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Heilage öes VorWärLs
Mittwoch, 7. September 1921
GroMerMl Bekenntnisse eines Sibliothekars. Berlin kann einen ins Ungeheure gehenden Bücher- konsum wie kaum eine andere Stadt der Welt aufweisen. Aber wieviel Schundliteratur befindet sich darunter. In einer Volksbibliothek aber ist Gelegenheit, die Wünsche der Leser und diese selbst kennenzulernen und ein erfahrener Biblio- thekar hat sich folgende Gruppierung zurecht gemacht: Da sind die Vertrauensvollen, die Hilfesuchenden, die Allzuvielen, die Ungeduldigen, die Schmierfinken, die Hyänen und endlich die Vergeßlichen. Die Vertrauensvollen find diejenigen, die es willig dem Bibliothekar überlassen, Bücher für sie auszusuchen. Bon rührender Naivität war der Ausspruch eines kleinen Fräuleins:„W isfen Sie, was Sie mir geben ist immer viel schöner, als was ich mir aus» s u ch e�. Ein anderer weiß nicht recht, was er wählen soll. Der Bibliothekar muß Helsen . Nachdem er erfahren hat, daß der Suchende aus Mecklenburg stammt, empfiehlt er ihm Fritz Reuters „Stromtib" und zufriedengestellt geht der Leser heim. Die Frage der Landsmannschaft hilft überhaupt oft über die ersten Schwierig- leiten hinweg. Bei all diesen Leuten äst der Bibliothekar Führer und Vertrauter der Leser. Mancher von ihnen liest sich langsam empor. Mit der Zell wird sein Urteil selbständig, allmählich über- trägt er das Vertrauen, das er zum Bibliothekar hatte, auch auf sich. Mögen recht viele solches Selbstvertrauen erwerben, das auf wirk- licher Bildung beruht. Die Hilfesuchenden sind messt Schüler oder Schülerinnen der obersten Klassen der höheren Lehranstalten, die Material für ihre Aufsätze brauchen. Die Nach- frage nach ein und demselben Buch ist oft groß und wer das Glück hat, führt das Buch heim. Die Schnelleser, die nur des Stoffes, der spannenden Handlung wegen lesen, die sich zuweilen rühmen, nach einem Blick auf den Anfang, das Ende und die Mitte, den Lnhall der Bücher zu kennen, das sind die Allzuvielen. Das„Was", nicht das„Wie" ist für sie die Hauptsache. Diese Kilo- meterlcser werden stets oberflächlich bleiben und sie stellen den größten Teil derjenigen, auf die das anfangs erwähnte Urteil zu- trifft. Sie sind das Publikum einer Eourths-Maler, einer Eschstruth, Heimburg und sind empört, wenn ihr Geschmack nicht befriedigt werden kann oder wenn sie etwas warten müssen, bevor sie in der Bücherei abgcferttgt werden. Sie stellen daher auch einen großen Teil der Ungeduldigen, denen nichts schnell genug geht.„Mir dauert das Warten zu lange, ich höre mit dem Lesen auf," läßt sich ein solcher Ungeduld?- mensch vernehmen. Er kann weder warten noch lesen. Wenn auch das erstere nicht angenehm ist, so ist das letztere eine Kunst, die leider nur zu wenige können und daher die Derwandschaft zwischen Unge- duldigen und Allzuvielen. Der Schrecken jeder Bücherei sind die Schmiersinken. Wo kleine Kinder lm Hause sind, muß man Bücher und besonders geliehene sehr sorgfältig verwahren, denn die kleinen Geister haben einen ungeheuren Betätigungsdrang. Mit ihrem Bleistift„ver- zieren" sie das schönste Buch— wenn sie's nur kriegen können. Hier waltet Tatendrang und Unvernunft. Und es war kein böser Wille, der den Büchern so übel misspielte. Anders sind schon die Neunmalklugen einzuschätzen. Höhere Schüler glauben ihre Sprach. kenntnisse dadurch beweisen zu müssen, daß sie irgendein fremdsprach- liches Zitat in der Ueberfetzung daneben kritzeln, andere fühlen sich berechttgt, vermeintliche Irrtümer des Schriftstellers zu berichttgen oder läppische Bemerkungen in die Bücher hineinzuschmieren. So ist einmal Fontane, der große Kenner der Mark, von solch einem Ueberklugen einer Ausgabe in seinen„IrrungenundWirrun- gen" dahin berichtigt worden, daß der Betreffende jedesmal auf zwei Seiten Spree durch Dahme ersetzte. Er braucht natürlich nicht
zu wissen, daß Fontane die Wendische Spree gemeint hat, und es entgeht ihm natürlich auch, daß der Dichter an anderer Stelle von „dem reizenden an der Wendischen Spree gelegenen Niederlehme" spricht. Ein anderer hat in Frommels Wert„Aus der Haus- apotheke", in dem allerlei Spracheigentümlichkeiten der Schweizer enthalten sind, und so häufig die Endung„lein" gebraucht wird, dadurch geglaubt kritisieren zu müssen, daß er diese Silbe jedesmal durchstrich und voller Empörung an den Rand„albern" schrieb, bis ihm die Sache endlich zu bunt wurde und die Alberei aufhörte. Leser, die sich in dieser Weise betätigen, verraten lediglich einen bedauerlichen Tiefstand ihrer geistigen Bildung und einen erheb- lichen Mangel an Berantwortlichkeitsgesühl. Die Allerschlimmsten unter den ungern gesehenen Gästen einer Bücherei vergreifen sich an dem Eigentum der Allgemeinheit, sie machen Bücher unbrauchbar, stehlen sie, verschwinden mit ihnen auf Nimmerwiedersehen, und die Bezeichnung Hyänen dürfte für diese widerwärtige Gesellschaft sehr zutreffend gewählt sein. So ist aus Goethes„Dichtung und Wahrheit " in einer Volks- bibliothek ein ganzer Abschnitt von mehr als 100 Seiten heraus- gerissen worden, ein anderer lleß die„Eiszeit" aus dem Werke „Wunder der Urwelt" verschwinden, wieder andere haben besondere Vorliebe für das manchen Werken beigefügte Kartenmaterial. Es ist selbstverständlich, daß solche Hyänen rücksichtslos von der Bücherei ausgeschlossen und zur Verantwortung gezogen werden, wenn man ihrer habhaft wird, und es ist wünschenswert, daß alle Leser bei der Entgegennahme eines Buches den Zustand desselben prüfen ui$ den Bibliothekar auf jede Beschädigung aufmerksam machen. Unglaublich ist es, was in den Büchern alles gefunden werden kann. Geldscheine werden genau so als Lesezeichen verwendet wie ungeplättete Herrenkragen, Stricknadeln. Lebensmittelkarten der verschiedensten Art. Eine Galerie schöner Frauen ließe sich aus den aufgefundenen Photographien zusammenstellen, auch zarte Liebesbriefe haben ihr Grab in irgendeinem Buch der Dolksbibliothek gefunden. Aber nicht nur darin zeigen sich die vergeßlichen, sondern auch, daß sie ohne besondere böse Absicht niemals daran denken, die Bücher, die der Allgemeinheit gehören, zur rechten Zeit wieder abzuliefern, so daß sie dauernd gemahnt werden müssen und sich letzten Endes noch darüber beklagen, wenn sie die fest- gesetzten Strafen entrichten müssen. Alle diese Klagen sind so alt wie das Volksbüchereiwesen selbst. Sie werden nie ganz verschwinden, aber sie können durch Selbst- zucht der Leser herabgemindert werden.
Weitere verbrechen üer MörSerbanöe. voch ein Gutskäufer verschwunden. Zu den Opfern, die den mörderischen Gutsvcrkäufern in die Hände gefallen sind, gehört aller Wahrscheinlichkeit nach auch ein Landwirt Paul W u st l i ch, der seit fünf Wochen vermißt wird. Wusilich, ein Mann von 30 Iahren, der aus Hammer bei Drss- den stammt, besaß ein Bauerngut in Ludwigslust im Kreise Grün- berg in Schlesien . Am 1. Juni d. I. verkaufte er es und zog vor- läufig nach Berlin , mit der Absicht, sich bei Gelegenheit auf dem Lande wieder ansässig zu machen. Er wohnte hier in der Grau- d e n z e r Str. 0 als Untermieter. Auf der Suche nach einem neuen Gut kam er, wie festgestellt wurde, mit einem Agenten in Ver- bindung. Ob dieser aus Berlin oder aus Breslau ist, weiß man nicht. Wustlich wurde veranlaßt, zu einer mündlichen Besprechung am 31. Juli eine Reise anzutretm und gleich Geld zum Ankauf mit- zubringen. Er steckte 70000Markein und fuhr mit einer Fahr- karte 4. Klasse, die bis Breslau lautete, von hier ab. Seitdem hat er nichts mehr von sich hören lassen. Für die Er- mittlung seines Verbleibs ist eine Belohnuni�von 1000 M. ausgesetzt. Ob der Vermißte nach Breslau gekommen"der irgend- wo veranlaßt worden ist, vorher auszusteigen, ließ sich nicht fest- stellen. Wahrscheinlich ist auch er von Verbrechern in eine Falle gelockt, ermordet und seines Geldes beraubt worden. Der Vermißte ist 1,75 bis 1,80 Meter groß und untersetzt, hat ein volles, gesundes Gesicht, blaue Augen, dunkelblondes Haar und blonden Schnurr. bart, hellblonde Augenbrauen und vollständige Zähne. Ein bcson-
deres Kennzeichen ist eine große Narbe auf der Oberfläche des linken Fußes. Wustlich, der sächsische Mundart spricht, trug bei der Ab- reise von Berlin einen dunkelblauen Iackettanzug, einen hellgrauen Vclourhut, ein weißblau gestreiftes Oberhemd, grüne Strümpfe und braune Schnürschuhe. Mit 24 fahren Konzerngrünöer. Ein Schulbeispiel für die gar nicht mehr zu überbietend« Leichtfertigkeit, mit der heute Wettkonzerne begründet und von ver- trauensseligen Kunden Einlagen gemacht werden, war die Gläu- bigerversammlung des nun auch verkrachten Henkel-Konzerns, der unter dem vielversprechenden Namen„Deutsche Wettberatungs- stelle". Kurfürstenstraße 28. ein kurzes Dasein geführt hat. Wie aus einer gestern im Lehreroereinshaus abgehaltenen Gl au bigerversammlung hervorging, ist die„Deutsche Wettberatungsstelle" vor vier Monaten von einem 24jährigen Kaufmann namens Henkel begründet worden, der in einer Pen- sion in der Kurfürstenstraße einige Zimmer mietete, eine Wohnungs- einrichtunz für 35 000 M. auf Kredit nahm und dann schleunigst !�v„®,oror'.cn sowie in Hamburg und Dresden Filialen einrichtete. Mitbegründerin der sogenannten„Wettberatungsstelle", die nach dem Muster der anderen Gründungen von den Einlagen und ge- legentlichen Eoups auf dem grünen Rasen lebte, war eine Frau R ö s i e r, die jedoch vor 14 Tagen plötzlich ins besetzte Ge- biet� verschwand. Der bisherige Berater der„Wettberatungsstelle" erklärte kurz und bündig, daß er keinen Geschäftsbericht zu geben oermöge, daß er nur mitteilen könne, den Passiven m Hohe von Iii Million Mark ständen etwa 15 000 M. Aktiven gegenüber. Diese Mitteilung rief eine ungeheure Erregung der anwesenden Gläubiger hervor. Einige besonders erregte Per- lDn,Cn" tD0"*erl �cn jugendlichen Konzerngründer und feinen beiden Geschäftsführern persönlich zu Leibe gehen und konnten nur mit Mühe zurückgehalten werden/ Henkel vermochte trotz aller Auf- forderungen nicht anzugeben, wohin die eingezahlten Gelder ge- kommen sind, obwohl ihm nachgewiesen wurde, daß kaum eine Biertclmillion bisher zur Auszahlung gelangt sei. Seitens der Glau- bigcr wurde der Vorwurf erhoben, daß der Geschäftsführer des Unternehmens Schmitz, der sich vor drei Tagen nach Bonn begeben hatte, das Geld ins besetzte Gebiet gebracht habe. Roch der Wahl einer Gläubigerschutzkommission erklärte sich Henkel dann bereit, bmnen einiger Stunden 100 000 M. der Konkursmasse zur Ver- ftigung zu stellen. Virginia Moll vor Bericht. Das Verhallen der wirkschaftlichen DeHörden. � Die weitere Vernehmung des Zeugen Rechtsanwalt Dr. F u n ck über die Cinzelvorgänge bei der Inszenierung des Kentucky- Tabak-Geschäfts, bei dem der Zeuge vom Kaufmann Brinkmann den Auftrag erhalten hatte, die erforderliche Einfuhrbewilli- gung zu besorgen, führt in ein weitverzweigtes Gebiet. Die Dis- kussion über dieses Thema wurde teilweise sehr erregt, da Staats- anwaltschaftsrat Dr. Ziegel durch viele Vorhaltungen und Fragen an den Zeugen den Standpunkt vertrat, daß das" Verhalten des Zeugen ein inkorrektes gewesen sei, indem er, anstatt direkt die Ein- fuhrbewillmung zu besorgen, den Umweg über die Wirtschaftshilfe der Frau Moll nahm. Der Zeuge selbst und die Verteidiger traten dieser Ansicht entgegen und suchten immer aufs neue darzulegen, daß gegen die Abwicklung des Geschäfts und die Mitwirkung des Zeugen absolut nichts einzuwenden fei. Der Zeuge Dr. F u n ck verwahrt sich bei dieser Gelegenheit mit Entschiedenheit gegen eine Bekundung des gestern vernommenen Zeugen Zimmermann,"der behauptet hatte, daß Funck von Brinkmann 15 0 0 0 0 M. als Gratifikation erhalten habe. Diese Behauptung sei vollständig unwahr. Auch über diesen Punkt kam es zu sehr lebhaften Auseinandersetzungen. Rechtsanwalt Dr. Jaffa stellt« dann an den Zeugen eine Reihe von Fragen, die sich auf dessen Demühunaen bezogen, die der Zeuge bei den verschiedenen wirtschaftlichen Instanzen angestellt hat. um Aufklarung zu erhalten, warum Frau Moll verhaftet worden ist und warum der Tabak beschlagnahmt wurde. Der Zeuge behauvteie, daß er von den Beamten des Reichswirtschaftsministeriums, wo er bei dem Staatssekretär Hirsch und dem Ministerialdirektor L e Suire Aufklärung über alle diese Punkte zu erhalten bzw. Auf- klärung zu geben suchte, außerordentlich zurückweisend behandelt worden sei. Er habe sechs bis zehn Verhandlungen bei den verschiedenen Stellen gehabt, aber immer nur Ausflüchte oder ironische Bemerkungen empfangen. Er habe den Eindruck ge- habt, daß da» R e i ch s w i r ts ch a f t s m i n i st e r i u in den Reichsbeauftragte» zu decken suchte und daß man sich überall bemühe, die ganze Geschichte von dem Gebiete der begangenen Fahrlässigkeiten von Beamten auf Frau Moll und Genossen abzu»
76s
Die Rächer. Roman von Hermann Wagner. 28.
Am nächsten Morgen ging Behrens zu Lucie. Er fand sie im Garten, blaß und um Jahre gealtert. Die Zeit, dachte er, hat sie nun auch sie in ihren Krallen? Sie war noch völlig apathisch, sie fragte nicht, weshalb er komme. Da bat er sie, sie möge ihm ihr Töchterchen zeigen. Lu war scheu und fürchtete sich vor Behrens. Als er sie streicheln wollte, widerstrebte sie mit allen Zeichen einer in- pinktiven Angst, so daß er sie wieder freigeben mußte. „Warum fürchtest du dich vor mir?" fragte er. Sie antwortete nicht, sondern flüchtete sich nur zu ihrer Mutter.„Mama, komm," sagte sie beklommen und drängend, .komm fort!" Lucie drückte sie an sich.„Der Herr tut dir nichts, er ist dir gut." Doch Lu hörte sie nicht, sondern versuchte, sie fortzuzerren. .Wo ist Papa?" fragte sie angstvoll. Da rief Lucie das Mädchen herbei und forderte es auf, Lu in das Haus zu schaffen. Lu sah sich noch mehrere Male nach der Mutter um und weinte. Man hörte ihr zorniges Schluchzen noch aus dem Innern des Haufes. „Sie hat noch niemals nach ihm gefragt," sagte Lucie, .jetzt zum erstenmal... Wo ist er?" „Das errätst du nicht." sagte Behrens,„er hat uns alle überrascht." Lucie wurde noch um eine Schattierung blässer.„Was heißt das?" fragte sie.. „Du host erreicht, was du wolltest, dem Mann ist im Ge- fängnis." Lucie griff nach einem Baumstamm, um sich festzuhalten. .Was,— was... sagst du da?" flüsterte sie. Behren» nickte trübe.„Ja, im Gefänani»," wiederholte er.„Er hat sich bei der Staatsanwaltschaft selbst bezichtigt. Noch gestern war er bei mir, um es mir zu sagen. Dann ging er fort, und ich bin ihm gefolgt. Ich habe über zwei Stunden vor dem Gerichtsgebäude auf ihn gewartet. Er ist nicht zurückgekommen.".
Sie sah ihn entsetzt an, haßerfüllt und entsetzt. Und sie klammerte sich noch fester an den Baum.„Und— du— hast ihn... nicht zurückgehalten?" „Nein," sagte er ruhig,„da ich doch wußte, daß es dein geheimer Wunsch war..." Er wich unwillkürlich einen Schritt zurück, denn sie war mit einem einzigen Satz auf ihn zugesprungen, die beiden Fäuste zu einem Schlag erhoben. Aber dann stand er plötzlich still und unbeweglich und sah sie kalt an. Da ließ sie die erhobenen Hände sinken; sie hingen schlaff an ihr herab.„Gut, sagte sie mit abgestorbener Stimme, „nun bast du deine Rache..•" „Ja, die habe ich," sagte er ernst. Sie schlug die Hände vor das Gesicht, und er sah es an dem Zucken des Körpers, daß sie weinte: leise, schmerzvolle Tränen um ihren Mann. Er wendete sich zur Seite, schwieg und schien verstimmt. „So seid ihr Frauen," sagte er nach einer langen Pause. „Was ihr gestern noch hofstet, das verwünscht ihr am nächsten Tag, wenn es sich euch erfüllt hat." Und er zeigte ein hoch- mütiges Gesicht. Sie hörte ihn gar nicht. Plötzlich aber hob sie den Kopf und sah Behrens mit einem Ausdruck an, in dem ein dünner Funken von Hoffnung glomm:„Herbert." Ja." „Herbert, gibt es keine Rettung?" Er erschauerte vor der Liebe, die aus ihrer Stimme sprach.„Eine Rettung?" Sie drang auf ihn ein, legte die Arme auf seine Schul- tern, rüttelte ihn verzweifelt. �„Herbert," rief sie heiser,„du mußt ihn rettenl Du mußt!" Ihre Worte überstürzten sich, schwollen zu einer Flut an, die alle Dämme zerrissen hatte und die sich nun hemmungs- los über das Land hinwälzte, jeden Widerstand brechend. Ihr Atem flog, chre Augen hatten einen Zug von Bösem und De- mütigem zugleich: sie war ein Weib, das kämpfte und das eben nur kämpfen konnte, wie ein Weib kämpft: mit den Waffen einer blinden Liebe. Lehrens war sehr bleich. Es wurde ihm nicht leicht.
eine bittere Empfindung niederzukämpfen. Aber als es ihm gelungen war, schoß die Liebe zu der Frau, deren Herz einem anderen gehörte, um so heller in ihm auf. Er nahm sie in seine Arme und sagte rauh:„Komm, wir haben Eile!" „Wohin?" fragte Lucie schwach, die jäh fühlte, daß sie sich ihm ganz überliefern mußte, mit ihrem ganzen Glauben, ihrem ganzen Vertrauen. „Du wirst es sehen. Komm." Ein Auto brachte sie beide nach Moabit , vor das Gerichts- gebäude. Ein Beamter, dem Bebrens den Fall vortrug, ver- wies sie in das Zimmer eines staatsanwaltlichen Beamten. Dieser bot beiden sehr böflich Stühle an. Behrens stellte sich und sein« Begleiterin vor.„Wir haben Aussagen zu machen," erklärte er,„Aussagen in der Angelegenheit des Hermann Reisner, der sich gestern selbst einer schweren Urkundenfälschung bezichtigt hat." Der Untersuchungsrichter griff nach dem Akt. Nachdem er ihn mehrere Minuten lang studiert hatte, fragte er:„Welche Aussagen haben Sie zu machen?" Lucie klammerte sich mit einem angstvollen Blick an Behrens. Doch Behrens sagte völlig ruhig:„Die, daß Reisner sich im Zustand einer nervösen Ueberreizung eines Verbrechens bezichtigt hat, das er sich nur einbildet." Lucie war käseweiß geworden. Das Taschentuch,«elche » sie gegen den Mund preßte, zitterte. Der Untersuchungsrichter hob überrascht den Kopf. „Wie?" fragte er gedehnt. Vehrens griff in die Rocktasche. Er zerriß einen Brief- Umschlag und entnahm ihm ein Papier, das er dem Beamten überreichte.„Haben Sie die Güte, dieses Dokument zu prüfen. Es erweist die Schuldlosigkeit Neisners." Der Untersuchungsrichter entfaltete das Papier und sah es durch. Das dauerte ziemlich lange. Endlich sah er auf. Er betrachtete Lucie. die leise vor sich hin weinte.»Die Sache ist mir rätselhast," sagte er dann. Behrens zuckte mit den Schultern.„Sie ist jedenfalls so, daß Reisner die Schuld, deren er sich bezichtigt, nicht beweisen 'kann. Er besitzt das Dokument gar nicht, das er gefälscht haben will.",,,, (Forts, folgt.)