Eine Resolution, dahingehend, den Boykott fortzuführen unddie Redaktion des„Bolksfreund" wegen ihres Verhaltens inSachen des Boykotts zu tadeln, wurde eingebracht. In der Dis-kussion, nicht im Vortrage, wies ich nochmals darauf hin,welchen Werth Streiks und Boykotts im Emanzipalionskampfder Arbeiterklasse haben und sagte, daß nur dann an eine sieg-reiche Beendigung des Boykotts zu denken sei, wenn die periön-lichen Streitigkeiten aufhören. Lassen sich diese nicht beseitigen.so solle man den Boykott lieber für beendet erklären. Können dieLeiter der Bewegung den persönlichen Zwist nicht unterdrücken, sosolle man andere Personen mit der Leitung betrauen. Die Haltungdes Parteiorgans ist bei einem Boykott von größter Bedeutung.Wörtlich erklärte ich:„Das Parteiorgan soll das Sprachrohrder Genossen am Orte sein. Wenn die Wünsche der Majoritätder Genossen— ich weiß nicht, ob Sie hier die Majorität derBraunschweiger Genossen vertreten— von der Redaktion desParteiorgans nicht erfüllt werden, so bleibt nichts anderes übrig,als ein neues Organ zu gründen. Aber so weit darf der Streitnie gelrieben werden."Diese Ansicht habe ich nicht nur in Vraunschweig, sondernschon oft vertreten, und werde sie unter allen Umständenimmer und überall vertreten.Daß übrigens meine Ausführungen das Gegentheil von demwaren, was der„Volksfreund" mir andichtet, wird dadurch be-wiesen, daß ein mir unbekannter Genosse, gleich nachdem ich ge-sprachen, den Antrag stellte, die Diskussion zu schließen, undbetonte, es sollten nur meine zum Frieden mahnenden Aus-sührungen beherzigt werden. Ebenso sprach sich auch ein mirgleichfalls unbekannter Genosse in der Versammlung am 26. Ro-vember aus.Der Redakteur des„Volksfreund", Caliver, der in beidenVersammlungen nicht anwesend war, hat nun in zwei Artikelngegen mich, nicht etwa gegen meine Ausführungen Stellunggenommen. Spaltenlang zitirt er gegen mich gerichtete Aus-sührungen einzelner Genossen auf dem Kölner und Franki'urterParteitage. Ich habe schon wiederholt mit Genossen, die andererMeinung waren als ich, diskutirt, noch nie aber habeich eine Art der Polemik gefunden, als bei diesem Redakteur.Das muß um so mehr auffallen, als er sich in einer von ihmverfaßten Broschüre darüber beklagt, daß die Parteipresse ofteinen gehässigen und verletzenden Ton gegenüber dem Gegneranschlage. In den Versammlungen nicht anwesend, nach demHörensagen seine Ausführungen machend, befleißigte sich dieserRedakteur einen Ton zu gebrauchen, der einem antisemitischenBlatte alle Ehre gemacht hätte. Unter diesen Umständen konnteich nicht erwarten, daß eine Erwiderung von mir im„Volks-freund" Aufnahme finden würde, oder zum mindesten würde die-selbe so entstellt worden sein, daß sie nicht zur Geltung ge«kommen wäre. Ich hielte es aber auch unter meiner Würde,auf solche Angriffe eine Erwiderung an den Redakteur ein-zusenden. Auf viermaliges Ersuchen der Genossen inBraunschweig, welche mich für den Vortrag bestellt hatten, er-klärte ich mich bereit, meine Ansichten nochmals in einer Ver-sammlung in Gegenwart des Redakteurs zu vertreten. Daß mirdies durch Auflösung der Versammlung nicht möglich wurde, be-daure ich.Die Redaktion des„Vorwärts" hätte aus den Artikeln inNr. 273, 274 und 275 des„Braunschweiger Volkssreund" er»sehm müssen, daß der Redakteur nicht darauf aus-ging, die Unrichtigkeiten meiner Ausführungen nachzuweisen,sondern nur kleinliche gehässige Angriffe hatte und deswegenhätte sie auch ihre Kritik an meinem Verhalten in BraunschweigSparen können. Wenn es in Braunschweig zu einen, offenenZruch unter den Parteigenossen kommen sollte, so ist sicher nichtdas daran schuld, was ich gesagt habe, sondern die Art undWeise, wie der Redakteur des„Volksfreund" meine Aus-sührungen, die er gar nicht gehört, behandelt hat. Der Tadelwäre in diesem Falle an eine andere Stelle zu richten. Ich bingern bereit, einen Tadel zu ertragen, wenn ich einen Fehler ge-macht habe, aber auch nur dann, und das ist hier nicht ge-schehen.Hamburg, 30. November 1S94.C Legten,Aus den letzten Versammlungsberichten, die unser Braun-schweizer Partei-Organ über den Verlauf dieser Parteistreitig-ketten bringt, ist zu ersehen, daß die Majorität der Genossen sichnicht in Disharmonie mit der Redaktion des„Volksfreund" be-findet. Unser Urtheil bleibt auch gegenüber der Erklärung desGenossen Legten dahin bestehen, als wir es für durchaus gebotenhalten, daß bei Streitigkeiten, die rein lokaler Art sind, dasEinmischen der Parteigenossen von anderen Orten füglich ver-mieden werden sollte.»•«Erfolge der Sozialdemokraten in der Schweiz. ImKanton Solothurn wurde am Sonnlag ein Sozialdemokratin den Kantonsrath(Landtag) gewählt und in der Volks-abstimmung das Gesetz, betreffend die staatliche Vieh-Versicherung mit einer Mehrheit von 1259 Stimmen an-genommen. In der Stadt Solothurn wurde der bekannteGenosse F ü r h o l z in den Einwohnergemeinderath(Stadt-verordneten-Kollegium) gewählt.— Die im gleichen Kanton seiteiniger Zeit versammelte kantonsräthliche Verfassungsrevisions-Kommission hat die Forderungen der Sozialdemokraten nachFallenlassen der Personalsteuer und Erhöhung des steuer-freien Existenzminimums akzeplirt; der Forderung nach Ein-führung des„Proporzes" hat sie insoweit Rechnung ge-tragen, als die Verhältnißwahl auch bei Gemeinderaths-Wahlenüberall dort obligatorisch zur Anwendung kommen soll, wo 7 odermehr Mitglieder zu wählen sind.In der Stadt Luzern hatten schon vor längerer ZeitSozialisten und Demokraten gemeinschaftlich die Einführung derunentgeltlichen Beerdigung verlangt. Der Stadtrath beantragtebei der Gemeindeversammlung, dem Begehren insoweit zu ent-sprechen, daß die Kosten mit Ausnahme des Sarges von derStadt getragen werden. Die Gemeindeversammlung stimmtediesem theilweisen Gewähren der unentgeltlichen Beerdigung amletzten Sonntag mit 700 gegen 300 Stimmen zu. In denKantonen Zürich. Glarus und Baselstadt hat sich die Einrichtungder unentgeltlichen Beerdigung nach den Aeußerungen desVolkes wie der Behörden gut bewährt.Polizeiliches, Gerichtliches:e.— Eine verurtheilte Arbeiterführerin inOesterreich. Aus S t e y r wird der„N. Fr. Pr." depeschirt:Vor dem hiesigen Schwurgerichte fand heute unter dem Vorsitzedes Präsidenten Hebenstreit die Schlußverhandlung gegenFräulein Charlotte G l a ß aus Wien statt, die sich alsRednerin in den Versammlungen der Wiener Arbeiterinnen be-kannt gemacht hat. Sie war angeklagt nach Z 300 St.- G. derAufreizung gegen das Parlament, die Behörden, die Organeder Regierung und die Gendarmerie, sowie nach Z 305 der Aufreizung zu Straßen-Erzessen. Die Anklage wurde durch denStaatsanwalt Dr. Kaserer vertreten. Fräulein Glaß verant-wartete sich bei ihrer Einvernehmung in einer langen Rede. DasPlaidoyer des Vertheidigers Dr. Postelbera dauerte zwei Stunden.Die Hauptfragen wurden von den Geschwornen verneint, zumTheile einstimmig. Nur die Eventualfrage auf Ehrenbeleidigungwurde bejaht und Fräulein Glaß zu einem Monat Arrest ver-urtheilt.(ßettrevHTtft ctttlirhes.Handlungsgehilfen k Am Montag, den 3. Dezember.Abends SV» Uhr, wird Reichstags- Abgeordneter Gen. Wurmin einer im Luisenstädtischen Konzerthause, Alte Jakobstr. 37,stattfindenden Versammlung über: Kapital und Arbeit im Handels-gewerbe sprechen.Kollegen! Genossen! Es ist Pflicht jedes Einzelnen, indieser Versammlung zu erscheinen. Gäste sind willkommen!Der V o r st a n d.I. A.: A. Schneider.Die Negenschirm-Fabrik von Beer u. Komp. in Wienentließ im Oktober d. I. alle ihre Arbeiter und Arbeiterinnen,weil dieselben nicht, wie die neue Fadrikordnung dies ankündigte,eine elfstündige, sondern nur die in allen Fabriken dieser Branchenübliche zehnstündige Arbeitszeit einzuhalten gedachten. Nach Ver-lauf von sechs Tagen wollte die Firma ihr früheres Personalunter den allen Bedingungen, das heißt unter Einhaltnng derelfstündigen Arbeitszeit, wieder aufnehmen. Es gelang ihr diesesdank dem einmüthigen Zusammenhalten der Arbeiter und Arbeite-rinnen nicht und sie sah sich daher gezwungen, nachzugeben.Möge dieser Erfolg, welchen wir trotz der„todten Saison" zuverzeichnen haben, alle unsere Fachkollegen und-Kolleginnen an-feuern, ebenso sich um ihre Interessen zu kümmern und sich strammzu vereinigen.In der Steinnußkiiopf-Fabrik der Firma Dinklage undF ranze in Tetschen(Böhmen) sind zwischen den Polirernund den Herren Lohndifferenzen ausgebrochen. Wir geben denGenossen allerwärts bekannt, daß die Löhne bei dieser Arbeit diedenkbar schlechtesten sind und die leitenden Personen dieser Fabrikrücksichtslos und protzenhaft gegen die Arbeiter vorgehen. Estvird ersucht, Zuzug streng fernzuhalten.Der in Aussicht stehende Streik der schottische» Berg-leute ist bis auf weiteres vertagt. In einer am 30. Novemberin Glasgow tagenden Delegirtenversammlung wurde be-kannt gegeben, daß sämmtliche Grubenbesitzer die Lohnaufbesserungum 6 Pence abgelehnt hätten, daß jedoch die Arbeiter einemneuen Streik abgeneigt seien. Die Delegirten beschlossen, zugunsten der Forderung einer fünftägigen Arbeitszeit in der Wocheeinzutreten und das Verlangen nach einer Lohnerhöhung bei derersten Gelegenheit ztt wiederholen. Es wurde eine Resolutionangenommen, wodurch der Sekretär angewiesen wird, die Gruben-besitzer aufzufordern, mit den Arbeitervertretern die Bildungeines Versöhnungsamtes zu besprechen.GevicktSrBeiUmg.Wegen Beleidigung des Erb- ttni Burggrafen zuDohna- Lanck war unser Redakteur P ö tz s ch zusammen mitdem Redakteur des„Berliner Tageblatt" angeklagt. Man tvirdsich des eigenartigen Briefwechsels erinnern, der in unsererNr. 191 abgedruckt war. worin der entlassene FörsterMarquardt in demüthigster Weise um eine Pension ge-beten und nachdem sie ihm in bescheidenstem Maßebewilligt worden war, dafür gedankt hatte, währendder Graf Dohna in— sagen wir„gräflicher" Weise daraus er-widert hatte. In der Heuligen Verhandlung, wozu der Grafund der Förster geladen worden waren, erläuterte zunächst derStaatsanwalt die Anklage. Er wollte garnicht bestreiten, daßdie abgedruckten Zeugnisse und Briefe, namentlich auch die desGrafen Dohna echt wären, aber der Artikel verfolge offenbar dieAbsicht derBeleidigung, wieaus derUeberschrtft hervorginge:„Wie derbohe Adel für seine Beamten sorgt.„Außerdem enthielte etspositiveUnrichtigkeiten. Nach den Angaben des Grasen wäre Marquardtnicht 29 sondern nur 5 Jahre bei ihm in Dienst gewesen undMarquardt wäre auch nicht entlassen worden, weil er beiVerfolgung eines Wilderers sich verletzt habe und ein Krüppelgeworden sei. Die Beweisanfnahine ergab darüber folgendes.Marquardt war allerdings bei dem jetzigen Grafen erst 5 Jahrein Stellung gewesen, weil dieser erst da die Herrschastgeerbt hatte, aber bei dem Vorgänger hatte er schon25 Jahre treu und tüchtig gedient. Nach Angabe des Grasenwären seine Leistungen in den letzten Jahren schwächer geworden,namentlich wäre er nicht häufig genug im Revier gewesen, wes-halb der Graf ihn entlassen habe. Marquardt erklärte daseidlich damit, daß er eben 1879 sich eine schwere, oftwieder aufbrechende und stets schmerzhafte Wunde am Fußezugezogen habe, die ihm seine Pflichten allerdingssehr erschwert hätten. Er betonte noch, daß er zwar nicht aus-drücklich auf Lebenszeit angestellt gewesen sei, daß aber der ver-storbene Graf seine alten Förster mit Pension anszustatten ge-pflogen habe.Besonders interessant war die Erklärung, die der GrafDohna zu einem seiner Briese an den Förster abgab, worin esgeheißen hatte:Am 1. Januar hat er seine Wohnung zu räumen, sonstkommt er als Tagelöhner in die Nachbarschaft und seine Frauals Milcherin in den Kuhstall.Diese Drohung hatten wir allerdings nach Meinung desGrafen gründlich mißverstanden, indem wir darin eine Drohunggesehen datten. Der Graf klärte uns auf, daß er damit nur dasVersprechen einer liebevollen Unterstätzung hätte abgeben wollen,zu der er gar nicht verpflichtet gewesen sei.Der Staatsanwalt, der gegen jeden der Angeklagten 1 MonatGefängniß beantragte, betonte besonders, daß zwischen demGrafen und dem Förster nur ein reines privatrechllichesKonlraktverhältuiß vorgelegen habe, wonach der Graf über-Haupt nicht verpflichtet gewesen sei, für den Förster zu sorgen.Dies sei in dem Artikel entstellt tviedergegebeit und das, auchmoralisch, ganz berechtigte Vorgehen des Grasen sei aufgebauschtund zu Angriffen gegen die höheren Stände überhaupt ausgenutztworden. Der Vertheidiger des Genossen Pötzsch, RechtsanwaltHeine, stellte zunächst fest, daß die thatsächltchen Bemängelungendie der Staatsanwalt gegen die Richtigkeit des Artikels erhobenhätte, nach der Beweisausnahme hinfällig wären. Der Artikelhätte gar nicht behauptet, daß der Förster entlassentvorden sei wegen seiner Verletzung, sondern daß diesnachher geschehen sei. Aber die Beweisausnahme habe auchergeben, daß die Entlassung in ursächlichem Zusammen-hange mit dieser Verletzung gestanden habe. Allerdings habe derGraf keine Pflicht gehabt, dem Förster Pension zu zahlen,wenigstens keine klagbare. Aber die Kritik des„Vorwärts" seidoch mehr als berechtigt, wenn man bedenke, wie sehr dieZeitungen von der Richtung des Grafen, namentlich die„Kreuz-Zeitung", immer von dem schönen sittlichen, nicht rein geschästlichenVerhältnisse redeten, das angeblich auf dem Lande zwischen Herr-schaft und Untergebenen walte. Eine moralische Verpflichtunghabe der Gras ohne Zweifel gehabt, denn ein Förster, der mit50 Jahren entlassen werde, könne nie wieder einedauernde Anstellung finden, so alle Leute könne niemandnehmen. Der Graf habe den alten Mann rücksichts-los entlassen und der öffentlichen Armenpflege über-antwortet. Am schlimmsten aber sei die Form der gräslichenSchreiben. Kein Mensch könne der von dem Grafen gegebenenErklärung beitreten. Einer alten Förslerssrau die Stelle einerStallmagd in Aussicht zu stellen, sei nicht das Versprechen einerWohlthal, sondern einfacher Hohn. Wolle der Herr Graf viel-leicht auch die Randbemerkung, die er aus das dehmütige Dank-und Bittschreiben des Försters geschrieben habe:„daß die Frau, wenn sie allein übrig bleibt, in Arbeit gehenmuß, soweit ihre Kräfte reichen; ist sie endlich ganz arbeits-unfähig, spaziert sie ins Hospitalals ein Versprechen liebevoller Unterstützung auslegen?— SolcherHohn fordere die Entrüstung heraus, und die Aeußerungen des„Vorwärts" seien keineswegs zu scharf. Aehnlich verlheidigteRechtsanwalt Moffe den Redakteur des„Berliner Tageblatt".Das Gericht erkannte gegen jeden Angeklagten auf 100 M. Geld-strafe. Wir legen Revision ein.Wege« Schutzmannsbeleidtguttg hatte sich am Freitagiiliser verantwortlicher Redakteur Pötzsch vor der 7. Straf»kammer des Landgerichts I zu verantworten. Der„Vorwärts"hatte seiner Zeit berichtet, daß Schutzleute einen stark an-getrunkenen Mann, der sich zur Erde geworfen hatte und nicktweiter gehen wollte, mit entblößtem Oberkörper und ansmehreren Wunden blutend, auf dem Pflaster entlang durch dieHirtenstraße schleiften, bis schließlich einige halbwüchsige Burschenden Mann an den Füßen ergriffen und ihn nach der Polizei-wache bringen halfen.In dem Artikel war anerkannt, daß das Verhalten der Be-amten dem Mann gegenüber bis zu dem Zeitpunkt, wo er sichauf die Erde warf, korrekt war und auch dieselben nachher einenschwierigen Stand hatten, es waren aber Zweifel angeregt, obdas Schleifen des Mannes korrekt war und ob die Kräfte derSchutzleute nicht genügt hätten, den Transport in einer Weise zubewirken, welche mehr den Anforderungen der Humanität ent«sprochen hätte.Als Zeugen wurden 5 Augenzeugen vernommen, welche über»einstimmend dieRichtigkeit der im„Vorwärts"angcgebenenThalsachenbekundeten. Die von der Staatsanwaltschaft geladenen Zeugenwaren aber der Ansicht, daß der Transport des Mannes sichnicht anders habe bemerk st elligen lassen, da derMann mit Händen und Füßen um sich geschlagen und auch sehrschmutzig gewesen sei. Die Entlastungszeugen meinten aber, daßder Mann von den vier bis sechs Schutzleuten und den denselbenzu Hilfe gekommenen Zivilpersonen wohl hätte bewältigt werdenund' in einer Droschke, die nebenher fuhr, nach der Polizeiwachegebracht werden können. Der Staatsanwalt beantragte dreiMonate Gefängniß. Der Vertheidiger, RechtsanwaltH e r z f e l d. führte aus, daß eine Beleidigung nicht vorliege, dadie in dem Artikel enthaltenen Thatsachen erwiesen seienund die Bemerkung, das Verhalten der Beamten hättenicht ganz den Forderungen der Humanität ent-sprochen, keine Beleidigung derselben sei Denn die Polizeibrauche nicht human zu sein und niemand verlange, daßsie diese Eigenschaft habe. Dieser letzteren Ausführung schloß sichder Gerichtshof an, verurtheilte aber den Angeklagten zu100 M. Geldstrafe, weil das ungebührliche VerhallendesMannes auf dem Transport in dem Artikel nicht erwähnt unddadurch der Eindruck erweckt sei, als hätten die Beamten ohneGrund den Mann geschleift.Wegen Preßvergehens hatte sich gestern der TischlerHermann Feller aus Köpenick vor der zweiten Strafkammeram Landgericht ll zu verantworten. Der Angeklagte wurde inder Nacht vom 14. zum 15. Juli d. Js. dabei betroffen, als erin Köpenick das Verbrechen der FIugblälter-Anheftung beging,durch welche die Arbeiter auf den Bierboykott und die Saal-sperre aufmerksam gemacht werden sollten. Da Feller die„Ge-nehmigung" weder erhalten noch nachgesucht hatte, wurde erunter Anklage gestellt. In der gestrigen Verhandlung mußtenun durch den Vorsitzenden die für unsere Rechtspflegeimmerhin bezeichnende Thatsache konstatirt werden, daßt eller wegen des zur Anklage stehenden Deliktes bereits vomöpenicker Schöffengericht zu 50 M. Geldstrafe verurtheilt und daßdieses Urtheil rechtskräftig geworden ist. Da niemand zweimalin derselben Sache verurtheilt werden darf, so mußte heute dasVerfahren eingestellt werden. Nun hatten sich aber durch denInhalt des betreffenden Flugblattes die Restaurateure GebrüderScheer. Besitzer des„Wilhelms-Gartens", welche besondersgenanitt worden waren, beleidigt gefühlt und Straf-a n t r a g gestellt. Es hieß in dem Flugblatt u. a:„SämmtlicheSaalbesitzer haben sich erdreistet——",„die Herren, die sich inihren Winkeln bemüßigt fühlen— Außerdem war bei Feller,als derselbe arretirt und visitirt wurde, ein Gedicht ge-funden worden, dessen Inhalt für die Gebrüder Scheer ebenfallsbeleidigend sein sollte. Doch gerade in diesem schauerlichstenFalle erkannte der Gerichtshof erklärlicherweise aus Freisprechung.da sich derselbe der Ansicht des Vertheidigers RechtsanwaltsMorris anschloß, daß nur der„Verfasser" und der„Verbreiter"bestraft werden können. Der Verfaffer sei nicht bekannt und eineVerbreitung habe gar nicht stattgefunden. Das Umhertrage»einer beleidigenden Schrift in der Tasche könne als Verbreitungnicht angesehen werden. Wegen der anderen, im Flugblatte ent-haltenen Beleidigungen beantragte der Staatsanwalt 14 TageGefängniß. Ter Gerichtshof war jedoch der verständigenMeinung, daß die Sache so schlimm nicht sei. Die Beleidigungenseien keineswegs schtvere.sie seien im Kampfe derParteien gefallen und nicht ehrverletzender Ab»ficht entsprungen. Das Urtheil lautete daher nur auf20 M a r k Geldstrafe.Die Tchöneberger Gastwirthe sollen, wie Fama besagt,mit polizeilichen Strafmandaten reich gesegnet sein; der be-sonderen Aufmerksamkeit der dortigen Sicherheitswächter erfreutsich auch unser Parteigenosse Keßner, gegen den über vier Straf-ihaten, die von ihm sämmtlich im Monat August begangen seinsollen, gestern vor dem Schöffengericht II. verhandelt wurde.Von drei Denunziationen wegen Kontravention der in Schöne-berg üblichen Polizeistunde hielt das Gericht zwei derselben fürnicht geeignet, um daraus eine Bestrafung herzuleiten; nur ineinem Falle wurde als erwiesen angenommen, daß K. noch umIii/» Uhr Gäste in seinen Schankräumen geduldet, resp. Bier andieselben verkaust habe. Das war gelegentlich einer bei ihmtagenden Volksversammlung. Der letzte Fall, in dem das Gerichtebenfalls zu einer Verurtbeilung kam(1 M. event. 1 Tag Hast),betras das Dulden von Gästen im Garten und im Saal währendder Kirchzeit. Das Verbot stützt sich aus eine Regierungsverordnungaus den dreißiger Jahren. Gendarnt Holz und Amts-dicner Obermeier traten mit einem Feuereiser für die Behauptungein, daß im Garten Karten gespielt und im Saale Bier getrunkensei; man will das erstere sogar von der Straße aus geiehenhaben. Keßner hielt das für eine Unmöglichkeit und führte imiveiteren aus, daß an dem fraglichen Sonntag Vormittag zuIl'/z Uhr eine Versammlung in seinem Lokal angemeldet war,zu der sich, wie das regelmäßig geschehe, einzelne Theilnehnierfrüher eingefunden hätten. Da das Stehenbleiben o u r seineinLokal denselben doch jedenfalls von der Behörde nicht gestattetworden wäre, so habe er sich für verpflichtet gehalten, oeaGarten zu öffnen. Getränke seien seines WiffeitS»nicht verabfolgt ivorden.— Gerichtlicherseits wurde die Uebertretung alserwiesen angenommen und gleichfalls aus eine Geldstrafevon 1 M. oder 1 Tag Haft erkannt.Die Arbeiterkrawalle auf der Antonieuhiitte� AusB e u t h e n(Oberschlesten) wird gemeldet. Das hiesige Schwur-gericht verurtheilte den Haupträdelsführer bei den AntonienhütterArbeiterkrawallen, Maurer Kucza, wegen Aufruhrs und schwerenLandsriedensbruchs zu zwei Jahren Zuchthaus, drei Jahren Ehr-Verlust und Stellung unter Polizeiaussicht.Detteslften.Wolff'S Telegraphen-Bureau.Petersburg, 1. Dezember. Gestern Vormittag stießen ausder Station Melitopol an der Losowo-Sebastopol-Etsenbahn zweiGüterzüge zusammen. Mehr als 20 Wagen und die Lokomotivenwurden zertrümmert. Von dem Dienstpcrsoual sind Einige ver-mundet. Der Verkehr auf der Linie ist unterbrochen.(Depeschen-Burean Herold.)Wien, l. Dezember. In dem Geschästslokale der Uhren-fabrik Abeles am Graben hat heute Mittag eine heftige Gas-explosion stattgesunden, welche bedeutenden Schaden verursachte.Ein Arbeiter wurde schwer verletzt.Verantwortlicher Redakteur: I. Dierl(Emil Roland) in Berlin. Druck und Verlag von Max Babing in Berlin L1V.. Beuthsrraße 2. Hierzu zwei Beilagen.