Nr. 280.
Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Vierteljährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 8,30mt. pro Quartal. Unter Kreuz band : Deutschland u. Desterreichs Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1894 unter Nr. 6910.
Vorwärts
11. Jahrg.
Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzetle oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Numiner müffen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Erpedition ist an Wochentagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn und Festtagen bis 9 Uhr Vormittags geöffnet.
Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin "
1930
Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
and adore
Sonnabend, den 1. Dezember 1894. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
Arbeiter! Parteigenossen! Trinkt kein boykottirtes Bier!
Abonnements- Einladung.
Wir ersuchen alle unsere Freunde und Genossen, nach Kräften für die Erweiterung unseres Abonnentenkreises thätig zu sein. Die Zeiten sind so bewegt, so schwankend ist die nächste Butunft, so nothwendig die Theilnahme eines Jeden an den Kämpfen der Gegenwart, daß es mehr als je Pflicht der Genossen ist, für politische Aufklärung zu sorgen, und das Parteiorgan in immer weiteren Kreisen zu verbreiten. Es ist das im wahrsten Sinne des Worts eine Parteipflicht, die erfüllt werden muß im Interesse der Partei. Die Hauptstärke einer Partei liegt in ihrer Presse je mehr Leser ein Blatt hat, desto größere Macht hat es, und je größer die Macht der Parteipresse, desto größer die Macht der Partei. Wer dem Parteiorgan neue Leser zuführt, stärkt die Partei. Mit dem 1. Dezember eröffnen wir ein neues MonatsAbonnement auf den
Ein Prachtjunker.
Berliner Volksblatt abre Frohnen wurden bis ins
mit der illustrirten Conntags- Beilage
Die Neue Welt". Für Berlin nehmen sämmtliche Beitungsspediteure, sowie unsere Expedition, Benthstr. 3, Bestellungen entgegen zum monatlichen Preise von
1 Mark 10 Pfennige frei ins Hans. Für außerhalb nehmen sämmtliche Postanstalten Abonnements ür den Monat Dezember zum Preise von
1,10 Mark
Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts bemerkte de Staatsrath in Wien mit Staunen und Schrecken, daß ganz Die Schlacht am weißen Berge( 1620) brach die bis dahin Kreise in Böhmen mit der Steuer jahrelang im Rückstande blieben fast unbeschränkte politische Macht der böhmischen Stände, der und daß sich diese Rückstände immer mehr häuften. Da nur Absolutismus in seiner abschreckendsten Gestalt hielt seinen die Bauern zur Grundsteuer verpflichtet waren, tam man Einzug. Wer von den adeligen Grundherren der Brüder- Unität bald darauf, zu untersuchen, warum denn diese nicht angehörte oder Protestant war, wurde geächtet, aus dem Lande zahlten; und da ergab sich das Resultat, daß sie es einfach nicht hatte die Krone mehr als ein Dritttheil des ganzen Königreiches daß für den Staat nichts mehr übrig blieb. Nun regnete es gejagt, die Güter verfielen der Konfistation. Bis zum Jahre 1630 fonnten. Sie wurden von den Gutsherren derart ausgesaugt, eingezogen. Aber diefer ungeheuere Besitz blieb nicht lange in Edikte und Dekrete, welche die Schuldigkeiten der Unterthanen. ihren Händen. Er wurde verschenkt an Klöster und geistliche in der Weise zu regeln versuchten, daß diese wenigstens noch ihre Orden, an Abenteurer und Eoldknechte, um einen Pappen- Steuern bezahlen konnten. Die Gutsherren hörten wohl die ftiel verschleudert an hochgeborene Grundspekulanten und Botschaften, aber sie fümmerten sich nicht darum, sie preßten Aufkäufer. Aus dieser Zeit datirt die Entstehung der weiter. Die Bauern, die sich auf die kaiserlichen Verordnungen ungeheueren Latifundien in Böhmen , in diefer Zeit beriefen, wurden von ihnen gezwungen, die Frohnen in der alten entstand der Reichthum und Besitz der Liechtenstein und Schwarzen- Weise weiter zu leisten. Nun riß der Hofkanzlei die Geduld. Gie berg, der Waldstein und Gallas, der Lobkowitze und Mansfeld . stellte auf den verschrieensten Herrschaften durch unparteiische, Einheimische waren von den„ neuen Herren" nur wenige. Die energische Beamte Untersuchungen an. Dabei famen Bedrückereien, große Mehrzahl war aus aller Herren Länder zusammengelaufenes Betrügereien und Greuel zum Vorschein, die man gar nicht für Gesindel, Beutejäger und Räuber, die sich wie ein Rubel Wölfe möglich gehalten hätte. Auf eine Anzeige hin wurde auch die auf die ihnen vorgeworfenen Besitzthümer stürzten. Das Land Fürst Mansfeld'sche Herrschaft Dobrzisch( Berauner Kreis) war von ihnen mit dem Schwerte in der Fauft erobert worden; in die Untersuchung einbezogen. Dieselbe wurde von dem Berauund danach betrugen sie sich. Und das erste Ausbeutungsobjekt ner Kreishauptmann geleitet und dieser Beamte fonstatirte dieser sauberen Gesellschaft wurden die unterthänigen Bauern. unterm 18. März 1769 folgendes: Ihre Frohnen wurden bis ins Unerträgliche gesteigert. Noch im Auf der ganzen Herrschaft waren die Steuerbücher in Un15. Jahrhundert hatten die Bauern in Böhmen außer geringen ordnung und der Fürst ließ die Steuer für die zum Gutsfeld Binfungen an Geld und Naturalien nur 6-12 Frohntage jähr geschlagenen Bauernäcker, welche gefegmäßig er entrichten sollte, lich zu leisten gehabt; jest müssen fie 5-6 Tage in der von den Unterthanen bezahlen. Er zwang die Bauern, OchsenWoche auf dem Gutsacker arbeiten, und, wenn sie das vor- und Schöpfenfleisch zu einem außerordentlich hohen Preis von geschriebene Pensum nicht geleistet, sich Eonntags im Echloffe ihm zu kaufen; dieses Fleisch war mitunter ungesund und vereinfinden und für den Nest bezahlen. Die Materialabgaben und dorben. Im Jahre 1767 wurde ein Bauer durch die Drohung verschiedenen Ehrungen" erreichen die Länge einer Litanei. mit dem Zuchthause gezwungen, auf einmal 300 Schöpfen und Gier und Geflügel, gesponnenes Garn und Flachs, Honig und Kälber von der Gutsherrschaft zu kaufen. Für die Ertheilung Meerrettig, Federn und Vieh, wilden Hopfen, Kümmel und des Heirathskonsenses verlangte die Herrschaft statt 30 Kreuzer, Haselnüsse, Eicheln, Schwämme und Schnecken müssen die Unter- wie es Gesetz war, bis zu 3 Gulden. Fürst Mansfeld hatte thanen abliefern, sie müssen das Vich der Herrschaft überwintern, auf seinem Gute Eisenhämmer. Konnte ein Bauer die ver zu er nicht 9thziehen, auch wenn sie feinen Bedarf haben, und ihr Korn in der führten Karren Eisenerz 24 Kreuzer bezahlen. Die Frohn- AbHerrschaftsmühle mahlen lassen. Und dafür werden fie behandelt, lösungsgelder waren in den letzten Jahren ungeheuer gesteigert ärger wie die Hunde. Die zahlreichen gutsherrlichen Beamten, worden; von 12 auf 30 und von 22 auf 60 Gulden. Die Bauern die der Bauer erhalten muß, sind hungrig wie Blutegel. Sie mußten bei Getreidedarlehen 25 pCt. Zinsen zahlen und außerheißen allgemein nur die Peitscher". Es liegt in ihrem Inter - dem noch von jedem Strich 3 Kreuzer, obwohl das letztere vom esse, die Unterthanen bis aufs Blut zu pressen. Sie peitschen Gesetz fireng verboten war. Verlangte die Herrschaft von den schwangere Frauen und prügeln junge Bauern zu Tode. Und Unterthanen Getreide, so mußte diese das Strich 1/2 oder zur Brutalität fügen fie den blutigsten Hohn. 3/4 Gulden( 30-50 pet.) unter dem Marktpreis ablassen. Bauern wurden bei den geringsten Vergehen geradezu barbarisch gestraft. Giner sollte angeblich gestohlenes Wildpret gekauft haben; 400 Gulden mußte er dafür Strafe zahlen. In dem Felde eines anderen wurde eine erschossene Wildsau ges funden; der Frevel wurde mit 100 Gulden geahndet. Ein Abdecker hatte ein paar Wilddecken gekauft; man zwang ihn 300 Gulden als Strafe zu zahlen.
entgegen.( Eingetragen in der Post- Beitungs- Preisliste für 1894 von ihr Bier, Schnaps und Fleisch zu einem hohen Preise belangten Fuhren nicht leisten, so mußte er für jeden nicht ver unter Nr. 6919.)
Der Roman
Im Exil
von Georges Renard,
dem Verfasser des zuerst in deutscher Sprache von uns Sommer 1893 veröffentlichten Roman's
97
Monat
-
Die Bekehrung André Savenay's,
im
der eine so günstige Aufnahme gefunden hat, wird in diesem weitererscheinen und den neueintretenden Abonnenten auf Verlangen nachgeliefert werden.
Die Redaktion und Expedition des ,, Vorwärts" Berliner Volksblatt.
01390
Feuilleton.
Am Exil.
[ Nachdruck verboten.]
Auf einer Herrschaft konnten einige Unterthanen den Robotzins nicht bezahlen. Man sperrte sie zu dem Vieh in den Stall. und als sie vor Hunger schrieen, setzte man ihnen eine Schwinge Häckerlinge vor.
Den Typus eines solchen böhmischen Junkers in all seiner Glorie zeichnen uns offizielle Aftenstücke, die von Karl Grünberg in seinem Werke:" Die Bauernbefreiung in Böhmen , Mähren und Schlesien " vor kurzem veröffentlicht wurden.
Die
Kaum war die Untersuchungskommission abgereift, rief einer
fommen kann, wenn sie sich nicht zurückdrängen läßt. Er geben. Aber da er andere Menschen auch nach sich beurtheilte, begriff auch, daß eine Reihe von Reformen möglich, so hegte er oft fast kindliche Hoffnungen. Er glaubte, daß daß ein entschlossenes Vorgehen unerläßlich war. Zweifel- es genüge, ihnen die Gerechtigkeit und die Wahrheit zu los würde dieser Weg lang sein. Viele, viel- zeigen, um sie dahin zu bringen, daß sie sofort alle diesem 16 leicht er selbst, würden vor dem Ziele erliegen. Biele zustrebten. Er bildete sich infolge dessen auch ein, Roman von George 3 Renard. Autorisirte Uebersehung Ginerlei! er hatte jetzt ein Ziel für sein Leben, er widmete daß man ein Gesellschaftssystem wie einen Handschuh Roman von Georges Renard. Autorisirte Uebersehung sich der allmäligen Aufklärung, der thätigen, ruhigen Pro- umkehren könne, daß die Sitten einer Nation sich paganda für die Ideen, die anderen den Weg in das ge- verändern, sobald in ihrer Regierungsform eine lobte Land bahnen sollten. Umwandlung eingetreten ist. Er hatte Er hatte ein unbe Als René so im Klaren war über das, was er wollte grenztes Vertrauen in die revolutionäre Tradition, fehrte er gern in den geselligen Kreis zurück, in den ihn in die Macht der Reformen, die von einer energischen der Zufall geführt. Dort konnte er wenigstens sein Urtheil Minorität dekretivt und nach Bedarf auch ausgeführt über die verschiedensten Dinge aussprechen, diskutiren, philo- wurden. Cayrolaz sagte mitunter zu ihm: Du bist nichts Dann war er von der Windsbraut, die über Frankreich sophiren, sich nach der geistigen Seite ausleben, was für weiter als ein zu spät geborener Jakobiner. Doch wenn dahinraste, mit erfaßt und wie ein Strohhalm fortgeriffen Männer, die an das gährende Leben der großen Städte man ihn auch als Fanatiker behandeln mochte, Niemand worden. Acht Monate hatte er wie im Fieber verbracht. gewöhnt sind, ein unweigerliches Bedürfniß ist. In konnte bestreiten, daß seine Seele edel und von Grund aus Jeßt, wo er faltblütig überlegen konnte, fragte er sich, ob dem einförmigen Leben eines Arbeitsthieres, das er gut war.
Der Zufall hatte es gewollt, daß er gerade zwanzig Jahre alt war in dem Augenblick, als fast die ganze Elite der denkenden Jugend sich zum Ansturm auf das in den legten Zügen liegende Kaiserreich anschickte Da war er zum Kämpfer für seine Ueberzeugung geworden.
er sich geirrt, ob er etwas zu bereuen hätte. Doch nein! führte, waren es für ihn lichte, erhebende Stunden. Ganz anders war Cayrolaz. Er besaß eine Ge sah Courbet bei der Arbeit r mochte sein Gewissen bis in die tiefsten Tiefen durch Er gu, während schmeidigkeit des Rückgrats, des Gewissens und des frschen, er konnte das zweifache Prinzip, nach dem er ge- dieser sich über die Engländer und Amerikaner, die seine Geistes, die sein Kamerad nicht kannte. Er that sich handelt hatte, Gründung der wahren Demokratie und damit Sonnenuntergangs- Bilder kauften, lustig machte. Er sah etwas darauf zu gute, unendlich praktisch zu sein, und Ser wahren Aristokratie! Gleiches Recht für alle! Jedem ihn auch oft, wenn er der handwerksmäßigen Ausübung er war es auch. Ja, er war es zu es zu sehr; er nach seinem Verdienst! nicht verdammen. Als logischer seines Berufes überdrüssig war, zum Pinsel greifen und sich flammerte sich an das Reelle, an das Gegenwärtige, Geist zog er daraus die Konsequenz: Eine Gesellschaft in die Darstellung einer Landschaft aus dem Jura ver- wie wenn garnichts anderes auf der Welt existirt hätte. muß allen ihren Mitgliedern die gleiche Möglichkeit, tiefen, den er den Alpen vorzog, wie man einen alten Bum Teufel mit den politischen Spekulationen für die Zufich zu entwickeln, sichern. Und er war überzeugt, Freund neuen Bekanntschaften vorzieht. In dem Atelier funft, den uneigennützigen Bestrebungen zur Besserung des daß er ein gutes Werk that, wenn er für die Gleichheit der fand er seine beiden Freunde vom ersten Tage vor und lud Schicksals der menschlichen Gesellschaft! Er war nicht der sozialen Verhältnisse eintrat. Afie fie ein, ihn zu besuchen. Mann, der sich für andere geopfert hätte. Er gestand auch Allein, war die Anwendung von Gewalt nöthig, um Verdier eroberte René's Eltern im Sturm; er war bereitwillig ein, daß sein Verlangen nach Luxus und Wohl= den Bürgern und Bauern die Augen zu öffnen? War sie enthusiastisch, oder wie diejenigen fagten, welche ihn nicht leben gerade so groß sei, wie das irgend eines Reichen. der Weisheit letzter Schluß? Konnte das Heil nur mit leiden mochten, exaltirt und ein Phantast. Vergnügungen, gute Mahlzeiten, Reisen, ein Leben auf Flintenkugeln oder auch auf gesetzlichem Wege erreicht Aber selbst seine Feinde mußten seine Aufrichtigkeit, großem Fuße, das scheine ihm beneidenswerth. Warum werden? Das Beispiel der schweizer Demokratie, die alle seine Geradheit, seine Aufopferungsfähigkeit achten. Wenn er sollte er nicht dazu gelangen so gut wie irgend ein andrer? Fortschritte auf friedlichem Wege durchsetzte, zeigte ihm, vou dem Glück der Menschheit träumte, verlangte er für Er wegte die Zähne schon im Voraus. Aber sein daß eine Nation auch langsamen Schrittes vorwärts sich weiter nichts als das Recht, sich für die Sache hinzu- Ehrgeiz machte sich nicht unangenehm bemerkbar.
Er