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Nr. 435 38. Jahrgang

Groß- Berlin

Die Jugend für Wyneken  .

Beilage des Vorwärts

on einer überaus start besuchten öffentlichen Versammlung des Vereins Arbeiterjugend Groß- Berlin in der Aula des Sophien- Lyzeums in der Weinmeisterstraße sprach Genosse Dr. Richard Lohmann in folgenden Gedankengängen über. Wy­netens Erziehungsmethode".

Die Arbeiterjugendorganisation nimmt als erste Berliner   Ju­gendorganisation öffentlich Stellung zum Wynekenprozeß; dennoch handelt es sich um keine Protestkundgebung. Wir wollen nicht

fönnen, wohl aber inwieweit die Sache Wynetens un=

Donnerstag, 15. September 1921

gegen den Hoteldiener Heiden und den Kaufmann Hermann fo daß bis zum Jahresschluß dauernd vier Schwurgerichte tagen Monte zu verhandeln hatte.

Monte war Angestellter in einem Wohnungsamt, bei dem fich der erste Angeklagte häufig, aber immer vergeblich, um Zuweisung einer Wohnung bemüht hatte. Er hatte dann Monte für die Sache zu interessieren gesucht und ihm gefagt: es folle nicht fein Schaden sein, wenn er bald in den Besitz einer Wohnung fäme. Monte gab fand auch eine solche in der Marienstraße. Diese war im Wohnungs­ihm den Rat, sich selbst eine Wohnung zu suchen, und

Große öffentliche Wählerversammlungen

untersuchen, inwieweit wir uns hinter die Person Wynekens stellen Heute, Donnerstag, 15. September, abends 7 Uhr: fere ist. Das Urteil des Thüringer Gerichtshofes feines feiner 19. Kreis( Pantow): bei Lindner, Breite Straße. Thema: Mitglieder zählte unter 60 Jahren

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war fein juristisches, sondern ein politisches. Die Sache Wynefens sollte getroffen werden: die Widersdorfer Schulgemeinde steht und fällt mit ihm. Das Schul­

wesen in Deutschland   ist kein der Gegenwart angemessenes. Es ent­

werden.

Wieder geheizte Stadt- und Vorortzüge. Anders als in den leztvergangenen Jahren wird in diesem Jahre die Heizung der Züge erfolgen. Wir erfahren von gut unterrichteter Seite über die Maßnahmen der Eisenbahnverwaltung zum kommen Fehlens betriebsfähiger Heizkupplungen nur die Fern den Winter folgendes: Während in den früheren Jahren infolge personen- und Schnellzüge geheizt werden konnten, wird es in diesem Jahre wieder möglich sein, auch die dem Lokalverkehr dienenden Züge, also auch die Züge der Stadt, Ring- und Vor­ortbahnen zu beheizen. Im allgemeinen sind die Vor­arbeiten durchgeführt, so daß mit dem Eintritt der kälteren Witte­rung auch die Inbetriebsegung der Heizung erfolgen fann. Den

Anfang zur Heizung wird voraussichtlich in den nach dem Osten( Ost­früheren Jahren als die ersten Züge geheizt worden sind. Den be preußen) verkehrenden Zügen gemacht werden, die auch schon in den Die Stadtverordnetenwahlen und die Reaffion". fonders langen Zügen, die von der Lekomotive nicht geheizt werden Referent: Bürgermeister Karl Wermuth.  fönnen, werden im kommenden Winter wieder besondere Heiz­tesselwagen beigestellt, mit deren Hilfe eine möglichst gleich­

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mäßige Erwärmung sämtlicher Abteile erzielt werden kann.

Morgen, Freitag, 16. September, abends 7 Uhr: 13. Kreis( Mariendorf  ): im Realgymnafium, Kaiserstraße. Eine große Razzia unternahm die Kriminalpolizei in der geftri. Thema: Die politische Lage und die Stadtverord- gen Nacht in verschiedenen Teilen der Stadt. Beranlassung dazu netenwahlen". Referent: Dr. Kallmann. gaben die letzten großen Kriminalfälle und auch Beschwerden aus dem Publikum wegen der immer stärker werdenden nächtlichen Un­

spricht den ökonomischen Zuständen vor etwa 30 Jahren. Wynekens optimistischer Ausspruch auf der Reichsschulkonferenz: Hier ist der Ort, an dem die alte Schule zu Grabe getragen wird", hat sich nicht bewahrheitet. Noch immer fehlt es an Wegbahnern und Zielweisern, Myneten war ein solcher Zielweiser. Noch immer herrscht auch in unserer Erziehung das individualistische Prinzip. Wickersdorf   war 13. Kreis( Lichtenrade  ): bei Rohrmann, Waldreftaurant in sicherheit. Die Streife begann in dem Schönhauser Biertel der Hilpertstraße. Thema: Die politische Lage Dort wurden eine ganze Reihe von Lotalen ausgehoben und alle und die Stadtverordnetenwahlen. Referent: Dr. Kollwig.

eine sich selbst erziehende Gemeinschaft. Die Familie in der über­tommenen Form fann nicht mehr Selbstzweck sein; an ihre Stelle tritt die Erziehungsgemeinschaft. Die Kinder dürfen nicht länger Privateigentum der Eltern sein. Andererseits dentt natur­gemäß fein Sozialist daran, Schulfajernen einzurichten. Die Jugend darf nicht länger Mittel zum Zweck sein; sie hat ein Recht auf sich felbst und auf ihre eigene Lebensweise, auf jungherzige Führer und Erzieher.

Dem eindrucksvollen Vortrage folgte keine Diskussion. Nicht ein­mal die zahlreich erschienenen Kommunisten verlangten das Wort. Das gemeinsam gefungene Lied von der neuen Zeit, die mit uns zieht, verlieh der kurzen Kundgebung einen würdigen Abschluß.

Philosoph und Geldscheinfälscher. Aufhebung einer Fälscherwerkstätte in der Holzmarktstraße. Seit einem halben Jahre wurden besonders in Berlin   falsche Tausendmarkscheine in den Berkehr gebracht. Sie waren namentlich daran zu erkennen, daß fie im Drud gewöhnlich fahler waren als die echten. Auch waren die bei den echten Noten in das Bapier eingewirkten Faferstreifen bei den Fälschungen durch auf geflebte Fasern erfekt. Besonders fenntlich waren fie auch daran, daß auf dem grünen und roten Stempel des Reichsbankdirektoriums der kleine Adler im Brustschild des großen Adlers bei den Fälschun­gen nur in einem unbestimmten Farbenfleck bestand, während er bei den echten Noten in seinen Umrissen deutlich erkennbar ist. Die

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amt nicht als frei gemeldet, Monte half ihm aber dadurch über den Berg, daß er die Genehmigung des Wohnungsamtes barauf feste und ihm die polizeiliche Anmeldung überbrachte. Heiden dankte ihm für diese Gefälligkeit durch Zuweisung einer Summe von 500 Mart.

Der Staatsanwalt beantragte gegen 5. wegen attiver Bestechung 1000 m. Geldstrafe, gegen M. wegen passiver Bestechung zwei Monate Gefängnis. Der Gerichtshof bewilligte dem Heiden mildernde Umstände zu, da dieser sich in einer großen Notlage mildernde Umstände zu, da dieser sich in einer großen Notlage wie alle Wohnungssucher befunden habe, und verurteilte ihn zu 500 m. Geldstrafe. Monte wurde dagegen zu 3 Monaten Ge fängnis verurteilt, da nach Ansicht des Gerichts solchen Auswüchsen ganz energisch entgegengetreten werden muß. Aus diesem Grunde wurde auch dem Angeklagten eine Bewährungsfrist nicht gewährt.

Hauptwahlamt und Bezirkswahlämter.

Personen wurden, soweit sie sich nicht an Ort und Stelle ausweisen konnten, auf die Wagen geladen. Von dort begab sich das Rom. mando nach dem Stettiner Bahnhof, wo ebenfalls eine ganze Anzahl berüchtigter Lokale gelichtet wurden. Den Schluß bildeten die großen Bergnügungslokale befinden. Dort hatte sich in der letz­die Behrenstraße und die Straßen ihrer Nachbarschaft, wo sich ten Zeit ein Gesindel breitgemacht, das viele Baffanten belästigte. Jm ganzen wurden gegen 800 Personen sistiert und auf dem Polizeipräsidium genauer festgestellt.

Klante im Hungerstreit. Der verhaftete Wettfonzerninhaber Mag lante ist seinem Borsak, im Hungerstreit zu verharren, auch gestern treu geblieben. Falls der Festgenommene weiterhin die des Untersuchungsgefängnisses zu überführen, wo er dann zwangs Nahrungsaufnahme verweigert, wird erwogen, ihn in das Lazarett weise ernährt werden würde.

Ein blutiger Cheftreit. Der 44 Jahre alte Wertmeister Karl A. geriet gestern in feiner Wohnung in der Birkenstraße mit seiner 2. einen Revolver 30g und ihren Mann durch einen Schußinden Ehefrau in einen heftigen Streit, in dessen Verlauf Frau Hals erheblich verlegte. Während man 2. nach dem Krankenhause Moabit   schaffte, wurde die Täterin festgenommen.

Der Magistrat hat die Sagungen für das zukünftige Haupt- Kraftübertragung m. b. H.( Reichsschahminifterium) wird davor ge Borsicht beim Drachensteigenlaffen. Bon der Gesellschaft für Hersteller und Verbreiter dieser falschen Tausendmark- wahlamt und die Bezirkswahlämter angenommen. Demnach ver- warnt, in der Nähe der Hochspannungsleitung scheine sind jetzt von der Reichsbant- Falschaeld- Abteilung ermittelt bleibt dem Hauptwahlamt die Bearbeitung aller Fragen in Golpa- Berlin  und festgenommen worden. Es sind ein Lithograph Erwin Wahlangelegenheiten, die eine Entscheidung im einheitlichen Sinne Drachen steigen zu lassen, da größte Lebensgefahr besteht, und Sperenberg- Lichtenberg Bofahl, deffen Bruder, Photograph Bruno Pofahl, und ein bedingen, wie Anordnungen über die Führung und dauernde Be- wenn sich die Drachenschnur um die Leitungsdrähte widelt. Eltern Schriftsteller" Franz Wydrinski, der in der Holzmartt richtigung der Wählerktsten in den Bezirkswahlämtern, Beschaffung und Lehrern wird daher empfohlen, die Kinder eindringlichst auf ftraße 48a wohnte und in seiner Wohnung auch die Fälscherwerk- ber dazu nötigen Vorbrude. Ferner hat das Hauptwahlamt Bor- diese Gefahren hinzuweisen. statt eingerichtet hatte. Dieser Wydrinski ist eine nicht uninteressante Bersönlichkeit. fchriften zu erlassen über den Verkehr der Bezirkswahl- Eine heimatfundliche Studienfahrt nach Brandenburg   an der Lithograph von Beruf, entdeckte er in jungen Jahren bei Hemmental   ämter mit dem Hauptwahlamt, die Baltermine und Havel   und in die Altmark veranstaltet vom 5. bis 8. Oktober 1921 in der Schweiz   einen Schieferbruch, der sich zur Herstellung von Wahlzeiten, die Bestimmungen über die Auslegung der Wählerlisten, das Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht, Berlin   W. 35, Lithographiesteinen ebenso eignen soll wie der bekannte Solenhofer. über die Einreichung der Wahlvorschläge usw. Die Bezirkswahl- burg, Jerichow  , Tangermünde  , Stendal  , Calzwedel. Die erläutern­Potsdamer Str. 120. Es werden auf dieser Fahrt besucht: Branden­Der Lithograph wurde später Schriftsteller und Erfinder eines Steno ämter haben die entsprechenden Aufgaben für ihre Bezirke nach den Vorträge bei Besichtigung der Bauwerke und Kunstschätze der graphiesystems, das nach ihm das Wydrinstische heißt. Er nennt sich den obenbezeichneten Borschriften zu erledigen jekt Philosoph und hat Weinachten 1920 eine Broschüre über einzelnen Städte gibt Prof. Dr. Bod von der Technischen Hochschule die Syftematik aller Begriffe und die Entdeckung der Patogorien als zu Berlin  . Näheres ist zu erfahren durch das Zentralinstitut. Lösung aller philosophischen Probleme herausgegeben. An den Eine Demonstration in Bernau   veranstalten das Gewerk­Geldscheinfälschungen will er sich nicht aus Eigennut beteiligt Die Gerichtsferien nehmen mit dem heutigen Tage ihr Ende fchaftstartett und die drei sozialistischen   Parteien haben, sondern um seine dem Laien reichlich phantastisch anmuten- und der Gerichtsbetrieb wird wieber in vollem Umfange in Gemäß- Bernaus am Sonntag, den 18. September, unter der Parole: den Pläne einer Reform der Gesamtwissenschaft" heit des festgestellten Geschäfteplanes vom 16. Septentber auf Nieder mit der Reaktion!" Referenten find Genossen aller gegen die Ablehnung der Wissenschaftler durchsetzen zu können. genommen werden. Auf dem Kriminalgericht haben sich die spruch drei sozialistischen   Parteien. Treffpunkt 21 Uhr vor dem Gewert­reifen Sachen fo gehäuft, daß Verhandlungstermine in Hülle und schaftshaus, Kaiserstraße, Abmarsch 1 Uhr. Am gleichen Tage Fülle angesezt sind. Am Schwurgericht des Landgerichts I   beginnt findet in Bernau   ein sogenannter Oberschlesiertag statt. Den hinter am 26. eine neue Schwurgerichtstagung. In Anbetracht dem örtlichen Ausschuß stehenden Personen steht die Arbeiterschaft der zahlreichen zur Aburteilung reifen Sachen, werden gleichzeitig mißtrauisch gegenüber. Die Groß- Berliner Parteigenoffen werden amei Parallel- Schwurgerichte tagen. Bald darauf beginnen die deshalb gebeten, soweit es ihnen möglich ist, an der sozialistischen  Berhandlungen der Schwurgerichte an den Landgerichten II und III,| Demonstration teilzunehmen.

Bezahlte Gefälligkeit.

500 Mark für die Zuweisung einer Wohnung. Wieder lag eine Schiebung in einem Wohnungsamt einer An­flage zugrunde, die gestern die Ferienstrafkammer des Landgerichts I

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Fräulein.

Bon Paul Enderling  .

Copyright, 1820, by J. G. Cottasche Buchhandlung Nacht. Stuttgart   n Berlin  Paß hübsch auf, Wernerchen, in der Kirche, ja? Und erzähle nachher, was Pastor Pawlowski gesagt hat!"

" Ja, Fräulein!" sagte er langsam und deutlich. Es kam heraus wie aus einem Automaten, in den man zehn Pfennige

hineinsteckt und der dafür die drei Silben spricht.

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,, Adieu, Werner! Die Mama tommt schon." Frau Franzius fam. Werner stand vom Stuhl auf. Er hatte etwas merkwürdig Mathematisches in seinen Bewegun­gen. Man dachte unwiüfürlich an rechte Winkel, gerade Linien

und dergleichen.

Frau Franzius fagte langfam: Sie sollten auch einmal in die Kirche gehen, Fräulein!"

Ich habe so wenig Zeit." " Dazu muß man immer Zeit haben," sagte fie talt und 30g ihre Handschuhe an. Ihre Handschuhe waren von vor­bildlicher Eleganz. Es war der einzige Lurus, den sie sich leistete. Er ersetzte ihr Schmuck und Seide. Ihre Handschuhe stachen oft seltsam gegen die ungewählten Kleider ab, die immer etwas nach Ausverkauf" oder Gelegenheitskauf" aussahen.

Komm, Werner, und halte dich gerade!".

Beide gingen. Ein paar Minuten später jagte Thea die Treppe herunter, mit fröhlichem Lachen Fräulein zuwinkend. Sonderbar, wie verschieden beide Schwestern sind, dachte Fräulein, oder ist es die Ehe, die Frau Franzius so ver­bert hat?

Frau Dora Frangius war acht Jahre älter als ihre Schwester Thea, und sie hatte früh geheiratet. Aber diese Ehe fonnte feinen sehr bestimmenden Einfluß auf ihren Charakter ausgeübt haben. Denn diese Ehe bestand seit Jahren nur noch dem Namen nach.

Ihr Mann, der Ingenieur Franzius, war fast immer außer Landes. Er hatte eine Reihe fleiner, aber wichtiger Bahnen gebaut. Jetzt war er in den deutschen Kolonien. Seit Jahren nahm er nur solche Aufträge in der Ferne an: feit dem Tage, da der alte Görte ihm vorgerechnet, wieviel er schon für ihn und seine Familie getan hatte. Bon da an nahm Ingenieur Franzius nur die höchstbezahlten Aufträge an, gleichviel aus welchem Erdenwinkel sie winkten.

Das Ende der Gerichtsferien.

Die Verwandten sagten: Er verdient dort das Doppelte wie hier" und hießen sein Tun gut. Nur der alte Görte, un­zufrieden mit dem selbständigen Entschluß seines Schwieger­fohns, der ihm etwas rebellisch erschien, murrte: Er ist ein unruhiger Geist und wird nicht eher ruhen, bis die Neger ihm feinen Dickschädel eingetrieben haben. Das fann er aber doch bequemer hier auf dem Fischmarkt oder in Schidlig haben." In Schidlig waren die öffentlichen Tanzlofale, wo des Ver­gnügens mitternächtlicher Schluß meist in Schlägereien und flüsterten: Er reißt vor seiner falten Frau aus." Der Ober­Mefferstechereien ausartete. Messerstechereien ausartete. Die untverheirateten Tanten

lehrer sagte: Er will uns nichts schuldig bleiben; er weiß, daß die Familie immer der schlimmste Gläubiger ist."

Frau Franzius sprach, wenn auf ihren Mann die Rede tam, immer in fühlen, gemessenen Ausdrücken, halb an­erkennend, halb verweisend.

Tisch der guten Stube, hinter dem großen Photographiealbum. Sein Bild stand in einem großen Rahmen auf dem ovalen Es war ein scharf markiertes Gesicht mit forschenden Augen unter ediger Stirn.

fandte ihm seine Frau zu jedem seiner Geburtstage die neueste Alle zwei Jahre fam er zu Besuch. In der übrigen Zeit Aufnahme von sich und den Kindern. Das war feit Jahren fast der einzige Zusammenhang zwischen Ingenieur Franzius und seiner Familie.

Fräulein begriff diese Ehe nicht.

Fräulein begriff so vieles nicht im Görteschen Haufe Sonntagsstille zog ein.

nach, wer wohl die neueste Eroberung Theas sein mochte. Fräulein putte in der Küche Spinat und dachte darüber Wenn es ein Bekannter war, fonnte es auch einer von den Lehrern sein, die der Oberlehrer eingeführt hatte. Bielleicht auch einer der Kaufleute, die auf dem alljährlichen Hausball tanzten und die falten Büfetts stürmten. Ach, es lohnte sich nicht, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Es war wohl nur wieder so ein Hirngespinst Theas, wie so oft. Wie so oft.

Frau Görle fam in die Küche, forgenvoll um sich blidend. Sie hatte das dunkle Gefühl, überall betrogen zu werden, wo sie nicht war; unerhörte Berschwendung wurde hinter ihrem Rücken getrieben. Sie traute meder Fräulein noch dem Mäd­chen einen Betrug zu; aber im Unterbewußtsein faß   stets die Empfindung, aufpassen zu müssen, wenn nicht alles drunter und drüber gehen sollte.

Es war wohl das Erbteil von ihren Großeltern her, die in zäher Sparsamteit thr Vermögen erworben hatten, jeben Groschen vorsichtig anfaffend, als wäre er heiß.

SUDARY

Achten Sie mir darauf, daß nicht zuviel verloren geht, Fräulein!"

Gewiß, gewiß."

Es flingelte scharf und laut.

Ach Gott, wer ist denn das schon wieder?" Sie sah so verzweifelt aus, als erwarte sie die Einquartierung seindlicher Soldaten.

Fräulein sah auf die Küchenuhr. Es ist erst zehn. Frem der Besuch fann es also nicht sein."

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immer so schrecklich lange auf."

Wenn es nur nicht Tante Berta ist! Sie hält einen

Sie öffnete die Türe. Es war Tante Berta. Sie fam immer zu ungelegener Zeit. Vormittags in die Vorbereitun= gen zum Essen oder kurz vor einer Gesellschaft, zu der sie nicht geladen war, oder zu der Stunde, in der Frau Görke sich etwas Ruhe gönnte. Sie hatte einen angeborenen Instinkt, zu stören.

Dabei war sie nicht ungefährlich. Shre lauernden Augen sahen böse in die Welt, und wenn ihre zusammengefniffenen Lippen sich öffneten, war zehn gegen eins zu wetten, daß eine es längst, fie ohne Bewachung mit Familienmitgliedern unliebsame Ueberraschung zutage tam. Frau Görke vermied fprechen zu lassen. Ihre Taftlosigkeiten waren berühmt im Kreise der Familie.

"

Guten Morgen, liebe Berta! Komm nur herein!" Frau Görke führte sie in die gute Stube, mit ergebener Miene, wie man Kriminalbeamte führt, die die Wohnung besichtigen

wollen.

Hab teine Angst! Ich bleibe nicht lange. Aber ein Biertel­Tante Berta schlug ihre buntgemusterte Mantille zurüd. stündchen wirst du mir wohl widmen können."

Rann ich dir nicht etwas anbieten? Ein Gläschen Port­wein vielleicht?" 3eug gar nicht vertragen." Aber nein, Minna, zu so früher Stunde kann ich das Ach ein Gläschen."

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Run, wenn du schon dabei bist-"

Es war der übliche Eingang jedes ihrer Besuche, dieser Kampf um das Zeug", das sie dann mit der listigen Lüstern­heit eines Igels schlürfte. Sie hätte es auch schwer übel ge­nommen, wenn man sie ganz trocken hätte dasigen lassen.

Frau Görfe verfolgte jede Bewegung Tante Bertas mit Argwohn und Angit. Was würde sie wieder haben? Denn daß fie etwas hatte, war flar. Sie saß viel zu sicher und überlegen da. ( Forts. folgt.)