Hr. ZHH ❖ ZS. Jahrgang
Beilage öes Vorwärts ..............
Donnerstag, 25. fwguftion
Eine vorläufige Abrechnung. Generalversammlung der Betriebsräte. „Das Geld und die Abrechnungen der Unterstützungskommission und des Roten Vollzugsrats" lautete das Thema, mit dem sich die vom Vollzugsrat der freigewerkschaftlichen Betriebsrätezentrale ein- berufene Generalversammlung am Dienstag abend beschäftigte. Nachdem die Kommunisten den vergeblichen Versuch unter- uommcn hatten, durch Abänderung der Tagesordnung die Ausein- underfetzungen über den Verbleib der nicht verbrauchten Unter- s'ützungsgelder aufzuhalten, berichtete Emil Barth über die be- rsits m der Presse erörterten Dinge und rechtfertigte diese Ver- öffentlichlingen damit, dag er von den etwa 390000 M., die seiner Schätzung nach noch vorhanden sein mußten, nur etwa 250 M. vorgefunden habe. Schon im Dezember 1919 habe ihm ein Ge- nosse gesagt, daß er mit Baer zusammen ein Geschäft eröffnet und Baer ihm erklärt habe, er habe ein. Bankbuch mit über 60 000 M., wovon 45 000 M. dem Vollzugsrat gehörten. Er könne frei darüber verfügen. Darüber fehlten Belege, weiter aber fehlten in der Abrechnung der Unterstützungskommission 144 000 M. Außerdem sei man in den Betrieben der Meinung, daß die Samm- lung für die streikenden Angestellten der Metallindustrie weit wehr Gelder eingebracht hätten als 50 000 M., wie angegeben wurde. Ln den Bcrgmannswerken seien allein 20 000 M. gesammelt worden. Ferner wird bestritten, daß die Einnahmen für die Wahl- und Propagandafonds stimmen. Die Einnahmensumme von 540 000 M. müsse weit höher sein. Nach der Veröffentlichung in der Presie habe das Polizeipräsidium bei ihm angefragt, was echentlich vorgefallen fei. Er habe daraufhin eine durchaus objek- dve Mitteilung gemacht. Es seien dann die Verhaftungen erfolgt. jedenfalls müsse nunmehr über alle diese Dinge absolute Klarheit geschaffen werden, damit die Oeffentlichkeit sehe, daß von einer persönlichen Bereicherung an den von der Berliner Arbeiterschaft aufgebrachten Untcrstützungsgeldcrn keine Rede fein kann. Nur durch völlige Klarstellung könne das Vertrauen der Arbeiterschaft gesichert werden, das für weiter notwendige Sammlungen, ins- besondere aber für die gegenwärtige Ruhlandhilfe unbedingt not- wendig sei. Im Interesse der Aufklärung sei die gesamte Unter- stützungskommission zu dieser Versammlung eingeladen worden, sowie ein Vertreter des ehemaligen Vollzugsrats. Juristisch sei in der ganzen Angelegenheit nichts zu beginnen. Sollen die Gelder im jnteresse der Allgemeinheit zweckentsprechend verwendet werden, dann sei dies nur möglich auf Grund einer Verständigung mit der anderen Seite. Es sei daher notwendig, daß die Unterstützungs- kommifsion so zusammengesetzt wird, wie es die Generaloersamm- lung im Mai beschlossen hat, nämlich aus je sieben Vertre- t e r n der SPD. , der USPD . und der VKPD . sowie der Berliner Gewerkschaftskommission. Diese Kommis- sion�soll ihre Leitung und ihre Treuhänder bestimmen, und ihr feien die von chagen und Eckert anderweitig belegten Gelder der alten Unterstützungskommission zur Verfügung zu stellen. Die neue .Kommission habe dann natürlich auch weiterhin für die Unter» d siützung der Familien der Inhaftierten zu sorgen. Zur Revisions- lommiffion des alten Bollzugsrats sollen fünf weitere Revi- j o r e n hinzugewählt werden, die dann gemeinsam die genauen Dinge, namentlich auch die Sammlungen nachzuprüfen hätten. Schließlich müsse eine Verständigung darüber erfolgen, daß das Geld, das noch bei der früheren Rätezentrale vorhanden war, der Ziußlandhilfe überwiesen wird. Auf diese Weise könne die leidige Angelegenheit aus oer Welt geschafft werden. Richard Müller , Vorsitzender des alten Vollzugsrats, be- stritt zunächst die Behauptung Barths, daß der Vollzugsrat der freigewerkschaftlichen Betriebsrätezentrale der Rechtsnach- folger der früheren Betriebsrätezentrale fei. Für diese Behauptung vermisse er den Nachweis. An die Anhänger der SPD. stelle er die Frage, wie sie dazu kämen, jetzt ein Kon- irollrecht zu fordern, nachdem sie 1919 beschlossen und L f f e n t- sich aufgefordert hätten, an den unabhängig-kom- m u n i st i s ch e n V o l l zu g s r a t keine Beiträge mehr zu zahlen.(Zurufe:„Wir wollen nur feststellen, was mit den Arbeitergeldern geworden ist."—„Wir wollen die Schweinereien aufgedeckt haben.) Als Müller dagegen einwandte, das sei gegen die politische Moral, erntete er großes Gelächter. Er ergeht sich dann in akademische Schilderungen der Geschichte des alten Vollzugsrats, wobei er durch Zurufe nach„Abrechnung" zur Sache gerufen wird. Wie könne man behaupten— entrüstete sich Müller—, daß in der Abrechnung des Roten Vcllzugsratcs 144 000 TL fehlen, solange die Schlußabrechnung noch nicht vorliegt!_
Die endgültige Abrechnung für April bis Oktober 1920 werde noch erfolgen, und sie werde Auskunft geben über verschiedenes, was Barth vermißt habe. Die für revolutionäre Zwecke gesammelten Gelder habe man nicht auf den Namen des Vollzugsrats anlegen können. Man mußte eine juristische Person haben. Auf die Zwischenfrage, wer diese juristische Person sei, sagte Müller:„Das geht Sie nichts an!" Was die Sammlung für die streikenden Angestellten der Metoll- Industrie aus dem Jahre 1919 betreffe, so sei die Abrechnung von den Revisoren geprüft und einwandfrei befunden worden. Es feien noch 27 000 M vorhanden, die laut Beschluß einer maßgebenden Versammlung gesondert verwaltet werden und zur Unterstützung von Angestellten dienen sollen, die im revolutionären Kampfe Schaden erlitten, und zwar ohne Rückficht auf ihre Parteizugehörig- keit. Unterstützungsgesuche seien nur wenig eingegangen. Ins- gesamt werde noch eine Summe von 230 000 M. vorhanden sein. Der jetzigen Versammlung aber, die keinen revo- lutionären Charakter habe, spreche er jedes Verfügungsrecht über die für revolutionäre Zwecke gesammelten Gelder ab. Eckert, der dritte Treuhänder neben fingen und Barth, vertritt unter den heftigsten persönlichen Ausfällen gegen Barth den Standpunkt der alten Unterstiitzungskommifsion. Er macht Barth den Vorwurf, die Veröffentlichungen in der Presie veranlaßt zu haben, ohne die Kommissionsmitglicder zu hören. Barth habe auch Eckerts Verhaftung auf dem Gewissen. Das Geld der Unter- stützungskommission, das er mit chagen im November 1920 abge- hoben habe, fei our anderweitig sichergestellt worden. Aus den Geldern seien Unterstützungen gezahlt an die Opfer aus der Januarbcwegung 191S, vom Dezember 1918, vom Januar und März 1919 und aus den Januartagen 1920, sowie an die Opfer des Kapp-Putfches. Sonst fei niemand aus dielen Mitteln ! unterstützt worden. Die Rote chilfe noch sonst eine Organisation ' habe etwas davon bekommen. Eckert erhebt dann gegen Barth Borwürfe, daß er einen Blankoscheck mißbrauchen wollte, um der „Freiheit" 140 000 M. zuzuschanzen. Auch nachher sei noch versucht worden, von den Geldern der..Freihell" ein Darlehen von 200 000 M. �U verschaffen. In einer Sitzung der Parteileitung der Unabhängigen im Sommer 1919, der fioose, Crispien und chilferding beiwohnten, sollte Barth aus der USPD . ausgeschlossen werden. Durch Ver- mittlunq des Vollzugsrats habe man sich damit begnügt, Barth die Annahme von Aemtern und das öffentliche Auftreten zu verbieten. Im September 1920 sei Barth die Treuhänderschast entzogen worden. Er fürchte sich nicht vor Barth, auch wenn dieser gedroht habe,„den Hund schieße ich über den Haufen". In der Diskusison führte H i l d e s h e i in aus, daß niemand sonst als die freigewerkschaftliche Betriebsräte» zentrale die R e ch t s n a ch f o l g e r i n der Dereinigten Betriebsrätezentrale fei und damit auch der Zentrale in der Münzstraße. Deshalb sei man der heutigien Betriebsrätezentrale und ihrer Generalversammlung Rechenschaft schuldig. Bernhard Krüger bedauert namens der sozialdemo» k r a t i s ch e n Fraktion, daß man die Arbeiterschaft in eine solche Siutation hineingebracht Hobe. Es zeige sich jetzt, wie berechtigt die Warnung an die Arbeiterschaft war, ihr Geld ftir Zwecke herzu- geben, die sie nicht kenne und worüber sie keine Kontrolle hat. Immer- bin habe es das Interesse der Berliner Arbeiterschaft erfordert, die Angelegenheit in anderer Weise zu reacln. Niemand werfe den Kommunisten vor, daß sie zu ihren persönlichen Zwecken Gelder ver- wendet hätten. Doch müsse jetzt schleunigst Klarheit geschaffen werden, wie die Dinge stehen, damit nicht die Sammlungen für das russische und georgische Volk darunter leiden. Die Ar» beitskollegen in den Betrieben verlangen Aufklärung. Und diese Generalversammlung sei zweifellos der rechte Ort, um Auf- klärung zu schaffen. Nach einem Schlußwort Emil Barths erklärte Eckert: „Wir halten daran fest, daß es die alte Untcrstützungskom- misston ist, die sich mit der Angelegenheit zu beschäftigen und den aus Grund eines Beschlusies erfolgten Dorschlag der Oeffentlichkeit zu unterbreiten hat. Folgende Resolution wurde mit überwiegender Mehrheit a n- genommen:„Die Delegierten der Generalversammlung sind unumstrittene Vertreter der Groß-Berliner Arbeiterschaft. Sie er- warten in einer nächsten Generaloersammlung die Rechnungslegung des alten Dollzugsrats und gleichzeitig die Rechnungslegung der Unterstützungskommission." Damit endete die recht stürmisch verlaufene Versammsung.
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Die Aacher. Roman von Hermann Wagner.
Die Unterredung hatte in dem Bureau des Ingenieurs stattgefunden. Reisner trat auf die Straße, und die Häuser. die Wagen, die Menschen tanzten vor seinen Augen. Er mußte sich während der ersten Schritte die Häuser entlang tasten, um nicht umzufallen. Immerhin, dachte er erschöpft. ich kann einmal zu ihm hinfahren. Und er stieg in eine Droschke und fuhr bei Mannheimer vor. Mannheimer war gar nicht erstaunt. Er gab sich so liebenswürdig wie immer, den kaum merklichen Spott um seine Lippen gestattete er sich eigentlich nur als einen höchst überflüssigen Luxus.„ i Reisner sprach tonlos und matt, nichts von Wut war in ihm, nicht einmal etwas von Erbitterung und Enttäuschung. Er berichtete mit wenigen Worten, was sich herausgestellt hatte. Mannheimer hörte ihist stumm zu und zuckte nur unge- duldig mit den Schultern.„Das war dumm. Dumm von Ihnen." Sonst sagte er nichts. m i„- „Sic haben mich betrogen. Mannheimer, sagte Reisner ohne jede Schärfe. Mannheimer lächelte mitleidig.„Berzeihen mein Lieber, so etwas höre ich nicht gern... Betrogen! Unsinn! Man betrügt nur. wenn man faßbar ist... Haben Sie früher vielleicht betrogen, wenn Sie eine Sache abstießen, die ober- faul war?",«>.. „Sie sind faßbar. Mannheimer, " entgegnete Reisner fast � �Mannheimer schüttelte energisch den Kopf.„Dann hätte ich die Sache nickt gemacht. Und außerdem--" Er er- wetterte den Luxus, den er sich gestattete, und wurde höh- nisch. ,.-- und außerdem, dächte ich, mußten Sie selbst aufpassen, daß man Sir nicht faßt... Nicht?!" „Was meinen Sie—?" Mannheimer sah ihn durchdringend an und harte doch nnter einem seine perfid-liebenswürdige Miene.„Ich meine. — die Unterschrist.., Das heißt: ich will nichts gesagt haben!" � ■&' Retsner wurde Übel. Er schluckte und schluckte und suchte
nach einem Wort, das ihn retten könnte, nur für einige Minuten retten... Er fand keins, nicht ein einziges. Er sah erbärmlich aus. Und schwieg. Es gab eine Pause, die Reisner endlos schien. Mannheimer glitt sachlich über siie hinweg, mit einer Diskretion, die kälteste Grausamkeit war. Er hob dozierend den Zeigefinger.„Also, man darf nicht faßbar sein,— dann betrügt man auch nicht,— selbst dann nicht, wenn man... fälschte!... Hm. Haben wir uns noch etwas zu sagen?" Da umschwärmte Reisner ein Gedanke: warum war dieser Schurke so ruhig, wenn er doch wußte, daß jene Unterschrift gefälscht war? Er hüstelte und würgte und stotterte dann:„Die Bürg- schaftserklärung— ist doch— noch— bei... Ihnen?"
„Nein," sagte Mannheimer kurz. „Nicht—?�
„Nein," wiederholte Mannheimer. „Wo— ist sie?" fragte Reisner angstvoll, denn es , schien ihm plötzlich, als wäre die Staatsanwaltschaft schon hinter ihm her und als müsse er, wenn er jetzt auf die Straße hinausträte, sofort verhaftet werden. Mannheimer strich vorsichtig die Asche von seiner Zigarre. „Ein Mann interessierte sich für die Bürgschaftserklärung," 1 sagte er,„noch ehe sie geschrieben war, ja... Er hat sie mir abgekauft, für den vollen Betrag... Ein sehr nobler Mann, — alle Achtung!" Und Mannheimer blies behaglich den Rauch seiner Zigarre von sich. „Ein Mann? Wer?" „Ein Mann namens— Behrens." Reisner wollte einen Freudenschrei ausstoßen Er zog indessen nur sein Taschentuch und betupfte damit seine Stirn. Sein Mund war schief verzogen.„Es ist gut," sagte er leise, „ich danke Ihnen..."...„ „Es war mir ein Vergnügen," sagte Mannheimer jovial, „beebren Sie mich wieder!" Reisner schlich die Straße entlang und empfand es als eine Wohltat, daß er nicht imstande war, zu denken. Sein Kopf war völlig leer, ein schwarzes Loch war darin, und das Blut in seinen Adern wollte nicht k»eisen. Er sah die Leute an. an denen er vorüberging, und wußte nicht, daß er es. tat. Er starrte vor der Auslage eines Konfektionsgeschäftes lange auf billig« Anzüge, las die Preise.
SroßSerlw Nimmer rasten... Auf der Funktionärkonferenz des„Vereins Arbeiterjugend Groß- Berlin" sprach eingangs der Genosse Walter Rüdiger über die kam- munistische Broschüre„Der Weg des Verbandes der Arbeiterjugend- oereine Deutschlands ". Dieses Pamphlet eines Auchgenosien bringt einen schon verschwunden geglaubten Agitationsstoff zu neuen Ehren: Die Kriegspolitik der SPD. und der mit ihr in der Vorkriegszeit und In den Kriegsjahren eng verknüpften sozialdemokratischen Iugendbewe- gung. Abgesehen davon, daß diese Broschüre offensichtliche Unwahrheiten enthält, ist die in ihr beobachtete Kampfesweise einer proletarisch-sozialistischen Jugendbewegung nicht würdig. Ein« andere Konferenz wird Gelegenheit haben, zu den Schmähungen und Agitationsphrasen Günther H o p f f e s Stellung zu nehmen. Den eigentlichen Zweck der Funktionärkonferenz bildete die Ent- gegennahme des Berichtes der Delegation zur Reichskonferenz in Blelefeld, den der Gen. Herbert Heiland erstattete. Anknüpfend an den Ausspruch unseres belgischen Genoffen de Brouckere„5 ch war tief ergriffen bei dem Anblick dieser tapferen undfrohenJugendundhattedenEindruck.daßdie- jenigen, die Ihre Arbeiterjugend organisiere haben, eine große Idee verwirklichten, voll von Hoffnungen für die Zukunft" gab er einen kurzen Ueber- blick über die Geschehniffe der Bielefelder Tage, die durch die Presse- berichte bereits voll gewürdigt wurden. Bor allen Dingen sei es notwendig, unseren Dielefelder Parteigenoffen und ihrem Führer. dem Gen. Schreck, auch an dieser Stelle den Dank auszusprechen für die gastliche Aufnahme der Berliner Arbeiter- j u g e n d— sie wurde restlos durch die dortige Arbeiterschaft in Privatquartieren untergebracht. Es war ein erhebender An- blick, die Stätten kapitalistischer Ausbeutung mit dem Schwarz- Rot-Gold derRepublik und dem Rot der Revolution geschmückt zu sehen. Der Bielefelder Relchsjugendtaz war ein eminent politisches Ereignis, ein wuchsiges Bekenntnis der kommenden Generation zur Republik, die die Mög- lichkeit der Entwicklung zum Sozialismus In sich birgt. Weimar hat in Bielefeld seine naturnotwendige Ergänzung gefunden. In der Debatte wurde von einigen Rednern ein fest umrissenes Programm unserer Organisation gefordert. Im Schlußwort erklärt der Gen. Heiland das im gegenwärtigen Zeitpunkt für schwer durch- führbar. Das Referat des Gen. W e st p h a l auf der Reichskonfe- renz wird auf unsere Anregung hin zu einer Programmschrift aus« gestaltet werden. Er weist auf die Sitzung des Komitees der neuen Iugendinternationale hin, die eine Resolution zur Einigung mit der Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Jugendorganisationen(Wien ) an- genommen hat. „Eine Resolution, die oll« Funktionär« verpflichtet, mit allen Kräften für die weitere Ausgestaltung der Bewegung im Sinne der Bielefelder Kundgebung zu wirken, wird einstimmig angenommen. Ebenso eine andere, die unsere ablehnende lWtung bei einem neuen 4. August in scharfer Form hervorhebt. Mit einem gemeinsamen Kampfsiede wurde die Konferenz geschlossen.
Paragraph 193! Eine Anklage wegen Richterbeleidlgnng. Der Kaufmann Pauk Kimmel au- Jüterbog hatte sich vor der Potsdamer Ferienstrafkammer wegen Beleidigung des Amts- gerichtsrats Meyer zu verantworten. Das Verfahren war schon dadurch ungewöhnlich, daß der Reichsjustizmini st er selbst die Erhebung der Offizialklage angeordnet hatte, um einer schweren Richterbeleidlgung zur Sühne zu verhelfen. Der Angeklagte hat am 14. April 1920 ein Telegramm an den Reichsjustizminister gerichtet, in dem ausgeführt wurde, der Amts- gerichtsrat Meyer lasse aus Furcht vor persönlichen Angriffen Verbrecher laufen. Er habe es fertig bekommen, berüchtigte Verbrecher mit den Zeugen in einem Zimmer zu vernehmen. Der Amtsgerichts, at entlaste die Verbrecher, u m das Gesindel los zu werden, trotzdem man sie ihm auf
sprach die Zahlen laut aus und nickte billigend dazu.„Acht- unddreißig Mark. Zweiundvierzig Mark. Moderne Ulster. Eleganter Sitz. Feste Preise." Er ging weiter, und mehrere Mädchen kamen ihm ent- gegen, einander eingehängt, so daß er beinahe in ihre Arme gelaufen wäre. Die Mädchen lachten laut. Wie freundlich. sagte er zu sich. Ja, es gab noch freundliche Mädchen, die lachen konnten, überhaupt Mädchen,— wie lange hatte er sich dessen nicht mehr erinnert! Und plötzlich fiel ihm ein. daß er einmal in Kärnten ge- wesen war. So ein stilles Dorf dort unten,— wie hübsch mußte es sich dort leben! Man hörte Kühe blöken, ein sanfter Rauch stieg aus den Essen, die kleinen Fenster lachten freund- lich, und alles war so still und friedlich. Dort mußte man allein«sein, dort mußte man sein Leben beschließen, niemand würde einen stören, niemand würde einen fragen: was willst du hier? Man war einfach dort. Basta. Mit einemmal war er in einer Anlage drin. Er setzte sich auf eine Bank. Kinder spielten vor ihm. Ach ja. Kinder...—, hatte er nicht auch ein kleines Mädchen, Lu mit Namen,— die kleine Lu? Er schüttelte verdrießlich den Kopf. Nein, auch daran wollte er nicht denken. Er hatte kein Kind. Er hatte keine Frau. Er stand allein in der Welt,— ach, es tat so wohl, zu wissen, daß man allein stand! Nur keinerlei Beziehungen mehr zu Menschen, sie waren einem hinderlich, sie zogen einen da- von ob, in sich zu gehen, eine hohe Mauer um sich zu errichten und hwter dieser unsichtbaren Mauer zufrieden zu verharren ... In Kärnten . In einem Dorf, wo Kühe blökten, abends sanfter Rauch aus den Esten stieg und die kleinen Fenster der Abendsonne entgegenlächelten... Ach, wie schön war die Zeit gewesen, da er allein gewesen war,— erinnerte er sich besten nicht mehr? Da er sich von aller Welt abgeschlossen und gearbeitet hatte, nur gearbeitet. gearbeitet... Nein, arbeiten würde er heute nicht mehr. Er begriff es nicht, daß er das so hartnäckig hatte tun können und wie sein Ehrgeiz darauf hatte gerichtet sein können, eine Villa im Grunewald zu haben und einen Diener und Auws und Geld. (Forts, folgt.)