zu einem nicht unerheblichen Theil außerhalb Berlins in der Provinz, wohnen.
Ginen Kommentar zu dieser eigenartigen Bußtagsfeier im föniglichen Schloß zu schreiben, halten wir, die wir an der Erhaltung des chriftlichen Staates nicht weiter interessirt sind, für überflüssig.
Vielleicht aber befaffen sich einige der jedes in seiner Weife in Kampf für Ordnung, Religion und Sitte" machenden Blätter, wie Kreuz Zeitung "," Bolt" und" Post", mit dieser immerhin ganz interessanten Aufgabe.
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Was für staatstreue Rämpfer für Ordnung, Religion und innerlich erheblich verletzt wurde. Im Laufe des Tages jande Sitte mögen doch die alten und jungen Roués gewesen sein, fünf Brände statt. welche die Ermordete mit so reichen Liebesgaben ausstatten tonnten!
Witterungsübersicht vom 29. November 1894.
Barometer
stand in mm,
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Der unschuldige Hildebrandt. Gegen den wegen seiner Brutalitäten vorläufig zu 9 Monaten Gefängniß verurtheilten Nachtwächter Hildebrandt aus Rigdorf, von welchem vor Stationen. 14 Tagen gemeldet wurde, daß er unmittelbar vor Beginn einer gegen ihn anstehenden Berhandlung vom Moabiter Kriminal gericht aus die Flucht ergriffen habe, war von seiten des GeNeber die Folgen, welche die Abschaffung des bisherigen richtshofes ein Haftbefehl erlassen worden. Letzterer ist aber Swinemünde . Nachtwach wesens mit sich führt, weiß eine Lokal- Korres wieder aufgehoben worden, weil der Vertheidiger des Angeklagten Hamburg spondenz allerhand auszuplaudern. Die Abschaffung der Nacht- den Nachweis geführt haben soll, daß Hildebrandt mit der Ab- Berlin wächter, so heißt es, fängt schon jetzt an, für die Polizei selbst sicht nach dem Kriminalgericht gekommen war, den Termin Wiesbaden . ihre Schatten zu werfen. In erster Linie begrüßt ein viel wahrzunehmen, daß ihm aber unwohl wurde und er es vorzog, München er anderen Tages in den Wien geplagtes Gewerbe, das der Gastwirthe, das Eingehen des Nacht- sich nach Hause zu begeben, wo wachwesens. Der Hausschlüssel des Nachtwächters spielte bisher Beitungen las, daß ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden sei. Haparanda eine große Rolle, insofern die Polizeibeamten durch ihn Zutritt Das Gericht hat nun den Haftbefehl aufgehoben und dafür be- Petersburg auf die Grundstücke erhielten und den Verkehr in den Wirth- schlossen, den kranten Mann, der in seiner Eigenschaft als Be- Cork schaften vom Hofe aus übersehen konnten. Das hört jetzt auf; amter unschuldige Leute so tapfer prügeln fonnte, zu der nächsten Aberdeen Denn die Privatwächter, die den Vortheil der Hauptverhandlung vorführen zu lassen. Hauswirthe im Auge haben, werden sich hüten, der Wie man mit seiner Unschuld Geschäfte macht. Zum Polizei Thür und Thor zu öffnen. Hiernach kann ein Unterschied zwischen Wirthshäusern mit unbeschränkter und unschuldigen Schwanke" heißt die Aufschrift eines großen Schildes mit bunten Lettern, welches der vielgenannte Restaurateur seit solchen mit beschränkter Polizeistunde nur noch der Form nach bestehen. Abgesehen davon, daß der Vortheil manchen ordentlich einigen Tagen vor seinem Lokal in der Dranienburgerstraße begeleiteten Wirthschaften im Hinblick auf die ihnen obliegende feftigt hat. Die Polizei ist jedoch hiermit nicht einverstanden Steuerleistung wohl zu gönnen ist, ergeben sich andererseits Miß- und hat deshalb dem Schwanke aufgegeben, das Schild zu entstände, an deren Beseitigung ebenso dem Publikum wie der fernen, da dessen Inschrift eine Demonstration gegen die Behörde Polizei gelegen ist. So ist in der Zimmerstraße seit einiger Zeit fei und gegen die öffentliche Moral verstoße.
nur
ein Lokal entstanden, für das der Vater einer übelbeleumundeten ,, Eine klassische Kühnheit" hat der aus dem bevorstehenden Frauensperson tonzessionirt worden ist. Die Bedienung wird Wucherprozeß Treuherz bekannte, flüchtig gewordene Wucherer daselbst von der Tochter selbst und deren Anhang geführt. Dies Benno Ostertag an den Tag gelegt, welcher seit einigen Lokal, wie viele andere, werden sich dem Auge der Polizei Wochen in London weilt. D. hat wohl die Absicht, Amerika zu gänzlich entziehen, sobald der Wächter aufgehört hat zu bestehen. beglücken und hat nun aus diesem Grunde an die hiesige Polizei am 1. Dezember eröffnet; die Gebühr für das gewöhnliche Ge- eines Auslandspasses und Nachsendung desselben nach London Der Fernsprech Verkehr Berlin Wien wird definitiv geschrieben, in dem Briefe die Bitte um nachträgliche Ausstellung aussprechend. Selbstverständlich hat die Behörde dem Wunsche
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spräch bis zur Dauer von drei Minuten beträgt 3 M.
des Herrn D. nicht stattgegeben.
Windstärke
(-b) 4411302123
Wetter
Temperatur
LOGONNON( nach Celſius
50 G.= 409.)
Nebel
bedeckt
bedeckt
bedeckt
bedeckt
Nebel
wolkig
bedeckt halb bedeckt bedeckt
937
9
Wetter- Prognose für Freitag, den 30. November 1894. Zeitweise heiteres, vorherrschend woltiges Wetter mit etwas Berliner Wetterbureau. Regen, mäßigen westlichen Winden und zunehmender Erwärmung.
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Theater.
Alexanderplatz - Theater. Es ist kein Genuß, das hervor ragende Werk der seligen Charlotte, die seufzer- und thränenreiche Grille" sehen zu müssen. Selbst dann nicht, wenn ihretwegen expreß ein Künstlerpaar aus dem Bereich des Hamburgischen Kunsimonopolisten Pollini nach Berlin fommt. Es geht in der„ Grille" gar zu thränenrührend her und wenn das Stück, das unseren Eltern so erbaulich erschienen, eine Probe für das können eines Schauspielers abgeben sollte, so läßt sich eine unglücklichere Wahl als diese drittehalbstündige Aufhäufung
Nochmals die zerbrochene Klosetscheibe. Die VoltsBeitung" schreibt: Die Kreuz Zeitung " hatte am Dienstag Abend gemeldet, daß der geheime expedirende Sekretär Maiwald zum Postdirektor ernannt worden sei. Die Fassung der Notiz mußte den Anschein erwecken, als ob Herr Maiwald gewisser Birch- Pfeiffer maßen zur Belohnung für seinen bekannten Scheibenerlaß zum Postdirektor befördert worden sei. Dem ist aber nicht so. Wie wir erfahren, ist Herr Maiwald, der das Postamt 35 seit dem 1. April d. J. tommissarisch verwaltete, bereits am 1. Oftober zum Postdirektor ernannt worden. Weiter erfahren wir, daß den Beamten, welche bereits ihre fünf Pfennige zu den Kosten für die Fensterscheiben beigesteuert hatten, die von ihnen gezahlten Beiträge zurückerstattet worden sind. Dies war nach Zurücknahme der Verfügung selbstverständlich.
Deutsche Kultur. Ein neues großes Zentralgefängniß soll in der Umgebung Berlins gebaut werden zur dauernden und nachhaltigeren Entlastung der fortgesetzt überfüllten Berliner Gefängnisfe. Die Baupläne find bereits in Arbeit. Als Ort ist vorläufig Oranienburg außersehen. Doch ist eine endgiltige Beftimmung noch nicht getroffen.
Eine Fahrt auf Leben und Tob machte dieser Tage ein altes Ehepaar auf der Ringbahn. Wie leider sehr oft, waren dank der unangebrachten Sparsamkeit der Eisenbahnverwaltung, auf Bahnhof Rixdorf die Kupees eines Ringbahnzuges total überfüllt, und um endlich mitzukommen, drängten sich die Passagiere in die schon dicht besetzten Wagen. Hierbei wurde ein alter Mann und dessen Frau derart eingeklemmt, daß beim Abgehen des Buges an ein Herein oder Herauskommen nicht zu denken war, und die alten Leute somit bei offener Thür, halb herausschwebend aus dem Zuge, mit fortgeführt wurden. Die Gefahr erkennend, sprang der Bahnassistent Krause aufs Trittbrett und hielt die alten Leute fest, bis der Zug endlich kurz vor der neuen Brücke wieder zum Halten gebracht war. Das Publikum fonnte nur mit Entsehen dem Schauspiel zusehen und war glücklich, als der Zug anhielt und das vor Schreck fast ohnmächtige Ehepaar aus seiner gefährlichen Lage befreit wurde. Eine Befferung der Zustände wird freilich wohl auch dieser Fall nicht herbeiführen,
Ungehörige Behandlung, die sie von ihrer eigenen Schwester zu erdulden hatte, soll die 17 Jahre alte Bertha Redlich Eine schreckliche Szene spielte sich vorgestern Mittag nach veranlaßt haben, sich am Donnerstag Morgen aus dem 5. Stod 12 Uhr vor dem Hause Elisabethstr. 21 ab, auf deffen Dach der des Hauses Gubenerstr. 12 auf die Straße zu stürzen. Die UnDachdecker Kleißner mit Ausbesserungsarbeiten auf einer Leiter glückliche, die in hoffnungslosem Zustande dem Krankenhause am beschäftigt war. Sein kleiner Sohn, welcher der Ehefrau des Friedrichshain zugeführt wurde, war bei ihrer Schwester, einer Dachdeckers, die ihm das Mittagessen brachte, davongelaufen war, Kaufmannsgattin, in dienender Stellung. rief seinem Vater laut zu: Bater, komme doch zum Mittagessen Als Leiche aufgefunden wurde am Mittwoch Vormittag herunter!" Wahrscheinlich erfreut über des Knaben fröhlichen Ruf, letterte Kleißner rasch die Leiter hinunter und wie er die um 82 Uhr im Luisenstädtischen Kanal hinter der städtischen Gasanstalt den Rentner Hermann Feist, der Fidizinstraße 38 Worte laut zurief:" Ja, ich komme gleich!" rutschte sein Fuß aus, so daß er rückwärts auf den gepflasterten Hof hinunter: stürzte und mit zerschmettertem Kopf und zerbrochenen Beinen bort liegen blieb. Der schnell hinzugerufene Arzt konnte nur den sofort eingetretenen Tod fonstatiren, worauf die Ueberführung der Leiche in das Leichenschauhaus erfolgte.
wohnte. Ob Unglücksfall oder Selbstmord vorliegt, hat sich noch nicht feststellen lassen; für die Annahme des letzteren spricht der Umstand, daß Feist an der Zuckerkrankheit litt.
Durch Ueberfahren getödtet wurde am Mittwoch Nach mittag um 1/2 Uhr der zwölfjährige Sohn Otto des Cuvryftr. 37 wohnenden Kaufmanns Redecker.
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widerwärtigster Unnatürlichkeit kaum denken. Man kann daher von Fräulein Erna Milikow, die vom Stadttheater in Hamburg hierher tam, um als Gast die Titelrolle zu geben, nichts anderes fagen, als daß sie ganz annehmbar zu seufzen verstand und in Sprache und Stimme nach Kräften den Intentionen der guten Frau Birch Pfeiffer folgte. Das gleiche gilt von dem Hamburger Gast Herrn Wesselsky, der als Landry auftrat und zu= weilen mit recht glücklichem Erfolg Töne menschlicher Empfindung hervorzukehren suchte. Wenn Herr Wesselsky, was namentlich in den letzten beiden Akten geschah, aus der würdevoll geschraubten Eprechweise, die im Stück ja wohl vorgeschrieben ist, in eine natürliche verfiel, so zeigte er, daß er braver Leistungen fähig ist. Bielleicht treten die beiden Gäste noch einmal in einem den heutigen Sitten zusagenden Stück auf, in dem die darstellenden Künstler sich als Menschen und nicht als abgestäubte Glieder puppen zu geberden haben. Das Spiel der übrigen Mitwirkenden war im allgemeinen der sanft unter der Erde schlummernden Dramatikerin würdig. Frau Pögner als Großmutter Fadet ficherte об so beängstigend von der Bühne herab, als Barodie- Theater spielte, und Herr Wach als harmlos- naiver Zwillingsbruder erinnerte den ganzen Abend an die Butraulichfeit, mi welcher die Verkäufer in der Goldenen Hundertzehn und äbnlichen Instituten das Publikum unter Umnänden beehren. Passabel waren Frl. Arko als Madelon und Herr Schäfer als
Vater Barbeaud.
Gerichts- Beitung.
fie im
Von dem eingehenden Wirken eines Berliner Schöffen gerichts giebt folgende Mittheilung Kunde: 56 Anlage fachen erledigte gestern eine Abtheilung des Schöffengerichts in einem Zeitraum von 10 bis 1/2 Uhr, also innerhalb 312 Stunden. Es handelte sich allerdings nur um Uebertretungen, jedoch waren immerhin gegen hundert Zeugen zu vereiden und zu vernehmen. Es tamen durchschnittlich auf die Verhandlung noch nicht vier Minuten.
Im
Von den Schäßen der ermordeten Else Groß. An Die Gefährlichkeit der offenen Pferdebahnwagen zeigte den Nachforschungen bezüglich des in Breslau an der Else Polizeibericht. Am 28. d. M. Morgens versuchte ein Mann Groß verübten Raubmordes ist die biesige Kriminalpolizei jetzt in seiner Wohnung, in der Fruchtstraße, sich die Pulsader an der sich in einer Verhandlung, welche gestern vor der neunten Straf wiederum betheiligt. Es liegt jetzt ein genaues Verzeichniß der Hand zu öffnen. Er verletzte sich bedeutend und mußte nach dem fammer des Landgerichts I stattfand. Der Rutscher Hermann geraubten Schmuckgegenstände vor, nach denen auch bei den Krankenhause gebracht werden. Auf dem Felde zwischen der Vogt hatte sich wegen fahrlässiger Körperverlegung zu verhiesigen Bianbleibern und Tröblern geforscht wird. Es sind Chrifiburger- und Danzigerstraße wurde in einer Laube ein Mann antworten. Derselbe fuhr an einem Junitage mit einem großen goldene Ohrringe mit Perlen und Brillanten, eine Türkisen erhängt vorgefunden. Im Landwehrkanal hinter der Gasanstalt Fleisch- Transportwagen durch die Alte Jakobstraße. An der Brosche mit zwölf Brillanten, fieben goldene Armbänder, wurde Vormittags die Leiche eines Mannes angeschwemmt. Kreuzung der Dresdenerstraße bildete ein Pferdebahnwagen theils platt, theils in Rettenform, darunter eins in Bei dem Ausbessern des Daches auf dem Grundstück Elisabeth- mit einem anderen Fuhrwert eine enge Gasse. Durch den Form eines Steigbügels, eine fleeblattartige Brosche mit straße 21 stürzte Mittags ein Dachdecker in den Hof hinab und starb engen Raum fuhr Vogt mit seinem Wagen hindurch. dem Angeklagten Brillanten, eine solche mit Perlen, eine Hutnadel von Gold, ein auf der Stelle. Am Görlitzer Ufer fiel ein Knabe von einem Pferdebahnwagen saß mit dem Rücken goldenes Medaillon( Herz) an einer goldenen, perlenbesetzten in der Fahrt befindlichen Steinwagen, gerieth unter die Räder und zugewandt der Kaufmann John. Er hatte seinen rechten Arm Schleife, eine feingliedrige goldene Kette mit Perlen, ein goldenes erlitt so schwere Verlegungen, daß er während der Ueberführung derart über die Brüstung gelegt, daß der Ellenbogen darüber Armband mit Uhr, eine Damenuhr ohne Kette, eine Herren- in die elterliche Wohnung starb.- In einer Wohnung am Weiden - hinausragte. Der Angeklagte fuhr nun so dicht an dem PferdeUhrfette von Gold mit Anhängseln in Schildform, ein Ring weg entstand dadurch Feuer, daß zwei allein gelassene Kinder die bahn Wagen vorbei, daß er mit seinem Wagen den Arm des mit Türkisen und Brillanten, ein zweiter Ring mit zwei Petroleumlampe umwarfen. Ein dreijähriges Mädchen erlitt John streiste. Dieser erlitt eine höchst schmerzhafte MuskelBrillanten und mehrere kleine Ringe, ein Paar Ohrringe mit dabei schwere Brandwunden am ganzen Körper. Das Feuer zerreißung, er ist heute noch in dem Gebrauch seines Armes großen Korallen, eine goldene Brosche, die die Form einer wurde von Hausbewohnern gelöscht. In der Müllerstraße behindert. Der Staatsanwalt beantragte gegen den Rutscher, dem Mandoline hat, eine ebensolche, die ein Hufeisen mit wurde ein Arbeiter mit einer bedeutenden, anscheinend von einem das Malheur paffirt war, eine Gefängnisstrafe von drei Moeiner Peitsche darüber darstellt und endlich eine Brosche, Falle herrührenden Verlegung am Fuße aufgefunden und nach naten(!). Der Gerichtshof erkannte auf vierzehn Tage Gefängniß. die in Goldfassung aus einem Zwanzigmarkstück mit dem der Charitee gebracht. In der Nacht zum 29. d. M. fand in Ein frommer Sünder. Der Vorsteher eines katholischen Bilde Kaiser Friedrichs hergestellt ist. Die gesammten Schmuck der Klosterstraße ein Zusammenstoß zwischen zwei Droschten statt, fachen haben einen Werth von etwa 4000 m. bei dem ein Fahrgast von der Deichsel getroffen und anscheinend Knaben- Erziehungsinstituts, Pater Stögerer in Graz, der be
Eine Weltbibel.
( Schluß.)
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freizuhalten, stimmt die volksthümlich derbe Sprache des Buches vortrefflich zusammen, in der Brant schreibt, eben um auf die Massen zu wirken, sie zu bessern und zu belehren.
Ebenso wenig wie die Narrheit der Gelehrten verschont Brant das Tadelnswerthe im Kirchenregiment, das Pfründenhäufen, die Selbstfucht und den Geiz der Geistlichen. Wenn Christus wiederkehrte, meint Brant , und wolle wieder einmal den Tempel säubern, aus dem er seinerzeit Wechsler und Händler austrieb, so würde er fangen am Pfarrer an
In Brant's Hauptwerk, dem Narrenschiff, ist es viel mehr auf allgemein sittliche als auf politische Belehrung abgesehen, wie wohl er gleich dem Hans Sachs und anderen zeitgenössischen Worthaltern der Reformation fortwährend für den„ gemeinen Mut", die Wohlfahrt Aller seine Stimme erhebt." Die erste Ausgabe dieses epochemachenden Buches ist am Schluß datirt: Und würd' bis an den Meßner gahn( gehen). " Jm jor nach Christi geburt Tusend vierhundert vier und In dem Kapitel: von geistlich werden tadelt Brant , daß so nienzig"; das Buch feiert also im heurigen Jahr seinen viele aus weltlichen Gründen und ohne inneren Beruf und 400. Geburtstag. Wer es heut lesen will, greife nach der billigsten Uebersehung von H. A. Junghans( Nr. 899 Fähigkeiten Seelsorge auf sich nähmen.
Am Golde hängt, Nach Golde drängt Ja alles,
d. h. die unbeschnittenen Juden thun es an Wucher und Ausbeuterei den beschnittenen bei weitem zuvor und dazu schweige all Recht und Gesetz". Der Spruch schließt mit dem Sat: wer reich will sein mit Schaden der Gemeine, der ist ein Narr. Wenn Goethe im Wilhelm Meister lehrt, daß der Reiche nur dann ehrenwerth fei, wofern er andere ſeines Gutes mitgenießen lasse, so faßt Brant diese Meinung in die Worte: Wer Gut hat und ergößt sich( da) mit, Und nicht dem Armen davon git( giebt), Dem wird versagt, so er auch bitt'.
Auch das Heirathen nach Geld tabelt er und beklagt, daß zu feiner Zeit gar wenig handeln würden wie der alttestamentliche Boas, der die arme landfahrende Dirne Ruth zum Weibe nahm.
und 900 von Reclam's Universal- Bibliothet, Preis 40 Pf.), oder nach der von dem um deutsche Literaturforschung hochverdienten Karl Gödeke besorgten Ausgabe( Band 7 der Sammlung deutscher meint auch Brant . In dem Kapitel: von Verachtung( der) Fehler und Gebrechen, so wie die besonderen seiner Zeitgenossen Dichter des 16. Jahrhunderts, Leipzig , Brockhaus, 1872). Gin- Armuth lesen wir: gehende Studien ermöglichen die Ausgaben von Strobel( 1839) Armuth lesen wir: und Barnce( 1854). Simrod's Uebersetzung ins Neuhochdeutsche ( Berlin 1872) ist verfehlt und werthvoll nur durch die Wiedergabe der Holzschnitte der älteren Ausgaben.
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Der Titel des Buches wird gerechtfertigt durch eine Vorred in das Narrenschiff". Trotz aller Gelehrsamkeit und gewaltig umfangreicher Schriftstellerei seiner Zeit lebe
Die ganze Welt in finsterer Nacht Und thut in Sünden blind verharren. Alle Straßen, Gaffen sind voll Narren.
Wer auf Reichthum fleißet sich,
Der lügt auch, daß er bald ward rich( reich) Und acht't tein Sünd, Mord, Wucher, Schand. Gerechtigkeit um Geld ist feil
Durch Geld( um Geldes willen) täm' mancher an ein Seil ( würde gehangen), Wenn er mit Geld sich nicht abkauft'( lostaufte). Und sag' Dir deutsch, wie ich das mein: Man hängt die kleinen Dieb allein. ( Letzteren Gedanken spricht bekanntlich Luther noch drastischer Darum habe er das Narrenschiff zugerüstet als einen und treffender so aus:„ Die großen Dieb hängen die fleinen".) Wucher und Fürkauf, Auffaufen großer Vorräthe nöthigster Spiegel, in dem jeder Narr sein Ebenbild finden und beffer davon werden und Kappe und Kolben des Narren ablegen Bedarfsartikel zum Zweck der Preistreiberei und des Profit möge. Mit derjenigen Narrenzunft, der er sich selbst zurechnet, machens rügt Brant ebenso wie Luther und Hans Sachs . Es mit den Büchernarren macht der Dichter den Anfang. In rannten damals mit dem Judenspieß", wie man das Buchern schonungsloser Selbstverspottung tabelt er die Gelehrten, die sich nannte, dieselben Leute, die Juden verfolgten, genau wie heute, auf ihre Libri ( Liberei, Bibliothek, Büchersammlung) verlassen so daß Brant meint: Gar leidlich wär' der Juden Gesuch( Binsen, Binsnehmen), müffen; der Doktortitel sei nur dazu gut, die Eselsohren zu ver Aber sie können nicht mehr bleiben, bergen. Die Christenjuden fie vertreiben!
Mit dieser Fähigkeit, sich von jeder Gelehrtenüberhebung
vor und hechelt sie mit gutem Humor und volksthümlicher derber Er in etwas über hundert Kapiteln durch. Ausdrucksweise handelte nach dem vortrefflichen Rezept, das Goethe seiner Zeit gefaßt hat in die Worte:
Greift nur hinein ins volle Menschenleben! Ein jeder lebt's, nicht vielen ist's bekannt, Und wo ihr's packt, da ist's interessant.
Und so ging es den Beitgenossen, so geht es auch dem heutigen Leser noch mit der Brant'schen Weltbibel, dem Narrenschiff. Das Bild des Narrenschiffes, die Schilderung von allerlei Narrbeit nach festem Plan ist nicht derart eingehalten, daß man das Ganze mit gutem Bedacht der Reihe nach lesen mußte: man fonnte anfangen und halt machen mit jedem beliebigen Narrenportrait. Das trug fehr viel zur Voltsbeliebtheit des Buches bei, das unzählige Auflagen, Uebersetzungen und, dem Verfasser au erheblichem Verdruß, auch unbefugte und ungeschickte Erweiterungen erlebte, und auch heut noch mit gutem Behagen und Nugen gelesen werden könnte und sollte.
Manfred Wittich.