Nr. 463 38. Jahrgang
Groß- Berlin
Die Leiche im Badezimmer. Standalöse Mißstände in einem Sanatorium.
Beilage des Vorwärts
as im Zeitalter der vollendetsten Hygiene noch möglich ist, zeigte gestern eine unter Borsiz des Landgerichtsdirektors Dr. Ernst stattfindende Verhandlung vor der Straffammer des Landgerichts III , in welcher geradezu unglaub= liche Mißstände und etelhafte Schmugereien in dem im vornehmsten Westen gelegenen„ Sanatorium Pfalzburg" aufgedeckt wurden.
Wegen fahrlässiger Tötung war die frühere Sanatariomsbefizerin und Oberin Alice Bril angeflagt. Der Fabrikbefizer P. mußte seine unmittelbar vor ihrer Niederkunft stehende Gattin in das„ Sanatorium Pfalzburg" bringen, wo die Frau in ein Bett gelegt wurde, welches gerade von einer an septischer ungenentzündung verstorbenen Frau L. geräumt morden war. Wie die Angehörigen und früheren Angestellten des Sanatoriums vor Gericht befundeten, habe in dem Sanatorium die ärgste Schmukerei geherrscht. Da ein Leichenaufbewahrungs raum nicht vorhanden war, wurde die Leiche der Frau L. fünf Tage lang auf einer Tragbahre stets hin und her geschleppt und lag entweder im Badezimmer oder im Operationszimmer, so daß es vor Geftant fein Mensch aushalten fonnte. In Gegenwart der zugedeckten Leiche fand die erste Untersuchung der Frau B. statt. In dem Badezimmer, das gleichzeitig als Toilette für die Patienten diente, lagen blutig eitrige Verband stoffe herum, während in der Badewanne, in der sonst die Patienten baden mußten, blutige Wäsche gereinigt wurde. Obwohl nach der Konzession Patienten mit ansteckenden Krankheiten nicht aufgenommen werden durften, befanden sich dort ein Zuberkuloser und mehrere an schwerer Zues leidende Batienten, die die gemeinsamen Toiletten benutzten. Da außerdem überall ein unglaublicher Schmuk herrschte, war es fein Wunder, dak Wanzen, Schwaben und Mäuse in diesem Musterinstitut für Snaiene ebenfalls eine gewisse Rolle spielten. Es war auch weiter fein Wunder, daß inmitten dieses Schmuzes die Frau P. von einem fogen. feptischen Kindbettfieber befallen wurde und am 9. november verstarb. Während der Kriegszeit wurden in diesem Sanatorium völlig gesunde Perfonen verpflegt, die das nötige Geld dazu hatten. Auch stand bas Sanatorium in dem Ruf eines öffentlichen Hauses. Der Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Ruqe vom Obermedizinalfollegium befundete als Sadwerständiger, daß die befundeten Zustände natürlich Misstände allerärafter Art darstellen, daß aber trokdem der Kausalzufammenhang zwischen diesen Zuständen und dem Tode der Frau P. fich nicht feststellen laffen fönne. Auch die von den Justizräten Landau und Chodziesner geladenen Sachverständigen Prof. Dr. Nagel, Kreisarzt Dr. Trembur und Dr. med. Hugo Sonnenfeld bezeichneten die Zustände als standalös, erflärten aber ebenfalls. daß es sich nicht mit Sicherheit feststellen lasse, ob diese Zustände Mitursache an dem Tode der Frau P. feien. Der Staatsanwalt beantrante unter diesen Umständen felbst die Freisprechung. Das Geridt brachte in der Urteilsbegründung zum Ausdruck, daß die Angeklagte Bril diefe geradezu unglaublichen Schmukereien verschuldet und geduldet habe und daß doch aemiffe Aweifel vorhanden feien, ob fie nicht doch Mitschuld on dem Tode der Frau habe. Da aber im 3meifel ftets zugunsten der Angeklagten entschieden werden müsse, habe das Gericht auf Freisprechung erkennen müssen.
Die Aufsichtsbehörden zum Fall Rahardt. Den für die Handwerkskammer zu Berlin zuständigen Aufsichtsbehörden( Handelsministerium und Oberpräsidium) ist der Borwurf gemacht worden, daß sie nicht rechtzeitig und schnell genug in Sachen des früheren Präsidenten Rahardt eingegriffen hätten. Dagegen wendet sich der amtliche Bressedienst in folgenden Ausführungen:
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Die gegen den früheren Borsigenden der Berliner Handwerks. tammer Rahardt erhobenen Vorwürfe beschäftigen das Ministerium für Handel und Gewerbe und die Aufsichtsbehörde den Oberpräsidenten in Charlottenburg seit Wochen. Auf Veranlassung des Ministers für Handel und Gewerbe hat der Oberpräfident sofort nach Eingang der Beschwerdeschrift des Syndifus der Handwerkskammer , Dr. Heinzig, eine eingehende Untersuchung her beigeführt, für die ein besonderer Untersuchungskommissar bestellt wurde. Gegen zwei fwerbeschuldigte Beamte der
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Sonnabend, 1. Oktober 1921
Handwerkskammer ist sofort ein Disziplinarverfahren Kofs frei. Das Kohlenamt teilt mit: Durch die Verordnung eingeleitet worden. Im übrigen ist die ganze Untersuchung in stän- des Reichskommiffars für die Kohlenverteilung vom 24. September diger Fühlung mit dem Vertreter der Staatsanwaltschaft geführt 1921 ist die 3wangsbewirtschaftung sämtlicher morden. Die Ergebnisse dieser mit dem äußersten Nachdruck ge. Vertofungsprodukte, einschließlich brennbarer fester Abförderten Untersuchung, namentlich eine zwölftägige, von dem fallprodukte jeder Art, wie Schlammfohle, Kofsgrus, GeneratorUntersuchungskommissar des Oberpräsidenten geführte, am 20. Sep- rüdstände, Schlade, Kammerlösche und dergleichen mit Wirkung tember d. J. abgeschlossene Revision der Kasse der Hand- vom 1. Ottober aufgehoben worden. Dementsprechend hat, mertstammer, bei der es schließlich gelang, schwere Berfehlungen soweit diese Produkte in Frage fommen, mit Wirkung vom gleichen Rahardts und einiger anderer Personen aufzudeden, haben dem Tage die Berordnung des Magistrats Berlin über die KohlenverStaatsanwalt ver wenigen Tagen die Handhabe geboten, feinerseits teilung für Hausbrand, Rieingewerbe und Landwirtschaft vom einzugreifen, an der Hard des von der Aufsichtsbehörde der Hand- 30. März 1921 eine Abänderung erfahren.
Heute, Sonnabend, den 1. Oktober 1921:
Große öffentliche Öffentliche Wähler- Bersammlung.
19. Kreis: Blankenburg, 71, Uhr bei Klug, Dorfstraße. Thema:„ Sozalistischer Aufbau oder reallionärer Rückschrift".
Referent: Stadtverordneter Keller.
werkskammer vorgelegten Materials einen der Hauptbeschuldigten in fürzester Zeit zum Geständnis zu bringen und Rahardt selbst sowie einige beteiligte Personen in Haft zu nehmen.
Die Geschäfte her handomertstammer führt zunächst der stellvertretende Vorsitzende, Obermeister Edert; die in den nächsten Tagen zusammentretende Bollversammlung der Kammer wird weitere Beschlüsse zu fassen haben. Eine Vermögensschädigung der Kammer ist nicht wahrscheinlich; Schritte zur Siche rung von Regreßansprüchen sind bereits getan.
Eine Händlerin des Vorwärts" geriet am Montag, 19. Sept., vorm. 8 Uhr, in Charlottenburg , Wilmersdorfer - Ede Bismarckstraße, mit einer Verkäuferin des„ Lokal- Anzeigers" in einen Streit, der in Tätlichkeit ausartete. Da dieser Vorfall zu einer Anzeige geführt hat, werden Augenzeugen um Angabe ihrer Adresse in der Expedition unseres Blattes ersucht.
Genosse Pfarrer Bleier hält am Sonntag, den 2. Oftober, abends 6 Uhr, in der Trinitatiskirche Charlottenburg, Karl- AugustBlatz( mit der Untergrundbahn bis Bismar ffir.), eine religiöse Feierstunde ab. Das Thema lautet:„ Gibt es Wunder?"
In den Ufa - Theatern Alexanderplat, Schönberg, Weinbergsweg und Safenheide finden am Sonntagnachmittag um 4 Uhr Vorstellungen statt, zu denen auch Jugendliche Zutritt haben.
Der Borkampf Dempsey- Carpentier im Film ist von der Scala zum alleinigen Uraufführungsrecht für ganz Deutschland erworben worden und wird u. a. im Rahmen des neueren Varieteprogramms ab 1. Oktober
Filmschau.
Photo
Unter Bestien. Wenn man von dem Film, den wir in der Saalburg Ein Notschrei der Arbeitsinvalidenorganisation. sahen, nichts weiter wußte als den Titel, dann konnte man sich etwa auf folgende Eindrüde kontrollieren: Was sind das nur für Schauspieler? Die unter größten Schwierigkeiten geschaffene Organisation der Bewegungen ecig und zum Teil unbeholfen, Mienenspiel nichtssagend und Arbeits- und Ziviiinvaliden und ihrer Hinterbliebenen, der 3 en schablonenmäßig. Ausstattung: zweitrangiges Borstadttheater. tralverband der Invaliden und Witwen Deutsch- graphie: mittelmäßig. Bis einem dann ein verräterisches Kalenderblatt lands", der um Berbesserung der Renten und der Fürsorge das Geheimnis enthüllte: ein italienischer Film. In der Tat: der deutsche Film fann mehr leisten. Stann! 3war tut er es nicht immer. Leider! fämpft, hat zur Ermöglichung wirksamer Arbeit die Hauptgeschäfts- Aber es gibt Höhen in ihm, die das Ausland nicht erreichen kann. Doch stelle nach Berlin verlegt. Weil zur Deckung der für die Einzurück zu den„ Bestien". Spielt im Zirkusleben. Bestien? Ein Stier richtung des Bureaus erforderlichen Ausgaben, wird gepiekt, damit er Wildheit markiert. Er stößt wahrhaftig er stößt die troh hoher Mitgliederzahl nur bescheidenen Mittel des Ver- eine Tapetentür ein. Fürchterlich! Geh in ein Stloster, Regisseur! Einen bandes nicht ausreichen, wendet er fich an alle sozialempfindenden Tiger fiebt man im Käfig erschrödlich gähnen. Wozu das? Die menschBoltsgenossen und an deren Organisationen mit der Bitte um Hilfe. liche Bestie" im Film weist eine sehr lauwarme Bluttemperatur auf. Der Beiträge sind einzuzahlen an das Vorstandsmitglied, Stadtverord. Film ist wohlanständig und das Publikum wird ihn gerne schen. Gute neter Subte, Berlin , Postschecfonto 376 57. Diesen Aufruf unterstützen die Sozialdemokratische Partei , die Unabhängige Sozialdemokratische Partei, die Kommunistische Partei , der Reichsbund der Kriegsbeschädigten. Bom Parteivorstand der Sozialdemo fratischen Partei sind bereits 2000 m. bewilligt worden.
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Nacht!
,, Der Roman der Christine von Herre" rollt sich im U. T. Kur fürstendamm ab. Interessant ist dabei, daß der junge und sehr begabte Regisseur Reinhardts, Dr. Ludwig Berger , sich hier wohl zum ersten Male als Filmregisseur zeigt, aber leider auch als Verfasser dieses geschmadlosen Romans" zeichnet. Ift Herrn Berger feine Kunst nicht zu schade, um als Rahmen einer so oberflächlichen Hintertreppenhandlung zu Eine große Razzia veranstaltete die Kriminalpolizei mit der dienen, die nicht besser dadurch wird, daß sie ihre Vorbilder aus der GeSittenpolizei in der gestrigen Nacht. Es wurde die Friedrichstraße ichichte holt. Aber Regie und Bilder waren glänzend, obwohl einige starte Die Darstellung war ausund damit auch die Straße Unter den Linden abgesperrt. Gerade Stilschniger nicht hätten vorkommen dürfen. in dieser Gegend hatten sich viele zweifelhafte Elemente zusammen- gezeichnet und feien, um nur die Hauptdarsteller zu nennen, vor allem Agnes gefunden. Eine Bande hatte es auf die Fahrgäste der letzten Omni- Straub in ihrer reizenden Anmut, Werner Krauß , Paul Hartmann, Marie Ferron erwähnt. busse, der sogenannten Lumpensammler" abgesehen. Mehrere von ihnen sprangen auf die Wagen herauf, verursachten so ein Gedränge und in diesem entrissen die Räuber den harmlosen Fahrgästen die Hüte, Stöcke und Wertsachen. Ungefähr 300 Personen, die sich nicht ausweisen fonnten, wurden auf Lastautos nach dem Polizeipräsidium gebracht. Dann wurden eine Reihe von Lotalen 11. im Norden und Nordwesten der Stadt ausgehoben. Endlich wurde die Umgebung des Stettiner Bahnhofes 123. gefäubert. Im ganzen wurden über 1000 erfonen sistiert. Bon diesen mußten 116, Männer und Frauen, im Gewahrsam des Polizeipräsidiums zurübleiben. 15. Unter den Männern befanden sich wieder eine ganze Anzahl, die Frauenkleidung trugen.
Kommunalärztliche Sprechstunde. Infolge Beurlaubung des Rommunalarztes fällt die Sprechstunde, die in Nowa wo es wöchentlich Mon tags bormittags von 9-10 und Donnerstags nachmittags von 6-7 Uhr abgehalten wird, in der Zeit vom 3. bis 27. Oftober aus.
Groß- Berliner Parteinachrichten.
Heute, Sonnabend, den 1. Oktober:
reis. Schöneberg Friedenau . Abends 8 Uhr Stiftungsfeft unter Mitwirtung des Schöneberger Männerchors in der Schloßbrauerei, Hauptstraße. Eintritt inkl. Tanz 2,90 M. Zahlreichen Besuch erwartet der Vorstand. bt. Saulsdorf. 7 Uhr Funktionärsizung im Lotal Glockenturm.
Morgen, Sonntag, den 2. Oktober:
treis. Wanderung durch Alt- Berlin. Tre ft Untergrundbahn Klosterftraße, vormittags 10 Uhr. Nachmittags 4 Uhr Aula der 5. Realschule, Weins meifterstraße 15, Gigung aller Mitglieder der Bildungsausschüsse mit Licht bildervortrag.
89., 90., 92. und 93. st. Neukölln. Die Handzettel zur Wählerversammlung messen verbreitet merden.
von den Bezirkslokalen aus statt.
101. bt. Treptew. Die Handzettelverbreitung findet Sonntag früh 8½ Uhr 109, Abt. Friedrichshagen . Familienausflug nach den Pöttbergen. Treffpunkt 12 Uhr am Steinplag.
84. Abt. Bankwik. Der Frauenabend findet fünftig jeden ersten Montag im Monat statt.
Eine photographische Ausstellung hat der Verband der Lithographen, Eteindruder und verwandten Berufe im Gewer f= fchaftshaus, Gaal 3, eröffnet. Es werden künstlerisch vollendete Aufnahmen gezeigt, deren Besichtigung jedem Liebhaber der Lichtkunst empfohlen werden kann. Die Ausstellung ist heute von 4 bis 8 und am Sonntag von 10 bis 4 Uhr geöffnet. Außerdem spricht am Sonntag der Lichtbildner Oertel um 11 Uhr vormittags über die Kunst taufsstelle eröffnet. Alles Nähere geht aus dem Inserat in der heutigen Ausder Photographie".
Geschäftliche Mitteilungen.
Die Kleidervertrieb G. m. b. S. hat in der Millerstr. 181 eine neue Ver. I gabe hervor.
Begabung oder eines Zufalls erzielen tonnte. Er sah die Grenzen feines Könnens nur zu gut und pacte noch am selben Tage seine Bilder zusammen in eine hübsche alte Bauerntruhe, die er mal am Ammersee erhandelt; die Rahmen schenkte er einem hungernden Kollegen. Dann hatte er, anfangs in erbittertem Kampf gegen viele innere Hemmungen, dann mit Ruhe, endlich mit der Befriedigung stufenweise erreichter Ziele studiert und war jetzt fertig. Man kann alles, was man will ( außer in der Kunst)."
I fort? Ich weiß nicht einmal Ihren Namen. Ich weiß weder| Werfarbeit und so viel durch das unverdiente Geschent der Vor- noch Familiennamen. Haben Sie überhaupt einen? Dder hießen Sie von Anbeginn an Fräulein"? Wenn Sie wüßten, wie oft mich dieses Unpersönliche schon geärgert hat, womit die Unpersönlichen Sie bedenken. Mein Examen ist morgen beendet. Es wird gut ausfallen, trotzdem ich gebüffelt habe. In acht Tagen reise ich fort. Nach Berlin . Bis dahin bin ich jeden Vormittag von zehn bis zwölf vor und in dem Franziskanermuseum und warte auf Sie, um mich von Ihnen ergebenit zu verabschieden. Warum ich es nicht bei meinen lieben Verwandten tue, wissen Sie ja. Nicht wahr, Sie tun Fräulein nahm den fleinen Brief auf. Er war adressiert: mir die Freude und fommen? Wenn Sie wollen, läßt es sich An Fräulein bei Kaufmann Görte". Er war von Langfuhr schon einrichten. Man fann alles, was man will( außer in gestempelt, wo die Hochschule war und wo Lothar Franzius der Kunst).
Copyright, 1820, by J. G. Cottasche Buchhandlung Nachf. Stuttgart u. Beriln Es ist ein Brief für Sie da, Fräulein," sagte Frau Görke mit einer Stimme, die nicht ohne Schärfe war. Berwunderung Borwurf und Mahnung lag in der Stimme.
„ Ja, ein Brief," sagte auch Thea.
wohnte.
Fräulein fühlte eine Röte über ihr Gesicht fliegen, als sie den Brief aufnahm. Mit zitternder Hand goß sie sich aus der Kanne ein. Sie fonnte es nicht verhindern, daß der Kaffee überlief auf die rotgeblümte Tischdecke. Frau Görte schrie etwas auf.
Lohn von mir bekommst?
Auf Wiedersehen!
Ihr
Lothar Franzius.'
Wie ihn Fräulein bei diesem Satz erkannte! Sie sah ihn deutlich, wie er beim Schreiben ausgesehen hatte: ein leichtes Stirnrunzeln, ein 3uden um den scharfgeschnittenen Mund und ein energisches Zurechtrücken des Nackens.
Wie männlich war Lothar Franzius! Um wieviel älter wirfte er als zum Beispiel Hermann der doch nur zwei Jahre jünger war! Fräulein atmete tief auf. Lothar Franzius mußte ein guter Führer durch den verschlungenen Irrgarten des Lebens sein.
"
Fräulein hatte gewußt, was der Brief enthalten werde, und dennoch erschraf sie jetzt. Wie konnte sie fich mit ihm Fräulein wagte nicht aufzusehen. Aber sie fühlte die treffen, hier, wo sie feinen Schritt ohne Erlaubnis aus dem " Fräulein! Fräulein!" rief eine Stimme ungeduldig. Blicke der beiden Damen inquisitorisch auf sich gerichtet. Keine Hause kam, hier, wo sie auf der Straße bei jedem Schritt einen fagte etwas. Aber lag in ihrem Schweigen nicht deutlicher, Bekannten treffen konnte? Ahnte er nichts von ihren Schwie Sie mochte schon oft gerufen haben, ohne daß Fräulein gehört hatte. Sie erschrat. Das war ihr noch nie vorgekommen. als es in Worten hätte fein fönnen, die Frage? Wie kommst rigkeiten? Ahnte er nicht, welchen Peinlichkeiten er sie Rasch nahm sie den Brief an sich, und da fie feine Tasche im du dazu, dir Briefe schreiben zu lassen? Wie kommst du dazu, ausjekte? ein anderes Leben neben dem zu leben, für das du Kost und Sie sah sich schon überrascht, zur Rede gestellt und schmäh- Kleid hatte und ihn nicht offen in der Hand durchs Haus lich entlassen. Und dann? dann? Eine neue Stellung suchen? tragen mochte, stedte sie ihn in den Halsausschnitt der Bluse. Frau Görte sprach mit erzwungen gleichgültiger Stimme D, sie dachte mit Grauen an das Spießrutenlaufen, an die und wieder fühlte sie, wie ein Erröten sie überflog. Sie schalt zu Thea von Schuhen und Torten. Fräulein hörte ihre unverschämte Musterung ihrer Berson, an die Fragen nach auf sich, nahm das Geschirr und trug es hinaus. Stimme wie aus einer weiten Ferne: neben ihr lag der Brief, dem Warum und Wieviel. Jede Frage war ihr wie ein" Ich darf ihn nicht lange warten lassen," dachte sie. Wie den sie vor den anderen nicht zu öffnen wagte. Rutenstreich auf offenem Markt. Nein, das fonnte sie nicht peinlich für ihn, dort zu stehen und auf mich zu warten." Aber Einen Augenblick sah sie Thea an. Aber sie bemertte in riskieren. fie gewann es doch nicht über sich, an diesem Tag Frau Görke ihrem Blick etwas Fremdes, fast Feindliches, das sie sich nicht Aber dann fielen ihre Blicke auf den Schlußsah: Man zu fragen. Und als sie am nächsten Morgen eine kleine zu deuten wußte. Was war denn nur geschehen? fann alles, wenn man will( außer in der Kunst)." Sie Schwindelei in Szene feßen wollte, um loszukommen, ver wußte gut, worauf Lothar Franzius mit den letzten Worten haspelte sie sich bei den ersten Worten, stockte und gab die anspielte. Er hatte Maler werden wollen und auf den Kunst- Sache auf. Nein, sie fonnte nicht lügen. Sie hatte es nie geakademien Berlin , München , Stuttgart durchaus studiert mit fonnt. Schon als Kind nicht. Der Lohn für die Wahrheitsheißem Bemühen. Eines Tages, als er durch eine Aus- liebe hatte stets darin bestanden, daß man sie für ein bißchen ftellung ging und diese Ueberfülle von Namen sah, hinter dumm hielt. denen sich soviele hoffnungslos ringende Talente und Halb- Warum sage ich aber nicht offen: Ich will mich von talente verbargen, sah er das Aussichtslose seines Kampfes Lothar Franzius verabschieden?" Habe ich denn kein Recht ein. Und er empfand es plöglich lächerlich, seine besten dazu?" Ach, sie stockte schon bei dem Gedanken. Jugendjahre hierbei zu verpuffen, wo man so wenig durch!
Endlich standen beide auf und gingen hinaus. Von der Türe hörte fie Theas Stimme:" Nun wird Fräulein wohl den Brief lesen." Und ein hartes Lachen flang vom Flur herüber. Fräulein traten die Tränen in die Augen. Was wollten fie von ihr? Warum ließen sie ihr nicht den kleinen Bezirt, in dem sie- sie selbst war?
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Schnell öffnete sie den Brief. Lothar Franzius fchrieb: Liebes Fräulein! Hier stock' ich schon, wer hilft mir weiter
"
( Forts. folgt.)