bekämpft werden. Der gesamte Verwaltungsapparat muß mit sozialistischen Energien durchflutet werden.(Lebhafter Beifall.) Genossin Todenhaqen: Wir sollten an die Spitze des Programms stellen, daß wir ein« Partei des Klassenkeunpfes sind. Wir haben uns wohl zu sehr an den Gedanken gewöhnt, daß das Programm etwas durchaus Neues fein müsse. Das Kulturprogramm ist der schwächste Teil des Entwurfes.(Zustimmung.) Es ist zu verurteilen, daß der Gesaintkommission keine Gelegenheit gegeben wurde, den Entwurf zu überarbeiten. Genossin Bohm-Schuch: Der Entwurf des Partsiorogromms ist einfach ein« Unmöglichkeit für eine Partei, die Millionen Menschen führen soll. Es ermangelt ihm jede klare Zielgebung, und das hat seinen Grund darin, daß keine gemeinsame Arbeit der gesamten Kommission stattgefunden hat. Di« Berösfentlichung ist nicht zu früh, sondern zu spät erfolgt. S Monate nach dem Kasseler Parteitag hätten die Arbeiten abgeschlossen fem müssen und mindestens ein Vierteljahr lang zur Diskussion gestanden haben. Die Sätze müssen klingen wie wuchtige Hamm erschlage, dann werden sie verstanden. Wenn wir mit der Deutschen Volkspartei eine Regierung bilden, würden wir nur das Deckschild für alle reaktionären Bestrebungen sein.(Lebhafter Beifall.) Die jungsozialfftische Bewegung kann durch Beschlüsse nicht totgeschlagen werden. Dies wäre ein Kampf gegen Windmühlenflügel, denn sie ist etwas Elementares, aus sich selbst Herausgewachsenes. Der Iugendtvg in Bielefeld war ein Erlebnis. Wir brauchen an jedem Parteiblatt eine Iugendbeilage, vor allem am Zentralorgan. Di«Geichheit" sollte obligatorisch an all« Parteigenossinnen eventuell durch Erhöhung der Beiträg« geliesert werden.(Beifall.) Ein Schlußantrag wird angenommen. Im Schlußwort wandte sich Genosse Krüger gegen ein« Resolution, die vom Partei- tag fordert, den Entwurf zurückzuweisen, sowie gegen die Ausführun- gen des Genossen Heinig. Wenn Genosse Riefstahl Polizeipräsident wäre, würde er vom Innenminister alsbald entlassen werden. Im übrigen wird Genosse Riefftahl Gelegenheit haben, gegenüber dem Genossen Richter fein« Anschuldigungen zu vertreten. Lehmann teilte mit, daß SK7 Delegierte am Dezirkstag teil- nehmen. Die Wahl der Delegierten hatte folgendes Ergebnis: 1. Genossin Hanna, 8. Genossin Wachenheim , 3. Genosse Lehmann, 4. Genosse Bethge, 5. Genosse Ströbel, 6. Genosse Drews, 7. Genosse Pagels, 8. Genosse Ostrowski, 9. Genasse Mühlmann, 19. Genosse Brinkmann, 11. Genosse Littaue». Als Ersatzleute wurden bestimmt: 1. Genosse Sperling, 2. Genosse Riese, 3. Genosse Münzinger, 4. Genosse Strieder. Alsdann wurde über die gedruckt vorliegenden Anträge abge- stimmt, außerdem gelangte ein A n t r a g B r o l a t S t r ö b e l zur Annahme, in dem gelordert wird, daß der Parteioorftand mit dem ADGB . und dem Äfa-Bund zur Schaffung eines Wirtschaftspro- gramms in Verhandlungen trete. Ferner wurde folgender Antrag des Genossen Krüger angenommen: Der Parteitag wolle beschließen: Ein Zusammengehen der sozialdemokratischen Partei in der Regierunq des Reiches oder eines Lande» ist nur mit solchen Parteien möglich, die 1. die Republik anerkennen und zu verteidigen bereit sind, 2. für die Sicherung des demokratischen Selbstbestlmmunasrechts des Volkes in Reich, Staat und Gemeinde, 3. für die Demokratisierung der Derwaltung und für die Republikanisierunq der' Reichswehr und der Polizeioraanisatio- nen, 4. für eine pazifistische Außenpolitik, 5. für die loyale Erfüllung des Friedensdiktats und für die Aufbringung der Lasten in erster Linie durch größtmöglichste steuerliche Heranziehung des Besitzes ein- treten/ » Die am Sonntag, den 7. August 1921, im HotelSeebad" in Templin tagende Konferenz der Wahloereine im Kreise Templin hat folgenden Antrag angenommen: Der Bezirksparteitag möge beschließen, dem Parteitag in Gör- litz zu empfehlen, den veröffentlichten Entwurf des Parteiprogramms als nicht diskutabel abzulehnen. Die Konferenz fordert, daß in einem neuen Parteiprogramm sich die Partei auf den Boden des konfe- quenten Klassenkampfes, als wirksamstes Mittel für die Emanzipation des arbeitenden Volkes, stellt. Des weiteren wird gefordert, daß auch der Begriff der Sozialisierung mehr, als im veröffentlichten Pro- gramm, im neuen Programm Berücksichtigung findet, da die Einfüh- rung einer sozialistischen Gemeinwirtschaft nur durch die Sozialisie» runq des gesamten Wirtschaftslebens möglich sein kann. Zur Ver- wirklichung einer solchen sind neben den volitischen Parlamenten die Betriebs-, Bezirks- und Reichswirtschaftsräte mit berufen. Ihnen ist im neuen Parteiprogramm in kurzer und klarer Norm ihre Zu- lammensetzunp, A"fgak'?nkreis und Stellung als Vertreter des Räte- systems in wirtschaftlicher und politischer Beziehung fest zu um- schreiben."

GroßGerlln drei Tage eine Mahlzeit. Erschütternde Hilferufe gehen aus Rußland durch alle Lande. Deutschland macht sich daran, nach besten Kräften zu helfen, und hat doch so unendliche Not im eigenen Lande. Wer heute in der Wohlfahrtsarbeit steht, der hört auch bei uns oft den Flügelschlag des Hungertodes. Aus dem Bericht einer Helferin entnehmen wir: Im Hause Allensteiner Straße 14 siechen Mutter und Tochter in einem kleinen Stübchen langsam dahin. Mühsam hat sich die früh verwitwete, jetzt 79 jährige, seit langen Iahren von elner Neroenlähmung betroffene Frau durchs Leben geschlagen, bis ihre Tochter den Lebensunterhalt für beide erwerben konnte. Nun ist auch die Tochter an schwerer Nervenschwäche ertrankt und soll von der Landesversicherungsanstalt verschickt werden. Dort liegen be- kannllich stets viele Meldungen vor. Vielleicht vergehen Monate bis sie an der Reihe ist. Bis dahin heißt es eine Hungerkur durch- machen. Alle 3 Tage, schreibt unsere Berichterstatterin, bringt eine Pflegeschwester eine Quäkermahlzeit! Der Stolz der' an eigener Kraft Gewöhnten hat die beiden Menschen bisher davon abgehalten, öffentliche Hilfe zu beanspruchen. Mit der Sehnsucht nach Heilung verbindet sich bei der Tochter die quälende Sorge, was aus der Mutter werden soll, wenn sie erst fort ist. Es ist so traurig, eine alte Mutter, die einmal selbst ge» sorgt hat, darben lassen zu müssen. Wer. hilft diesen beiden Frauen über die schwerste Zeit hinweg? Die Vorwärtsredaktion ist gern be> reit, Unterstützungen weiter zu leiten. Unzureichende Armenunterftühung. Bor uns steht ein Krüppel, der sich nur mit Hilfe von zwei Stöcken vorwärts bewegen kann, weil ein Fuß gelähmt ist. Er ist in unsere Redaktion gekommen, um folgende Klagen vorzubringen: Ich habe kein Arbeitseinkommen, muh aber 59 Mark Miete monat- lich zahlen, die ich nicht aufbringen kann. Für den Monat Juli erhielt ich vom Borsteher der Armenkommission 13(k 40 Mark. Am 15. Juli war ich wieder dort und erhielt auch auf meine Vorstellun- gen noch 15 Mark. Ferner empfing ich am 1. August 25 Marl mit der Weisung, daß ich schon 15 Mark erhalten hätte. Run wandte ich mich an das Bezirksamt(Armendirektion), um hier um die mir zur Miete fehlenden 26 Mark zu bitten. Mir wurde erwidert, daß ich mich an den Vorsteher der obengenannten Armenkommission wenden möge. Dieser hatte mich aber vorher schon abgewiesen. Was soll ich tun? Arbeiten kann ich nicht, irgendeine Rente er- halte ich auch nicht, weil für mich Anrechte auf Invaliditäts- und Altersrente nicht bestanden hoben. Mir bleibt nur übrig, betteln zu gehen. So der Krüppel. Sollte es nicht möglich sein, für solche der Unterstützung drin- gend bedürftige Arme etwas mehr zu bewilligen? Die Golürubel im Lpcker Se?. Ein vereikelkes Verbrechen. Ein« geheimnisvolle Geschichte, die zur Verhaftung eines Manne» unter dem dringenden Verdacht des Mordversuchs führte, beschäftigt neuerdings die Kriminalpolizei, Di« Polizei erhielt von einem m Neukölln wohnhaften Kauf- mann die Mitteilung, daß ein angeblicher Robert Wagner, mit dem er in schriftlicher Geschäftsverbindung gestanden hatte, ihm vor- geschlagen hätl«, mit ihm gemeinsam eine russische Regiments- lasse zu heben, die in einem See bei Lyck an einer Stelle, die er genau kenne, oersenkt word«n sei. Diese Kass« enthalte nicht weniger als 16 000 russische Goldrubel und mehrere tausend Siiberrubel. Sie sei dort bei den Kämpfen im Jahr« 1914 von einem russischen Ossizier, der später in Gefangenschaft geriet, ver- senkt worden. Dieser Offizier hätte ihn beauftragt, die Kasi« zu heben und einen bestimmten Teil des Geldes für ihn aus«ine Bank zu überweifen. Er selbst solle als Unterpfand dafür, daß er das Ge- heimnis bewahrt und sich nicht mit einer Polizeistelle in Verbindung setze,«inen Koffer mit 100 000 M. auf dem Bahnhof in Lyck hinter» legen. Der Kaufmann wurde nun von der Polizei beaustragt, zum Schein auf den Borschlag seines Geschäftsfreundes einzugzhen. Zu seiner Sickrerheit fuhren einige Demten mit ihm nach Königsberg , wo sich der Kaufmann mit dem angeblichen Wagner treffen sollte. Von dort fuhren beide, heimlich von den Beamten gefolgt, nach Lyck. In Lyck wurde der Koffer deponiert, und nun erklärte der an- gebliche Wagner, daß sie. um an den See zu langen, einen 20 Kilo- meter weiten Weg durch den Wald antreten müßten. Er schlug ihm vor, sich mit ihm abends auf den Weg zu machen, damit sie morgens in aller Frühe an Ort und Stell« wären. Jetzt griffen die Beamten ein. Sie hatten den angeblichen Wagner beobachtet, wie er sich eine Pistole, ein Stemmeisen, einen Dolch und eine starke Schnur besorgt hatte, Gegenstände, die weniger geeignet er- schienen, den angeblichen Kaufmann umzubringen. Der angeblich« Wagner wurde festgenommen. Bei seinem Verhör gab er an, nicht Wagner zu heißen, sondern«in Intendantursekretär Gerhard von Radziewsk! zu sein. Er blieb auch dabei, daß er tatsächlich beabsichtigt habe, mit dem Neuköllner Kaufmann die Kriegskass« zu heben. Um völlige Aufklärung zu schaffen, suchten die Beamten den See an verschiedenen Stellen ab, fanden aber nichts. Endlich meinte o. Radziewsski, daß diese inzwischen von einem anderen Manne be- reits gefunden sein müsse. Es wird jedoch angenommen, daß alle fem« Erzählungen erfunden und er es nur auf die Ermordung des Neuköllner Kaufmanns abgesehen Hab«, um sich in den Besitz des deponierten Koffers zu setzen. Unter diesem Verdacht wurde er auch in das Untersuchungsgefängnis eingeliefert. Wieder Leichenteilfunde. Ein Fund von Leichenteilen, der ohne Zweifel mit einem früheren Funde zusammenhängt, beschäftigt wieder die Kriminal- polizei. Es liegt ihm ohne Zweifel ein Verbrechen zugrunde, das bisher nicht aufgeklärt werden tonnte. Am 12. Mai d. I. wurde, wie damals berichtet wurde, an der Köpenicker Brücke im Luisen städtischen Kanal ein menschliches Bein ange- schwemmt und gelandet. Es lieh sich nicht feststellen, ob es. von einem Mann oder von einer Frau herrührt. Gestern hat man nun an derselben Stelle zunächst einen Unterschenkel und ein Stück eines Rückgrates im Wasser gefunden. Der Schleusenwärter veranstaltete daraufhin weitere Nachforschungen und förderte im Laufe des Tages noch einen Ober- und einen Unterschenkelknochen, zwei Unterarme, einen Fuß und endlich ein Stück, das vom Becken herzurühren scheint, ans Licht. Die vorläufige Besichtigung auch dieser Körperteil« ließ noch nicht erkennen, ob es sich um einen Mann oder ein« Frau handelt. Der Verwesungszustand der Körperteile, die alle nach dem Schau- Haufe gebracht wurden, läßt darauf schließen, daß sie zu dem früher gefundenen Beine gehören. Wie die Zerstückelung vor sich gegangen ist, kann erst eine genaue Untersuchung feststellen. Daß sie durch Dampferschrauben erfolgt sein sollte, ist kaum anzunehmen. Wahr» scheinlich ist der Körper an einer noch unbetcknnten Mordstelle zer» stückett und in irgendeiner Verpackung, die sich im Laufe der Zeit im Wasser gelöst hat, in den Kanal geworfen worden. voppelselbstmord im hokel. In einem Hotel am Anhalter Bahnhof vergifteten sich gestern abend der 24 Jahre alt« Registretor H e i d o n, der als Chambregarnist in der Kleisfftraße wohnte, und seine Braut Luise R o ch o w aus Wilmersdorf mit Sublimat. Das Hotelpersonal rief schleunigst einen Arzt herbei, der bei der Rochow