Nr.484 38. Jahrgang Ausgabe B Nr. 240
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Donnerstag, den 13. Oktober 1921
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Vertragswidrige Entscheidung?
Die wichtigste, allerdings nicht offiziell beglaubigte Nach- indem er das ganze Gebiet unter die Kontrolle einer gemischten Der amtliche Bericht des Völkerbundes. richt der letzten Stunden geht dahin, daß England sich Kommission stellen will. Besser wäre es gewesen, er hätte sich Genf , 12. Oftober.( WTB.) Das Bölkerbundsekre. vorbehalte, die Vertragsmäßigkeit der vom Völker- für die Annahme beider Möglichkeiten entschieden. Denn entweder bund getroffenen Entscheidung nachzuprüfen. Ein solches bleibt diese Kommission eine Fittion, und dann wird sie die all- tariat gab heute abend folgende amtliche Mitteilung aus, in der Berhalten würde nur der inneren Logik der Tatsachen ent- mähliche Auflösung nicht verhindern können, oder sie entfaltet eine die für die Versammlung in der oberschlesischen Frage maßgebenden sprechen. England hält sich für gebunden, den Spruch des wirksame Tätigkeit- und dann wird sie zugunsten Deutsch Gesichtspunkte dargelegt werden, ohne daß aber über die Lösung Deutsch - Gesichtspunkte Bölkerbundes auszuführen, wenn aber dieser Spruch nicht in lands arbeiten, denn Deutschland hat alle Vorteile in Händen, selbst mitteilungen gemacht werden. Der Bölkerbundrat hat seine Einklang mit dem Vertrag stände, dann würde diese Bindung die bereits erworbenen Stellungen und den Mechanismus feiner Ein Kurier, der heute abend nach Baris abgeht, wird Herrn Arbeiten über die Festsetzung der Grenze in Oberschlesien beendet. nicht mehr bestehen, denn der Bölkerbund kann die Mächte Arbeiterorganisationen. Polen kann auf diesem Gebiete mit Deutsch - Briand , amtierendem Präsidenten des Obersten Rates, die Antvon ihrer Verpflichtung, den Vertrag auszuführen, nicht be- land in feinen Wettbewerb treten. Das„ Journal" fragt daher: wort des Bölferbundrates auf die Einladung überbringen, die er Wie lange wird, wenn die wirtschaftliche Einheit aufrechterhalten am 12. August an den Rat richtete mit dem Ersuchen, dem Obersten bleiben soll, die territoriale Einheit bestehen?
freien.
Es entsteht nun die wichtige Frage: Ist die Entscheidung vertragsmäßig oder ist sie es nicht? Leider läßt sich eine fichere Antwort darauf nicht geben, weil eben die Entscheidung
noch nicht in ihrem Wortlaut bekannt iſt. Sicher iſt nur, daß Die teuren Gaspreise
weder Polen noch Deutschland verpflichtet werden fönnen, eine vertragswidrige Lösung anzunehmen. Würde die Entscheidung des Völkerbundes vom Obersten Rat als rechtsgültig publiziert, aber sodann ihre Vertragsmäßigkeit von einer der beteiligten Mächte angefochten, so ergäben sich daraus für die internationale Rechtssicherheit ganz unerträgliche Folgen. Darum ist die Forderung berechtigt, daß den Vertretern Deutschlands Gelegenheit gegeben werde, vor der endgültigen Publizierung den Spruch des Bölkerbundes auf seine Bertragsmäßigkeit zu prüfen und etwaige Einwände geltend zu machen. Daß den Polen , die im Bölterbund vertreten find, die Gelegenheit dazu nicht fehlt, darf als sicher angenommen werden.
Schon jetzt wird vielfach die Ansicht vertreten, daß der Spruch des Völkerbundes tatsächlich vertragswidrig ist und alles, was über ihn bekannt geworden ist, gibt in dieser Beziehung Anlaß zu ernsten Bedenken. Es liegt daher im Interesse des dauernden Friedens, daß dieser Spruch nicht eher in Kraft gesezt wird, bevor seine Bereinbarkeit mit dem Dokument von Versailles durch eine gerechte und unparteiische Entscheidung festgestellt ist. Eine solche Entscheidung kann aber nicht gefällt werden, ohne daß Deutschland über diese Frage gehört worden ist.
follen nach den Behauptungen der bürgerlichen Presse und Flugbläffer durch die„ rote Mehrheit" in der Berliner Stadtververwaltung verschuldet sein. Aber in allen Großstädten, die eine bürgerliche Mehrheit haben
find die Preise für Gas, Elektrizität und Straßenbahn viel höher als in Berlin Siegt am 16. Oktober der Bürgerblod, so werden die Berliner städtischen Betriebe den Privatkapitalisten ausgeliefert
und die Bevölkerung wird dann dieselben hohen Sätze zahlen müssen, wie in den anderen Städten. Wollt Ihr das verhindern, dann
wählt sozialdemokratisch
Eine neue Sachverständigenkommission. Genf , 13. Oktober. ( WTB.) Der Völkerbundrat veröffentlicht die von ihm den Sachverständigen erteilten allgemeinen Instruktionen, die wie folgt lauten:
Die vier vom Völkerbund mit der Verprüfung der oberschlesischen Frage beauftragten Mitglieder verlangen von den von
Rat bei der Lösung des oberschlesischen Problems Beistand zu leisten. Bei der Prüfung dieses Problems mußte auf Grund der Bestimmungen des Vertrages der Völkerbundrat sowohi die in der Volksabstimmung zum Ausdrud gekommenen Wünsche der Bevölkerung, wie auch die wirtschaftliche und geographische Lage des Landes in Betracht ziehen.
Eine ernfte Schwierigkeit ergab sich daraus, daß die Bewohner, die für Deutschland gestimmt hatten, mit den Bewohnern, die ihre Stimme für Polen abgegeben hatten,
miteinander vermengt leben,
und zwar in einem Verhältnis, das zwar nicht immer das gleiche, aber in dem dichtbevölkerten Lande doch stets fehr beträchtlich ist, und zwar sowohl unter wirtschaftlichen als auch geographischen Ges fichtspunkten. Eine Grenze war undenkbar, die Bewohner, die für Deutschland gestimmt hatten, nicht an Polen gegeben hätte, so daß dem Rat kein anderer Ausweg blieb, als diesen Fall dadurch zu verringern, daß er die Grenze so sehr wie möglich dem Abstimmungsergebnis anpaßte. Eine derartige Grenzlinie hätte jedoch Gebiete zerschnitten, die industriell eng voneinander abhängen. Die Aufstellung einer neuen Grenze in einem Gebiet, das sich wirtschaftlich unter denselben Gesichtspunkten und mit denselben Bedingungen entwickelt hatte, müßte auf beiden Eeiten der Grenze die verhängnisvollsten Folgen haben. Das wäre auch hier der Fall gewesen, wenn die Errichtung einer neuen Zollgrenze die Auflösung der öffentlichen Betriebe, wie der Bergwerke, den Umlauf deutschen Geldes, das Inkrafttreten einer neuen bürgerlichen und industriellen Gesetzgebung mit sich gebracht hätte. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten tönnten unmöglich nur durch leichte Abänderung einer einzig auf Grund der Boltsabftimmung erlangten Grenze behoben werden. So gibt es Gebiete, in denen die Abstimmung der einen oder anderen Nationalität ein zweifelloses, wenn auch nicht überragendes llebergewicht gefichert hatte. Selbst, wenn man nun diese Gebiete nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und nicht auf Grund der Boltsabstimmung geteilt hätte,
würde die Grenze aufs engste miteinander verknüpfte wirtschaftliche Gruppen zerfähneiden.
Prüfung des Völkerbundvorschlags? Paris , 13. Oftober.( EE.) Wie der Petit Parifien" ausführt, hat die franzöfifche Regierung der englischen Regierung am 6. Oftober mitgeteilt, daß eine Tagung des Obersten Rates nuhlos wäre und daß es am einfachsten wäre, die Botfchafterkonferenz zu beauftragen, die über Oberschlesien gefällte Entscheidung in Kraft treten zu lassen. In London aber steht man, wie bereits gestern mitgeteilt wurde, auf dem Standpunkt, daß man zunächst die Löfung des Bölferbundes fennen lernen müffe und daß man deffen sicher sein müsse, daß sie nicht den Bestimmungen des Versailler Vertrages widerspreche. Diese Prüfung, die London wünscht, erregt in Paris zweifellos Mißvergnügen. Paris , 13. Oftober.( WTB.) Wie der„ Matin" aus London ihnen bezeichneten Sachverständigen die Bezeichnung der allge- Der Rat sah sich daher folgender Lage gegenüber: Eine Grenzlinie, die nicht das Industriegebiet zerschneidet, meldet, wird im Laufe der nächsten oder übernächsten meinen Maßnahmen, deren Anwendung geeignet erscheint, den unWoche der Oberste Rat in London zusammentreten, um die gestörten Fortgang des wirtschaftlichen Lebens würde die Hoffnungen und Wünsche von nicht etwa fleinen Mehrin Oberschlesien zu sichern und die Schwierigkeiten der Uebergangs- heiten in unwichtigen Gebieten, sondern von entscheidenden MehrEntscheidung des Bölkerbundrates in betreff Oberschlesiens zu erzeit auf ein Mindestmaß herabzusehen. Die Sachverständigen werden heiten in sehr wichtigen Gebieten vernichtet haben. Tatsächlich hat eingeladen, die Bedürfnisse des Gebietes zu beurteilen vom Ge- nun aber die Volksabstimmung diese Hoffnungen und Wünsche nicht Paris , 13. Oktober. ( EE.) Eine Turiner Meldung des Jour- fichtspunkt der Interessen der Industrie, der Finanz nur zugelaffen, sondern auch ermutigt. Das waren die dem Problem nal" befagt, daß der Pariser Korrespondent der„ Gazeta del Popolo" und Berwaltung. Sie haben insbesondere zu prüfen die Frage innewohnenden Schwierigkeiten. Langwierige Verhandlungen, die dahin informiert sei, daß Briand in Rom und in London die betreffend den Transport, die Verteilung der Wasser- und der fich mehr als zwei Jahre nach dem Friedensschluß hinzogen und eine Forderungen erhoben habe, die ganze Angelegenheit, um ihre Lösung Elektrizitätskräfte, den Austausch der Brennstoffe, der Rohstoffe und große Bevölkerung in angftvoller Ungewißheit über ihr politisches zu beschleunigen, der Botschafterkonferenz zu übertragen. der Handarbeit, die finanziellen Organisationen der Industrie, die Schicksal ließen, haben diese Schwierigkeiten noch beträchtlich verItalien habe sich mit diesem Vorschlage bereits einper auf Grund einer Ronzession erworbenen Rechte, das 3011- mehrt. standen erklärt. Man erwarte jeht nur noch die Antwort Eng lands, die heute morgen eintreffen solle. Falls auch die Antwort Englands günstig laute, könne der Genfer Beschluß bezüglich Ober schlesiens sofort veröffentlicht werden.
örtern.
regime und die soziale Gefeßgebung. Sie werden ebenso Mit der Prüfung des Problems beauftragte der Rat zunächst eingeladen, ihre Meinung abzugeben über die Dauer der von einen Ausschuß, der sich aus vier Ratsmitgliedern zusammensetzte, ihnen für die notwendige Uebergangszeit in Aussicht genommenen und zwar aus den Vertretern Belgiens , Brasiliens , Chinas und Bestimmungen. Sie richten sich in ihrer Arbeit nach Möglichkeit Spaniens . Seine Arbeiten überzeugten den Ausschuß davon, daß nach analogen Fällen von politischer Trennung und wirtschaft- die Frage nicht dadurch gelöst werden könne, indem einfach licher Wiederanpaffung, wie sie bei Grenzverschiebungen in Europa eine Grenzlinie aufgestellt werde entweder ausschließlich auf Grund ausgefallen sind. Die Sachverständigen haben ihren Bericht der Boltsabstimmung, oder auf Grund wirtschaftlicher Ueberlegungen binnen türzester Frist einzureichen. Sie können Erfundi- oder infolge eines Ausgleiches zwischen beiden Methoden. Hätte ungen einziehen von allen zuständigen Persönlichkeiten, sofern fie man ohne eine andere Bestimmung die Grenze nach einer dieser es als wünschenswert erachten, auch von deutschen oder poinischen Methoden aufgestellt, so wäre man zu den verhängnisvollsten ErBewohnern des Abstimmungsgebietes. scheinungen gelangt. Infolgedessen beschloß der Viererrat nach gründlichem Studium, eine neue Grenzlinie
Wann kommt die Veröffentlichung?
Paris , 13. Oktober. ( WTB.) Auf französischer Seite beginnen sich Bedenken gegen die Genfer Lösung geltend zu machen, und es ift bezeichnend, daß ein so gouvernementales Blatt wie das Jour nal" heute in dem Schiedsspruch des Völkerbundes dunkle Punkte nal" heute in dem Schiedsspruch des Völkerbundes dunkle Punkte findet. Zunächst ist es nicht selbstverständlich, daß die Deutschen die wichtigsten Mittelpunkte der Produktion behalten, und dem„ Journal" ist es namentlich peinlich, daß der Bahnhof von Glei witz in deutschen Händen bleiben soll. Aber auch noch andere Ge- Genf , 12. Oftober.( WTB.) Der Beschluß des Obersten Rates zu empfehlen und vorzuschlagen, daß während einer bestimmten fahren erblickt das„ Journal" in der Genfer Lösung. Ihrer Pflicht über die Lösung der oberschlesischen Frage soll erst nach er- Periode Garantien gegen jede Vernichtung der gegenwärtigen bewußte Schiedsrichter könnten das Industriegebiet nach ethno- folgter Motivierung an die Regierungen in Berlin und wirtschaftlichen Bedingungen geboten werden, wobei diese Periode graphischen Gesichtspunkten aufteilen, sie würden sich aber nicht ver- Warschau veröffentlicht werden. Wie man hier heute abend erfährt, lange genug währen müsse, um eine vollständige und wirthehlen können, daß eine solche Teilung den Ruin des wirt soll die Veröffentlichung in den Ententehauptstädten vor den ver- same wirtschaftliche Anpassung zu ermöglichen. schaftlichen Organismus herbeiführen müßte. Deshalb fammelten Pressevertretern stattfinden. In Paris werden Ishii Allgemein anerkannte Eachverständige und Fachleute wurden hätte es Frankreich am liebsten gesehen, wenn das ganze Industrie- und Bourgeois, in London Balfour und in Rom Imperiali, in Genf damit beauftragt, die gleichfalls notwendigen wirtschaftlichen gebiet an Bolen gefallen wäre. Aber der Völkerbund glaubt, die der Generaldirektor Sir Eric Drummond der Presse den amtlichen Bestimmungen zu studieren. Die betreffenden Personen geterritoriale mit der wirtschaftlichen Einheit verbinden zu können, Tegt mitteilen. hörten den technischen Organisationen des Bölkerbundes an und