Der Parteitag in Görlitz . (Schluß aus der Beilage.) Serner -Ludwigshafen : Ich stehe vor Ihnen unter dem nieder« schmetternden Eindruck der furchtbaren Nachrichten aus meiner Hei- matstadi. Noch sind die Wunden nicht vernarbt. d»e der unselige Weltkrieg durch die furchtbaren Fliegerangriffe auch dem südlichen Bürger der Pfalz geschlagen hat, und schon trifft uns das neue furchtbare Unglück mit seinen Hunderten von Toten und Tausenden von Verkrüppelten. Ich danke Ihnen für die herzliche Anteilnahme und Hilfsbereitschaft namens meiner pfälzischen Genossen. Ein paar Worte zu den Vorgängen, über die Genosse Treu gesprochen hat. Auch die Rheinpfalz gehört bis jetzt noch zu Bauern. Neben dem Saar . and leidet sie am schwersten unter den Folgen des Welt« krieges. 15 Jahre soll sie unter der Fremdherrschaft bleiben, und schwere Kämpfe hat sie schon durchgemacht im Mai und Juni ISIS gegen die Haas und Genossen und später gegen gewisse Zentrums» kreise unter der Führung D o r t e n s, die, gestützt auf den bekannten Schutz, die Regierung der Pialz stürzen wollten. Die Arbeiterschaft hat sich schützend vor diese Regierung gestellt, nicht der Personen wegen, sondern um des Reiches willen, und wenn es bisher gelungen ist, die Landesverräter niederzuhalten, so ist das vornehmlich»in Verdienst der organisierten Arbeiterschaft. (Sehr wahr! und Brovol) Leicht ist der Kamvs nicht gewesen, und wirWaben harte Strafen auf uns nehmen müssen. Diese deutsche Verteidigungsfront unterwühlt zu hoben, ist dos traurige V e r- dienst der bayerischen Regierung Kohr, ihrer Förde- runq der Reaktion und ihres Kampfes gegen die Reichseinheit. Auch in der Pfalz ist die Atmosphäre am 31. August zur Entladung ge- kommen. Immer lauter ruft die Arbeiterschaft„Los von Kohr", unter dessen Schutz die Reaktionäre von einem Mord zum andern eilen.(Lebhafter Beifall.) Wird die Kahrfche Politik mit oder ohne Kohr fortgesetzt, dann sind die schwersten inneren Erschütterungen unausbleiblich und der Bürgerkrieg ist nicht abzuwenden.(Lebhaste Bewegung.) Die Trennung Nordbayerns und Südbayern» hat un- bedingt auch die Loslösung der Pfalz von Bayern znr Folge. Was die französischen Imperialisten noch nicht zustandegebracht hoben, da» schaffen die bäuerischen und die preußischen Reaktionäre: Die Zer- schlaauna des Reiches.(Lanaanholtender Beifall.) Vorsitzender Del»: Der Appell, den die Genossen Treu und Kerner an Sie als Vertreter der deutschen Sozialdemokratie gerichtet haben, den Kampf der bäuerischen Arbeiterschaft zu unterstützen, wird nicht vergeblich sein.(Lebhafte Zustimmung.) Warnend klingt die Stimme der bayerischen Vertreter aus diesem Saal, unterstrichen durch Ihre Zustimmung, bis München , nicht nur in jedes Arbesterohr in Bayern , sondern ln jedes Arbeiterherz im ganzen deutschen Reich. kllle die, die es wagen sollten, die bayerische Arbeiterschaft um die Früchte der Revolution zu betrügen, und damit den ersten Schritt zur Demolierung der republikanischen Staatsverfassung und Staats» form im Reich zu tun, seien gewarnt durch diese Manifestation der �roßten Partei im Reich.(Lebhaftes Sehr wahr!) Das schändliche Spitzelsystem hat in Bayern zahlreiche Aroeiter hinter Gefängnismauern gebracht. Dem Stadtrat in Pasing ist �oeben die amtliche Mitteilung geworden, daß sein IZsähriger Junge die Ausweiskarte des Oberkommandos zu Recht trage, und daß sie ordnungsmäßig ausgestellt sei. Wie viele anständige, brave und ehrliche Menschen mögen auf Grund der Mitteilungen /ines solchen Lausejungen ihrer Familie entzogen worden sein.(Große Bewe- gung.) Schmach und Schande über ein System, das sich nur mit solchen Mitteln behaupten kann.(Zuruf: Das ist das System Poeh- ner in Wirklichkeit!) Solche Zustände sind eineGefahr fürun» alle; sie zeigen, wohin es kommen kann, wenn die Sozialdemokra» tie in einem solchen Lande längere Zeit aus der Regierung ausschei» det. Der bayerische Vertreter im Reichsrat, P r e g e r, hat auf die Ankündigung der von uns eingeleiteten Aktion zur Abwehr dieses Putschregiments den traurigen Mut gehabt, zu sagen, die Sozial- demokratie bluffe nur. Damit will er die verbrecherischen Genossen der Kohr und Genossen noch weiter aufstacheln. Aber ich erkläre Ihnen. die deussche Sozialdemokralle blufft nicht Uebhafter Beifall), uns ist es ernst mit den Vorberitungen, die wir zum Kampf getroffen haben.(Dielfaches Bravo!) Wir haben sie getroffen in Gemeinschaft mit allen unseren Klassengenossen in den Gewerkschaften und in der USP.(Stürmischer Beifall.) Wir gehen oem Kampf nicht aus deme Wege, wir haben ihn vorbereitet, well uns keine andere Wahl blieb. Wir sind als Sozialdemokraten Fanatiker der Gewaltlosigkeit, wir wissen aber auch, der Gewalt den geschlossenen Willen der Arbeiterschaft entgegenzu- stellen.(Bravo !) Die von uns getroffenen Maßregeln machen jede reaktionäre Regierung in Bayern auch auf kurze Frist zur Unmög- lichkeit.(Lebhaste, anhaltende große Bewegung.) Die.Deutsche Tageszeitung" mag weiter schreiben, daß gewissenlose Partei- sekrctäre au» Berlin in Nürnberg die ruhige und friedliche Deoölke- rung aufzuregen und die Revolution vorzubereiten versucht hätten. Gewissenlosigkeit ist allein auf jener Seiter Die bayerischen Arbeiter mögen sicher sein: Der Kampf, den sie auszufechten haben, ist unser K a m ps.(Allseitige Zustimmung.) Wir werden den Kampf führen, dessen Gefahren wir kennen und von dem wir die Wunden voraus» sehen, die er dem deutschen Wirtschaftsleben schlagen kann, mit eiser» ncm Willen und unbeuosamer Entschlossenheit, alle zusammen zum Schutz der Republik.(Minutenlanger stürmischer Beifall de» Partei - tags und der Tribünen.) Wridemann-Insterburg : Nicht nur Bayern und Oberschlesien , sondern auch Ostpreußen ist ein Gefahrenherd der Reaktion. Auch hier war es höchste Zeit, den Belagerungszustand aufzuheben und die Entwaffnung und Auflösung der Einwohnerwehren durch- zuführen. Auch die Genossen in Ostpreußen werden auf dem Posten sein.(Beifall.) Mit Rücksicht auf die tiefe Erregung, welche die letzten Erklä» rungen auf dem Parteitag hervorgerufen haben und die ein normale» Interesse für die anderen Beratunqsgegenständr ousscklie't> s der Vorsitzende Wels die Verhandlung um 57L Uhr vorzeitig ab. Die Debatte wird morgen fortgesetzt.
Sozkaiististber tvahlsiea in Schweöen. Stockholm , 21. September. (EP.) Bei den Reichstag»- wählen in Schweden wurden bisher 25 Sozialdemokra- t e n. 14 Sonservalloe und 6 Liberale gewählt, außerdem 4 vom Bauernbund. Die Sozialdemokralen haben bisher 5 neu« Sitz« erhasten, und zwar 4 von den Sonservaliven und einen von den Ll- beralra. Alan rechnet damit, daß dl« Sozialdemokraten ln Stock- Holm S Sitze, d. h. die Hälfte von den Mandaten der Hauptstadt er- o'oern werden. 6» scheint, daß eine sozialistische Regie- rung aus den Wahlen hervorgehen wird.
tzarüings flbrüftunysprogramm. London , 21. September. (WTB.) Reuter meldet aus Washing » ton, daß der Programmentwurs der Regierung für die Ab- rüstungslonferenz den Teilnehmern der Konferenz über- mittelt wurde. Den in Frage kommenden Mächten wurde mitgeteilt, daß das Programm im wesentlichen nur Anregungen enthält und daß es Abänderungs- und Zusatzanträgen unterworfen ist. Da» Programm enthält folgende Punkte: 1. Beschränkung der Rüstungen zur See und Ausführungsbestimmungen, 2. Kontrollbestimmungen für die neuen Regeln der Kriegsführung. 3. Beschränkung der Rüstungen zu Lande, 4. Fragen betreffend China , 5. Fragen be- treffend Sibirien und gleichartige China betreffende Fragen, 8. die Mandate über die Inseln. Heute» erfährt, daß das Programm tn gut unterrichteten
Scheiüemann über öe GSrllh, 21. September. (Eigener Drahtbericht des„Vorwärts".) Genosse Scheidemann sprach heute abend in der Stadthalle in einer großen öffentlichen Versammlung über die politische Lage. Er wider- legte die Dolchstoß-Legende. Die Friedenssabotage während des Krieges hat den gegnerischen Mächten die Schuldpropaganda er- leichtert und das Versailler Diktat ermöglicht. Dieses Diktat ist ein Wert blinden Hasses. Es ist eine Schmach und Schande, daß man tausende schwarzer Analphabeten im Lande hält, für die wir Mil- liarden Unterhaltungskosten bezahlen müssen, statt damit die Re- parationen abtragen zu können. Nach der Annahme des Versailler Vertrages und des Ultimatums besteht für alle die Pflicht, auf die Erfüllung hinzuarbeiten, bis die Revision erreicht worden ist. Die Arbeit der Erfüllung setzt geordnete Verhältnisse in der Republik voraus. Es ist notwendig, daß sich das ganze Volk auf den Boden der Verfassung stellt. Was die kommunistischen Putsche dem deutschen Volk geschadet haben, kann kaum wieder gut- gemacht werden. Aber jetzt steht der Feind rechts. Die Hetze gegen die Republik und ihre Einrichtungen ist immer dreister geworden. Die Reichsfahne hieß nur noch Reichsschmutz-, Schmach-, Jammer- und Iudenlappen. Monarchistische Feste werden veran- staltet, der letzte Kaiser immer häufiger antelegraphiert. Es ist über- flüssig, die Beschimpfungen und Verleumdungen, die man gegen die Republik und die Vertreter der republikanisch-demokratischen Staats- form gerichtet hat, zu wiederholen. Der Reichskanzler hat nach der Ermordung Erzbergers ein Gesetz zum Schutz gegen persönliche Verleumdungen und Ehrabschneidereien in Aussicht gestellt. Es ist höchst« Zeit, daß die Subjekte, die ehrlichen Leute die Ehre be- sudeln, hinter Schloß und Riegel gesetzt werden. Wir müssen die Republik mit allen Mitteln, die uns dazu geeignet erscheinen, schützen, weil sonst das Schicksal unseres Landes jedem Abenteurer, der einen Haufen Landsknechte zufammenbringt, ausgeliefert wäre. Die schwersten Beleidigungen des Reichspräsidenten und republikanischer Minister stnd mit lächerlich geringen Geldstrafen qeahndet worden. Aufforderungen zum Mord wurden mit 1000 M. Geldstrafe gesühnt. Hirschfeld, der auf Erzberger geschossen hatte, wurde aus der Haft beurlaubt. Dem Dichter und Landtagsabgeordneten Toller, einem Idealisten und talentierten Schrifffteller, wurde im Gefängnis das Schreiben verboten. Die Richter müssen sich loyal auf den Boden der Verfassung stellen oder, wenn sie das nicht tun können, ihren Abschied nehmen. Wenn die Republik ihre Rechtsprechung man- archistisch gesinnten Richtern anvertrauen sollte, so wäre das ebenso unverantwortlich, als wenn in der republikanischen Reichswehr monarchistische Offiziere, Freunde der Herren Kapp und Ludendorfs, wirken wollten. Der jeweilige Reichswehr - minister hat die Macht, gründlich auszukehren. Schwierigkeiten haben aber immer nur die Offiziere und Unteroffiziere, die sich offen zur Republik bekennen. Ztn Relchswehrmlnisterimn wimmelt es von Zungen Lenken Ludendorffs- Sämtliche Offiziere der ehemaligen OHL. stnd dort, die jederzeit be- reit stnd, den Willen ihres Herrn u. d Meisters zu vollziehen. Der Zustlzminister kann Richter nicht abse'-en, aber er kann sie versetzen. Warum macht er davon keinen Gebrauch? An die Spitze alles dessen, was zur Sicherung der Republik geschehen muß, ist die Forderung zu stellen an die sozialistische und demokratische Arbeiter- schaft zur geschlossenen Front gegen die Reaktion.(Beifall.) Alle anderen Maßnahmen setzen voraus, daß im Reiche und in den ein- zelnen Gliedstaaten Regierungen gebildet werden, deren Mitglieder nur aus solchen Parteien bestehen dürfen, die die Verfassung anerkennen, und die bereit sind, zu ihrem Schutz alle Macht- mittel de» Staates in Anwendung zu bringen. Hier gilt das, was schon auf dem Parteitage gesagt wurde:„Immer wieder muß be» tont werden, daß es sich bei einer jeden Koalitionsregierung nicht um eine Gesinnung»-, sondern um eine Arbeitsgemeinschaft handelt."(Lebhafte Zusimmung.) Ob allerdings die Deutsche Boltspartei unter den gegebenen Umständen für eine neue
brittfchen Kreisen nicht als irgendwie bemerkenswerte Förderung der ln Frage kommenden Punkte betrachtet wird, da die der Erörterung unterliegenden Fragen insgesamt zu unbestimmt gefaßt seien. E» mache sich in gewissen Kreisen starker Widerspruch gegen eine Erörterung der Landrüstungen geltend und es fei zweifelhaft, ob dieser Punkt zur Erörterung kommen werde.
Saron Ungern-Sternberg erschossen. Moskau . 21. September. (Vena.) Die Sowjetregle- ruug gibt bekannt: In Nowonikolajewjk hat eine öffentliche Gerichtsverhandlung gegen den weißgardtstlfchen Führer Baron Augern stattgefunden. Der Gerichtsverhandlung wohnten lausende von Arbeitern und Soldaten der Roten Armee bei. varoa Ungern wurde zum Tode verurteilt. Das llrkeil ist voll- zogeu worden. Die Anklage wurde gegen ihn erhoben: 1. wegen Uuterstühuoz und Durchführung der räuberischen Pläne Zapan» gegen die Sowjetrepublik, 2. wegen der Bor- bereitung zum Sturze der Sowjetmacht und zur Er- richtung der Monarchie in Sibirien unter Mckzael Ro- manow, Z. wegen des Massenmorde» an russischen Bauern und Arbeitern in Sibirien , wegen der Ermordung chi- nesischer Revolutionäre.
Da» Maskenverleihgeschäft der Frontkämpfer. Zu dieser Notiz In Nr.<03 unseres Blattes sendet un» der Rechtsbeistand des Herrn Louis Behrendt folgende Berichtigung: Die Angaben des Verhafteten Erich Poetke, daß er die von ihm bei der Verhaftung getragenen Orden und Waffen in meinem Geschält entliehen habe, daß es dort auch Uniformen der Schutzpolizei in Masse zu leihen gäbe und daß dort auch Hunderte von Gewehren, Modell 98, und Karabinern lagerten, sind unwahr. Richtig ist vielmehr, daß in meinem Ge- fchäft nur Militäruniformen, also keine Polizeiuniformen, und nur veraltete, zu Kampfzwccken untaugliche, nicht abgabepflichtige Waffen, mithin auch keine Orden, verkauft und oer» llehen werden. Daß ich solche Uniformen und Waffen zwecks Per- kauf» und Verleihung besitze, weiß die Polizei. Hierzu be- rechtigt mich auch die mir erteilte Großhandeleerlaubnis. Eine be- reit» früher auf Grund falscher Anzeige in meinem Geschäft oorge- nommen« Durchsuchung führte nur zu dem Ergebnis, daß sich der Polizeipräsident von Berlin mir gegenüber wegen ihrer irrtümlichen Vornahm« schriftlich entschuldigte.
Wictfdyaft Holüsteuern für die Lanöwlrtschast. Ganz gleich, wie die Beratung über die Kredithilfe der Unter- nehmerverbände verlaufen wird, bleibt immer noch die Frage offen, auf welche Weise die steuerlich« Deckung für die Verzinsung und Tilgung der Goldschuld des Reiches zu suchen ist. Es wurde be- reit» darauf hingewiesen, daß in dem Gedanken der Gold- oder Sachwerterfassung eigentlich zwei Problem« enthalten sind. Das eine lautet: Wie passen wir sämtlich« Steuererttäge, nicht nur Lohn-, Kapitalertrag- und Umsatzsteuer, der Geldentwertung an? — Das geht auf dem Wege der Naturalsteuer oder ihres gleichwertigen Ersatzes: der unmittelbaren Beteiligung des Reiches an sämtlichen Industrie gewinnen(wobei auch die Bezugsrechte, stillen Reserven usw.) in Betracht kommen. Da» ander« Pro»
n Sinn der Koalition. Koalition in Frage kommt, muß erwiesen werden durch das, was diese Partei zu den Mindestforderungen sagt, die wir an jede Partei, mit der wir gemeinsam die Republik schützen und auzbauen wollen, zu stellen hoben. Die Pressedistussion, die sich an die Verhandlungen des Parteitages geknüpft hat, schätzt die Wahrscheinlichkeit der Er- Weiterung der Reichsregierung offenbar nicht richtig ein. Wir müssen wegen des Versailler Diktates phantastische Summen auf- bringen. Keinesfalls aber dürfen wir dem arbeitenden Volk, den Beamten aller Schichten, den kleinen Rentnern usw. weitere Steuer- lasten aufbürden, wenn nicht zuvor dazu gegriffen wird, wo noch wirkliche Werte unangetastet liegen. Ter Stand der Valuta ist geradezu trostlos. Für die plötzliche katastrophale Entwertung der Mark fehlen objektive Gründe. Nicht das Ausland hat den Sturz Herbeigeführt, der Druck ist vom Inland ausgegangen. Verbrecherische Spekulation deutscher Prositjäger hat diesen Sturz verschuldet. Diese haben vor, in und nach dem Kriege oerdient, sie haben in und nach der Revolution ihre Ge- schäfte zu machen verstanden. Auch ihnen muß gründlich das Handwerk gelegt werden. Wenn das Reich feine Berpflich- tungen aus dem Ultimatum erfüllen will, wird es sich ausländische Zahlungsmittel beschaffen müssen. Das ist nun immer schwieriger geworden. Vertreter der Industrie und der Banken haben sich aus eigener Initiative bereit erklärt, fremde Devisen zu beschaffen. Man soll diesen Plan nicht von vornherein abweisen, aber ihn doch mit größter Borsicht behandeln. Das Reich muß sich in seiner Not An- teile au den Erlrägeu der Privatwirtschaft und der Substanz sichern. Aber das wird nur gelingen, wenn wir den inneren Frieden sichern. Zu diesem Grundsatz hat sich die Sozialdemokratie bekannt, seitdem vor drei Iahren die katastrophale Lage des Reiches klar geworden war. Die Demagogen, die gegen das Bersailler Diktat wettern und so tun, als ob wir uns nur zu sträuben brauchten, Steuern zu zahlen, und als ob dann alles in Ordnung wäre, treiben eine Politik der Gewissenlosigkeit. Es ist die Politik des 7 Luges und Truges.(Zustimmung.) Zum hundertsten Male muß man die Reaktionäre fragen, wie sie das durch ihre Politik ins Un- glück gestürzte Bolk wieder ftei machen wollen, wenn nicht durch den ernsthaftesten Versuch der Erfüllung des Friedensvertrages bis zu seiner Revision. Sonst gibt es nur ein Mittel, den Krieg gegen die Entente.(Sehr richtig!) Dann müßten die Hcrgt, Helfferich, Wxstarp und Genossen mit hölzerneu Säbelo uud Schaukelpferden ins Feld ziehen.(Große Heiterkeit.) Die Politik der Deutschnatio- nalen ist die Politik der Gewissenlosigkeit, die Politik des Wahn- stnes.(Lebhafte Zustimmung.) Unverantwortlicher als die deutsch - nattonale Politik jetzt getrieben wird, könnte sie auch nicht sein, wenn st« von den Herren Ehrhardt und Bauer, den Freunden des Münchener Polizeipräsidenten P 0 e b n e r, selbst geleitet würde. (Sehr richtig!) Der Kampf wird schwer sein, aber er wird durch- geführt werden müssen bis zur endgültigen Nicderringung der Ne- aktion. Auf der anderen Seite stehen die Riesensummen der Schieber und«notleidenden" Großgrundbesitzer, der Kriegsgcwinn- l«r- stehen die Kohr, Poehner, Bauer, Ludendorff, die Klonte, Killinger, stehen die in und bei München verschanzten Reste der Brigade Ehrhardt einschließlich der Beschützer der Hirichfeld,«reo, Schulz und Tillessen und alle werden sie kämpfen für die„gute alte Zeit" mit ihren Dorrechten für die Junker und den Besitz, für die Wiederherstellung der Monarchie. Auf unserer. Seite aber wird alles kämpfen, was die Demokratie und die Republik retten und schützen will, was das gleiche Recht für alle verankern will, das niemals wieder«in Stück davon verloren gehen kann.(Stürmischer Beifall.) Für un» heißt es aus alle Fälle bereit sein für die große Abrechnung mit der Reaktion unter der Parole:„Für die Republik , gegen die Reaktion! Für Demokratie und Sozialismus, gegen die Ausplüuderer des Volke», für gleiches Recht und gegen Weuchel- mord!"(Stürmischer langanhaltender Beifall.)
blem geht von der Grundtatsache au-, daß aus laufenden Steuern da» Ulttmatum nicht gedeckt werden kann. Es lautet also dahin: Wie erhält da» Reich nicht nur Ueberschüsse aus dem Ertrag von Produktionsmitteln, sondern auch Teile der Dermögenssubstanz. Hier müßte also das Reich auf irgendeine Weise B e s i tz t i t e l, die Goldwertcharakter tragen, erwerben. Die Vorschläge.hierfür sind oft genug erörtert worden." Es ist nun interessant, daß die L a n d w i r t s ch a f t die Lösung de» ersten Problems, nämlich der laufenden Naturalsteuer, für ihre eigenen Zwecke bereits gefunden hat. Der„Reichs-Landbnnd" berichtet hierzu: Roggen- stakt Gridwährung. Nuf dem Kreisvertretertag des Pommerschen Land- b u n d e s am 31. August unterbreitete der Bundesvorstand den Ber» tretern den Vorschlag, für das nächste- Wirtschaftsjahr die Einziehung der Beiträge für den Pommerschen Landbund in Natural- werten vorzunehmen. Der Grund liegt in der fortschreitenden Entwertung de» Bargeldes, die es unmöglich macht, einen rich- tigen Voranschlag und Haushaltungsplan auf» zustellen. Es wird beabsichtigt, die Bcrpflichtungen, die die einzelnen Kreisgruppen im nächsten Jahre der Bundesleitung gegen- über auferlegt bekommen, nicht in Geld-, sondern in Rogqemvüßrung auszudrücken. Das Ergebnis war die grundsätzliche Villi» ung des Prinzips der Roggenwährung und der Auftrag an das irettorium, einen näher ausgearbeiteten Entwurf vorzubereiten. Die Gründe, die für die Roggrnwährung geltend gemacht werden» treffen ohne jede Einschränkung auch für den Haushalt de» Reiches zu. Es wäre schon ein ganz schöner Schritt zur Gesundung der deutschen SteucrverhälMisse, wenn, was wir hoffen, nunmehr der Neichsoerband der deutschen Landwirtschaft auch im vorläufigen Reichswirtschaftsrat den Gedanken der Naturalsteuer für die Landwirtschaft zum Siege oerhelfen würde. Als Tatsache verdient jedenfalls vermerkt zu«erden, daß— nachdem die Industrie von sich au» die Verpfändung von Substanz deutschen Volksvermögens für Reparationszwecke in ihrem Anleihe- Vorschlag anerkannt hat— nunmehr beide sachlichen Forderungen auf Heranziehung der Goldwerte durch die Praxis als rich- tig bestätigt sind. Die K r c d i t a k> i 0 n der deutschen Unternehmerverbände zur Beschaffung der für die nächste Zeit erforderliche» Golddevisen hat in den letzten Tagen insofern einen weiteren Fortschritt gemacht, als die beteiligten industriellen und finanziellen Kreise unter sich einen Ausschuß gebildet haben, dem eine Reihe hervorragender Person. lichkeiten der industriellen und finanziellen Welt angehören, mit dem t wecke, die genauen Einzelheiten für die Durchführung der geplanten ktion- ausarbeiten. Man will abwarten, bis die Kom- Mission die ihr zuteil gewordene Aufgabe erledigt hat, um dann mit dem fertigen Plan vor die Regierung zu treten. Gründung einer Gesellschaft zur Radiumoerwertuug. In Prag wurde die tschechische Gesellschaft zur Radiumverwertung aegründet, deren Kapital zur Hälfte vom tschechoslowakischen Staate und zur anderen Hälfte von der englischen Imperial and Foreign Office Corporation Ltd.(Vorsitzender B a l f 0 u r) aufgebracht wurde. Der tschechoslowakische Staat ist bekanntlich Eigen- tümer der Radiumgruben in Ioachimsthal, welche bis Ende dieses Jahres fünf Gramm des äußerst'seltenen Stoffes erzeugt haben werden. Bon diesen fünf Gramm überläßt der Staat 3,4 Gramm der neuen Gesellschaft, welche sie zu Leihzwecken verwenden wird. Die Gesellschaft will eine Wettorganisation gründen und die Verleihung von Radium, namentlich zu medizinischen Zwecken, in großem Etile ermöglichen.