Go l d m a r k w e r t e der alten Wohnhäuser für den Wohnungsbau flüssig gemacht werden. Die Mietsteigerung, die der Hausbesitzer sich in die Tasche stecken würde und die mit naturnotwendigem Zwang eintreten muß, wenn die Wohnungslosen in vereinten Kräften mit den Hausbesitzern und den Bauunternehmern den Mieterschutz mit elementarer Kraft beseitigen, diese Mietsteigerung soll vorweg für den Wohnungsbau flüssig gemacht werden. Die Mehrheit des Unterausschusses der Wohnungskommission des Reichstages war sich darüber im klaren, daß eine wesentliche Mietsieigerung aber nur dann durchführbar ist, wenn den Renten», Lohn- und Gehaltsempfängern die volle Miet- steigerung durch eine sofortige Erhöhung der Renten, Löhne und Gehälter wieder erstattet wird. Daß diese Erhöhung der Renten, Löhne und Gehälter eine neue Welle der Geldentwertung erzeugen muß, ist klar. Diese Geldentwertung würde aber in weit stärkerem Maße eintreten, wenn die Besitzer der Goldmarkwerte— wie in der Industrie— nun auch im Wohnungswesen, die volle Umwandlung der Goldmark in die Papiermark betreiben würden. Diese Umwandlung, darüber müssen sich die Mieter im klaren sein, bedeutet eine Mietsteigerung auf das Zehn- bis Fünfzehnfache, mährend die Durchführung eines verstärkten Bauprogramms schon mit der zwei- bis dreifachen Friedens- miete erreicht werden kann. In voller Erkenntnis der durch die Erhöhung der Löhne, Renten und Gehälter erzeugten Geldentwertung hat die Mehr- beit des Unterausschuffes die Reichsregierung ersucht, zunächst diejenigen Eoldmarkwerte flüssig zu machen, die k e i n e Geld- entwertung nach sich ziehen. Sie hat darum, dem Vorschlage des Verfassers entsprechend, die Reichsregierung ersucht, fol- gende K a p i t a l q u e l l e n für den Wohnungsbau flüssig zu machen: Au» der Baustoffproduktion. ») Erfassung der Abbruchswerte, die einen Friedensbau- wert von 10 000 M. überschreiten, b) Erfassung der Gold markwerte des nicht staallichen Nutzhclzeinschlages der Wälder, c) Erfassung der Goldmarkwerte neu zu erschließender Rohstoff- selber für L a u st 0 f f e aller Art, 6) Erfassung des Mehrwertes, der der b a u st 0 f f e r z e u g e n- den Industrie durch Steigerung der Produktion über den Um- fatz vom 1. Juli 1921 hinaus erwächst, «) Erfassung des Mehrwertes, der der baustofferzeugenden In- dustrie durch freiwillige oder zwangsmähig« Rationalisie- rung der Betriebe entsteht. k) Erfassung der Balutadifferenz bei der Ein- und Aus- fuhr von Baustoffen, g) Erfassung des Mehrwertes, der der baustofferzeugenden In- dustrie durch Anwendung von Patenten entsteht, die von Er- findern durch Ablösung ihrer Erfinderrechte erworben sind. Reben diesen Kapitalquellen, die die Geldentwertung nicht nach sich ziehen, hatte der Verfasser noch andere Kapitalquellen vorgeschlagen, die der Unterausschuß der Wohnungskommission des Reichstages der Reichsregierung gleichfalls zur Förderung des Wohnungsbaues dringend empfohlen hat. Au» der Grund- und Gebäudewirtschaft. a) Schärfere Erfassung des Ertrages aus der Grund- und Gebäudesteuer bei denjenigen'Städten und Gemeinden, deren Steuersätze unter dem Reichsdurchschnitt liegen, b) schärfere Erfassung der gewerblichen Mieträume aller Art, c) schärfere Erfassung der Mietwerte derjenigen Wohnungen, deren Friedensmietwert 2000 M. überschreitet, 6) schärfer« Erfassung der Mietwerte unterbelegter Großwohnungen. Aus der privaten Kapitalwirtschaft. a) Verwertung des in den Depositenkassen der Bau- ken liegenden Prioatkapitals für gering verzinsliche Hypotheken, b) Steuer- und Abgabebefreiung für dasjenige Privatkapital, das dem Wohnungsbau langfristige, zinslose Hypotheken zur Verfügung stellen will.
In Rübezahls Reich. Von I. Kliche. Die Fremdenorte de, Riesengebirge » haben Nachsaison; für die Hotelbesitzer und Pensionsinhaber eine recht gesegnete. Dem guten Sommer folgte ein dankbarer Herbst. Stärker als in den beiden Vorjahren war der Zustrom der Sommerfrischler und Touristen. Und wer an den sonnigen Nachmittagen die Promenadenwege Ober- schreiberhau» entlang streift, dem bietet sich ein farbenfrohes Bild au» dem Sonnendasein der alten wie der neuen Reichen. Die Natur im Riesengebirge ist herrlich. Trotz des trockenen Sommer» grün« Wälder und Wiesen. Stolz emporstrebend« Fich- ten in den Gründen und Tälern, oben auf dem Kamm zwischen den buschigen Knieholzbeständen bescheiden und sittsam blauer Enzian . Doch der Cenußgier der Lebe weit genügt solches nicht; diese leichwerdienende West will die Großstadtfreuden nicht missen. Dar- um neben dem Schreiberhauer Kurtheater Konzerte, Dielenkunst, Fünf-Uhr-Tees, Tanzabende berühmter Star» und schließlich, als amüsanter Kitzel der in teueren Gesellschaftsroben prunkenden Damen- well, öffentlicher Tanz für die Erstklassigen. Auf den Antündigungs- plakaten steht verschiedentlich zu lesen:»Personen im Touristenanzug und solchen, die in einem dienenden Berhältnis zu den übrigen Gästen stehen, ist der Zutrstt untersagt." Wenig« Minuten hinter den Stätten de» Luxus und der gesell- schaftlichen Oberflächlichkeit liegt ein Ort emsigen Fleißes und harter Arbeit: die I 0 s e p h i n e n h ü t t e. An weißrotglühenden, glutgefüllten Kesseln stehen hier, nur mit Hemd und Hose bekleidet, die Glasbläser. Gesunde Lungen und scharfe Augen erfordert ihre Kunst. Drüben m der Schleiferei schlucken die Kollegen jahrein, jahraus den schädlichen Staub und werden häufig Opfer der Glasmacher- krankheit. Die Hütte gehört, wie so vieles andere, dem großen Herrn des Riesengebirges: Rübezahl heißt er im Märchenbuch, im wirklichen Leben nennt man ihn Reichsgraf von S ch a f f g 0 t f ch, Besitzer eines Areals von etwa SO 000 Hektar Wald- und Wiesenlandes, von Schlössern, Gütern, Fabriten, Hotels und Bauden. Oben, den Kamm entlang, führt die Grenze. Hie Deutscher, > hie T s ch e ch 0 s l 0 w a k el Der Ausgang des Krieges hatte scharfen Wirtschaftsstrest zur Folge. Um die Bauden wird der Kampf ge- führt. Manches deutsche Untertunftshaus ging in tschechischen Besitz. Doch da» Geschäft blüht, und im nächsten Frühjahr werden oben auf dem Kamm zwei neue große Bauden hinzukommen... Mil- lionenprojekte, die sich— so hofft man— trotz aller Not und Bahn- Verteuerung glänzend verzinsen werden. An einem milden Nachmittag schlenderte ich durch Mittel- Schreiberhau nach den Siebenhäusern hinüber. Hier grüßt aus hohen Fichten und alten Linden da» nun verwaiste Haus Carl H a u p t m a n n.z. Vor dreißig Jahren zogen die beiden Brüder nach den ersten Berliner Erfolgen hierher, ließen das alte Bauern-
Aus diesen Kapitalquellen lassen sich jährlich gut 5 und mehr Milliarden Mark für den Wohnungsbau flüssig machen. Die Reichsregierung hat die Pflicht, hier mit starker Hand zuzufassen und die Renten-, Lohn- und Gehaltsemp- fänger haben sich geschloffen hinter die Forderungen des All- gemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes zu stellen und dafür einzutreten, daß die Gemeinwirtschaft im Wohnungsbau kein Lippenbekenntnis bleibt, sondern eine Tatsache wird. Nicht „Hoch-Kapitalismus", sondern hoch„Gemeinwirtschast" muß die zukünftige Parole für jede Gewerkschafts-, jede Mieter-, jede Siedler-, jede Kleingärtner- und jede Wahloersammlung werden.
Kohrs Verzicht. Tie Wahrheit über Ehrhardt— Bauer. München , 19. September. (Eigener Drahtbericht des»Bor- wärts".) Herr v. Kohr hat die Wiederaufnahme seiner Tätigkeit als Ministerpräsident auf dem Boden der Stellungnahme des Land- tagsausschuffes zur Frage des Ausnahmezustandes abgelehnt. Dieser Verzicht Kahrs kann deshalb als Sieg des bayerischen Fort- schritts und der Reichseinheit gebucht werden. Unter zielbewußter Mäßigung hat die Leitung der bayerischen Sozialdemokratie es oerstanden, die gesunden Kräfte in der Bayerischen Bolkspartei in ihrer Abkehr von Kahr zu stärken und die von den Deutschnationalen angefaulten zu sondieren. Heute morgen noch, kurz vor der Entscheidung, riß die„Münche- ner Post" die heuchlerische Maskierung, mit welcher der bayerische Staatssekretär das System Kahr-Poehner gegen Berlin bedecken wollte, herunter. Sie schreibt: »Wir haben guten Grund anzunehmen, daß die Ableugnungen des Staatssekretärs nicht in allen Punkten der Wahrheit entsprechen. Der Staatssekretär hat in gutem Glauben wiedergegeben, was Herr Poehner von seinen Beziehungen zu den Kapp. Offizieren mitzuteilen für gut fand. Eine nähere Untersuchung würde den geistigen Vorbehalt aufdecken, der Herrn Poehner gestat- tete, seinen sträflichen Verkehr mit dem Kapitän Ehrhardt in Ab- rede zu stellen, weil der Kapitän sieben Monate nach dem Hastbefehl, dem Polizeipräsidenten zuliebe, anders hieß als zuvor." Weiter schreibt unser Parteiblatt: „War es dem Herrn Staatskommiffar unbekannt, daß Oberst Bauer öfter in einer Münchencr Pension gewohnt hat? War es dem Herrn Staatskommissar unbekannt, daß Oberst Bauer wieder- holt in einer anderen Penston einen Gesinnungsfreund besucht hat, der sich seines freundschaftlichen Verkehrs mit Poehner und Ludendorff vor Zeugen gerühmt hat? Ist es un» wahr, daß Oberst Bauer diesen Herrn am Samstag, den 10. September, zum letzten Male besuchte? Will Herr Poehner auf Diensteid erklären, daß er durch diesen Herrn von der Anwesenheit des Obersten Bauer in München nie Kenntnis erlangt hat? Wir ersuchen auch Herrn Roth, seine lakonische Erklärung zu ergänzen und präzise festzustellen, ob er niemals von dem Aufenthalt steckbrieflich verfolgter Herren in Bayern während seiner Lmtsdauer etwas er- fahren hat?" Die gegnerische Presse, vor allem die Leitung der Ehristlichen Gewerkschaften, bemüht sich fortgesetzt, das Verhalten der bayeri- schen Sozialdemokratie, vor allem die Ankündigung des äußersten Widerstandes gegen eine Rückkehr des Systems Kohr, als„Drohung mit der Straße" und dem Terror darzustellen. So wird unser Kampf um Verwirklichung eines wahren demokratischen Staats- wesens zum terroristischen Akt verzerrt. Die bayerische Sozlaldemo- kratie sinnt nicht auf Gewalt um jeden Preis. Wenn sie einer fort- gesetzten Vergewaltigung des demokratischen Prinzips das Mittel des Generalstreiks entgegensetzt, so ist das ein Akt der Notwehr gegen unbemokratifches Streben, zur Beseitigung eines reichsfeindlichen und landesverräterifchen Systems. Wird Reichstag und Republik mit unlauteren Mitteln bedroht, so wird sie imstande sein, diese Drohung mit denselben Mitteln abzuwehren. Wie sehr es der bayerischen Sozialdemokratie gelungen ist, die einmütige und vorbehaltlose Wiederberufung Kohrs zu verhindern, beweist die Stellungnahme des bekannten bayerischen Bauernführers Dr. H e l m. Er sprach auf einer Bauernoersammlung in Tunten- Hausen mit viel Temperament und mit seinen bekannten Ausfällen gegen Berlin und die Weimarer Verfassung ; aber er stellte die
Haus mit einem neuen Obergeschoß versehen, und hausten hier ein- trächtig, bis Bruder Gerhart, mammonbeschwert, sich auf dem Wiesenstein im benachbarten Agnetendorf ein neues Heim errichten ließ. Im Gegensatz zu ihm blieb der Sucher und Grübler Carl sein Leben lang ein bescheidener, mit Glücksgütern wenig gesegneter Mann. Und als er im letzten Vorfrühling starb, hinterließ er seiner jungen Witwe und seinem elfjährigen Töchtercheu nicht mehr als das nun zum Verkauf stehende Besitztum in Schreiberhau . Nur Zwei Zimmer sind heute noch dem Gedenken des Verstorbenen ge- widmet, die übrigen Räume bewohnt bereits mietweise eine zah- lungsfähige Berliner Familie. Drunten auf dem füllen Friedhof in Nieder-Schreiberhau ruht der tote Dichter von den Sorgen und Enttäuschungen seines Lebens aus. Freunde sammeln öffentlich das Geld zu einem würdigen Denkmal.
Die Zugend-Bolksbühne eröffnete am Sonnabend nachmittag ihre neue Spielzeit glücklich und vielversprechend mit Raimunds „Bauer als Millionär" in der Volksbühne. Seit Jahresfrist hat diese fruchtbare Ergänzung und Vollendung der Doltsbühnenidee sich ohne viel Aufheben praktisch eingeführt und bewährt. Die Ar- beiterkinder brauchen sich nun nicht länger mehr mit den Zweifel- haften Iugendvorstellungen der Geschäftstheater abspeisen zu lassen, die z. T. minderwertige Bearbeitungen der Märchenstoffe in unzu- länglichen Aufführungen bieten. Getreu der Volksbühnentradition wird edles, für unsere Jugend sorgsam ausgewähltes Gut in bester Form geboten. Die Jugend braucht sich nicht länger durch Kitsch und für sie eigens präparierten Schund den Geschmack und mehr verderben zu lassen. Die Volksbühnenarbeit fetzt an der Wu/zel ein und vermittelt der empfänglichsten, dankbarsten und reinsten Zuschauerschaft seelische und künstlerische Eindrücke, die für ihr ganzes päteres Leben bedeutungsvoll sind. Raimund ist das denkbar beste Programm für die Jugend. Er ist der Jugenddramatiker, weil er selbst jung geblieben ist im Herzen und im Schauen. Sein hoher sittlicher Ernst, sein sieghafter Glaube an das Gute im Menschen ist eingekleidet in die sinnfällige und ein» drucksvoll« Form des Zaubermärchen». Der jugenAiche Mensch erlebt diese West mit einer Hingabe, die uns Aelteren leider meist abhanden gekommen ist. Die Aufführung der Volksbühne gab eine schöne Probe davon. Da herrschte idealste Theaterfreude, Ausstattung und Märchenzauber, da war ein so inniges Miterleben der Schick- sale, daß die Darsteller selber davon mitgerissen wurden. Vor solch einem Publikum zu spielen mutz höchste Genugtuung, gewähren. Scherz und Ernst bewegten gleich stark die innerlich gespannten und glühend erregten Scharen. Unvergeßlich prägte sich den jungen Seelen dies wundersame Abbild eines geläuterten Lebens ein, und die Verkörperungen aller bölcn und guten Geister des Menschen waren der phantasieoollen Jugend so wirklich und lebendig wie die Menschentypen. Dank der Volksbühne, die ihre besten Regie- und Darsteller- leistungen— sie find unseren erwachsenen Lesern bereits bekannt— an dos schön gelungene Werk setzte!
Forderung„zurück zu Kahr " keineswegs auf. Er rechnete scharf tnft denen ab, die rechts von der Bayerischen. Volkspartei stehen, und sagte:„Bon dieser Seite lassen wir uns die Verhältnisse in Bayern nicht versuuen. Wir brauchen eine Polittk der Geduld und nicht eine Politik des Krakeels." Was wird nun werden? Kahr ist ausgeschaltet. Die wütende ,Zurück-zu-Kahr-Propaganda" in Stadt und Land ist gescheitert. Die a l t e K 0 a l i t i 0 n ist schwer erschüttert. In der D e m 0- k r a t i s ch e n P a r t e i ist die Anti-Kahr-Sttömung durch die letzten Bockbeinigkeiten des ExMinisterpräsidenten so stark geworden, daß eine Zustimmung der bayerischen Demokraten zu einer Wieder- berufung Kohrs nicht zu erhoffen war. Der Gegensatz zwischm der Bayerischen Bolkspartei und den Demokraten fand feine äußerliche Bestätigung durch die Kontroverse zwischen Dr. Helm und dem Handelsminister'Hamm , die Heim auf der erweiterten Bersamm- lung mitteilte. Der eigentliche Urheber der Ministerkrise sei Hamm gewesen, da er im Ministerrat erklärt habe, unter Aufhebung des Belagerungszustandes verstünde er eine Aufhebung in einer Frist von 8 bis 10 Tagen. Auf der anderen Seite ist die bayerische Mittelpartei schwer oerschnupft, weil die Bayerische Volks- partei— trotz der Schimpfereien des Minffters Oswald— an ihren Ausschußbeschlüssen gegen eine Wiederkehr Kohrs festhäll. Ihr Wiedereintritt in die Koalition tfcäre nur durch die Erhaltung des alten Regimes zu erkaufen gewesen. Da haben die bayerischen Zentrumsleute, wie aus Stimmen der Bayerischen Volkspartei mit aller Einheitlichkeit zu entnehmen war, folgendes jesuitische Aushilfs- stückchen gefunden: Kahr wird Staatspräsident, falls dieser Posten jemals bewilligt werden sollte, und Ministerpräsident wird ein Beamter. Der ehemalige Staatsrat Schmelz le, der seit Jahr und Tag dem Ministerpräsidenten Kahr die öffentlichen Reden verfertigt, hätte den Vorzug gehabt, selbst eine Ministerrede machen zu können.. Es würde aber von ihm abgesehen, da er Kahr z u nahe stand. Heute abend wird' als voraussichtlicher Nachfolger Kahrs mit aller Bestimmtheit der Staatssekretär im Reichspvst- Ministerium v. Spin gl genannt. An einen Eintritt der Sozialdemokratie in die Regierung denkt im Augenblick n i e m a n d. Selbst die Demokraten hoben dies als unwahrscheinlich bezeichnet. Trotz alledem ist die Arbeit unserer Genossen, die Steine, welche sich zwischen eine Verständigung von Reich und Bayern gelegt haben, hinwegzuräumen, nicht umsonst gewesen und wird nicht umsonst bleiben, ob sich die Sozialdemokratie innerhalb oder außerhalb der Regierung befindet. Warum Kahr nicht mehr wM. Müuchen, 19. September. (WTB.) Die Korrespondenz Hoff- mann meldet: Ministerpräsident Dr. von Kahr hat an den Landes- ausschuß der Bayerischen Volkspartet aus Berchtesgaden unter dem 18. d. M. folgendes Schreiben gelangen lassen: Die Bayerische Volksparbei hat mich heute gebeten, mich neuerdings für die bevorstehende Kabinettsbildung als Mi- nisterpräsident dem Landtag z u r Wa h l z u st e l l e n. Für diesen Ausdruck des Vertrauens danke ich bestens. Unverbrüchlich halt« ich an den Grundsätzen der-Bayerischen Bolkspartei fest. Als neu gewählter Ministerpräsident wäre ich aber in der Z w a n g sl a g e, mich nun auf den Boden des Beschlusses des ständigen Landtags- ausfchusses vom 11. d. M„ der mich zum Rütkiritt bestimmt hat, zu stellen. Ich könnte dies aber auch heute mit meiner grundjäh- lichen Auffassung über das Verhältnis des Reiches zu den Einzet- staaten nichi vereinbaren. Aus diesem Grunde sehe ich mich leider n i ch t in der Lage, das vertrauensvolle Anerbieten der Bayerisch «, Bolkspartei anzunehmen.■;~ Mit diesem Telegramm bestätigt Kahp.neuerdintzs, daß«r.o h np Belagerüngszustand n-i ch t regieren kann. M'i't dem B�lagerunzs-. zustand kann' nach'dem bekannten Worte Cavours jeder E s e t f1' regieren. Was danach ein Matm ist, der nur mit Belagerungs- zustand regieren kann, sich für ein Selbstzeugnis ausstellt, mag der Leser kombinieren. Dr. Heim über die politische Lage.. Der Reichstagsabgeordnete Dr. Heim hat gestern in«in«? Ber- sammlung des Christlichen Bauernvereins in Tuntenhausen über die politisch« Lage gesprochen, und dabei erklärt, wenn es zu einem Generalstreik kommen sollte, so würden die Bauern den Generalstveik auf der ganzen Linie mitmachen. Gegen den Reichskanzler, nahm Dr. Heim stark Stellung und erklärte, noch niemals habe sich ein
Erste internationale Tagung für Sexualreform. In der Montag- sitzung spricht Dr. Fried! aen der über die biologischen Grunde lagen der weiblichen Geschlechtsempfindung und erklärt es für eine irrige Anschauung, dem Weibe ein geringeres Trieblebcn zuzusprechen als dem Manne. Jede Sexualreforni müsse diese Tatsache In Rech- nung stellen, besonders durch eine Erleichterung der Ehescheidung. Dr. H i l l e r fordert die Aufhebung gesetzlicher Strafandrohungen für die Betätigung sexueller Minderheiten, soweit durch diese kein drittes Interesse verletzt werde. Eine ausführliche Diskussion setzt über die staatliche Regelung der Prostitution ein, bei der der zugelassene Vertreter der Hamburger Organisation der Kontrollmädchen die Kasernierung der Prostituierten beibehalten sehen will, solange die kapitalistische Ge- sellschaftsform bestünde. Bon den abolitienistischen Organisationen, insbesondere von Frau Senator K i r ch h 0 f f- Bremen, wurde ihm scharf entgegengetreten. Zwei Anträge werden einer besonderen Kommission überwiesen. Prof. von E h r e n f e l d- Prag gibt in einer Reihe von Leitsätzen die Grundlinien einer Verbesserung der geltenden gesetzlichen und sozialen Sexualordnung. Diese werden gleichfalls einer Kommission überwiesen. Sie brechen prinzipiell mit der Auffassung, daß es Sache des Staates sei, sexuelle Handlungen zu verbieten, bei denen Vergewaltigung oder öffentliches Aergernis nicht gegeben fei. Die Ehescheidung durch Willenserklärung soll möglich sein. Dr. Schweitzer baut die Reform der Ehescheidung aus: sie soll auf das Verlangen eines Teiles eintreten; die Verträge i über den Unterhalt der Kinder sollen freigegeben werden. Dem Staat bleibt das Recht, das Verfahren auszusetzen, um eine lieber- legungsfrist der Parteien herbeizuführen und den Unterhalt der Nachkommen zu sichern. Ein neues alkmqrkisches Heimatmuseum. Ein eigenes Heimat- mufeum hat jetzt Frankfurt a. d. O. erhalten. Wie Konrad Strauß im„Kunstwanderer" berichtet, birgt es eine Anzahl schöner Werke altmärkischer Kunst. Das Haus selbst ist ein prächtiger Bau aus dem Ende d-s 18. Jahrhunderts, besitzt in seinen Hau»- und Stubentüren wahre Meisterstücke aller Tischlerkunst, und die alten Kachelöfen sind Zeugnisse des ehemals hochentwickelten Frankfurter Handwerkes. Man findet ein„Biedermeierzimmer", ein„Rokoko- zimmer", ein„Münzzimmer", ein„Frankfurter Dichtsrzimmer" mit Erinnerungen an Ernst von Wildenbruch , Ewald und Heinrich von Kleist . Ein reiches Material ist im„Jnnungszimmer" verewigt. Der stimmungsvollste Raum ist das Kirchenzimmer. V.
Kirchenkonzerte. Im Dom veranltallet Prolesior Walter F i I ch e r am nächsten Donnerstag, 8 Uhr, ein Orgelkonzert, bei welchem Else Wachs, nann-Magen(Alt, und Karl Baumgartner(Laß) mit« wirken. Der Eintritt ist frei gegen Entnahm» eines Programm».— Die nächste Abcndmusik tn der Kaiser-Wilhelm-GedächtniSkirche veranstaltet Fritz Heitmann am Donnerstag, den 22., 8 Uhr mit Werken von Bach und Reger. Mitwirlende: Mari« Lydia Günther-ltiee- mann(Sopran) und HanS Basserman»(Biolili«). Deutsche Gesellschaft für ethische Kultur. Die regelmäßigen Bor«' ttäge beginnen am 2». September. Ay diesem Wend wird Dr. Max Apel im Bürgersaal des Berliner Rathauses um 7'/, Uhr über»Goethe » Faust und uusereZeit' sprechen.