Werbt zum iß. Oktober jede Stimme für die GPO.
Ein mißglückter Anschlag. Neuerdings wurde wieder von Unternehmerorganen dafür Stimmung gemacht, daß die Reichseisenbahnen an das Prwatkapital ausgeliefert oder zum mindesten in ein gemischt- wirtschaftliches Unternehmen überführt werden sollte. Wie weit die Propaganda gediehen war, sieht man daraus, daß das Reichsvsrkehrsministcrium sich mit diesen Gedankengängen befaßt hat. Die Schwindelpropaganda mit dem Defizit der Reichseisenbcchn hat also schon einen ziemlich weitgehenden Erfola gehabt. Kein Mensch fragt danach ob nicht das an- gebliche Defizit der Eisenbahn lediglich eine Folge davon war, daß aus den Einnahmen und aus den Reichszuschüsien ganz bedeutende Anlagewerte geschaffen worden sind, die nicht als laufende Ausgaben verbucht werden durften. Da- gegen war die Hetze der Interessenten, die das Eisenbahn- material überteuerten, und sich obendrein ihre Waren zu den im Verhältnis zur Warenteuerung noch niedrigen Tarifen transportieren ließen, gegen Tariferhöhungen jedes- mal allgemein. Alles diente ja dem Zweck, die Reickiseisen- bahnen wieder der Kontrolle der Allgemeinheit zu entziehen und sie der Privatindustrie auszuliefern. Jetzt haben die Präsidenten sämtlicher deut- schen Eisenbahndirektionen in einer Konferenz mit dem Reichsverkehrsminister G r o e n e r in München sich gegen die Privatisierung der Eisenbahnen ausgesprochen. Dieses Urtell ist um so bemerkenswerter, als bekanntlich die höheren Beamten der Reichsbetriebe viel niedriger bezahlt werden, als die leitenden Angestellten der Prioatunter- nehmungen in gleicher Stellung. Hätten sie also ihr mate- r i e l l e s Interesse zum Maßstab genommen, so hätten sich die Eisenbahndirektionspräsidenten sicherlich gegen die Reichs- eisenbahn ausgesprochen. Sie taten es nicht und erkannten damit an, daß eine Privatisierung der Eisenbahnen für die Allgemeinheit die schwersten Schäden nach sich ziehen würde — eine Auffassung, die der unseren ganz entspricht. Die Stellungnahme der Präsidenten der Cisenbahndirek- tionen ist zu begrüßen. Keinesfalls darf die Finanznot des Reiches dazu ausgenutzt werdem daß ein Ramschverkauf mit Gütern der Allgemeinheit ähnlich wie in Oesterreich ver- anstaltet wird. Dagegen sollte alles aufgeboten werden, um die Reichseisenbahnen von den Einflüssen der bureaukratischen � Verwaltung frei zu machen und sie durch eine vernünftige Ver- waltungs- und Betriebsreform rentabel zu gestalten. Eine weitere Frage ist, ob man nicht auch dem Defizit der Eisenbahnen auf andere Weise beizukommen versuchen sollte. In dem Zeitalter, wo die Gesamtindustrie sich vertrustet und sich den Rohstoffquellen nähert, wäre es notwendig, daß die Eisenbahnen frei gemacht werden von jeder Be- lastung, die sich durch das Einschalten von Zwischengliedern in die Versorgung der Eisenbahn mit Betrisbsmaterial ergibt. Tienr Stinnes bezieht die Glühlampen für seine Dampfer und 'ws Papier für seine Zeitungen längst aus den eigenen Be- meben. Die Eisenbahn aber hat noch nicht einmal eigene Kohlenwerke, und der Stahlwerksverband ist ja seinerzssi überhaupt dazu gegründet worden, um die Eisenbahnverwal- wng bei der Belieferung mit Schienen zu übervorteilen. So murde die Reichseisenbahn trotz ihres Defizits zur melkenden Kuh für zahlreiche Privatunternehmer. Sollte es nicht jetzt an der Zeit fein, durch Sozialisierung der Kohle und Angliederung der nötigen Produktionswerkstätten für das übrige Material, auf dessen Massenbezug die Eisen- hn angewiesen ist, endlich die Grundlage für eine rernünf- zs Letriebsführung zu suchen? Sind die Lehren, die die 'rivatindustrie erteilt, für den Staat wirklich so nebensächlich, daß er sie nicht anzuwenden braucht? Hierauf sollten die Sachverständigenorgane einmal ihre Aufmerksamkeit richten. Und darauf, ob es ge- rechtfertigt ist, wenn die Eisenbahnen trotz ihres Defizits noch zu einer papierenen Steuerquclle für das Reich werden» da sie ja außer den Verkehrssteuern auch wie andere Verbraucher die Kohlensteuer usw. zahlen müssen. ***& in■!■— ii i........»»»»»»> Während des Krieges hätte eine solche Verteidigimgsmethode in Frankreich zweifellos gesiegt. Noch im Frühjahr 1919 wurde Villain vom Pariser Schwurgericht freigesprochen, nachdem seine Anwälte stundenlang Kübel von Kot auf sein Opfer Iaures abgeladen hatten. Ob aber jetzt noch die Kriegspsychose die französischen Gemüter der. art geherrscht, daß die Pariser Geschworenen diese„Mörder" sozusagen aus„Patriotismus" freisprechen werden, möchten wir aller- dings bezweifeln. Allein der N e r s u ch der Frau, auf diese Art eine mildere Stimmung für sich und ihren Geliebten zu erzeugen, ist jeden- falls als ein Kulturzeichen der„großen" Zeit charakteristisch. Reue Raabe-EJeteheii. Wilhelm Raabs hat in seinen Er- Zählungen eine Fülle kluger Gedanken in origineller Form aufgc- speichert, so daß man schon verschiedentlich solche„Raabe-Weisheit" aus seinen Werken gesammelt hat. Nicht minder groß aber ist der Reichtum an unveröffentlichten Gedanken und Ein- fällen, die er aufzeichnete. Aus diesem Schatz wird in dem bei Hermann Klemm in Berlin-Grunewald erschienenen„Raabe-Gedenk- buch" jetzt einiges mitgeteilt, und ein paar dieser Aphorismen seien hier wiedergegeben: Der größte Fortschritt der Zeit liegt darin, daß jeder a n- ständige Mensch, der jetzt viel Geld erworben oder überkommen hat, das Gefühl in sich trägt, als ob er sich auf irgendeine Weise des- wegen entschuldigen müßte. Die soziale Frage. Es geht nicht mehr alles so hin. Das Da- m.oklesfchwcrt des allgemeinen Durcheinander ist nichts. Aber daß ieder von oben bis unten sich zu sogen hat: Mau achtet Dir auf die Fing«, und die Finger anderer haben die Macht, sich zu einer Faust zu ballen— das ist etwas, und alles in allem genommen, etwas recht Segensreiches. Die ewige Illusion, daß das Leben noch vor einem liege! Das Leben liegt immer hinter einem. Wenn längere Zeit nach dem Tode eines geliebten Wesens einen der alte Schmerz überkommt, so überlege man. was der Tote versäumt habe, während man selbst und die anderen weiter lebten. Wem nicht jeder Satz, den er schreibt, der wichtigste ist, soll das Schreiben lasten. Goethe ist der deutschen Nation gar nicht der Dichterei usw. wegen gegeben, sondern daß sie aus seinem Leben einen ganzen vollen Menschen vom Ansang bis zum Ende kennen lerne. Keinem anderen Volk ist je solch ein Geschenk von dem Himmlischen gemacht worden. Nur die einzelnen Züge liegen in den Schriften. Wer ist ein Humorist? Oer den winzigsten aller Nägel in die Wand oder die Hirnschale des hochlöblichen Publikums schlägt und die gatizs Garderobe der Zell und aller vergangenen Zeiten daran aufhängt. � Die Arbeiter.Kunft.YereluIguug veranstaltet am heutigen Sonnta-,. ronnittags 11 Uhr eine Führung durch ihre Ausstellung in der welMchen Achulc, Neukölln, Rütllftrahe.
Im übrigen ist zu wünschen, daß das Gerede von einer Privatisierung der Eisenbahnen schleunigst aufhört und fach» lichen Erwägungen über ihre bessere Ausnutzung im Dienste der Allgemeinheit Raum schaffen.
Sonner Justiz. Gerichtlicher Schutz für nationale Teuunzianten. Die Donner Richter stehen noch auf derselben Höhe altprsußi- schen Klastengefühls wie zu? Zeit der Bonner Dorustenprozeste. Das zeigt eine Entscheidung, die am letzten Donnerstag die Straf- kammmer des Bonner Landgerichts fällte. Folgender Tatbestand lag zugrunde: Der Direktor des Städtischen Realgym- nasiums Geheimrat Dr. N i e p m a n n, ein Führer der Deutschen Volkspartei , hatte der französischen Besatzungsbehörde ohne jeden Grund mehrere Bonner Srudenten als Kommunisten denunziert, darunter auch einen in unserer Partcibewcgung hervorragend täti- gen Genossen. Um die Bedeutung einer solchen Denunziation zu ermessen, muß man wissen, daß die Bcsatzungsbehörde schwarze Listen über die Kommunisten führt und sie ausweist, soweit es nur irgend geht. Die Denunzierten hatten denn wirklich die größten Schwierigkeiten, langwierige Verhörungen usw. durchzu- machen, und nur durch das aufklärende Eingreifen unserer Par- tsilsitung konnte ihre Ausweisung vermieden werden. Gegen den„nationalen" Denunzianten hatten die Geschädigten Strafantrag gestellt. Aber sowohl das Schöffengericht wie die Strafkammer in Bonn haben die Beleidigungsklage a b g e- wiesen, indem sie dem nationalen Denunzianten den Schutz des § 193(Wahrnehmung berechtigter Interessen) zu- billigten. Nach diesem Urteil darf hinfort jeder Reaktionär im besetzten Gebiet ungestraft seine republikanisch oder sozialistisch gesinnten Mitbürg« bei der Besatzungsbehörd« denunzieren. Solche„nationale" Denunziationen hält ein preußisches Gericht für ein„berechtigtes Interesse" des Denunzianten. Das ist die Justiz, die immer wieder Entrüstung markiert, wenn wir ihr unser schärf st es Mißtrauen erklären.
De? Nuge-Skanöa!. Zu der Erörterung des Falles Rüge wird vom amt- lichen Preußischen Pressedienst folgendes fest- gestellt: Der frühere Privatdozent Rüge war dem Ermittlungs- richte? des Amtsgerichts Breslau vorgeführt worden. Dieser hat den Erlaß eines Haftbefehls abgelehnk. well er das ihm vorgelegte Material nicht für ausreichend zur Begründung eines dringenden Tatverdachts erachlete. Auf Beschwerde des Oberstaatsanwalts hat das Landgericht auf Grund inzwischen belgcbrachken umfangreichen Maieriala Hastbefehl gegen Rüge erlassen. Der Justiz- m i n i st e r hat der Angelegenheit sofort seine volle Aufmerksamkstt zugewandt. Er ist insbesondere noch mit der Prüfung der Frage befaßt, ob die Bearbeitung der Sache durch den E r m i t t e l u n g s- richte?— der im übrigen üb« die Erlassung eines Haftbefehls nach freiem richterlichen Ermessen zu befinden hat— zu irgend- welchen Zilaßvahmen im Aufsichlswege Veranlassung geben kann. Diese Erklärung ist nicht gehauen und nicht gestochen. Warum hat das umfangreiche Material gegen Rüge nicht dem Ermittlungsrichter vorgelegen, und warum hat dieser übereifrige Herr nicht mit der EntHaftung Ruges warten können, bis das Material gegen Rüge eintraf? In der Presse ist behauptet worden, daß der Ermittlungsrichter es gar nicht für notwendig gehalten hat, den Bescheid der amtlichen Stellen abzuwarten, die das Material gegen Rüge hinter sich hatten, sondern daß er mit einer geradezu verblüffender Eilfertigkeit die Haftentlassung Ruges verfügt hat. Hätte dieser Herr es mit der Entlassung Ruges auch so eilig gehabt, wenn Rüge wegen spartakiftischer Umtriebe eingeliefert worden wäre? Vielleicht bringt eine inzwischen von der sozialdemo- kratischen Landtagsfraktion eingebrachte kleine Anfrage etwas Licht in das Dunkel dieses Falles.
Silüungsanstaltev üer Republik. Man schreibt uns: Uns republikanischen Lehrern liegt daran, laß in den nunmehr endgültig dem Reiche zugesprochenen Anstalten der Herr Minist« des Innern nach dem Rechten sieht. Bei der Ueberleitung in Zivil anstatt. in am 1. Mai 1920 wurden den neuen Anstalten schwarzrotgoldene Fahnen übersandt, wohl als Symbol dafür, daß wenigstens an dusen Schulen mit Staatsstipendiaten die Republik ihre verfassungsmäßigen Farben nicht verstecken und den Geist des neuen Staates einziehen lassen wollte. Die Lichterfelder Vorgänge sind bekannt. An der Staatlichen Bildungsanstatt Ploen wurde im September 1920 d!« republikanische Fahne van den Zog- lingen zerrissen als bewußt« Protest gegen den Staat, der sie unterhält. Und in diese Anstalten, wo sich traditionell— das ist Korpsgeist!— die alte Gesinnung fortpflanzt, läßt der neue Staat seine begabten„Proletarierkinder", damit sie ihm entfremdet werden und verlorengehen! Gewiß sollen gerade an diesen neuen Anstalten Kind« aus allen Schichten Untergebracht werden, aber die Republik würde sich noch mehr kompromittieren, wenn sie hier, wo sie doch zum Teil das Elternhaus verttitt, nicht allen reaktionären Sabotage- versuchen den Garaus machen würde: sie muß an diesen ihr un- mittelbar unterstehenden Schulen die Vorkämpfer der Republik stützen und alle Versuche des Lächerlichmachens als mit dein Eid auf die neue Verfassung nicht vereinbor brandmarken. Der Erlaß der Reichsreoierung vom 29. August gibt endlich auch uns republikanischen Lehrern den lange schon verdienten Schutz: mir hoffen, daß die Ausführungsbestimmungen der Länder die Verhältnisse an den höheren Schulen ausführlich würdigen und recht deutlich werden.__
Die beleidiglen Landsknechte. Eine Anzahl ehemaliger Ehr- hardtianer hat an den Genossen 5? er mann Müller- Franken einen wutschnaubenden Brief geschrieben, weil dies« im Reichstag von der„Eh r b a r'otl ch en Mordbrigade" gesprochen hat. Damit Hot Genosse Müller nur ganz richtig das Wesen dieser Sold- ner gekennzeichnet. Bescheinigt doch einer ihrer Führer in seinem Buche„Mit Ehrhardt durch Deutschland " sich und seinen Kumpanen ausdrücklich, daß sie aufArbeitsrblvtversessen waren und nach den Kapp-Tagen danach lechzien, im Ruhrgebiet ein Ge- metzel unter der Arbeiterschaft anzurichten, um. wie der Verfasser so schön schreibt,„D a m v f abzulassen".— Welchen Ehrentitel beanspruchen derartige Schlächternaturen eigentlich? Der deutsche parlamentarische Verband in der Tschechoslowakei faßte den Beschluß, sich an den Sitzungen der R a t i o n a l v e r- sammlung zu betclligen, da durch die Besettigung der Beamten- regierung die Gründe für das Fernbleiben der Mitglied« des Ver- btrndes in Fortfall gekommen sind.
10. DeutsÄer VaZzsistenkongreß. Essen,?. Oktober.(TU.) Die Generalversammlung der Deutschen Friedensgesellschaft folgt vom 7. bis 9. Oktober der 10. Deutsche Pazifisteükongreß. Einbcrufer sind die verschiedensten Friedens- gesellschaften. Graf Harry Kehler wurde zum Vorsitzenden ge- wählt. Begrüßungstelegramme waren eingelaufen aus England, Holland , Frankreich . Schweiz , Dänemark , Schweden , Oesterreich und Unzarn. Vertreter waren erschienen aus Amerika und England. Den verstorbenen Mitgliedern Gehoimrat Förster, Professor Fried und auch Erzberger widmete Professor Q u i d d e einen Nachruf. Erzberger habe sich die pazifistische Idee während des Weltkrieges zu eigen gemacht. Professor Braun- Zürich sprach üb« das V er hältnisdeseinzelnenzum Staate. Der Redner kommt zu folgender Formulierung: 1. Der Staat ist kein Höchst- wert, sondern ein M i t t e l z u m Zweck, der Kultur und des Geistes. 2. per Staat darf die Loraussetzung aller Werte, das Leben» niemandem rauben. ?. Einziger Weg zur Erfüllung dieser Forderung sei unbedingtes Verweigern des Kriegsdienstes. Eine Verwirklichung fei nur mit Hilfe der sozialistischen Parteien aller Länder möglich.— Dann sprach Professor Köppelmann über die Frage, wie sich der einzelne zum Staat stellen solle, und zwar nach Beispielen aus der alten Geschichte. Er ist d« Ansicht, daß die Führer des Volkes auch aus diesem hervorgehen müßten und das Regieren nicht angeboren sein könne. In der Freitaqnachmittagsversainmlung des Pazifistenstkon- gresses sprach Professor Stühmer über die Bedeutung der e o a n- g e l i s ch e n Religionsgemeinschaften für die Wiederannäherung der Völker. Die kirchlichen Kreise hätten während des Krieges fast völlig versagt. Der Gedanke, daß der Kriegsdienst erlaubt sei» wenn ihn die Obrigkeit gebiete, sei besonders von der evangelischen Kirche gepflegt worden. Die evangelische Kirche müsse üb« den Grundsatz des Rationalismus die I nt e r n a t i o n a l e stellen. Als zwetter Redner sprach Pfarrer I e t h a h n vom katholisch- pazifistischen Standpunkt aus über Krieg und Frieden. Die staatliche Vevormunduna der Kirche sei von Schaden gewesen und es sei Pflicht jedes Katholiken, die völkerverbindenden Grundsätze des Friedens zur Anwendung zr bringen. Dann sprach er Be- denken gegen eine gewisse katholische Presse aus, wobei er besonders die„Kölnische V o l k s z e i t u n g" nannte. Der jetzige Papst Benedikt XV. habe während des ganzen Krieges dem Frieden das Wort geredet. Es sei nicht wahr, daß die katholische Kirche während des Krieges ganz versagt habe, wahr sei allerdings, daß die meisten Katholiken dem Nationalismus huldigen. Auf dem Katho- likcntage sei wenig von Frieden gesprochen worden: es sei nicht zu verstehen, daß der katholische Frauenbund dem keimenden Leben Schutz angedeihen lasse, nicht aber dem blühen- den Leben.(Lebhafter Beifall.) Die Ideale der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit seien allen Völkern und Menschen gemeinsam.— Rektor Bloch aus Hamburg svroch an Stelle des verhinderten dritten Referenten üb« kulturelle Gcmeinschaftlichkeit für die Wieder- annäherung der Völker. Allen drei Rednern wurde lebhafter Beifall zuteil. Essen, 8. Oktober. (TU.) Die Sovnabendvormittagsitzung des Pazifistenkongresses tagte unter dem Vorsitz von Fron Janusch. Das erste Referat hielt Professor Dr. Kantorowicz-Freiburg (Baden ) über die Umbildung der Pariser Völkerbundsakte. Da« Hauptsächlichste beim heutigen Völkerbund seien nicht die Satzungen, sondern die Sitzungen. Der Geist, der in den Sütungen herrsche. müsse geändert werden. Dem Reckst müsse zum Siege verHolsen werden, selbst mit Hilfe der Gewall. Nur selbstsüchtige Gewatt lehnt der Referent ab. Der Weg führe ab« unbedingt zur Idee des Völkerbundes. Selbst wenn alle Staatsmänner, die den Völkerbund geschaffen haben, Pazifisten gewesen wären, hätte« nicht anders werden können. Ueber Wilson gebe es drei Ansichten, die einen halten ihn für einen abgefeimten Betrüger, die anderen für einen weltscemden Sonntagonachmittags-Prediger. Wir aber sehen, daß er aufgeklärt war und mit gutem Grund den Völkerbundsvertrag mit dem Friedensvertrag verknüpfte. Für uns sei es Pflicht, die baldige Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund zu fordern. Hieran schloß sich eine Diskussion, an welcher Professor O u i d d e, Graf Harry Keßler . Reichstagspräsident L o e b e. Fräulein Dr. S t ö ck e r und Dr. Simons sowie Helmut v. Ger- l a ch teilnahmen. Die von Professor Kantorowicz eingebrachte Entschließung wurde gegen zwei Stimmen angenommen. Die gestrigen Referenten brachten ebenfalls eine Entschließung über die Aufgaben der religiösen und kulturellen Gemeinschaft der Völker ein, die angenommen wurde. Sodann entspann sich eine Aussprache über die Freilassung des Dichters E r n st T o l l e r.
Die Tiroler Separatisten. Wenn von deutscher amtlicher Seite bestritten wurde, daß in Berlin offizielle Verbandlungen mit Führern des Tiroler Volk:« über eine eventuelle Anschlußaktion gepflogen worden sind, so muß demgegenüber, wie die„Dena" zuverlässig erfäbrt, daran festgehalten werden, daß tatsächlich mehrfach Tiroler Parteiführer in Berlin geweilt und die Stimmung der deutschen politischen Par- toien hinsichtlich des Anschlusses Tirols an das Reich sondiert haben. Nach dem Bericht der„Dena" haben sämtliche Parteien bei dies« un- verbindlichen Fühlungnahme den Tiroler Herren keinerlei Zweifel darüber gelassen, daß eine isolierte Anschlußaktion Tirols in keinem Falle, unbeschadet aller Sympathien für das deutschtiroler Brudervolk, auf moralische und materielle Unterstützung des Reiches zu rechnen habe, solange nicht ein grundlegender Stimmungsumschwung innerhalb der Entente zum österreichischen Anschlußproblem fest- zustellen sei. Namentlich wurden die Tiroler unmißverständlich darauf aufmerksam gemacht, daß eine etwaige separatistische Aktion auf gewaltsamem Wege nur dazu angetan sei, den Anschluß Oesterreichs aufs schwerste zu gefährden, wenn nicht gar auf unabsehbare Zeit unmöglich zu machen. Bei der Aussprache konnte auch nicht verkannt werden, daß im Punkte des Anschlusses die Stimmung in Tirol eine nichtganz einheitliche zu fein scheint. Hier spielen gewisse Bestrebungen Vorarlbergs eine Rolle, das in einzelnen Bevölkerungsteilen den Gedanken einer Vereinigung mit der Schweiz immer noch nicht aufgegeben zu haben scheint. Wie weit in den Tirol« separatistischen Bestrebungen Major Pabst als treibende Kraft eine Rolle spielt, mag dahingestellt bleiben. Sich« ist, daß er in der Organisation der Tiroler 5)eimatwehren an einkluß- reicher Stelle steht und zur Zeit der Entwaffnung der bay«ischen Einwohnerwehren an der Verschiebung erheblicher Waffcnmcngen aus Bayern nach Tirol hervorragend beteiligt gewesen ist. Die„Bayerische Staatszeitung " bemerkt zu den Meldungen üb« monarchistische Umtriebe bzw. eine Bereinigung zwischen Bayern und Tirol unter einem Wtttclsbacher:„Nur Phantasten und Tollhäusler könnten den zur Verwirklichung solcher Pläne un- bedingt notwendigen Umsturz unternehmen und sich von ihm Erfolg versprechen. Das bayerische Volk in seiner erdrückenden Mehrheit lehnt einen derartigen Wahnwitz als Verbrechen an Land und Reich entschieden ab."_; Das Verbot der.Braunschweiger Ilcucsien Nachrichten' ist. wie die PPR. hören, in der AnSschußsitzung deS RcichSrateS am Sonnabend bestätigt worden. Die Zahl der Arbeitslosen in England betrug am 30. September 1403 700. was gegenüber dem Borjahr eine Verminderung nm 40 650 bedeutet.