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Nr. 479+ 38.Jahrgang

Groß- Berlin

Beilage des Vorwärts

Um die verlorenen Futterkrippen. Die Hehe gegen die sozialistischen   Direktoren. Durch die Rechtspresse geht ein Artikel über die Direktoren

wahlen an den Berliner   höheren Lehranstalten.

Wie alles, was von dieser Seite jezt an Kritik der Berliner  Berhältnisse geleistet wird, dient auch dieses Sammelsurium gehässiger Entstellungen lediglich der Wahlmache. Dies zeigt schon ein Reklameschild innerhalb des Artikels mit dem Text:

Am Sonntag, dem 16., muß das Rote Banner vom Roten Hause herunter!

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Dienstag, 11. Oktober 1921

Die Schulverwaltung Neukölln hat an die Reftoren Auf die Untersuchungshaft wurden angerechnet: bei aller Volksschulen eine Verfügung ergehen lassen, nach der alle Frau Hemberger 1 Jahr und 3 Monate, bei Proze 1 Jahr und Anträge auf Befreiung vom Religionsunterricht, die 4 Monate und Frau Weise wurde eine Bewährungsfrist bis 1. No­jezt oder am Anfang des Schuljahres gestellt werden, unbedingt" vember 1924 zugebilligt. Bei Frau Hemberger hat das Gericht die zu berücksichtigen sind, desgleichen daß auch diejenigen Anträge, die von ihr getätigte Begünstigung so gräßlich erachtet, im Laufe des Schulhalbjahrs aus Gewissensbedenten" gestellt wer- daß es bedauerte, daß das höchstmaß, das der Ge­den, im Sinne des Ministerialerlasses vom 15. Ottober 1919 zu er feggeber für die Begünstigung festgesetzt hat, eigen find. Anträge auf lleberweisung aus einer Schule mit Re- 1 Jahr Gefängnis beträgt. Die Angeklagten nahmen die ligionsunterricht an eine Schule ohne Religionsunterricht sind eben Strafe an. falls durch die Rektoren der Schulverwaltung stets sofort" zur Ent­

Große öffentliche Wählerversammlungen!

Heute, Dienstag, den 11. Oktober:

Deutschnationale Kinderverschickung.

Die Parteitasse für den Kapp- Putsch.

Bor dem Schöffengericht Neukölln wurde gestern in Dierstündiger Sißung eine private Beleidigungsflage des 14. Kreis Budow: 7% Uhr in der Turnhalle der Schule, Dorfstr. 6 Oberlehrers Gaudich   gegen den Papierhändler Paapke   ver­( nicht Cofal Schulz!). Thema:" Der Kampf um Groß- handelt. Den Klagegrund bildete ein häuslicher Streit der Berlin  ". Referent: Stadtverordneter Johannes Haß  . Deutschnationalen, bei dessen Erörterung im Gerichtssaal

M. d. C.

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Daß den Außenstehenden die Nachprüfung der dort enthaltenen Schmähungen unmöglich ist, läßt das Machwert nur noch frivoler 18. Kreis Hohenschönhausen: 7% Uhr Gemeindeschule, Rödernstr. die Deffentlichkeit liebliche Dinge erfuhr. Beleidigt fühlte sich Gau­erscheinen. Verfasser ist Herr Tropfte, Direktor der Kirschner­Thema: Sozialistischer Aufbau oder reaffionärer Rüd- dich durch eine von Paapte im Februar 1921 veröffentlichte Bro Oberrealschule und Stadtverordneter. Sein Mandat entstammt schritt". Referentin: Frau Dr. Wegscheider- Ziegler, schüre, in der ihm vorgeworfen wurde, er habe als Borsitzender der jener Zeit, in der freifinnige" Denkungsart die Politik der Ortsgruppe Neukölln der Deutschnationalen Boltspartei ein Verhal­20. reis Reinidendorf- West: 7% Uhr, Harimanns Brauerei, ten gezeigt, daß einem die Haare zu Berge stehen müßten. Der Hasenheide" nannte es Bülow den 3ugang zur Futter. Scharnweberstr. 101. Thema: Bor der Entscheidung". Ortsgruppenvorsitzende Gaudich   wurde von dem früheren Borstands. trippe" erschloß. Hatte man zum Vater einen, freifinnigen" Stadtverordneten kapitalistischer Art, so war es nicht schwer, mit Hilfe der Wähler erster und zweiter Klasse selbst in das Rote Haus einzuziehen. Besaß man zudem das Prüfungszeugnis" und ver stand auch sonst den Laden zu schmeißen", so konnte man auch Direttor werden, selbst dann, wenn man von den Kollegen für einen argen Streber, Wichtigtuer und Byzantiner nach oben und unten gehalten wurde.

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Auch Herr Tropfte ist der Sohn seines Vaters, und die Re­daktion des ,, Lokalanzeigers" muß ja wissen, warum sie gerade ihn für besonders geeignet hält, zu erzählen, wie man Direttor wird.

Referent: Stadtverordneter Dr. Lohmann. Morgen, Mittwoch, den 12. Oktober:

4. Kecis: Prenzlauer Tor, 24. Abteilung: 7% Uhr in der Schulaula, Christburger Str. 14. Thema: Die Aufgaben des Stadt­parlaments". Referent: Dr. Borchardt, Stadtverordneter. 28. und 29. Abteilung: 7 Uhr, Schulaula, Senefelderstr. 6. Thema: In letzter Stunde". Referent Kurt Heinig.

ordneter.

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mitglied Baapte u. a. beschuldigt, im März 1920 bei dem Kapp= Putsch vor den Roten das Weite gesucht zu haben und im Sommer 1919 durch Ausnügung seiner Stellung in der Partei seinen Kindern einen Ferienaufent­halt verschafft zu haben. balt verschafft zu haben.

Zu dem Vorwurf der Feigheit erklärte Gaudich, er habe in den 7. Kreis Charlottenburg  , 58. Abteilung: 7 Uhr in der Aula der Tagen des Kapp Putsches   seine nervöse Frau mit den 7. und 8. Gemeindeschule, Joachimsthaler Str. 32. Thema: Rindern aus Neukölln nach Berlin   gebracht, er selber aber habe Die politische Bedeutung der Stadtverordnetenwahlen täglich von 9 bis 4 Uhr als Geschäftsführer des Wahlkreisverbandes und die Sozialdemokratie". Referent: Robert Breuer.   feiner Partei in der Berliner   Geschäftsstelle gearbeitet und nachts Freie Aussprache. bei seinem Bruder in Berlin   geschlafen. Die Geschäftsstelle sei, fügte 8. Kreis Siemensstadt  : 7% Uhr im Restaurant Heidefrug. In- er hinzu, untergebracht in demselben Hause Schellingstraße 1, in ,, Was soll aus unseren höheren Schulen werden," so jammert haber Marsandt, Nonnendamm- Ailee 89. Thema: Bor welchem in dem unter ihr liegenden Stodwerf die polfsparteiliche Rassandra, wenn nicht mehr Fach­der Entscheidung". Referent: Frih Müntner, Stadtver­ der Kapp- Puffch ausgebrütet" und Verwaltungsfenntnisse, sondern nur die Parteistellung emp­worden sei, wovon er aber nichts gewußt habe. Ein als Zeuge ver­fiehlt?" Dabei ist Herr Tropfte feineswegs in der Lage, den Neu- 15. Kreis Adlershof: 7% Uhr bei Wöllstein  , Bolfsgarten", Bis- nommenes Borstandsmitglied, Postsekretär Langula, erzählte über gewählten jene Kenntnisse abzusprechen, vielmehr muß er sie ihnen marcsfr. Thema: Vor der Entscheidung". Referent: den Kapp- Butsch, man habe zur Speisung der Soldaten die Kasse ausdrücklich zuertennen. Aber sie sind Sozialisten Bürgermeister Karl Wermuth.  der Deutsch   nationalen verlangt, darum seien Gaudich   und und deshalb von vornherein unfähig! Außerdem hat jeder 16. Kreis Friedrichshagen  : Uhr im Gesellschaftshaus( Inhaber auch Professor Danide gesucht werden, aber sogar er habe nichts Schröder), Friedrichstr. 137. Thema:" Vor der Entschei- von ihrem Aufenthalt gewußt. Bon Mitgliedern der Deutschnatio­von ihnen seinen besonderen Schönheitsfehler: der eine ist zu jung, dung". Referent: Hermann Silberschmidt, M. d. R. der zweite zu nervös, der dritte hat seinen Direktor denunziert, ein 17. Kreis Kaulsdorf  - Süd: 7% Uhr im Restaurant Sanssouci, baten gesammelt worden, auch habe der Parteifaffierer nalen Partei feien Lebensmittel und Geld für die Sol. anderer ist ,, liebenswürdig, aber verworren", zudem November­Moltkestr. 1. Thema:" Die bevorstehenden Stadtver- Stange etwas Geld gebracht, aber Langula   habe gesagt: Mit den fozialist"! Was nun den Gesinnungswechsel" anbetrifft, Herr ordnetenwahlen". Referent: Stadtverordneter Frit Pfennigen ist nichts anzufangen". Er fei dann zum Polizeipräsidium Tropfte, sollte nicht Ihr Sprung von der Deutsch- freisinnigen" über gegangen, um mit führenden Persönlichkeiten über das Berlangen die Deutsch  - demokratische" und Bolkspartei" zum Mitarbeiter des der Kassenauslieferung zu sprechen, aber hier unterbrach der Ge­übelsten der deutsch  - nationalen Hezblätter, des ,, Lokalanzeigers", den scheidung vorzulegen. Damit ist den Berfuchen einzelner Schulleiter, richtsvorsitzende den Zeugen: Das intereffiert uns nicht". Rekord schlagen? Befreiungsanträge als zu spät" oder als zu falscher Zeit" gestellt Die Ferienverschickung der Kinder Gaudichs fam Was ferner die ,, Denunziation" anlangt, so trifft der Vorwurf unberücksichtigt zu lassen, endlich ein Riegel vorgeschoben. Man auf folgende Weise zustande. Am 4. Juni 1919 annoncierte Gaudich  zwar nach unserer Erfundigung an zuständiger Stelle nicht rechnete wohl damit, daß die Eltern, durch die umständliche Wieder in der Deutschen Tageszeitung: Deutschnational! Welcher Land­zu, berechtigt aber zu der Frage: wenn eine ,, Denunziation" zur holung des Antrags zu rechter Zeit" von der Befreiung Abstand wirt nimmt erholungsbedürftige Parteiangestellte und Kinder deutsch­Bekleidung einer Direktorstelle ungeeignet macht, spricht sich dann nähmen, daß es schließlich vergessen wurde und ganz unterblieb. Mit nationaler Eltern unentgeltlich oder gegen mäßige Entschädigung nicht der Bater des Rattenkönigs übelster Denun- fo fleinlichen Mitteln glaubte man noch die Sache der Kirche zu auf einige Zeit auf? Angebote an den Vorsitzenden der Ortsgruppe ziationen, wie sie der fragliche Artifel enthält, selbst das Urteil? retten. Bei Stellung des Antrages während des Halbjahres Neukölln der Deutschnationalen Bolfspartei, Oberlehrer Gaudich  , empfiehlt sich allerdings der Bermert: Aus Gewissensbedenten be Raiser- Friedrich- Str. 68/69." Die Annonce bezahlte er selber, aber Eine hervorragende Gesinnungstüchtigkeit" und Wahrheits- antrage ich sofortige Befreiung." Antragsformulare find stets bei er legte die Sache dann der Vertrauensmännerversammlung vor und liebe liegt auch in dem Borwurf, daß, seitdem die Direktorenwahl den Elternbeiräten der weltlichen Schulen fomie in fand ihren Beifall. Es meldete sich eine Gräfin n. d. Schulenburg. aus der Hand des Magistrats in die Hand der Bezirksverwaltungen den Barteibureaus der sozialistischen   Parteien zu haben. die die Beamtenkinder und zur Ueberwachung eine Schwester auf­I- VI gegeben ist, jede Rücksicht auf bürgerliche und fachkundige nehmen wollte, und ein Verein aus Neiße, bei dem die Berhand- o m Bewerber aufhört". Haben denn nicht die Reaktionäre aus dem lungen sich zerschlugen. G. schickte zu der Gräfin  

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Brolat.

Das Urteil im Gattenmordprozeß.

Bezirk Tiergarten diesen Beschluß durchgesezt, um eine Sozia= Der Prozeß wegen. der Ermordung des Oberlehrers Hemberger listin als Direttorin abzufägen? Un marum ver­schweigt man die Wahl der Direktoren Reimann, Zeck und anderer Bürgerlicher?

Nimmt man alles nur in allem, so haben wir hier ein Schul­beispiel" im engsten Wortsinn für die Art, wie der Wahl­tampf von bürgerlicher Seite geführt wird. Den Deutsch nationalen und ihren Helfershelfern ist jedes Mittel recht! Darum, Eltern, wollt Ihr Eure Kinder zu selbstlosen, charakterfesten und freiheit­liebenden Menschen erziehen, dann sorgt am Tage der Stadtverordnetenwahlen dafür, daß

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unsere Schule nicht der Reaktion ausgeliefert wird!

Fräulein.

Ron Paul Enderling.

" Das muß eine schwere Enttäuschung gewesen sein." Er wehrte ab. Damals, ja."

,, Und da wolltest du reden, daß du glücklich bist?" " Ja, Kind." Er sah sie lächelnd an. Ich bin glücklich, wenn die Abendsonne auf die Marienkirche scheint und der Turm wie mit Burgunderwein übergoffen scheint. Ich bin glücklich, wenn ein Schüler nach der Stunde zu mir fommt und mich nach einem Buche fragt, das er sich kaufen möchte. Ich bin glücklich, wenn ich einen glücklichen Menschen sehe, der wie die Erfüllung der Schöpfung ist."

,, Gibt es solche?"

" Ja. Man muß nur die Augen dazu haben." Er stand auf und ging im 3immer langsam auf und ab. Die Wolfen aus seiner Pfeife hatten eine blaue Schicht gebildet, aus der sein Kopf immer wieder auftauchte.

Thea sah kläglich vor sich nieder. Ach, deine Weisheit ist etwas für alte Leute, Onkel."

Er blieb stehen. Du hast recht. Nun will ich dir aber eine für junge Leute geben. Es ist ein altes Rezept, gut er­probt von allen Autoritäten der Lebenswissenschaft: Mache glücklich, dann bist du es auch!"

ist gestern in später Abendstunde unter riesiger Anteilnahme eines sensationslüfternen Publikums zu Ende gegangen. Be: der Wieder aufnahme der Verhandlung erhob sich ein wütender Kampf der zum Zuhörerraum Andrängenden. Man hörte Angst- und Hilferufe der in das wilte Chaos hineingeratenen Frauen; Blusen wurden zer rissen, Hüte vernichtet und die Justizwachtmeister, unterstützt von den Polizeimannschaften, fonnten nur mit dem Auswand aller Kräfte die Anstürmenden in Echach halten.

Das Gericht verurteilte:

Frau Hemberger zu 2 Jahren 6 Monaten Gefängnis; Prohe zu 5 Jahren Zuchthaus  ;

Frau Weise zu 1 Monat Gefängnis.

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feine eigenen beiden Kinder

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und zur Ueberwachung ein im Bureau der Deutschnationalen an­gestelltes Fräulein Stange, außerdem das Kind eines stellungslosen Geschäftsführers v. Brockhusen, das er wie er selber vor Gericht fagte als Beamtenfind frisierte". Die gemeldeten Kinder von zwei anderen Parteimitgliedern konnten nicht verschickt werden, weil feine Stellen mehr zur Verfügung standen. Als die Verschickung der eigenen Kinder des Vorsitzenden bekannt wurde, erregte das Unzufriedenheit. G. erklärte, anfänglich habe er durch die Annonce überhaupt nur seinen eigenen Kindern einen Ferien­aufenthalt verschaffen wollen, dann aber sei ihm ein­gefallen, daß sich dabei vielleicht auch für die Kinder anderer Partei­genossen etwas finden würde. Dieselbe Erklärung gab er vor Ge­richt, und zur Begründung jenes Bittgefuches führte er an, daß er

Ach Gott  !" Tief feufzend zog sich Frau Görte zurüd.| erflärung? Gewiß, eine scheue aber Lothar war ein " Dent nur" fagte der Oberlehrer, wie schlimm es scheuer, vorsichtiger Mann. Er rechnete darauf, daß sie richtig Fräulein hat! Keine friedliche Minute am Tage, gehetzt wie las. Und je deutlicher sie im Unterbewußtsein die Gleichgültig­ein Zirkuspferd, immer in der Runde." ,, Dafür wird sie ja bezahlt." Man bezahlt feinem Menschen seine " Pfui, Thea. Freiheit. Man bleibt immer fein Schuldner." Sie sprang vom Schreibtisch herab. Ihre Augen blizten. Ich will von Fräulein nichts hören. Ich will nicht. Hörst du?"

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Aber Kind, du solltest doch so viel Gefühl für sie haben-" Gefühl? Hat sie es denn für mich?" " Sicher, Kind. Sie freut sich von Herzen über dein Glüd." ,, lleber mein Glüd mit Henning freut fie sich, ja. Und weißt du, warum?" Sie trat ganz dicht auf den Onkel zu. Weil ihr nun niemand mehr bei Lothar im Wege ist." " Bei Lothar? Wie kommst du darauf?"

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,, Sie bekommt Briefe von ihm." Sie schrie auf. Aber sie soll ihn nicht haben!" und ehe der Oberlehrer sie noch halten fonnte, stürzte sie weinend aus dem Zimmer.

Der Oberlehrer schloß langsam die offengebliebene Türe. Jeder muß seinen eigenen Weg gehen, empfand er mit Trauer; nichts hält ihn zurück und fann ihm Umwege er­sparen. Nicht Liebe noch Berstehen. Das macht: Wir sprechen alle verschiedene Sprachen; der alte Babelfluch ist noch nicht Thea schwieg. Der Ontel fuhr fort: Du hast hier ringsum mannigfache on uns genommen. Wir find alle einander fremd. Und ernst blickte er in das Antlig Schopenhauers, das in Gelegenheit." Er sah die Szene im halbdunklen Nebenzimmer einem eben vorüberflutenden Sonnenstrahl sich zu beleben des Festsaals vor sich Theas vergebenes Werben um und ironisch zu lächeln schien. Lothar, und er bemühte sich, ihr näher zu kommen. Aber

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Lothar Franzius hatte von Berlin   aus einen Brief an

er fand nicht das rechte Wort." Henning läßt dich grüßen," Thea gefchrieben; es waren ruhige, fühle Zeilen. Er entschul­

fagte er endlich. Danke."

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digte sich, daß er so plöglich habe abreisen müssen, da er sich in Berlin   habe vorstellen müssen. Ich muß für meine Su funft tun, was ich fann, nicht wahr?..." Er hoffe aber, bei der Hochzeit zu sein, und bitte, allen feine ergebenen Grüße auszurichten.

" Er zittert, wenn er deinen Namen ausspricht. Dent nur!" Thea ichwieg. Bist du nicht glücklich, daß du einen Menschen so glücklich machen fannst?" Thea schüttelte nur den Kopf. Tausend Frauen würden dich darum beneiden." Ich bengide diese Frauen nicht," sagte sie hart. Es waren ruhige, fühle Zeilen aber sie glühten auf Es flopfte. Frau Görke stedte den Kopf ins Zimmer. dem Papier und brannten in Theas Herz und Händen. Sie Weißt du nicht, wo Fräulein ift?" fragte sie aufgeregt. Seit las die wenigen. in den klaren, steilen Zügen geschriebenen einer Viertelstunde suche ich sie." Zeilen wieder und wieder und las immer Neues daraus. Liebe Thea" stand am Anfang. War das nicht eine Liebes­

Ich sah sie mit Eva hinaufgehen."

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feit seines Schreibens empfand, um so zäher und erbitterter hielt sie sich an das, was sie in die Zeilen und zwischen sie hineinlegte. Liebe Thea," flüsterte sie vor sich hin. Mie das flang: liebe... Thea..." Und als sie den Brief zum hundertjtenmal gelesen hatte, war sie fest überzeugt, daß es ein Liebesbrief, ein glühender, begehrender Liebesbrief sei.

Konnte er denn anders schreiben? Mußte er nicht damit rechnen, daß der Brief von allen gelesen wurde? Was hätte sie denn sagen sollen, wenn Mutter sie fragte, was Lothar schrieb? Und wem hätte er den wichtigen Brief geben fönnen? 3u wem fonnte er Vertrauen haben? Nein, nein, es war flug und vorsichtig von ihm gehandelt. Er wollte sie nicht bloßstellen. D, er war so bedacht auf ihre Ruhe, auf ihren Frieden, wie es nur einer fonnte, der liebte. Liebe. Thea.

Und nun hätte sie darauf geschworen, daß er sie liebe. Draußen fiel der Regen. Er flatschte gleichmäßig, so daß man das monotone Geräusch kaum mehr hörte. Thea drückte die Nase an den Scheiben platt und freute sich über die fleinen Fontänen, die jedesmal entstanden, wenn ein paar dide Tropfen zugleich auf das Fensterbrett schlugen und dann hoch auffprühten.

Sie horchte auf die Schritte der Vorübergehenden und fummte leise das Kirchenlied mit, das eben vom Turm der Ratharinenkirche herübertönte. Nun schlug es dumpf, lang­fam, gewichtig, als künde jeder Glockenschlag etwas ganz Be­deutsames.

Unten trat ihre Schwester, Frau Dore Franzius, aus dem

Hause. Jetzt ist niemand unten, dachte sie und lief hinab.

Das Wohnzimmer war leer. Aus dem hinteren Zimmer hörte man Fräuleins Stimme, die Werner im Französischen überhörte, und Eras Lachen flang gedämpft dazwischen. Auf dem Schreibtisch der Schwester stand neben fleinen Hunden und Razen aus Porzellan und Photographien auch das Bild Lothars. Einen Augenblid zögerte fie. Dann nahm sie es an sich und betrachtete es.

Als aber Evas Schritte nähertamen, steckte sie es in den Aermel und flüchtete nach oben. ( Forts. folgt)