höheren Befehl durchgeführt wird. Die Front ist jedes deutsche Dorf! Es haben die Banditen die Gegend des Neusiedler Sees überfallen. Hunderte deutscher Bauernburschen wurden ver- schleppt, Häuser demoliert, Männer und Frauen mißhandelt, Weinfässer aufgeschlagen, der Wein auf die Straße gegossen, das Vieh verschleppt. Eine Massenflucht der beut- fchen Bevölkerung hat begonnen. Die Straßen nach Wiener-Neustadt, von Ebenfurt nach Neufeld sind mit riesigen Kolonnen der Flüchtlinge voll, die in grenzenloser Erbitterung nach Waffen verlangen, um die Räuber zu verjagen. In vielen Ortschaften suchen die Banden auf Grund schwarzer Listen die Anschlußfreunde. HSjjas läßt in Ocdenburg alle Männer bis 42 Iahren, gleichgültig ob Oesterreicher oder Un- garn, für die„nationale Verteidigung" rekrutieren. Sek- t i o n s ch« f D a-v y, der von der österreichischen Regierung designiert� Ehef der Verwaltung des Burgenlandes, entging mit knapper Not dem Tode. Das ist die Lage. Das Notenspiel Entente-Ungarn-Ocster- reich ist bekannt. An Drohungen von feiten der großen und der kleinen Entente hat es nicht gefehlt. Bald hieß es, Italien werde mit eisernem Besen auskehren, bald wieder, die kleine Entente werde einen militärischen Druck ausüben. Geschehen ist bisher von keiner Seite etwas. Sollten hier Eifersüchteleien der indirekt beteiligten Regierungen eine Rolle spielen? Denn an die Stichhaltigkeit des Arguments, die Säuberungsattion im Burgenland könne einen neuen mitteleuro päi» fchen Krieg heraufbeschwören, glaubt in Wirklichkeit kein Mensch. Die Gefahr liegt auf einer ganz anderen. Es ist die Gefahr, die auch in Oberschlesien und in Wilna zutage tritt. Es ist die Gefahr, die zu einer internationalen zu werden droht: daß es keine allgemeinen Rechtsgrundsätze mehr gibt, sondern nur noch ein Recht des Stärkeren. Das aber würde die Verewigung des Krieges in Europa bedeu- ten. Ein Vertreter Englands im Völkerbund wies vor einigen Tagen darauf hin, daß Mitteleuropa ein schönes Beispiel dafür sei, wie sich der Abrüstungsgedanke allmählich doch durchsetze. Es ist richtig, Deutschland , Oesterreich und ein Teil der Rand- staaten haben abgerüstet, sie treiben offen und ehrlich eine Po- litik der friedlichen Mittel. Wie aber, wenn diese Politik — Polen und Ungarn sind warnende Beispiele dafür— dauernd von außen her durchkreuzt wird? Es wäre an der Zeit, daß der Völkerbund außer dem guten Willen der schönen Rede auch einmal rettende Taten zeigte. Wirtschaftliche Blockade. London . IS. September. Einer„Exchangemeldung" zufolge haben die Alliierten beschlossen, Ungarn zu blockieren, wenn es das Burgenland nicht sofort räumt. Wenn die Blockade er- folglos bleiben sollte, werden energische militärische Maßnahmen ergriffen werden. Verschlechterung der Lage. Rom . IS. September. Zur Lage zwischen Oesterreich und Ungarn teilt die„Trlbuua" mit, daß sie sich nach den in diplo- mallschen Kreisen vorllegenden Meldungen froh der festen Haltung der Bolschafterkonferenz verschlechtert habe. Man wiffe noch nicht, welche Zwangsmaßnahmen die aMierten Regierungen gegen Ungarn beschließen werden. Immerhin könne gesagt werden, daß die Absicht der Entente dahin gehe, wenigstens zurzeit ein un- mittelbares Eingreifen der kleinen Entente zu ver- meiden, da, sich zu einem wahren Kriege in Mitteleuropa entwickeln könnte. Wien , 18. September. (MTB.) Ztis Tctegr.-Korr.-Bureau teilt amilich mit: Beiderseits der Straß? von Kirchschlag noch PAgersdors, anderthalb Kilometer südöstlich der Landesgrenze, heben Nauden Deckungen aus. Das gleiche geschieht in der Nähe der Ortschaft Karl östlich der Grenze bei Kirchschlag . Im Räume von Kirchschlag ostwärtztzder Grenze ist lebhafter Verkehr »on Banden bemerkbar. Bei Neudan an der Lasnitz wurde eine österretchj�ch« Feldwach« angegriffen. Die Bande wurde durch Feuer oersagt.
Entrüstung. Aus München wird die„einmütige Entrüstung der bür- gerlichen Presse gemeldet. Diese Einmütigkeit ist" leicht be- greiflich für den, der weiß, daß die gesamte Münchener bürgerliche Presse von den rechts st ehenden Kreisen aufgekauft ist. Besteht zur Entrüstung irgendein Grund? Man war in der Kahr-Presse schon entrüstet, als auf den Zusammenhang zwischen der Ermordung G a r e i s' und der Münchener poli- tischen Atmosphäre hingewiesen wurde. Bei der Ermordung Erzbergers trumpfte denn auch sofort die gesamte Rechtspresse mit dem Hinweis auf: daß es nicht in Bayern , sondern im demokratisch regierten Baden geschehen. Aber prompt hat sich die Voraussage derer als wahr er- wiesen, die gleich nach der Tat betonten, daß man ihren Ur- sprung in Kahr -Bayern entdecken werde. Die Mörder und ihre Helfershelfer entstammen samt und sonders einem jener in München ansässigen rechtsbolsche- w i st i s ch e n Zirkel, die nur im Reich der K a h r und P o e h n e r den Nährboden für ungehindertes Wachstum gefunden haben. Kohr und Poehner haben bis zuletzt beteuert, sie brauch- ten den Belagerungszustand— gegen links. Um- fangreiche rechtsbolschewistische Verschwörungen gegen den Be- stand der Republik , gegen das Leben führender Staatsmänner sind von dieser Regierung trotz der zahlreichen Möglichkeiten, die gerade der Belagerungszustand zu ihrer Unterdrückung gegeben hätte, nicht mit dem kleinen Finger ange- tastet worden. Die Polizei ermittelt die Mörder in München . Aus Fetzen von Briefen, die die Täter vernichtet zu haben glauben, stellt sie ihre Namen fest. Die Mörder sind gleich nach der Tat nach München zurückgekehrt, haben sich hier tagelang ganz ungeniert aufgehalten. Genau in dem Augenblick, in dem sie verhaftet werden sollen, reisen sie plötzlich a b. Wer hat sie gewarnt, wer konnte sie allein warnen? Nur eine Stelle, die unmittelbar oder mittelbar mit der Verhaftung zu tun hatte, d. h. eine Stelle der M ü n» chener Polizei. Aber flammende Entrüstung, wenn ein preußischer Kriminalbeamter wagt, bayerischen Boden zu be- treten. Wochenlang hat die Linkspresse auf die Kappistenzentrale hingewiesen, die in Verbindung mit der Orka (Organisation Kanzler) in Rosenheim besteht. Weder die bayerische Po- lizei noch die Rosenheimer Verschwörer haben sich dadurch be- unruhigt gefühlt. Jetzt, wo unter äußerstem Druck ein Zwang zum Einschreiten besteht, ist nach Meldung der„Nationalzei- tung" d a s N e.st p l ö tz l i ch l e e r. Die Herrschaften haben ihren Sitz nach Salzburg in Deutschösterreich verlegt. Wir zweifeln nicht, daß nunmehr in Rosenheim Haussuchungen stattfinden werden. An den Münchener Anschlagsäulen werden die Bildnisse der Mörder Erzbergers abgekratzt und u n k e.n n t l i ch gemacht. Beschädigung amtlicher Anschläge ist an sich eine strafbare Handlung, in diesem Falle liegt außerdem straf- bare Begünstigung steckbrieflich gesuchter Mörder vor. Die Münchener Polizei entdeckt keinen Täter. Entrüstung— Entrüstung— Entrüstung. Auf wessen Seite ist hier eigentlich das Recht, sich zu entrüsten?! » Auch Herr Mull« hat seinen Grund zur Entrüstung. In Berlin ist ein K a p! t S n l e u t n a n t a. D. v. W e r n e r unter dem Verdacht, mit der Mordsache Erzberger in Verbindung zu stehen, zum polizeilichen Verhör vorgeführt worden. Umfangreiches M a- t e r i a l wurde bei ihm beschlagnahmt. Wie weit der Verdacht gegen Herrn v. Werner gerechtfertigt ist, darüber weiß Herr Wulle nichts. Aber daß man es wagt, bei einem ehemaligen Offizier Haus- suchung zu veranstalten, empfindet er als unerhörte Dreistigkeit. Man brauche nur Offizier zu sein, um der Polizei auf die Nerven zu fallen,— meint Herr Wulle. Daß alle ermittelten Täter und Mit- täter ehemalige Offiziere sind, geht Herrn Wulle nichts an.
Der Reönerkurfus. Von Theodor Thomas. Der Monteur Christian Mayer kam aus einer Versammlung, «o er unter dem Eindruck eines großartigen Redners gestanden hatte. Er war wirklich neidisch auf ihn. Da fiel sein Blick auf ein Plakat, das er schon oft gelesen: Rednerkursei Lernt reden, fließend, schön und steil Lernt disputieren, Dialoge führen, Gespräche beherrschen! Bequeme Kurse in den Abendstunden. „Donnerwetter", sagte Christian,„eine feine Sache, das ist ja das, was man braucht. Dafür sollen einige Zehnmarkscheine nicht zuviel sein." Am nächsten Tage wanderte Christian in die angegebene Sraße, klingelte im zweiten Stock eines Hauses. Eine griesgrämige Alte öffnete. »Ich will reden lernen, kann ich Herrn Demosthenes sprechen?" „Det kennst immer", brummte- sie. Nach wenigen Sekunden trat von der anderen Seite ein dürrer Herr ein. Mayer brockte lein Anliegen vor. „Woll, wollt Hawense schon mal öffentlich geredet?" „I wo", gab der Redestudent zurück. „So ist'» gut." Der Kerr Direktor schnalzte mit der Zunge. „Manche meenen, st kennten» schon, fe wollen nur hier e bi»l Politur." Er setzte sich, zuststdener wie vorher.„Auf wa» legense denn Gewicht?" „Am liebsten möchte ich über Politik reden lernen." „Aha, die große Linie. Ganz gut. Zwei von meinen Schülern sitzen schon im Reichstag, viere sin Stadtverordnete und einer sogar Rayonchef: st wär'n alle was besseres. Ich fertige och Reden an, natürlich was Gutes für besondere Zwecke." Run trug der Herr Christians Namen nebst Kosten in ein Buch ein. Di»„große Linie" sollte 60 Mark Honorar tosten, zehn Mark wurden als erste Rate angezahlt. „Se können gleich anfangen; drüben sind schon welche, es ist och ein Stadwerordneterkandidat dabei. Halten se stch an den, das ist ein guter Politiker." Sie gingen in»„Studierzimmer" hinüber,«o acht Leute im Kreist saßen und„Reden" lernteu. Er wurde vorgestellt mit dem Zusatz:„Nu Hamm mer noch einen Politiker, mein« Herrschasten." Di« anderen benannten sich: Stadtverordneterkandidat Bert, .Retlamechef Zietzmann, Konferenzier Dörrpfciffer, Herr Diskussion»- redner Buchenauer, Betriebsrat Schwabe, Abteilungsvorsteherin Gäblin, Obertrambahnkontrolleur Gutknecht und Vortragsreisender Lerchenbein. Dt» Leute schnitten Gesichter, als ob sie Zähne gezogen bekämen. Der Vortragsreisende insbesondere verdreht» dabei die Augen wie ein Karusselltassierer. Der Diskussionsredner schien Darmverschlin- gung zu haben, er hielt krampfhaft die Hände über den Magen. Am merkwürdigsten benahm sich der Stadtverordnetentandidat, er gab Töne von sich, die ganz gut aus einem eingerosteten Gramms- vhon stammen konnten, den linken Arm schlenkerte er immer am Ohr vorbei, al» ob da«in« Wespe krabbelte,
Alle nahmen Platz; der Lehrer setzte seinen theoretischen Unter. richt fort. „Wenn die Herrschaften nun sowell sinn, daß ein schöner Vor» trag aufgesetzt ist, dann lernen sie ihn am besten auswendig, damit Sie frei reden, det macht immer Eindruck." Alles notierte fleißig mit.„Wie muß also ein Vortrag sein? Ein schöner Anfang und en hinreißender Schluß ist unentbehrlich. Mit ne schöne Einleitung hammse gleich de Zuhörer und der Schluß j ist von wegen dem Abgang. Die» ist von entschiedener Bedeutung." Herr Buchenauer, von Beruf Diskussionsredner, meldet stch: „Wie baut man nu eine Diskusstonsrede auf?" „Da ist wichtig, dat st vor allen Papier und Bleistift mithamm. Se müssen darüber am besten schon zu Haust was aufschreiben. Wenn der Redner nich druf eingeht, dann sagense: se Hamm das ver- mißt, da» macht kolossalen Eindruck. Run reden S i e darüber. Det ist dankbar und verblüfft." Herr Buchenauer» Augen glänzten. Mayer fragte:„Woher nimmt man aber das, was man zu Hause vorher aufschreibt?" „Da hamse det Lexikon oder de andern Büchers. Am besten Zeitungsausschnitte; olles Gedruckte ist nützlich." „Gibt das nicht bloß Papageien? Man soll doch eigenes Wissen haben?" fragte der Monteur. „Daran merkt man, dat st die ersten zwei Stunden nicht derbei waren. Se müssen erst noch lernen." Mayer gab nicht nach:„Kann man einfach über alles reden?" „Ja und nein, et jibt kein« Grenze, wenn einen de Beharrlich- lest nicht aufgibt."' Die andern schwiegen, Christian hatte nichts mehr zu sagen, er dachte nur:„das nennt der reoen lernen." „Eine Diskussionsrede", fuhr der Lehrer fort,„muß immer kritisch sein, sonst is st von vornherein Essig." „Nu woll'n wir hierbei och was über die Politik reden. Wie ich schon sagte, das ist det leichteste." Der Stadtverordnetenkandidat Ben rutschte auf seinem Sessel hin und her, jetzt kam seine Stunde. „Das Leichtests", wiederholte der Herr Redeprofessor,„weil se allen? hineinbringen können. Eine Sache, wo st sich vorknöppen, die ochsen st mit packenden Worten ordentlich ein. Zum Beispiel: „die indirekten Steiern"; zum weiteren Beispiel:„die Akrarfrage". Zum endlichen:„der Färseiler Friedensvertrag". Wo über en poli- tischen Vortrag geredet wird, da kennst durch einen gerissenen Schwung die Zügel in die Hände kriegen. Det ist die feinste Politik: Immer de Diskussion uff det Gleis schieben, wo man wat davon oersteht." Christian Mayer schüttelte mit dem Kopf. Der Lehrer sah ihn streng an:„Menenst anders?" „Ich mein« gar nichts. Jetzt jueiß ich, woher oft so ein Schlag- wörteronkel kommt, der die Versammlungen unsicher macht." Alle sahen ihn blöde an. „Also das ist„Reden" lernen, fließend, schön und ftei? das ist hanebüchener Unsinn und schade für jeden Pfennig," schimpfte Mayer. Wütend nahm er Hut und Stock und ging. So läuft er heute noch als schlechter Redner umher.
«Wir glauben ihm gern seine Empörung darüber, daß man gewagt ! hat, die Mörder Erzbergers in Offizierskreisen zu suchen. Nach Herrn Wulle hätte man wohl die Nachsuche auf die Arbeiterschaft� erstrecken , sollen, selbst aus die Gefahr hin, die Mörder niemals zu entdecken. „Als solcher". Die rechtsstehende Presse muß zugeben, daß sämtliche ver- hafteten in der Erzberger-Mordangelegenheit, bisher 12, der Mün- chener Ortsgruppe des Deutschvölkischen Trutz- und Schutzbundes angehören. Aber sie beeilt sich hinzuzufügen, daß der Schutz- und Trutzbund„als solcher" an der Sache gänzlich unbeteiligt sei. Ja, sie bezeichnet es als„lächerlich", von einer Verschwörung zu reden. Wenn nächstens bei 12 Dynamitattentätern die Mitgliedskarts der KAPD. gesunden wird, so wird sich voraussichtlich die Rechts- presse mit gleicher Entschiedenheit für die Unschuld der KAPD. „als solcher" einsetzen._ Ehrharüt bei poehner. Im Ständigen Ausschuß des bayerischen Land- t a g e s hat jetzt der Staatssekretär Schmeyer im Auftrage der Regierung eine Erklärung zu dem vom Reichskanzler im Reichstagsausschuß verlesenen Bericht des Staats- kommifsarsWeismaun abgegeben. Wie zu erwarten war, entrüstet sich die Kahr -Regierung erheblich darüber, daß Weismann-preußische Kriminalbeamte— man denke!— nach Bayern geschickt habe und daß der Reichskanzler den Bericht Weismanns öffentlich verlesen habe, ohne die bayerische Re- gierung vorher zu informieren. Diese Entrüstung ist billig wie Brombeeren. Sie kann deshalb beiseite bleiben. Wichtiger ist. was Schweyer fach- l i ch zu sagen hat. Und das ist interessant genug. In sachlicher Beziehung erklärte der Redner, daß die gegen den Iustizminister Dr. Roth erhobenen Beschuldigungen glatt er- funden seien. Was den angeblichen Verkehr des Münchcner Polizei- Präsidenten mit Kapitän Ehrhardt betreffe, so stehe fest, daß Ehr- hardk wiederholt nach Auflösung der Brlgade im Blünchener Polizei- Präsidium und an anderen bayerischen Slell-n vorstellig wurde wegen Beschaffung von Arbeitsgelegenheiten für seine Leute. � Zur gleichen Zeit sei er aber auch im Reichswchrmiuisterium unbeanstandet aus- und eingegangen. Damals sei aber noch in keiner Weise bekannt gewesen, daß ein H a f t b e f e h l gegen Ehrhardt vorliege. Nach Erlaß des Haftbefehls neuerdings im März llnd August dieses Jahres sei an alle bayerischen Polizeibehörden und Bezirksämter der Auftrag ergangen, zur Festnahme der sich an- geblich in Bayern aufhaltenden Kapp-Führer Ehrhardt, Bauer und Pabst zu schreiten. Wenn die Ausführung des Hastbefehls bisher nicht habe vollzogen werden können, so liege ein Verschulden einer Behörde nicht vor, und mit einem Vorwurf gegen die Behörde allein sei es nicht getan. Es müßten greifbare Beweise und Unterlagen erbracht werden, u. a. auch für die Behauptung, daß Kapitän Ehr- Hardt in der Münchcner Polizeidirektion noch jetzt aus- und eingehe. Seit dem Bekanntwerden des Haftbefehls sei der Polizeipräsident nicht mehr in Berührung mit Kapitän Ehrhardt gekommen. Man könne sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der preußische Staats- kommissar Iveismann in seinem Berich! höchst lelchkferllg vorgegangen sei, und es sei bedauerlich, daß der Reichskanzler ohne weiteres sich diesen Bericht zu eigen machte, ohne stch vorher zu vergewissern. Zu dem Vorwurf der Leichtfertigkeit wird sich der Staatskommissar Weismann zu äußern haben. Es genügt für ihn nicht, daß er, wie ein deutschnationales Abendblatt be- richtet, über die Verlesung seines angeblich„vertraulichen" Berichts durch den Reichskanzler„aufs äußerste empört" sei. Er muß jetzt durchgreifend klarstellen, w a s er von der Vcr- schwörerzcntrale in Bayern wirklich weiß. Denn schließlich hat er doch dem Reichskanzler nicht einen Bericht von solcher Bedeutung in einem kritischen Augenblick vorgelegt, lediglich um seiner Tätigkeit eine Gloriole zu winden. Daß dieser Be- richt verwertet werden mußte und wurde, war dach klar. Also mit der„äußersten Empörung" ist es nichts. Vielmehr heißt es jetzt: entweder das Wespennest ganz ausheben oder, wenn Weismann wirklich so leichtfertig vorgegangen wäre, wie
Ein neuer Borschlag für die Arbeiterwohnung. Die Geschichte der Wohnformen ist aufs engste verknüpft mit der Familie und der Familienverfassung. Die Familie als Hausgemeinschaft verkör- pert die Idee des Hauses, und zwar in seiner Gesamtheit als sozialer, wirtschaftlicher und baulicher Organismus. Das Absterben der alten Hausgemeinschaft, die stch in ihren ehemaligen patriarchalischen For- men heute wohl nur noch auf dem Lande(und auch hier nirgends | mehr ganz rein) erhalten hat, muß daher auch zu einer Neubildung der Wohnformen führen. Für den Industriearbeiter liegt der Schwerpunkt der Lebensinteressen weniger in der Familie. sondern vielmehr im Betrieb, in der Gewerkschaft, in der Partei. Diese dem Arbeiter eigene Lebensform wird auch in der Gestallung seiner Wohnung den ihr angepaßten Ausdruck sinden-müssen. Das Kleinhaus mit der nie fehlenden„guten Stühe«rsüllt dies« Forde- rüg nicht; es bietet ihm keine Gelegenheit für die Betätigung seiner Bestrebungen. Statt dessen macht Dr. Jng. K. E h r e n b e r g in der Zeitschrift „Die Bolkswohnung", deren neuestes Heft dem Problem der Berg- mannssiedlungen gewidmet ist, folgenden Boftchlag: Man lege die Wohnstuben von zwei Dutzend Arbeiterfamilien zusammen. Dann kann man dem Arbeiter die Räume schaffen, die er für seine Destre- bungen braucht: Bücherei, Lese- und Schreibzimmer sowie einen größeren Raum für Zusammenkünfte, Aussprachen und andere ge- meinsame Veranstaltungen. E» soll eine Vereinigung von Einzel- zimmern und gemeinsamen Räumen entstehen, ähnlich wie im mittelalterlichen Kloster, nur daß nicht eine Reih« von Einzelzimmern angelegt wird, sondern eine Folge von kleinen selbständigen Woh- nungen. Die Räum« in diesen Wohnungen sollen in erster Linie zum Schlafen dienen, aber groß genug sein, daß man darin auch einmal lesen oder schreiben kann; statt einer Wohnstube gewisser- maßen eine Wohngelcgenheit, statt der Küche nur eine gemeinsame Kochgelegenheit(Einküchenwirtschaft). Erhalten werden soll also die Abgeschlossenheit der Wohnung, das Gefühl, allein sein zu können. Außer einem Wirtschaftsraum soll jede Wohnung zwei Stuben er» halten. Zu den Zweizimmerwohnungen, die das Erdgeschoß ein- nehmen, treten im Obergeschoß Einzelzimmer für Unverheiratete, etwa derart, daß ein Flügel für Männer, ein zweiter für Frauen bestimmt ist. während der Mittelbau die gemeinsamen Räume ent- hält. In diesen Gemeinschafishäusern, so hofft der Verfasser, wird eine Generation heranwachsen, der das Zusammenleben von Iugend an zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Sie wird die Gemein- schaft der Klasse viel tiefer empfinden und damit den Boden bereiten helfen, auf dem eine reine Lebenskultur entstehen kann. Sadisienschwelnchen ist die neueste Erfindung auf dem Gebiete der Hörfchler. In der Besprechung des„Jivimen Theaters" sollten die damit charakterisierten Darsteller nur al»„amüsante Schwein- chen" nottert werden. TaS Thalia-Theater»erenltaltet!n dieser Saison an den Sonntag- nachmittag«» einen ZyNu»«»n Märchen-Dor st«Hungen : am kommenden Sonntag wird zum ersten Male.Rumpelstilzchen' ausgeführt. Bayerischer«eist in Wie«,«uj der Wiener Papiermeffe, wo der Berliner Malik-Dcrlag die Zeichnungen des Satiriker» G. Gros» ausgestellt hatte, verlangten baderische Verleger die Entfernung dieser.ruchlosen' Pu- blikationen. ES bedurste erst des EingreiienS der Messeleilunq und de? Presse, um dem Berliner Verlag das AuSstellungSrccht zu sicher«. Die .bayerijch« Sigenart' fühlt sich aljo schon exportjähig.