Matthias Crzberger. Ein Mann ist den Kugeln der Meuchelmörder erlegen, angc- feindet wie kaum ein zweier in Deutschland , der aber gleichwohl eine der markante st en politischen Erscheinungen der Gegenwart darstellt. In Erzberger verkörpert sich eine politische Energie, wie sie seit Jahrzehnten in Deutschland zu den ganz großen Seltenheiten gehört. Eben deshalb aber trug ihm seine Tätigkeit viele Gegner ein. Man belauerte jeden seiner Schritte und Handlungen. Und da es Erzberger immer weit mehr aus das Ziel als auf die Mittel ankam, so hat er seinen Gegnern wohl auch manche Blöße gegeben, die dann allerdings von einer gehässigen Slgitation ins Maßlose vergrößert wurde. Der Schuft, zu dem ihm seine Gegner stempeln wollten, ist er nie und nimmer gewesen. Fehler und Schwächen hat er wohl gehabt und viel darum leiden müssen. Aber sie waren nicht größer als die Fehler, die man bei vielen ener- gischen Charakteren als Kehrseite findet, nur daß ihm eben keine byzantinische Geschichtsschreibung wie anderen zur Seite stand, um den Mantel über seine Blößen zu breiten,— im Gegenteill Der Kern seines Wollens war auf jeden Fall lauter. Erzberger wurde am 20. September 1875 zu Buttenhausen ge- boren. Er war dem Stamme nach Schwabe(an der Judenlegende seiner Gegner ist auch nicht das kleinste Körnchen Wahrheit), dem Glauben nach Katholik. Beides wurde für seine polltische Tätig- keit bestimmend. Sein Glaube führt« ihn der Z e n t r u m s p a r t e i zu, seine Schwabennatur aber erfüllte ihn mit gesunden d e m o- kro tischen Instinkten. Er entstammte einer Gegend, in der sich länger als in vielen Teilen Deutschlands ein starker Bauern, und Handwerkerstand erhalten hat, der die Traditionen der urwüchsigen Demokratie durch Generationen vererbte. Wie stark Erzberger in seiner Heimat wurzelte, beweist der Umstand, daß seine heimische Wählerschaft ihn immer wieder ins Parlament entsandte und un- erschütterlich zu ihm hielt, auch als die Flut der Anfeindungen am höchsten ging. Als Erzberger seine Tätigkeit in der Zentrumspartei begann, trug diese noch einen uasgesprochen reaktionären Charakter. Sie hatte ihren Frieden mit dem alten System gemocht und unterstützte es gegen gelegentliche Konzessionen. Der jung«, kaum 28jährige Mann, der als jüngstes Mitglied des Reichstages im Jahre 1903 dort austauchte, wurde bald das Schreckenskind seiner Fraktion. Sein demokratischer Instinkt brachte ihn in natürliche Gegnerschaft zu dem starren preußischen System, das auch das Reich beherrschte. Mit einer Schonungslosigkeit, die manchen alten Zentrumsherren erschauern machte, deckte er die Mängel dieses Systems auf. Namentlich hatte er sich auf die K o l o n i a l f r a g e verlogt. Seine Enthüllungen verschiedener Kolonialskandale trugen ihm schon lange vor dem Kriege die wütende Gegnerschaft der All- deutschen ein. Man wollte ihn zwingen, seine Gewährsmänner preis» preiszugeben, sein Abgeordnetcnpult sollte polizeilich erbrochen werden, in einem der sich anschließenden Prozesse gegen den Beamten Wistuba wurde er wegen Zeugnisverweigcrung in Strafe genommen. In den Kämpfen gegen den Kolonialsekretär Dernburg , die im Jahre 1906 zur Auflösung des Reichstages führten, spielte er die Rolle des Hauptangreifers. Trotzdem darf man den Erzberger dieser Zeit nicht als auege- sprachen demokratischen Politiker ansprechen. Die Art, wie«r damals die Sozialdemokratie bekämpfte, unterschied sich in nichts von der der übrigen Parteien. Aber er gehörte wohl zu jenen Leuten im Zentrum, die nach der Sprengung des Bülow-Blocks im Jahre 1S0S die Koalition des Zentrum» mit den Konservativen im schwarz-blauen Block als schweren Fehler erkannten. Dies« Koalition trug dem „ Zeytrum seine einzig« Wahlniederlage im alten Deutschland (bei den Wahlen.von 1912) ein. Der Zentrumskurs wurde wieder mehr nach links gerichtet, und im neuen Reichstag stand das Zentrum mehrfach in heftigster Opposition gegen die Regierung, es sei nur erinnert an die Zabern -Afsär«. Schon damals zeichnete sich jener Regierung?- block von Zentrum, Fortschritt und Sozialdemokratie in den Umrissen ab, der im neuen Deutschland die einzig lebensfähige Koalition«erden sollte. Bei dieser Konstellation stieg Erzbergers Einfluß im Zentrum natürlich bedeutend. Trotz der Opposition der konservativen Elemente im Zentrum, die ihn zum Teil persönlich bitter haßten, wie der alt« ' Spahn, wurde er immer mehr der ausgesprochene Führer der Partei. Der Weltkrieg kam. Es kann nicht geleugnet werden, daß Erz- berger sich in den ersten Monaten von der nationalistischen Well» hat fortreißen lassen und im Anfangsstadium de» Krieges Annexions- forderungen aufgestellt hat, die er später sicher bereuen mußte. Doch es ist kein Fehler, sondern ein Verdienst, daß er entschieden mit dieser Politik brach, sobald sein Blick sich geklärt hatte. Er er- kannte rechtzeitig, daß Deutschland gegen die ungeheure Ueber- macht der Gegner den zerschmetternden Sieg, der die Voraussetzung der Annexionspolitik war, nicht erringen konnte. So wurde er ein entschiedener Vorkämpfer des Verständlgungsfriedens. Nichts hat ihm mehr den Haß der Alldeutschen eingetragen, und doch war diese Verständigungspolitik das größte Verdien st seine» polltischen Wirtens. Sie allein hätte Deutschland vor der Katastrophe retten können, wenn sie gegenüber den Gewalten des alten Militarismus durchzusetzen gewestn wäre. Hier traf sich denn auch Erzberger mit der S o z t a l d c m o k r a t i e. In der Erkennt- nis, daß die Sozialdemokratie die beste und zuverlässigste Kern- truppe einer vernünftigen Außenpolitik sei, legte Erzberger aner- zogene Scheu und Vorurteile gründlich ab. Die Einzelheiten dieser Periode sind so bekannt, daß sie hier nicht ausführlich geschildert zu werden brauchen. In der berühmten Sitzung des Haupt- ausschusses vom 6. Juli 1917 legte Erzberger schonungslos dar, daß der U-Boot-Krieg ein Fehlschlag und an Sieg nicht mehr zu denken sei. Niemals in seinem Leben hat er mehr recht gehabt als damals. Tatsächlich überzeugte er auch die Mehrheit des Reichs- tage-. Es kam der Sturz des ewig unentschlossenen Kanzler» Beth- mann Hollweg, es kam die F r i e d e n sr e s o l u t i o n des Reichs- tages, deren Wirkungen aber von der Militärpartei und ihrem Kanzler Michaelis sabotiert wurden. Es kam die Hcrtling-Periode, das Zentrum gelangte in die Regierung, aber der demokratisch verdächtige Erzberger wurde über- gangen. Mit ihm und der Sozialdemokratie blieb auch weiter eine energische Verständigungspolitik au» der Reichsregierung verbannt. Erst als es z u s p ä t, als der Z u s a m m« n b r u ch da war, wurde Erzberger Staatssekretär in dem kurzlebigen Ministerium Max von Baden . Ihm siel die undankbarste aller undankbaren Aufgaben zu, den W a f s e n st i l l st a n d zu unterzeichnen. Er tat es auf aus- drückliche Forderung Hindenburgs. Räch der Revolution— und das ist sein zweites bleibendes Ber- dienst— stellte er sich mit innerer Warme und ohne jeden Vorbehalt auf den Boden der Republik und Demokratie. Man sah in ihm kaum noch den Zentrumsmann, sondern fast nur den demokratisch gesinnten Schwaben. Solange Erzberger da» Zentrum führte, blieb es in demokratischen und republikanischen Fragen zuver- lässig. Mit Hilfe des Arbeitersiügel» gelang es Erzberger immer wieder, der konservativen Gegenströmungen in seiner Partei Herr zu werden. An der Schöpfung der Weimarer Verfassung hott» er al» Vizekanzler hervorragenden Anteil. Als Finanzminister der
Republik schuf er dann sene demokratische Steuergesetz» gebung, die heute noch seinen Namen trägt. Es ist gewiß kein schlechtes Denkmal, das er sich hier gesetzt hat. Aber die hohe Be- steuerung des Kapitals verdoppelte und verdreifachte den Haß der durch die Revolution gestürzten Klassen gegen ihn. Bon allen Seiten wurde geKZN ihn miniert» und gebohrt, mit allen Mitteln gearbeitet und schließlich trug der Heros der Steuerscheusn, Herr Helfferich, vor einem alldeutschen befangenen Gerichtshof den Sieg über ihn davon. Zur gleichen Zeit erfolgte das erste Attentat. In der Folge des Prozesses maßte sich Erzberger vom politischen Leben zurückziehen. Trotzdem wählten ihn seine engeren Landsleute im Juni 1920 wieder in den Reichstag . Die Deutschnationalen aber fürchteten sein Wiederauferstehen, sie arbeiteten unermüdlich weiter gegen ihn, doch ihre Anklagen dos Meineids, der Steuerdesraudation usw. erwiesen sich als gänzlich haltlos. Der Ausschuß der Zentruwspartei beschloß vor wenigen Monaten, Erzberger die poli- tische Tätigkeit wieder freizugeben. Vielleicht hat dieser Um- stand die Meuchelmörder zur Tat getrieben. Vielleicht hat sie noch der weitere Umstand bestärkt, daß das Zentrum in der Person der Abgeordneten Trimborn und Burlage eben erst seine beiden Fraktionsvorsitzenden im Reichstag« verloren ha!i>?, wodurch die Möglichkeit einer erneuten Führerschaft Erzbergers wieder in greifbar« Nähe gerückt wurde. Dies sind die wichtigsten Daten aus dem Leben eines Mannes, dessen erschöpfende Darstellung nur in einer politischen Ge- schichte der letzten 20 Jahre gegeben werden könnte. Im besten Mannesalter hat ihn der Mord gefällt. Für das republikanische und demokratische Deutschland ist der Verlust groß. Erzberger war kein Repräsentant der Arbeiterschaft, sondern des demokratischen Klein- bürgertum». Aber einer von denen, die erkannt hatten, daß demo- kratische Politik sich nur m i t d e r A r b e i t e r s ch a f t z u s a m m e n treiben lasse. Er war kein Sozialist, aber seine praktische Politik hat zweifellos für den Sozialismus fördernd gewirkt. Er hat als bürgerlicher Politiker vom ersten Tage der Revolution an ehrlich und entschieden zur Republik gestanden. Die Treue. mit der er für Völkerverständigung, für Republik und Demokratie, für soziale Gesetzgebung gekämpft hat, hat er durch den Märtyrer- t o d besiegeln müssen. Das sichert ihm, mag er uns in seiner Welt- anschauung auch sonst fern gestanden haben, für alle Zeiten ein ehrendes Andenken.
Genosse Loebe über üen Norö. Die von uns an anderer Stelle schon erwähnte Aus- spräche der Parteiführer mit dem Reichskanzler, die am Frei- tag nachmittag in der Reichskanzlei stattfand, wurde auch mit der deutschnationalen Ermordundg Erzbergers befaßt. Der Reichstagspräsident, Genosse L o e b e, führte dazu folgendes aus: Wir stehen alle unter dem erschütternden Eindruck der Nachricht über den grausamen Mord an dem Reichstags- kollegen Erzberger , die uns soeben erreicht. Mir fehlen Worte, das Verbrechen zu kennzeichnen, an dessen politischem Ur- sprnng kaum ein Zweifel möglich ist. Aber ich werde den Eindruck nicht los, die Rcvolverkugeln, die unseren Kollegen niederstreckten, haben nicht nur ihn, sondern die Ruhe und den Frieden unseres Landes getroffen. Sie werden unberechenbare Folgen für unser unglückliches Volk und Vaterland haben. An dieser Stelle kann ich nur den Parteifreunden des Ermorde- ten meine tiefste Teilnahme aussprechen. Während der Ansprache unseres Genosten Loebe hatten sich alle Teilnehmer der Sitzung von ihren Plätzen erhoben. Es ist wahrscheinlich daß die Re i ch s r e g i e r u n g zu dem politischen Mord an Erzberger durch eine K u n d g e- b u n g Stellung nehmen wird.
Grfte Geileiüskunügebungen. Berlin . 26. August.(MTB.) Im Namen der Reichs r«. g i e r u n g hat der Reichskanzler Dr. W i r t h an die Witwe des früheren Reichsfinanzministerz Erzerger nachstehendes Telegramm gerichtet:«Auf die Kunde von dem feigen Meuchelmord, der an ihrem Gatten oerübt wurde, gedenkt die Reichsregierung ehrend des ehemaligen Kollegen. In ihrem Namen spreche ich Ihnen die auf- richtig« Teilnahme an dem schweren und grausamen Verlust« aus, den Sie erlitten haben, und gebe zugleich dem ti«f«n Abscheu Ausdruck, den die Mordtat in ganz Deutschland erwecken muß." Ferner hat der Reichskanzler Dr. Wirth folgend«? Telegramm an Frau Paula Erzberger gerichtet:„Erfahre soeben in tiefstem Schmerz den gewaltsamen Tod ihres Herrn Gemahls. Zu dem grausam harten Schicksalsschlog. der sie und Ihre Familie in dem verabscheuung-. würdigen, feigen Meuchelmord an Ihrem Gatten betrosten hat, unter- breit« ich Ihnen meine innigste Teilnahm«. Gott möge Ihnen die Kraft geben, diesen schweren Schlag zu überwinden, der einem ar- beitsreichen, dem Dienste der Allgemeinheit un«r- müdlich gewidmeten Leben ein jähes Ende bereitete." An den Abgeordneten Diez , Oppenau , telegraphiert« der Reichs- tanzler:„Die furchtbare Nachricht von dem fluchwürdigen Verbrechen. das ein feiger Meuchlcr an unserm Parteikollegen beganzen, hat mich tief erschüttert. Daß nicht auch Sie ein Opfer des Mordbuben wurden, dazu beglückwünsche Ich Sie und wünsche baldige Genesung." Berlin . 26. August.(MTB.) Der R e i ch s p r S s i d e n t hat an die Frau des ermordeten Reichsministers a. D. Erzberger sol- gendes Beileidstelegramm gerichtet:„Tief erschüttert durch die Nachricht von dem Verbrechen, dem Ihr Gatt« zum Opfer siel, spreche ich Ihnen meine herzliche Teilnahme aus. Möge Sie das Bewußtsein trösten, daß in lebhafter Entrüstung über die abscheuliche Bluttat weit« Kreise des beut» scheu Volke» an Ihrer Trauer aufrichtigen Anteil nehmen.__ Die Parteiführer beim Reichskanzler. Die Aussprache der Parteiführer beim Reichskanzler, die gestern stattfand, trug vertraulichen Charakter. Sie be- schSstigte sich mit der Entscheidung über Oberschlesien , dem deutsch -amerlkanischen Friedensvertrag, der Einbringung der Steuervorlagen und der neuen Lohn- und Sehaltsregelung für die Arbeiter und Beamten. Eine frühere Einberufung des Reichstages wurde zu- nächst nicht ins Auge gefaßt. Des weiteren wurde im allge- meinen Einverständnis beschlosten, auch von einer Ein- berufung des Auswärtigen Ausschustes vorläufig noch Ab- stand zu nehmen. Es ist dagegen vereinbart worden, dem- nächst wieder eine Besprechung der Führer der houptsäch- lichen Parteien beim Reichskanzler'stattfinden zu lasten. Empfang des mexikanischen Gesandken. Der R e i ch s p r ä s i. dent hat heute den mexikanischen Gesandten Bolblno Davalos. zur Entgegennahme feines Beglanbigungs- schreiben? empfangen Bei dem Empfange war der Reich,- minister des Auswärtigen Rosen zugegen.
Die baperische Regierung provoziert! In Bayern spitzen sich die politischen Gegensätze immer mehr zu. Die Ursache liegt nicht bei denArbeitern. Die Auseinandersetzungen hatten sich notwendig aus der Stel- lung der Regierung Kohr und ihres Propheten, des Münche - ner Polizeipräsidenten P o e h n e r, entwickelt. In Zu- sammenwirkung mit der zunehmenden Teuerung, der unehr- lichen Eetreidcpolitik der bayerischen Regierung und der Un- oerfrorenheit der bayerischen Monarchisten ist vie Empörung der Arbeiter immer höher gelodert. Für gestern abend hatten die Betriebsräte und die Ge- werkschaften in München eine große Teuer ungs- demonstration angesagt. Mit ihr iollte die Richtung d».s politischen Willens der Münchener Arbeiterschaft klaren Ausdruck finden. Unser Parteiblatt hat offen ausgesprochen, daß in den derzeitigen Zuständen eine Konfliktsgefahr liege, daß die Arbeiterschaft sich deswegen hüten müsse, durch Spitzel und andere unsaubere Elemente zu unnützen und zu unklugen Handlungen verleitet zu werden. Dennoch ist alles, was rechts von der Republik steht, in München und weit darüber hinaus in heller Aufregung. Beachtenswert ist, daß die großen De- pefchenbureaus wie die„Dena" und die„Telunion" d'.e hahne- buchensten Alarmnachrichten verbreiten. Die TUi meldet z. D., daß die Lage in München als sehr ernst angesehen werde. Die Regierung werde„mit allen Mitteln" ent- schlössen sein, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Truppen sei.-n aus Grafenwöhr zurückberufen und würden vollständig aus- gerüstet durch die Stadt marschieren. Die„Dena" wagt es sogar, folgenden Satz zu verbreiten:„Wenn es nach dem Willen der Führer geht, müssen diese Demonstratio- nen, die einen rein politischen Charakter tragen sollen, zu ernsten Zwischenfällen führen". Es sei auch der Befehl ge- geben, daß jeder Arbeiter Frauund Kinder zur Demon» stration mitnehme, ängstliche sollten zu Hause bleiben und ähnliches mehr! Die bayerische Regierung hat in einer Erklä- rung die Bevölkerung dringend gewarnt, sie werde„mit allen Mitteln Ruhe, Ordnung und Sicherheit aufrecht erhalten". In Auswirkung dieses reaktionären Uebermutas hat der Polizeipräsident Poehner eine Bekanntmachung an den Straßenecken und Plakatsäulen ankleben lassen, die besagt: „Die Gewerkschaftsvereine und Betriebsräte Münchens ver- anstalten eine Kundgebung gegen die Teuerung. Sicherem Bemehmen nach sind im Anschluß an diese Versammlungen Straßenkundgebungen zum Zwecke einer politischen Umwälzung geplant. Kundgebungen der Straße sind verboten. Ich werde sie m i t a l l e n M a ch t- Mitteln rücksichtslos unterdrücken. Wer sich vor Schaden bewahren will, meide die Straße." Wer die von uns zusammengestellten Tatsachen ruhig überprüft, wird darüber klar sein, daß die bayerische Reaktion zu einem entscheidenden Schlage gegen die Republik ausholt. In München , wo man sich am sichersten fühlt, wo man glaubt, sich alles leisten zu können, will man es daraus ankommen lasten. Wie weit das geht, zeigt der nac'/'olgende Drahtbericht unseres Spezialkorrespondenten über die— � Königsgeburtstagsfeier in München : In der Hofkirche wurde aus Anlaß des Namenstae«s des ehe- maligen König» Ludwig von Bayern eine Meste gelesen, zu der sich die Familienangehörigen des Königshauses in beträchtlicher Zahl eingefunden hatten. Die Kirchcnbänke waren fast ausschließ- lich von früheren Hofbeamten, verabschiedeten und„v e r- fassungstreuen" aktiven Staatsbeamten, besetzt. Die Bayerische Königspartei war mit ihrer Fahne am Platze er- schienen. Auch in anderen Kirchen feierte man den Tag. Das Ludwigsdenkmal an der Isar zeigte Blumenschmuck. Schon am Abend vorher hatte die Bayerische Mittelpartei eine Versammlung im Hofbräuhaus einberufen, die unter der Leitung des Obersten v. Tylander in eine offene monarchistische Kundgebung ausartete. Tylander pries mit beredten Worten die Taten der bayerischen Löwen im Weltkriege und setzte den bayerischen Füh- rern einen frischen Lorbeerkranz aufs unsterbliche Haupt. Nach einem Hoch aus den ehemaligen König und das Haus Wittelsbach sang die Versammlung stehend die Königshymne und„Deustchland über alles". Das geschah alles unter den Augen des Herrn P o e h n er I Die reaktionäre Hetze wird in Bayern durch die kleine monarchistische Landpresse ausgebaut, ihr Häuptling ist der „Miesbacher Anzeiger", der feine Hauptaufgabe in der Pflege der niedrigsten Instinkte und gefährlichsten politischen Leidenschaften sieht. Alle Republikaner ohne Unter- schied der Partei niüssen sich darüber klar werden, daß es so, wie es jetzt von Bayern aus unter dem Echo der immer frecher werdenden Schuldigen an Deutschlands Zusammen- bruch getrieben wird, nicht mehrweitergehenkann. Wir wollen und werden uns und die Republik zu verteidigen wisten. Der schärfste Kampf muß allem angesagt werden, was Deutschland , das sich eben mühsam aus dem Elend des Er- oberungskrieges der Ludendonfe zu erheben beginnt, erneut in das Chaos zurückstoßen will. Wenn es noch nie gegolten hat, jetzt gilt es. Seien wir bereit! Ebert an die Republikaner in Münche «. Reichspräsident Ebert hat folgendes Danktelegramm an die Leitung des republikanischen Reichsbundes gesandt: Ueber die an mich gerichtete Kundgebung des republikanischen Reichsbundes aus Anlaß der Verfassungsfeier und die Bekundung treuen Festhaltens an der Verfassung der deutschen Republik habe ich mich sehr gefreut. Für die mir gewidmeten freundlichen Grüße danke Ich Ihnen, indem ich sie herzlich erwidere. Dem Bund und der Bundesleitung wünsche ich für weitere? Wirken für den Reichsgedanken und die demokratische Derfastung des Reiches guten Erfolg. München . 26. August.(Eigener Drahtbericht des„Dorwärts".) Die von den Münchcner Gewerkschaften und Betriebsräten einbe- rufenen Moffenp rote st Versammlungen h�en an Ducht Eindruckes alle, bisher Dagewesene weit übertroffcn. Di« Zahl der Teilnehmer aus dem werktätigen Volk ist mit 50 000 nicht zu hoch gegriffen. Alle öffentlichen Säle waren gefüllt, in den Bier- gärten und selbst auch auf den Straßen standen die Genossen zu unübersichtbaren Massen Schulter an Schulter gedrängt. Im Kindt- Keller sprach vor zirka 8— 9000 Zuhörern der Münchcner Betriebsrat Freimerker. Er wies auf das ungeheure Elend hin, das der Krieg über uns gebracht hat. Seine Ausführungen gipfelten In den Forde- rungen: 1. Anerkennung der 10'Punkte des allgemeinen Gewerk- fchaftsbundes: 2. Die Errichtung einer Zentrale aus den Kreisen der Betriebsräte, die die Löhne nach der jeweiligen Indexziffer festsetzt: S. EinführungverfassungsmäßigerZu stände i n B a y e r n und 4. die Planwirtschaft. Die Versammlung stimmte auch dem Redner in feiner Behauptung, dj « politisch- Selbständig. > machung Bayern» sei gleichbedeutend mit dem wirt-