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mantelvertrag nicht anerkannt sei. Daß er die Wahrheit hierbei sehr stark umgebogen hat, braucht kaum erwähnl zu werden, er hatte dabei aber noch ein besonderes Malheur. Von den Arbeitgeberverbänden, die er als ablehnend ver- zeichnete, hatten viele schon damals und fast der ganze Rest seither den Reichsmanteloertrag und den auf Grund desselben errichteten Landestarif- vertrag angenommen. Augenblicklich ist der Reichs- mantelvertrag für etwa ISO OOV Arbeiter in ganz Deutschland anerkannt. Das ist der weitaus größte Teil der Tischler, für die er im wesentlichen nur in Betracht kommt. Neben Berlin beharren nur noch wenige, minder bedeutende Orte im Widerstand, der auch bald überwunden sein wird. Und in Berlin selbst steht die Sache für Paeth auch schon recht kritisch. Zurzeit stehen noch etwa 8500 Ar- beiter im Streik. Dabei sind die Ausgesperrten mit eingerechnet. Nach einem Befehl des Herrn Paeth sollte der Streik mit einer allgemeinen Aussperrung beantwortet werden. Das hatte zur Folge, daß wohlgezählte' 179 Mann aus» gesperrt wurden; weiter reichte die Kraft nicht. In e t w a 450 Betrieben haben die Unternehmer den Reichs- mantelvertrag und das Lohnabkommen anerkannt; in diesen Betrieben arbeiten etwa 5000 Tischler. In der vorigen Woche hat der S ch l i ch t u n g s a u s- sch u ß einen vergeblichen Verständigungsversuch unter- nommen. In seiner Entscheidung hat er den Partelen aufge- geben, sich wegen des Reichsmantelvertrages direkt zu ver- erwiesen sich die Differenzen doch vorerst als unüberwindlich zu sein scheinen". Da Herr Paeth auf feinem Kopf beharrte, ermiesen sich die Differenzen do chvorerst als unüberwindlich und auch die direkten Verhandlungen blieben r e s u l t a t l o s. Nunmehr hat das Reichsarbeits- m inisterium den Parteien seine guten Dienste angeboten. Selbstverständlich sind die Arbeiter jederzeit zu Verhandlungen bereit, ob es aber möglich sein wird, den Streik jetzt zum Ab- schluß zu bringen, muß abgewartet werden.

Organisierte tzetze gegen wirth. In den letzten Tagen flackerte in der Presse hie und da, aber immer häufiger mancherlei an Angriffen gegen den Reichskanzler Dr. Wirth empor. Nunmehr haben sich die An- griffe verdichtet: sie beginnen eine gewisse einheilliche Führung zu zeigen. Beachtenswert erscheint uns dabei, daß die Gegner Wirths zum Teil recht weit ausholen; sogar auf dem Umweg über die ausländische Presse zieht man gegen ihn los. In nationalistischen Kreisen scheint zurzeit im besonderen die Pa- riser Hetzpresse einiges Ansehen zu genießen. Man erinnere sich nur, daß Ludendorff denMatin" als Verteidiger seiner Politik benutzte. Ein Teil der Angriffe gegen Wirth erschöpft sich in den üblichen nationalistischen Schmutzereien. Sie sind in so wüsten Mengen üblich geworden, daß dieG c r m a n i a" sich heute gezwungen sieht, in einem ausführlichen Leitartikel darauf einzugehen. Es wird da der Kern aller Gründe, die zum An- griff gegen den Reichskanzler dienen, deutlich umrissen: die Politik der Erfüllung und der Versöhnung ist nicht populär, weil sie innere und äußere Opfer fordert. Wer sie heischen muß, wird verdammt. Es wird offen dar­auf hingewiesen, daß die Deutschnationalen die Angreifer sind, daß die Volksparteiler gedämpft sekundieren; die Mittelpar- teien parieren lahm oder schweigen. " Wie ernst im Zentrumskreisen die Angriffe gegen Wirth angesehen werden, das beweist, daß der P r o v i n z i a l a u s- schuh der rheinischen Zentrumspartei die Auf- merkfamkeit seiner Parteiangehörigen auf den fanatischen An- stürm gegen den Reichskanzler hinlenkt. Man sagt, die An- griffe träfen nicht nur Wirth persönlich, sie seien auch a u f d i e Zentrumspartei selbst gemünzt. Deswegen sei es notwendig, daß die Zentrumspartri als Ganzes den Kampf für ihren Kanzler aufnehmen und entschlossen durchführen müsse. DieTägliche Rundschau", die nach dem Austritt Ripplers nicht mehr 50prozentig deutlchvolksparteilich, sondern heute

schon zu 75 Proz. deutschnational ist man steigt mit dem Dollar bringt heute morgen ebenfalls einen Leitartikel unter der Ueberfchrift:Wirths Ende", der beweist, wie recht dieGermania " mit ihren Warnrufen hat. DieTägliche Rundschau" führt ihren Kampf gegen den Kanzler im Grunde genommen nur mit zwei Behauptungen. Die eine geht darauf hinaus, daß die Sozioldemokra- tie gegen Wirth Sturm laufei Wir sind gern be- reit, unsern Gegnern, wenn sie über unsere Absichten streiten. mildernde Umbände im Umfang des entsprechenden Para- graphen des Strafgesetzbuches zuzubilligen. Das entbindet uns aber nicht von der Pflicht, auf ihre Tätigkeit aufmerksam zu machen. Wir können deswegen nur betonen, daß in der Sozialdemokratie Bestrebungen, Herrn Wirth zu stürzen, nicht vorhanden sind. Im Gegenteil, die Feindschaft, der der Reichskanzler durch die Deutschnationalen für würdig besun- den worden ist, kann ihn uns nur sympathischer machen. Die andere Behauptung spitzt sich daraus zu, daß die Franzosen an einem System Wirth-Brcitscheid einschließlich Georg Bern- hard arbeiten, während die Engländer auf eines Marke Strese- mann-Stinnes Hinansgingen. In den englischen Kombinatio- nen sei der Sturz von Wirth etwas Selbstverständliches. Der Wille sei nach dieser Richtung hin so eindeutig, daß sogar Frankreich schon von Wirth abrücke, um sich freie Hand zu sichern. Wir sind der Auffaffung, daß das Ausland, soweit ihm überhaupt ein Recht zusteht, sich um innerpolitische Angelegen- Helten zu kümmern, nur e i n Interesse hat, und das ist, in Deutschland eine Regierung am Ruder zu sehen, die den ehr- lichenWillenzurErfüllungdesFriedensver- träges oerbürgt. Das ist das Reichskabinett Wirth. Der Wunsch ist bei all diesen Aeußerungen der Vater des Gedankens. Man behauptet, daß die Sozialdemokratie, daß Stegerwald, Stresemann, die Engländer und die Franzosen gegen Wirth seien und daß man sich nur dem Druck dieser vereinten Macht beuge, wenn man Wirths Ende verlange. Tat- sächlich ist es aber so, daß nicht einflußlose Kreise in Deutsch - land die Energie des Reichskanzlers Wirth unbehaglich finden. Deswegen die Hetze, die mit den üblichen schmutzigen Mitteln geführt wird.__ Die Münchener Rechtsputschyefahr. Zllünchen. 22. September. (Eigener Drahtbericht desDono.".) Die programmatische Erklärung des neuen Ministerpräsidenteneine gut bayerische Politik in treuer und unentwegter Anhänglich- keitandasReich" führen zu wollen, sowie die Tatsache, daß der rechtsradikale Flügel in Opposition» st ellung gegen den neuen Ministerpräsidenten getreten ist, kennzeichnen die politische Situation. Die Hast und Eile jedoch, in der sich gestern der Land» tag nach langen Schwankungen zur Wahl des Grafen Lerchenfeld entschlossen hat, muß jedem zu denken geben, der die von Kahr ent- fesselten dunklen Kräfte der Münchener Straße richtig einzuschätzen weiß. Die Landtagsgänge durchschwirrten Gerüchte von dem nakionalsoziallsiischcn putsch. Die Flugblatthetze, die in den Nachmittagsstunden ihren Höhepunkt erreichte, gab dazu allen Anlaß. Man warf die Flugblätter aus der Straßenbahn und aus Auto» unter die Passanten; von erhöhten Stellen auf die Oktober- festwiese. Gestern wurden sogar zweimal von den Frauen- türmen herab Flugblätter geworfen, die alle» bisher Gebotene übertrafen. Die letzten Flugblätter wandten sich nicht mehr gegen die Sozialisten, sondern gegen die Bayerische Dolks- Partei und schlössen mit der Aufforderung: Bayern , in Massen auf die Straße und heraus gegen das Parlament!" Aus der Art dieser Flugblätter merkt man, daß e» sich hierbei nicht mehr nur um antisemitische Hetze der Nationalsozialisten handelte, sondern daß auch jene rechtsradikalen Kreise dahinter standen, deren Gegensatz zur Bayerischen Volkspartei sich immer mehr verschärft hatte. Die Polizei hatte bereits 14 Flugblattverteiler verhaftet, die alle Mitglieder der Nationalsozia- li st Ischen Arbeiterpartei waren. Darunter war auch sogar ein Polizeibeamter. Der Führer der Nationalsozialisten Hitler wurde in den Nachmittagsstunden wegen de» Verdachts der Organisierung eines Nechtsputsche» oerhaftet.

Das Treiben der Münchener Rechtsbolschewisten ist nun all» ' mählich ein derartiges geworden, daß selbst dieM ü n ch e n e r Neuesten Nachrichten" sich dagegen wenden. Sie schreiben: Es gilt für alle Zukunft derartige Versuche unmöglich zu machen. Nielleicht wird schon bei der Neusormulierung des Pro- gramms der Koalitionspartcien Gelegenheit lein, einen scharfen Trennungsstrich gegen jene Kreise zu ziehen. Es muh übrigens auch das Gerücht oerzeichnet werden, daß sich die Parteileitung der Deutschnationalen Dolkspartei im Reich veran- laßt gesehen hat. ihre bayerischen parkeigenossev zu mahnen. Während die Blätter der bürgerlichen Mitte die Wahl Lerchen- seid- wie eine Erlösung aus schwerem Druck begrüßen, nehmen die Organe der neuen Rechtsopposition die Wahl mit der üblichen Schimpfkanonade auf. DieMünchen-Augsburger Abend- zeiwng" sagt: Berlin hat einen Sieg errungen. Dasselbe Berlin , das in München Agenten zur Ueberwachung der baye- rischen Behörden bezahlt. Nielleicht ist schon Wirth großmütiger und läßt jetzt über den§ 4 mit sich reden." DasMiesbacher Tageblatt" aber ruft offen zur Trennung vom Reich auf:. Bayern ist verraten und verkauft, in erster Lim« von der Rechtszentrumspartei. Wenn der Bolschewismus in Norddeutschland kommt, so werden wir mitersticken. wenn wir un» nicht freimachen, vollständig frei vom Zentrum und vom Reich." Gras Lerchenfeld wird hoffentlich die richtige Festigung mit» bringen, mit der er die legalen und illegalen Führer des bayerischen Brandherdes unschädlich machen kann. In diesem Streben wird er sicherlich die bayerischen Sozialdemokraten hinter sich haben. Im übrigen legt die Sozialdemokratische Partei Wert darauf, fest- zustellen, daß sie nicht den geringsten Schritt zum Eintritt in di« bayerische Regierung unternommen hat und daß gegenteilige Be- hauptungen frei erfunden sind. Antrag auf Haftentlaffung McherS. München , 22. September. (TU.) Die Unabhängigen haben im Landtage einen Antrag auf sofortige Hastentlassung de» zu 1 Jahr und Z Monaten Festungshaft oerurteilten Abgeordneten Fischer-Rürnberg eingebracht. Der Antrag steht bereits aus der Ta. gesordnung der heutigen Landtagssttzung. München , 22. September. (TU.) Der Staatskommissar für München Stadt und Land hat das Derbot der WochenschristHer- Mailand" heute aufgehoben. Luöenöorff unü Sauerwem. Herr Ludendorsf hat dem Sonderberilbterstatter de< .Malin" Saue rwein ein längeres Interview gewährt,«l« Dr. Simone als Reicheaußenminister und kürzlich noch Dr. Grad» naner Unterredungen einem ,Motin"-Berichterstatter gewährt hatten, konnte sich die gesamte deulschnationale Press« nicht lebhaft genug darüber entrüsten. Wo« wird sie nun dazu sagen, daß der Nationalbeld sich mit dem Vertreter de« Pariser Hetzblattes ein- gelassen hat? Ueber den Inhalt der Unterredung ist nicht viel zu sagen. Ludendorff erklärte einen deutschen Revanchelrieg lür in absehbarer Zeit vom technisch. militärischen Elandpimk« voll» kommen unmöglich. Wozu dann der große Rummel der .Frontkämpiertage" und ähnlichen Scherze, bei denen.aus de» Tag" feierlich-drohend hingewiesen wird? Ludrndoiss bestritt ferner, irgendeine politische Tätigkeit in Bayern entfaltet zu haben. DaS erinnert an die Verlogenheit gewisser von ihm ge» zeichneten Generalftabkberichte. Er sprach von der Notwendigkeit, daß sich Frnnkreich. England und Denrschland die Hände reichen, um das WirtichaflSIeben auf der Grundlage wirtlicher Abmachungen wiederaufzubauen. Auf einmal? Uns fcheinl Herr Ludendorff reif für die Kugel der Ehrhardt-Helden, denn bekannt« lich macht man in den Freikorps mit den Verrätern kurzen Prozeß. Eine ander« Frage ist allerding«, ob wir den neuesten Ludendorff - schen Erllärnngen auch nur ein Wort glauben. Verminderung de» Landheere» ln Amerika. Mit dem gestrigen Tage hat das ameriöanffchs Kviegsgepartement die Herab- setzung der amerikanefchen Heeres st ärke angeordnet, damit die vom Kongreß bewilligte Gosämtziffer von 150 000 Mann nicht überschritten werde._

MsthieöskMMte.

Strauß, Lecsey, Hubermann, Ney. Stunde de» Kommens wür's. Statt dessen: zum Abschied- nlchmen just das rechte Wetter. Auch dies ist ein bedenkliches Zeit- symptom, daß die Koryphäen der Kunst heuer die Saison einleiten, um da» Konzert sofort aus einen Gipfel zu führen. Sie ruhen nicht mehr aus, geben mit flatternder Fahne das Signal, lassen für die mittleren und kleinen Musikexistenzen ein betrübtes Nach- sinnen und beschwören für kurze Zeit schon die Stimmung des Ab- gleiten» von der Höhe. Beinahe unsozial. Aber das waren und sind die Aristokraten der Musik immer. Wer den großen Nuf(nach Amerika ) vernommen, mische seinen Jubel ein. Wir werden bald nach Künstlern von besonderen Ausmaßen suchen müssen, die vom Wesen deutscher Kunst innerhalb der deutsch -republikanischen Grenzen zu erzählen wissen. Vorläufig freuen wir uns des letzten Winken» aller Größen vor dem Abschied. Da steht Richard Strauß , dem die Welt gehört, und der darum ein Heimatloser sein muß, die bisher un- wegsamste und fruchtbringendste Musikkapazität seit Wagner, be- stimmt, deutsche» Können und Schaffen am eindringlichsten zu er- weisen, wohin immer sein Weg ihn führt. Er legt uns Herz und Sehnsucht zum Abschied frei. Nicht nur Mozart feiert sein liebe- voller Mem, sondern er betreut daneben zwei Werke seiner Jugend und Manneshöhe, die ein Aschenbrödeldasein führen und doch so viel Funken schillernder, ungezähmter Geistigkeit aufglühen lassen, daß der ganze Sinfoniker und Orchestermagier Strauß schlagartig beleuchtet scheint: Burleske undZ a r n t h u lt r a". Hier sind die Höhepunkte des ganzen festlichen Konzerts. Wie Elly N e y den kapriziösen Launen, den Spielereien und Keckheiten dieses Wechsel- spiels zwischen Klavier, Pauke und Fagott nachgeht, wie sie die außerordentlichen Schwierigkeiten und Ungezogenheiten einer nur nebenbei von Vrahms gestreiften Melodik und Rhythmik«igen- artig herauszaubert, das ist Virtuosität ersten Ranges. Daß sie zu Mozart Fühlung hätte, möchte man ver neynen. Zuviel der kalten Noten, zu nichtig der Ton. zu wenig gesponnen die Kan- tilene. Auch Strauß ist bei der Ivpitersinfonie, die ein gar mos- sives Orchester erdrückt, noch nicht Herr seiner Liebe. Kein packen- der Eindruck. Gewaltig aber, wie.Zarathustra " heute zu un» spricht, wie ihm nach 23 Iahren Auferstehung wird unter der Hand seines Meisters. Was«inst radikal klang, ist jetzt Erlebnisklang expressionistischen Fühlenv, wa» episodisch Schien, wird zum folge- richtigen sinfonischen Aufstieg, wenn auch mit starken textlichen Gliederungen. Ihr hört ein Schicksal und fühlt einen hymnischen Auffchwung. Weit ab von Philosophie und Programm schwingt sich ein Künstler zu weiser Höhe. Strauß und seine Philharmoniker hielten uns gefangen und gebannt. In der Skala, die mehr an Tönen oerschlingt als verschenkt, und deren Ausmaße dem Solistenhim Schranken setzen, wandelt B« c s e y den Sonntag zum doppelten Festtag. Was ist ihm der Kampf gegen

eine akustische Ungunst, wa« die Grobheit eine» sachlich guten Or- chesters, dem es abgeht, schleierhafter Hintergrund, echozartes Be- gleitinstrument zu sein! Nicht um«in« Nuance ändert er sein Wesen, den Bogendruck, den Respekt vor einem Stil, den Wohllaut des Cingens, die esfektlos« Durchgeistigung die zwingend und daher schon selbstverständlich und unerhört wird. Seit Iahren an der Spitz« aller Geigenmeister, hält er den brennenden Knauo fest. Im Mittelpunkt des Bachschen lc-Dur-Konzert, hört ihr hinter dem adligen Fluten de» satten Ton» kaum, wie schlecht die vordringlichen Cellisten phrasieren; bei Brahm» hat der sehr geschickt taktierende Meyer-Radon auch widerspenstige» Material fest in der Hand; den- noch bleibt letzte iireude, Geheimnisse eines Stradivarius-Holzes im ftei kadenzierendem Spiel bewundern zu können und schließlich nach einem Gesang voller Inbrunst dem Zigeuner lauschen zu dürfen. Diesen Abgesang möchte man keinem gönnen und keinem die Träne, die da hochsteigt. Noch einmal will Becsey zum Abschied singen auf der Geige: gehet hin und danket ihm. dem Joachim» Kuß auf der Stirne glüht! Dasselbe Brahms -Konzert hat einst Hubermann berühmt gemacht. Er geht an ihm vorbei, da er es ohne Orchester nicht vor- tragen mag. Warum aber Tschaikowsky mit Klavierbegleitung? Warum Beethovens süße Salonromanze, warum im großen Saal Schumanns ll>-Moll-Sonate? Wolffn ihr horcht: das letzte an Ge- ichmack und Kultur scheint unentwickelt oder zurückgestellt. Wieviel kann auch dieser sinnlich tönende Hexenmeister, wie viele» bleibt den- noch dem virtuosen unerfchloffenl Paul Frenke! ist, wenn es das überhaupt gibt, ein trefflicher Orcheftererfatz, sicher ein höchst musi- kalischcr Portner. Und wie die beiden sich In dem Harfenklang des langsamen, im Feuer des letzten Echumann-Satzes zusammenfanden, da» war schon reif« Kunst. Nur ein» wollt« nicht durchdringen: der Schmerz und die Liebe und die beglückende Trän«. Nebenan zeigt Miecyslaw Münz seine Bereitschaft zum Auf- stieg. Noch ein wenig ohne individuelle Zeichnung, mehr obsektiv als persönlich zwingend schreitet er Pr�lude, Arie, Finale Ecsar Franck» ab. Wo aber so viel Sicherheit im Anschlag, klug aus- gleichend« Empfindung waltet, da ist kein Weg verschlossen. Im Llszt-Spiel scheint Offenbarung zu werden, was noch akademisch an der Leistung de» jungen Spieler» mit Andacht der Sinne ringt. Eine Hoffnung, eine Jugend, ein Emporschreiten. Auch Jenny S o n n e n b« r g ist zu begrüßen. Eine seelenvolle, ausgesprochen schöne Stimm«, deren satte» Timbre Im Obr bleibt. F'ach nur die Alttön«. Mit viel Geschmack lebt sie sich in russischen Liedern aus und ihr Temperament entzündet sich an italienischer So"ne. Ein« feine, wertvolle Podiumkraft. Kurt Singer .

Künstlicher SNcksioff. Zum ersten Male, feit die deutsche

Furchtbarkeit alle jemals in Deutschland voraekommenen Explosionen übertrifft. Di« eigentliche Ursache der Katastrophe ist noch nicht ge- klärt. Der in Oppau nach dem Haderschen Verfahren gewonnene

Ammoniatsiickstoff bildet an sich keinen explosiblen Stoff. Bisher sind in den deutschen Stickstossabriken, weder in Ludwigshafen und Oppau, noch in den noch viel größeren, bei Merseburg gelegenen Leuna -Werken, nennenswerte Betriebsunfälle vorgekommen. Das Habersche Verfahren der synthetischen Ammoniatstickstoff- gewinnung beruht auf dem Prinzip der unmittelbaren Vereinigung von Stickstoff und Wasserstoff. Diese Vereinigung ist nur unter sehr hohem Druck und bei außerordentlich hohen Temperaturen möglich. Das Gasgemenge von Stickstoff und Wasserstoff wird auf einen Druck von 150 bis 230 Atmosphären gebracht und in Umlauf versetzt. Bei dem Umlauf passiert das Gasgemisch ein« Kammer, in der ein Bruchteil von mehreren Prozenten Ammoniak verwandelt wird, und «in« Waschoorrichtung, die das entstehende Ammoniak entfernt. Hin- ter der Waschvorrichtung geht der Gasstrom nach Zuführung neuer Mengen der Gasmis.'iung wieder in di« Umsatzkammer zurück. Der Vorgang erzeugt sich in der Umsatzkammer sclbst die Temperatur von ungefähr 500 600 Grad Eelsius, deren er bedarf. Das au» der Umsatzkammer abziehende Gas teilt diese Temperatur dem zutreten- den Gas mit, so daß eine äußere Wörmezufuhr nicht in Betracht kommt. Aus dem Ammoniakwasser erhält man dos schwefelsaure Ammoniak in besonder» einfacher Weise. Man braucht es dann nur einzudampfen, um es handelsfertig zu machen. Haber gelang es, den Prozeß der Berein! zung von Stickstoff und Wasserstoff dadurch zu beschleunigen, daß er mit sogenannten Katalysatoren arbeitet«, d. h. da» Gemisch über fein verteilte Metalle gehen ließ. Der gewaltig« Umfang der svnthetifchen Stickstofferzeugung, die ihren größten Impuls durch den Krieg, zur Erzeugung von Spreng- stoffen, erhalten hat, macht heut« die Einfuhr von Ebilefalpeter. von dem im Jahre 1918 last 800 000 Tonnen nach Deuffchland verschifft wurden, völlig überflüssig. Von der ausreichenden Stickstofidünqung de» Bodens hängt das Gedeihen der gesamten Landwirtschait ab, deren Bedarf an künstlichen Düngemeitteln nach dem in den Kriegs- jähren betriebenen Raubbau heute besonder» groß ist. So erfüllt die Industrie der synthetischen Stickstofserzeuaung eine höchst bedeut- iame volkswirtschastliche Ausgab«. Der Rohstoff wird stets in jeder Menge und völlig kostenlos vorbanden sein: denn unsere Atmospbäre besteht zu 80 Prozent an» Stickstoff, und die Stickstoffirenq« der Lust über einem einzigen Quadratkilometer der Erdoberfläche würde aus- reichen, um den gesamten Weltbedarf auf Jahrzehnte zu decken.

MeneS BolkStbeater..Der Sibret nach R u b e- aber .Da« stumme Frauenzimmer", die am Sounabenk'. den 24., zur ersten»ustübrnna gelan'cnde.Uomödl? ist eine freie Bearbeitung der Ep'coene" de« Ben Jansen von Benedikt llachmann. Crin aroher ZlNertumSfund in Zchse'wig-Halstein. Der grzht« »oraelchichtliche Fund, der in Schle4wIz.HoIstein seit der berüdmten Nvdamer AuSarabuna von t«SS aemacht worden ist. winde aus einem steinen Bloor.ruf Wien zutage aesördert. Zu Hunderten lagen bicr Tpe-r» l'annen au« der BölkerwanderungSzei!; serncr nrupl? eine grosit Anzahl riicriier Speer sptzen geboten, ebevlo Spitzen nir« Knochen und verschiedene Holzgeräte, Wie in»Niederlachien- mitgeteilt wird, werden die Funde desto reichbaltlacr und wer«voller, se weiter man gräbt. So lamen mehrere Hol, chUd«»um Vorschein sowie Teile eine« grigeun Boote«.