Einzelbild herunterladen
 

Nr.410 38. Jahrgang Ausgabe B Nr. 203

Bezugspreis:

Bierteljährl. 30,- M., monatl. 10,- 2. frei ins Haus, voraus zahlbar. Boft bezug: Monatlich 10,- M. einschl. 8u­ftellungsgebühr. Unter Kreuzband für Deutschland  , Danzig  , das Gaar- und Memelgebiet, sowie die ehemals deut schen Gebiete Polens  , Desterreich, Ungarn   und Luremburg 20,- M., fliz das übrige Ausland 27,- M. Boft­bestellungen nehmen an Defterreich, Ungarn  , Tschecho Glowatet, Däne mart, Holland  , Luxemburg  , Schweden  und die Schweiz  

.

Der Vorwärts" mit der Sonntags beilage Bolt und Zeit", der Unter haltungsbeilage Heimwelt" und der Beilage Siedlung und Kleingarten" erscheint wochentäglich zweimal, Gonn tags und Montags einmal

Telegramm Adresse: Sozialdemokrat Berlin  

Abend- Ausgabe

Vorwärts

Berliner Volksblatt

20 Pfennig

Anzeigenpreis:

Die achtgespaltene Nonpareillezetle toftet 5.50 Aleine Anzeigen" bas fettgedruckte Wort 1,50 M.( zu läffig zwet fettgedruckte Worte), fedes weitere Wort L- M Stellengefuche und Schlafstellenanzeigen das erste Wort M. jedes weitere Wort 60 Bfg. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Familien- An­zeigen für Abonnenten Seile 8,- M Die Preise verstehen fich einschließlich Teuerungszuflag

Anzeigen für die nächste Summe: müffen bis 8 Uhr nachmittags tm Hauptgeschäft, Berlin   SW 68, Linden ftraße 8, abgegeben werden. Geöffnet Don 9 Uhr früh bis 5 Uhr abends

Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Expedition: SW 68, Lindenstr. 3

Redaktion Moritplatz 15195-97

Fernsprecher: Expedition Morikvlak 11753-54

Mittwoch, den 31. August 1921

Vorwärts- Verlag 6.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3 Verlag. Expedition und Inferaten. Fernsprecher: Abteilung Morisplay 11753-54

Fort mit dem Spuk!

Greif niemals in ein 23 efpennest,

doch wenn Du greifft, dann greife fest!

In einem hessischen Dorfe soll es gewesen sein. Bor  | Sie wird furchtbar mit denen abrechnen, die es wagen sollten, Bon tommunistischer Sette fimb allerbings eine Anzahl einigen Jahren einmal. Da fing es nachts an zu sputen. durch putschistische Wahnsinnsstreiche wiederum das Prole- Morde begangen worden, manche darunter in recht bestialischer Weise. Gläser und Geschirre flogen durch die Luft und meist den er- tariat um den Sieg zu bringen. Sie standen aber fast alle in Zusammenhang mit gleichzeitigen Stämp schrockenen Bewohnern an den Kopf, Gespenster   wandelten in Vor allem aber richtet sich die Mahnung der heutigen fen und Unruhen; unter den Ermordeten findet sich feine einzige weißen Laken und stießen schreckliches Gewimmer aus. Das Demonstration an die Regierung. Was die Reichs- führende Persönlichkeit der Rechten. Die beiden einzigen politi­ganze Dorf war von Schrecken erfaßt. Bis ein paar beherzte regierung bisher im Kampfe gegen den Rechtsbolschewismus fchen Morde der Kommunisten find an sozialdemokrati­Männer sich entschlossen, einmal der Sache auf den Grund zu getan hat, findet die Billigung der werftätigen Bevölke- fchen Führer verübt worden, nämlich die Ermordung des fächfi­gehen. Sie faßten denn auch richtig ein paar sehr lebendige rung. Die Reichsregierung hat eine Verordnung gegen die schen Kriegsministers Neuring   und der Mordversuch an dem Ab­Burschen, als diese gerade mit weißen Bettlaken vermummt in systematische Berhöhnung und Untergrabung der Republik   er- geordneten 2 uer. Die sicher aufs tiefste zu verabscheuenden Geisel­eine Bodenlute stiegen, wo ihr Vorrat an Wurfgeschossen auf- laffen und bisher auf Grund dieser Verordnung zehn rechts- morde entstanden in der Siedehize des blutigen Bürgerkrieges. Poli­gespeichert lag, verabreichten ihnen einen gehörigen Denkzettel, bolschewistische Blätter mit dem Verbot belegt. Gut. Sie hat tisch führende Persönlichkeiten waren auch hier unter den Er­und seitdem hatte es im Dorfe ein für allemal ausgespukt. den monarchistischen Provokateuren das Tragen der Uniform mordeten nicht. Im übrigen ist damals in München   von beiden In Deutschland   sputt es seit mehr als zwei verboten. Gut. Sie wird nach glaubhaften Ankündigungen Seiten furchtbar gemordet worden; der Geiselmord hat sein Gegen­Jahren. Die Gespenster der Bergangenheit gehen bei hell- der Reichswehr   die Teilnahme an nationalistischen Feiern stück in der Ermordung der 21 katholischen Gesellen, in der lichtem Tage um. Sie fönen sich nicht damit abfinden, daß sie untersagen. Gut. Sie hat den Belagerungszustand in Mittel- Ermordung Landauers, Eglhofers und Sontheimers und zirfa 150 tot, im Strom der Geschichte begraben sind. In Potsdam  , im deutschland   restlos beseitigt. Gut. Aber sie darf in feinem Biviliften, die in der Statistik als tödlich verunglückt", nicht als im Stadion, auf Kajernenhöfen veranstalten sie Prozessionen. In Falle auf halbem Wege stehen bleiben. Sie möge fich Rampf gefallen aufgeführt werden. Es liegt uns nichts ferner, als der alten Gespenstertracht. Aber das genügt ihnen nicht, sie das Wortes erinnern: die kommunistischen   Untaten zu beschönigen. Aber vorbedachte veranstalten auch ernsthafte Störungen. Nur daß sie nicht wie Morde an politischen Führern der Rechten, in der Art des jetzigen die hessischen Dorfgespenster mit harmlosen Bierseideln werfen, Mordes an Erzberger  , haben die Kommunisten nicht auf dem ihre Geschosse sind die Kugeln des Meuchelmörders. Das deutsche   Volk hat sich diesen Sput eine Zeitlang ange- Wird der feste Griff gegen die Reaktion gelockert, so wird Gewissen. Bon sozialdemokratischer Seite sind in Deutschland  Jehen. Erst verwundert, daß so etwas überhaupt möglich sei, die Regierung nur schmerzhafte und blamable Wespenstiche dann mit steigender Entrüstung. Aber jetzt ist das Maß über davontragen. Noch ftüßt sich in Kahr- Bayern   eine im überhaupt keinerlei Bluttaten begangen worden. Wer gelaufen. In seinen breitesten Schichten ist das Bolt ent- Geiste monarchistische Regierung auf die Berewigung uns vorwirft, die Atmosphäre des Mordes geschaffen zu haben, der fchloffen, dem Gespenstertreiben in Deutschland   ein für allemal des Belagerungszustandes. Noch findet die Reaktion lügt wider befferes Wiffen. Wir fordern die Rechtspresse auf, auch ein Ende zu machen. Das lebendige Geschlecht wirksame Stützpunkte in einem innerlich ihr geistesverwandten nur eine von fozialdemokratischer Seite in Deutschland   begangene Deutschlands   tritt heute an, Mann für Mann, Frau für Berufsrichtertum, in einer reaftionären Fronde Bluttat nachzuweisen. Es wird ihr ebenfomenig gelingen, wie einen Frau, um zu zeigen, daß Deutschland   den Lebenden ge- pon Geheimräten und höheren Beamten. Der einmal ermordeten politischen Führer der Rechten namhaft zu machen. beschrittene Weg des Kampfes gegen diese Clique, mag sie sich Vorbedachte Morde an politischen Führern hat allein hören soll und nicht den Gespenstern der Bergangenheit. Eine Willensfundgebung ist es, in der sich heute jegt auch maufetot stellen, muß mit äußerster Ent die nationalistische Seite begangen. Auf ihr Konto fällt der Mord die gesamte republikanische Bevölkerung erhebt. Eine War- hiedenheit zu Ende gegangen werden. Solange die Re- an Eisner, die Ermordung Liebknechts und Rosa Lugem­nung für alle, die sie etwa nicht verstehen wollen. Das werk- gierung diesen Weg geht, wird sie die werktätige Bevölkerung burgs, der versuchte und der geglüdte Mord an Erz­tätige Bolt Deutschlands spricht heute klar und deutlich aus, daß der organisierten Geistes- und Handarbeiter geschlossen berger, die Ermordung Gareis'. es nicht einen Tag mehr gesonnen ist, sich die monarchistischen hinter sich haben. Provokationen und Mordtaten gefallen zu lassen. Das werf­tätige Volt spricht aus, daß es mit unerschütterlicher Ent­schloffenheit zum Schuße der Republif bereit steht und jeden Schlag gegen die durch Boltswillen geschaffene Regie­rungsform mit einem zehnfach wuchtigeren Gegen schlag gegen seine Urheber beantworten wird.

-

Die Reaktion mag heute heulend und wimmernd ihre Un­fchuld an den Mordtaten beteuern. Die Mörder selber würden ihr wohl hohnlachend dieselben Worte entgegen­fchleudern, die in Schillers Wallenstein der Mörder Buttler dem Anstifter des Mordes, dem Grafen Ottavio Piccolomini  , ins Gesicht ruft:

Wer beging politische Morde?

Die Demonstration ist eine Warnung an die Gegner Der einzige Unterschied ist zwischen Eurem der Republit, eine Mahnung an ihre Freunde. Wir und meinem Tun: Ihr habt den Pfeil geschärft, mahnen alle Freunde der Republit, ihre Gesinnung nicht zag ich hab' ihn abgedrüdt. Ihr sätet Blut und schwächlich im Busen zu bewahren, sondern sie eben so und steht bestürzt, daß Blut ist aufgegangen. offen und trogig zu zeigen, wie unsere Gegner uns Die gesamte Reaktion ist mit schwerster Blutschuld beladen. das bei ihren monarchistischen Demonstrationen vorgemacht Ihr fünden wir schärfsten und schonungslosen Kampf an. Fort  haben. Wir mahnen die republikanischen Beamten mit den Gespenstern der Vergangenheit, Freiheit und Lebens­und Angehörigen der Wehrmacht und Polizei, luft in der Republik   für das ganze deutsche   Volk! die vielfach unter dem reaktionären Terror ihrer Kollegen und Borgesetzten zu leiden haben, sich auf das entschiedenste zur Wehr zu sehen, indem wir ihnen geloben, daß das ganze werktätige Bolt ilynen in diesem Kampfe zur Seite Nach jebem nationalistischen Meuchelmord versucht die Rechts. stehen wird. Wir mahnen die Freunde der Republik  , dort, preffe dasselbe Ablenkungsmanöver, indem sie auf die angeblichen wo sie in der Minderheit sind, nicht den Mut sinken zu lassen, zahllosen" Morde hinweist, die seit der Revolution von Linksparteien indem wir ihnen zeigen, daß an viel zahlreicheren Orten die begangen sein sollen. Es ist hier wieder eine ähnliche Geschichts­Freunde der Republik   die gewaltige Mehrheit bilden. legende wie die Doichstoßlüge im Berden, die mit den Mitteln der Bir mahnen vor allen Dingen aber, indem wir unsere Demon- infamsten Lüge gespeist wird. So, wenn Herr Reinhold Bulle, stration gemeinschaftlich mit all denen veranstalten, der andere Leute Heuchler" tituliert, wörtlich schreibt: die ehrlich die heutige Staatsform zu schützen bereit sind, alle Freunde der Republit ohne Unterschied zur Einigkeit. Wir mahnen sie, schäd= liche und überflüssige Zwietracht zu unterlaffen, wir mahnen fie, den selbstmörderischen Bruderfampf einzu­stellen, der erst das Aufleben ber monarchistischen Gespenster ermöglicht hat. Wir mahnen sie, fich nicht Feinde in den eigenen Reihen einzubilden, sondern die Front dorthin zu richten, wo der mirkliche Feind der Freiheit und des werf tätigen Volkes steht: gegen rechts.

,, Die Gemahlin des Stagerrat Siegers, des Admirals v. Scheer, wird ermordet, nur einem Zufall ver dankte der Admiral sein Leben. Das ist nur ein fleiner Ausschnitt aus dem Verbrecheralbum der Linken."

Die Gattin des Admirals v. Scheer ist bekanntlich gemeinen Raubmördern zum Opfer gefallen, deren Tat mit politit nicht das mindeste zu tun hatte. Nächstens werden wohl auch noch der Massen. mörder Schumann und der Luftmörder Großmann zur Vervoll­ständigung des Berbrecher albums der Linfen" herangezogen werden! Wir mahnen auch die unruhigen Geister auf der äußer- Eine weniger perfide, aber ebenso bewußte Berdrehung ist sten Linken, endlich diese Gefahr zu erkennen und uns in es, wenn man Leute, die im offenen Kampf gefallen find, in der dem Kampf gegen rechts zu unterstüßen, anstatt durch gewalt- Liste der Ermordeten aufführt. Unter politischen Morden können tätigen Ansturm gegen die Republik   von links her den Reaktio- felbstverständlich nur wirtliche Morbhandlungen registriert nären immer wieder das Rettungsfeil in verzweifelter werden, die mit faltem Blut und unter sorgfältiger Aus­Situation zuzuwerfen. Bei der entschlossenen Haltung des wahl der Opfer gegen Bersonen verübt worden sind, die der Mörder Boltes ist der Kampf gegen die Reaktion heute in jeder Bewegen ihrer besonderen politischen Stellung aus der ziehung aussichtsreich. Die zur Einheitsfront der Welt schaffen wollte.

Feigheit" ins Maufeloch zufammengefrochenen Reaktionäre Solche politischen Morde en Führern ber tech ten sind seit der haben nur noch eine Hoffnung: baß ihnen fommu- Revolution und auch vor der Revolution von linfer Seite in fei nistische Unüberlegtheiten und Gefeßlofignem einzigen Falle begangen worden. Man nenne uns einen teiten Luft schaffen werden. Die deutsche Arbeiterschaft, einzigen politischen Führer der Rechtsparteien, der das Opfer eines. beren überwältigende Mehrheit im Lager der sozialistischen   Meuchelmordes geworden wäre. Einen einzigen nur! Es gibt Parteien vereinigt ist, verlangt mit aller Entschiedenheit von teinen. Ludendorff  , Helfferich, Hergt, Westarp, Reventlow usw. ben Kommunisten, daß sie nicht wieder, wie leider schon so oft, erfreuen sich alle der besten Gesundheit. Kein Mensch hat ihnen Dem Kampf gegen die Reaktion in den Rüden fallen. an das Leben getastet.

Diese Feststellung ist unerschütterlich. Keine Geschichtsfälschung der Reaktionäre tann sie aus der Welt schaffen.

*

Als Maßstab für die Mordfeuche fönnen auch die Betellungen in der hier schon besprochenen Schrift 3wei Jahre Mord" pon 3. Gumbel dienen. Gumbel berechnet die Zahl der von rechts be­gangenen politischen Morde seit der Revolution auf 318, der von links begangenen auf 16, wobei er allerdings alle wiberrechtlichen Tötungen mitzählt, die anläßlich von Aufständen usw. begangen worden find, nicht jedoch die Todesopfer der Kämpfe selber. Wir haben seinerzeit ausgeführt, daß Einzelheiten der Schrift anfechtbar find, im ganzen gibt sie jedoch ein richtiges Bild. Die politischen Morde. von rechts überwiegen die von lints ganz ungeheuer. Das

Interessanteste ist nun, daß die von links begangenen Taten fa st alle gefühnt sind, im ganzen mit 8 Tobesurteilen und 239 Jahren Freiheitsstrafe, meist Zuchthaus. Dagegen find die von rechts begangenen politischen Morde fast alle ungefähnt ge­blieben, den 318 Morden steht als gerichtliche Gefamiftrafe nur 31 Jahre 3 Monate zeitliche Freiheitsstrafe. Davon entfallen allein gegenüber eine lebenslängliche Festungshaft( Graf Arto Valley) und 29 Jahre auf die Mörder der 21 katholischen Gesellen in München  . In sämtlichen anderen Fällen find gar keine Strafen oder nur ganz lächerlich geringe verhängt worden.

Hindenburgs teuflische" Absichten.

Riesengroß in Efelsfußtritten gegen den ermordeten Erzberger zeigt sich die schwerindustrielle Rheinisch- Westfälische Zeitung". Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie gerade dieses Blatt und die hinter ihm stehenden Interessentenkreise gegen die Erzbergerschen Besizsteuern gefämpft haben. Für das Maß der Verleumdungs­fucht nur eine Probe. Als größtes Verbrechen seines Lebens wird Erzberger   die Unterzeichnung des Waffenstillstandes im Walde von Compiègne   angerechnet. Dazu schreibt das schwerindustrielle Blatt ( Nr. 706 vom 27. Auguft) in leicht erkennbarer Spekulation auf die Gedächtnisschwäche seiner Leser:

Wir fönnen diese Untat nur auffaffen als die zielbewußte teuflische Absicht, Preußen und das Haus Hohenzollern   in den Abgrund zu flogen.

Ehe Erzberger den Waffenstillstand unterzeichnete, hatte er be­tanntlich) Hindenburg   telegraphisch um feine Meinung ersucht. Unter dem 10. November 1918 telegraphierte Hindenburg zurüd, Erzberger   solle versuchen, in einer Anzahl von Punkten Milderun­gen durchzusetzen. Aber so schloß das Telegramm:

Können diefe Puntte nicht durchgesetzt werden, so wäre gleichwohl zu unterzeichnen.

Benn Erzberger aus teuflischen Absichten unterzeichnet hat, so muß damals Hindenburg   die gleichen teuflischen Absichten gehabt haben!