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Nr. 403 38. Jahrgang Ausgabe A nr. 204

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Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Sonnabend, den 27. August 1921

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Berlag. Ervedition und Inferaten­

Nationalistischer Mord!

Abteilung Morisplas 11753-54

Freudenstadt( Schwarzwald ), 26. August.( Eig. Drahtbericht.)

Heute vormittag wurde der Reichsfinanzminister a. D. Erzberger auf einem Spaziergange in der Nähe von Griesbach in Baden erschossen. Zwei Burschen traten ihm plötzlich in den Weg und gaben ihm zwölf Kugeln in den Kopf. Erzberger ist tot. Die Täter sind bisher unbekannt. Der Abgeordnete Diez- Rudolfzell, der Erzberger begleitete, wurde verwundet, lebt aber noch. ( Bereits am gestrigen Spätnachmittag als Extrablatt des Vorwärts" in Berlin verbreitet.)

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Als wir vor zehn Wochen die Ermordung des unabhän-| Portemonnaie der Besizenden anzutast e n.| Schießens aus dem Hinterhalt locken lassen, der das Lebens­gigen Führers Gareis in München melden mußten, da Er hatte nicht nur den Mut, die politische, sondern auch die element der Reaktion ist. Sie wird im Auge behalten, daß fchrieben wir: Ein neuer Mord und wahrscheinlich nicht finanzielle Folgerung aus dem verlorenen Weltkrieg diese Mordtaten erwachsen sind auf dem Boden der von den der letzte in der nicht abreißenden Reite reaftionärer zu ziehen. Er schuf das neue Steuersystem mit gewaltiger gesamten Rechtsparteien betriebenen Agitation. Gewalttaten." Staffelung nach oben hin, das dem Besiz die Hauptlasten auf| Sie wird im Auge behalten, daß die Mörder von diesen bis­bürden sollte. Das war viel schlimmer als die Friedensreso- her noch immer physisch und moralisch gedeckt worden lution von 1917, das war viel schlimmer als der Waffenstill find. Gegen diese Parteien, die wohl öffentlich den Mörder stand von 1918. In ihren heiligsten Gefühlen getroffen, er verleugnen, aber gerne feinen Dolh arbeiten lassen, wird sich hoben sich Geldsack und Grundbesig gegen den Mann, der es der Kampf der Arbeiterschaft richten, der schonungs­wagte, als bürgerlicher Politiker ihre Rechte auf Dividenden los este, erbittertite Rampf. Er wird sich richten gegen die Gesamtheit jener, die Regiments appelle ver= so schnöde zu kürzen. anstalten, im Stadion Kontrollversanimlungen abhalten und das Volf Tag für Tag provozieren. Erst wenn jenes ganze Geschmeiß von Monofelträgern, Wichsstudenten und Hafen­freuglern mit dem Revolver in der Hosentasche und Hurra­schreiern von der politischen Arena hinweggefegt ist, erst dann wird die Luft in Deutschland moralisch gereinigt sein.

Furchtbar schnell hat sich die Voraussage erfüllt: ein poli­tischer Führer, weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt, liegt von Mörderhand erschossen. Abermals sind die Täter entkommen, wenn wir auch diesmal hoffentlich sagen fönnen: zunächst. Denn bei den Begleitumständen der Tat, bei dem Ueberleben eines Augenzeugen, sollte es eigentlich einer halbwegs findigen Polizei nicht schwer sein, die Mord­buben zu ermitteln.

Wenn wir aber auch über die Person der Täter in diesem Augenblick noch nicht unterrichtet find, über ihre Art und ihre Beweggründe fann fein 3weifel herrschen. Sie entstammen jenen politischen Kreisen, die in Worten von Beteuerung ihres Deutschtums" triefen und die es in Taten durch systematischen hinterlistigen Meuchel mord beweisen. Sie sind aus der Schar jener Rechtsbolsche wisten, deren Politik in der Beseitigung des politischen Geg­ners gipfelt, sie sind Fleisch vom Fleisch und Blut vom Blut der Mörder Liebknechts, Rosa Luxemburgs, Kurt Eisners , Landauers, Paasches und Gareis'!

Das getränkte Portemonnaie fand seinen würdigen Fechter, dessen Name nicht vergessen werden soll, wenn von den moralisch Mitschuldigen an der Ermordung Erzbergers die Rede ist: Herrn Helfferich. Indem er in seiner be­fannten bedenkenlosen Art einen Feldzug gegen Erzberger eröffnete, wuchs der in allen Sätteln gerechte Bankdirektor zum Heros der Deutschnationalen . Die Früchte feines Tuns follten ihm schon flar wreden, als während der Verhandlung des Prozesses Erzberger Helfferich die Schüsse des ahnenjunters Oltwig v. Hirschfeld auf Erz­berger frachten.

Das war die erste Frucht der Hehe. Die deutschnationale Presse suchte in gewohnter moralischer Berkommenheit die Wir erkennen auch die moralischen Mitsch ut- Sache ins Lächerliche zu ziehen. Noch mehr: der feige Atten digen der Tat: das sind die Rechtsparteien, die Deutsch - täter wurde als Blüte edelsten Deutschtums von nationalen und die Deutsche Boltspartei in ihr gefeiert. In einer Art geschah dies, die unverhohlen zur ihrer Allgemeinheit, wobei besonders ihre Bresse iederholung der Tat aufreizte. Diese chriftliche" Erwähnung verdient. Gegen feinen Mann in Deutschland und nationale" Presse wird die Verantwortung für das neue ist eine schamlofere und gemeinere Hezze entfaltet worden als erfolgreichere Attentat nicht von sich abschütteln! gegen den ermordeten Erzberger. Man hat mit Hilfe forrum­pierter Beamter seine Steueratten gestohlen, man hat ihn grundlos des Meineids verdächtigt, man hat die niederträch­tigsten Lügen über seine Person folportiert, man hat ihm jedes Schlechte nachgesagt, man hat ihm persönlich die Verantwor­tung für jedes Unheil, für jeden Mißstand in die Schuhe ge­schoben.

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Wie das Verbrechen geschah.

Bad Griesbach , 26. Aug.( WEB.) Zur Ermordung des Reichs­fagsabgeordneten Erzberger erfahren wir folgende Einzel­beiten:

Erzberger befand sich heute vormittag gegen 9 Uhr auf dem Wege von Bad Griesbach zur Alexanderschanze beim Kniebis. In seiner Begleitung befand sich der Reichstagsabgeordnete Diez. Es follen 3 wei Burschen im Alter von 25 Jahren als Täter in Betracht kommen, die die beiden Abgeordneten voneinander trenn­ten und auf der Verfolgung den Abgeordneten Erzberger durch mehrere Schüsse in die Brust und den kopf nieder­Was etwa noch die deutschnationale und volksparteiliche ftredten. Der Abgeordnete Dieh wurde verwundet und Preffe versäumten, das besorgten deutsche Richter. Für befindet sich im Spital in Oppenau . Eine Gerichtstommij­das lebensgefährliche Attentat auf einen deutschen Reichs- fion hat sich mit Polizeihunden an den Tatort begeben. minister verhängten sie die Strafe von einem Jahr Der Vorgang spielte fich in der zehnten Morgenstunde ab. Mit und sechs Monaten Gefängnis! Das war im Fe- Sicherheit konnte bereits festgestellt werden, daß kein Raub­bruar 1920. Die Strafzeit Oltwigs v. Hirschfeld muß also mord vorliegt. gerade vor ein paar Tagen abgelaufen sein. Wir haben keine Weitere Einzelheiten über die Mordtat meldet die Telegraphen­Und der Grund dieses Resseltreibens war fein anderer, Anhaltspunkte dafür, daß er mit dem neuen Attentat etwas als daß Erzberger den Mut hatte, die Konsequenzen zu tun hat. Aber die Tatsache, daß er bereits wieder der union aus Oberkirch : Die beiden Reichstagsabgeordneten Diez und Erzberger gingen aus der Niederlage zu ziehen, in die ganz an Attentäter fein tönnte, stellt dieses Urteil an den Branger in der Zeit zwischen 10 und 11 Uhr vormittags auf der von Gries­bere Männer und Kreise Deutschland hineingeführt der Welt. Wir finden in den Urteilsgründen, daß die Richter im bach nach Freudenstadt führenden Landstraße spazieren. In naher hatten. Die wirklich Verantwortlichen drückten sich feige nor den Folgen ihrer Politik, Wilhelm entfloh nach Hirschfeld- Prozeß dem Täter feine ideale Befinnung" Entfernung folgten ihnen zwei Männer. Den beiben Abgeordneten Holland , Ludendorff fniff nach Schweden aus. Als die als besonders strafmildernd angerechnet haben. wurde die Sache ungemütlich, sie machten tehrt und gingen größenwahnsinnigen Militärs das deutsche Volk in den Ab- Diese Richter, die in feiger Mordtat ideale Gesinnung er- auf der Landstraße nach Griesbach zurück. Auch die beiden Frem­grund gestoßen hatten, da wandten sie ihm den Rücken und blicken, stehen an vorberster Stelle unter den den wandten sich um und gingen nahe an Erzberger und Diez fagten: Seht zu, wie ihr heraustommt". Damals war es moralischen Mitschuldigen der neuen Mordtat. heran. Ohne irgendein Wort zu sagen, 30g einer ber wirklich nicht leicht, als Unschuldiger und Unbelasteter die Ihr Urteil mußte nach außen hin nicht als Bestrafung des Fremden schließlich eine Schußwaffe und drückte los. Durch fluchbeladene Erbschaft anzutreten, die Deutschlands Ber Attentats wirken, sondern als Aufreizung zu einem den Schuß wurde der Abgeordnete Diez an der Schulter verlegt und ftürzte zu Boden. Erzberger fprang nun über die berber hinterlassen hatten. Erzberger hat den Mut neuen Attentat und es hat so gewirkt. Moralisch ebenso Böschung der Straße, um sich den beiben Unbekannten zu ent­gehabt und das wird sein unvergängliches gefchuldig wie diese Richter find jene anderen Richter, ziehen. Diese eilten ihm nach und feuerten mehrere Schüsse chichtliches Berdienst bleiben. Er schloß den Waffen- die einen 2ebius für zweimalige nachdrückliche Auf for auf ihn ab. Bei der Berfolgung brach Erzberger zu­stillstand als Deutschlands Unterhändler ab, um den Hinden- derung zum Mord an Männern wie Professor Einstein, fammen, was die beiden Täter aber nicht abhielt, unausgefeht burg und Ludendorff auf den Knien gefleht hatten, worüber Hello v. Gerlach usw. zu ganzen 1000 M. Geldstrafe auf den am Boden liegenden Mann zu feuern, der von 12 Kugeln wir erst jüngst unwiderlegliches Aftenmaterial veröffentlicht verurteilten. Diese Richter, die im Banne politischer Borein durchbohrt alsbald verstarb. Inzwischen war Diez wieder aufge­genommenheit sich nicht überwinden konnten, Mordversuch standen und hatte sich zu Erzberger begeben, der bereits ver Bas vorauszusehen war, geschah: die wirklich Schuldi- und Mordaufforderung gebührend zu beftrafen, weil die fchieden war. Die beiden Täter standen in nicht allzu großer gen stempelten ihn zum Sündenbod. Sie handelten unge Täter ihnen politisch nahestanden, die Opfer ihre Entfernung, wahrscheinlich, um sich zu überzeugen, daß Erzberger fähr wie jetzt die Wettschieber Roehn, Bieber politischen Gegner waren, sie sind mögen sie auch tot war. mögen sie auch tot war. Den Abgeordneten Diez ließen sie unangefochten. Sie mann und Genossen. Wie Herr Klante sich jetzt noch von nur instinktiven Vorurteilen erlegen sein die Haupt- verschwanden, als Diez sich vom Blaze wegbegab, um Hilfe denen, die nicht alle werden, Lorbeerfränze überreichen und schuldigen an der Erscheinung, daß in Deutschland sich zu holen. Die Leiche Erzbergers blieb den ganzen Nachmittag an als Boltsbeglücker feiern läßt, so fanden auch die deutschen eine reaftionäre Mordtat an die andere reiht. dem Tatorte liegen, der in weitem Umfreis a b= Militaristen ihr Publikum, das sie weiter mit gläubiger Ber- In unserem gestrigen Abendblatt wiesen wir warnend gesperrt ist. Die Verfolgung der Täter wurde sofort ehrung beflatschte. Wie die Wettkonzernhelden ihren betroge- darauf hin, daß die Heßtätigkeit der Rechtsparteien uns aufgenommen. Die Ermordung wurde in Oberkirch um nen Schäflein einreden, daß alles gut gegangen wäre, wenn fascistischen Zuständen in Deutschland zutreibe. Als 12 Uhr bekannt. Die sofort benachrichtigte Gendarmerie bea man sie nur hätte weiter wirtschaften lassen, so finden heute diese Beilen in Druck gingen, frachten, wie zur Bestätigung, gab sich in Krafiwagen zum Tatort. Abgeordneter Di'ez konnte noch Ludendorff und Genoffen Gläubige für ihre Geschichts die Schüsse auf Erzberger. In seiner Ansprache an die Partei- fofort eine eingehende Schilderung über die Borgänge fälschung, daß im November 1918 der Sieg zum Greifen führer sagte der Reichstagspräsident Loebe: Die Revolver - geben, die sich am Latort abgespielt haben. Seine Schilderung nahe" gewesen sei, menn man ihnen nur weiter die Führung fugeln, die Erzberger niederstreckten, haben nicht nur ihn. stimmt mit unserer Darstellung überein. Ein Raub an der Leiche überlassen hätte. Der böse Rontursverwalter wurde zum fondern die Ruhe und den Frieden unseres Erzbergers wurde nicht ausgeführt. Sündenbod: st att Ludendorff und seine Clique Landes getroffen" Das ist nur allzu wahr. In einer ergänzenden WIB.- Meldung heißt es: zuächten, umheulte das benebelte deutsche Bürgertum Erz- Aber die Urheber solcher Taten mögen sich nicht täuschen. Bon den Tätern, die mit großer Raltblütigkeit zu berger als den ,, Berräter". Die deutsche Arbeiterschaft wird sich gegen diesen Fascismus Berte gingen und sich furz vorher mit einem Straßenwärter unter zur Wehr zu setzen wiffen. Die fortgesetten reattionären hielten, liegen genaue Beschreibungen vor, doch konnten Mordtaten werden Wirkungen auslösen, die sich ihre Urheber fie bis jetzt nicht festgenommen werden. Gegen Abend wurde die nicht haben träumen lassen. Freilich wird sich die Arbeiter- Leiche Erzbergers, nachdem die Gerichtsbehörden den Tatbestand schaft nicht auf den Kampfboden der feigen Mordtat und des aufgenommen hatten, nach Griesbach geführt und hier aufgebahrt.

haben.

Aber diefes Geschrei wäre wohl mit der Zeit verstummt, wenn nicht Erzberger ein in den Augen jener Streife noch piel größere, ganz unsühnbare Berbrechen began gen hätte; wenn Erzberger nicht gewagt hätte, das geheiligte

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