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Nr. 106.

Erscheint täglich außer Montags. Abonnements Preis für Berlin : Bierteljährlich 3,30 Mart, monat lich 1,10 Mart, wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit bem ,, Sonntags= Blatt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mart pro Quartal. Unter Kreuzband : Für Deutschland u.Desterreich- Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 3 Mart pro Monat. Eingetragen in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1891 unter Nr. 6469.

Vorwärts

8. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müffen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochentagen bis 1 Uhr Mittags und von 3 bis 7 Uhr Nachmittags, an Sonn- und Fefttagen bis 9 Uhr Vormittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 6, Nr. 4106,

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: Beuth- Straße 2.

Das Reich

als Arbeitgeber".

Sonnabend, den 9. Mai 1891.

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Expedition: Beuth- Straße 3.

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selbst angegeben hatten, auf die Anklagebant. Nun ergab wußten Sie Subalternbeamten und der in der Wohnung die Beweisaufnahme zwar, daß die Hilfsarbeiter des kaiser- des Kranken mehrmals erschienene Bote sich nur noch lich statistischen Amts, deren Thätigkeit eine nicht unerheb- zu erinnern, es könne etwa und es sei auch wohl um ein ärzt­liche Vorbildung erheischt und deren sorgfältige Arbeits- liches Krankenattest, gerade im Interesse des Kranken und In unserer Nummer vom 2. d. M. haben wir über leistung im letzten Grunde die entscheidende Vorbedingung in freundschaftlicher Absicht, geschickt worden sein. Aber die einen Beleidigungsprozeß berichtet, in welchem die soziale für die richtige Erfüllung der dem Amte obliegenden Auf- Wittwe und der Sohn des erkrankten Hilfsarbeiters be­Lage der Hilfsarbeiter im kaiserlich statistischen Reichsamt gaben ist, ohne Urlaub bei täglicher Kündigung zeugten, derselbe habe sich trotz ihrer flehentlichen Bitten verhandelt wurde. Auf mehrfache Beschwerden unserer und 4( Neuestens 4,20) Mark Tagegeldern angestellt sind. und auf die wirklich eingetretene Verschlimmerung Abgeordneten im Reichstage hatte der Staatssekretär v. Bötticher diese Lage stets als eine vollkommen be- Beispielsweise braucht ein Hilfsarbeiter nach zehnjähriger, seines Gesundheitszustandes hin sofort auf das Amt friedigende bezeichnet, und ein Gleiches schien auch aus zu voller Zufriedenheit vollbrachter Dienstzeit nur einen geschleppt, als ihm ausgerichtet worden sei, er solle friedigende bezeichnet, und ein Gleiches schien auch aus Tag zu erkranken, um sofort seines Einkommens und seiner bort erscheinen, und er habe ausdrücklich erklärt, er jener Gerichtsverhandlung hervorzugehen. Indessen kam uns der Bericht etwas summarisch vor, und wir richteten Stellung verlustig zu gehen, eine soziale Lage, welche dem Vor- müsse hin, da er sonst um seine Stelle komme. Welche sitzenden des Gerichtshofes als ungünstig" erschien, während Thatsache denn auch wieder sozialpolitisch einen deshalb eine entsprechende Anfrage an den Mitangeklagten, der bisherige Direktor des kaiserl. statistischen Amts, Herr vollkommen sichern Rückschluß auf die Zustände im kaiserl. Dr. Mehring, von dem wir folgende Auskunft er- Geheimrath Becker, als Zeuge sie nur nicht zu den statistischen Amt gestattet. halten: günstigsten" rechnete, aber doch im Allgemeinen als be- Der Staatsanwalt faßte natürlich die Sachlage rein ,, Sie haben Recht; der Zeitungsbericht ist, was sich friedigend erachtete. Dagegen mißglückte der Wahrheits- vom strafrechtlichen Standpunkte auf; der Wahr­übrigens aus fachlichen Hindernissen erklärt, feineswegs er- beweis in weitem Umfange, so weit es auf die einzelnen heitsbeweis sei völlig mißglückt; also seien die Angeklagten schöpfend. In Nachfolgendem erhalten Sie einige Er- Beschwerden des angeklagten Artikels ankam, und dies zu verurtheilen. Hense, als der intellektuelle Urheber, zu gänzungen, deren Veröffentlichung ich Ihnen anheimstelle, war gewiß um so bemerkenswerther, als die neunstündige drei Monaten Gefängniß, die andern Beiden zu hohen soweit Sie dieselbe im Interesse von 180 unter einem Verhandlung von Herrn Landgerichtsdirektor Schmidt mit Geldstrafen. Der Vertheidiger von Hense und Jacob, " harten Loose" seufzenden Hilfsarbeitern für heilsam musterhafter Gründlichkeit, Klarheit und Unparteilichkeit Herr Rechtsanwalt Günther, bekämpfte den Staats­erachten. nach allen Seiten hin geleitet wurde. Die einzelnen anwalt auf dem von diesem gewählten Gebiete; er suchte " Der allgemeine Thatbestand wird den Lesern des Klagepunkte erwiesen sich zwar nicht als unwahr", aber an den einzelnen Fällen nachzuweisen, daß der Wahrheits­,, Borwärts" noch erinnerlich sein. Seit Jahren waren in vielleicht zu fünf Sechsteln als nicht erweislich wahr", beweis eigentlich doch nicht mißlungen sei und beantragte der Presse akademische Klagen über die Lage der Hilfs- indem die vernommenen Subalternbeamten und Hilfs die Freisprechung seiner Klienten auch aus§ 193 des arbeiter im kaiserlich statistischen Amte laut geworden, arbeiter sich der behaupteten Thatsachen gar nicht oder Strafgesetzbuchs( Wahrnehmung berechtigter Interessen). aber ohne jede Wirkung. Als mir deshalb von zwei nicht mehr" oder nur dunkel" und nicht genau" ent- Mein Vertheidiger dagegen, Herr R.-A. Freudenthal, stellte Hilfsarbeitern im Juni v. J. ein Artikel mit spezialisirten finnen konnten. sich auf den sozialpolitischen Standpunkt. Er gab zu, daß Beschwerden über die Subalternbeamten jener Behörde" Freilich war dies Mißglücken des Wahrheitsbe- der Artikel strafbar sei, da in demselben unzweifelhaft ehr­behufs Veröffentlichung in der Volks- Beitung" übergeben weises mehr ein strafrechtliches, als ein sozial kränkende, aber nicht erweislich wahre" Thatsachen über wurde, entschloß ich mich, der Kate einmal die Schelle politisches, ein Unterschied, den ich nur an zwei die Subalternbeamten des kaiserl. statistischen Amts be­anzuhängen. Das Dilemma, in welchem ich mich Beispielen erläutern will. In dem Artikel war gesagt, hauptet würden. Auch könne er für seine Klienten nicht dabei befand, wird Niemandem bekannter sein, als den gemeine Schimpfworte seien an der Tagesordnung", wäh- die Wahrnehmung berechtigter Interessen geltend machen, Redakteuren des Vorwärts". Man gewinnt nach sorg- rend nur drei Fälle festgestellt werden konnten, in denen da das Reichsgericht bekanntlich der Presse für die Rüge fältiger Erwägung die feste Ueberzeugung von einem Subalternbeamte zu Hilfsarbeitern Schlingel", Ochse", öffentlicher Uebelstände den Schutz des§ 193 versage sozialen Nothstande, aber man hat nicht die Mittel, die Lümmel" gesagt hatten. Nun sind drei Fälle ganz ge- Aber er bitte, nur eine kleine Geldstrafe zu verhängen, da einzelnen Thatsachen auf ihre buchstäbliche Richtigkeit zu wiß keine Tagesordnung", aber mit derselben Sicherheit, sein Klient in Wahrnehmung moralischer Interessen prüfen. Man weiß, daß die scharfe, öffentliche Beleuch mit welcher Cuvier aus den bei Paris aufgefundenen gehandelt habe. Die sonst vielfach mißglückte Beweisauf­tung der Sache immer eine bessernde Wirkung auf die Marsupialknochen eines Thierskeletts folgerte, daß einst nahme habe unzweifelhaft einen schweren, sozialen Noth­Schuldigen übt, aber man weiß auch, daß gerichtliche Beutelthiere in der dortigen Gegend gehaust haben müßten, stand unter den Hilfsarbeitern des faiserl. statistischen Amts Wahrheitsbeweise, die durch Aussagen von Untergebenen mit derselben Sicherheit kann man aus der Thatsache, daß enthüllt; wenn diese hohe Reichsbehörde ihren Arbeit­gegen ihre Vorgesetzten geführt werden sollen, so gut wie gebildete Männer jene Ehrentitel ohne Beschwerde oder nehmern" nicht einmal die vierzehntägige Kündigungsfrist immer mißlingen. Man muß also, wenn man dem sonstigen Widerstand entgegengenommen haben, auf die gewähre, welche die Gewerbe- Ordnung für jeden gewerb­schönsten Berufe der Presse gerecht werden will, die Ge-" Tagesordnung" im kaiserlichen statistischen Amte schließen. lichen Lohnarbeiter gesetzlich feststelle, so sei damit allein fahr einer gerichtlichen Verurtheilung auf sich nehmen. Ferner war in dem Artikel behauptet, ein schwer erkrankter Hilfs- schon ein Verhältniß sozialer Abhängigkeit zwischen Sub­In der That stellte der Staatssekretär v. Bötticher arbeiter sei zum Dienste zitirt worden; auf dem Amte habe man alternbeamten und Hilfsarbeitern geschaffen, welches den Strafantrag wegen Beleidigung der erwähnten Sub- ihm die Alternative gestellt: entweder ausscheiden oder unausbleiblich und auch ohne jede böse Absicht der alternbeamten und mit mir mußten die Verfasser des Ar- gesund werden"; er sei mit einem lauten Aufschrei zu- ersteren-zu Zuständen führen müsse, wie sie in dem tikels, die Herren Dr. jur. Hense und Jacob, welche sich fammengebrochen and bald darauf gestorben. Hiervon Artikel geschildert seien.

Feuilleton.

Nachdruck verboten.]

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Die Falkner von St. Vigil. Roman aus der Zeit der bayerischen Herrschaft in Tirol von Robert Sa, weichel. Ambros trat, ohne seinen Stutzen von der Schulter zu nehmen, ein paar Schritte vor und sagte: " Lasset unseren Herrn Pfarrer aus und nachher könnt Ihr ruhig weiter marschiren." Plagt Euch der Teufel?" rief der Offizier zurück. Gleich macht Raum, oder es ergeht Euch übel."

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aus."

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Gleichviel, wir müssen vorwärts", schäumte er. Fällt nicht auf, den blutigen Zusammenstoß abzuwenden und er das Gewehr!" trat näher an den mittleren Haufen heran, um ihn ein­Um des Himmelswillen, halten Sie ein", beschwor ihn dringlicher zu ermahnen. Kaum hatte er mit bittend er­der Pfarrer, und zu seinen Pfarrkindern sich wendend, erhobenen Händen zu sprechen begonnen, als Ambros mit den mahnte er sie, von ihrem gewaltthätigen Vorhaben abzu- Worten ihn unterbrach: lassen. Mit beweglichen Worten stellte er ihnen das Un-" Jetzt hat das Reden ein End'!" und ehe der Geist­glück vor, das sie über sich und die Ihrigen zu bringen liche dessen auch nur sich vermuthen konnte, umklammerte im Begriff wären. Er wüßte wohl, daß sie aus Liebe zu er ihn mit seinen kräftigen Armen, hob ihn trotz alles ihm handelten; aber sie würden ihm ihre Liebe viel besser Sträubens auf und warf ihn fast den Seinigen zu, die beweisen, wenn sie heimgingen. Seine Freiheit könnte rasch unter Jubelgeschrei und Lachen zugriffen und ihren er nicht aus blutbefleckten Händen annehmen, und das Seelsorger festhielten. Die anderen Haufen stimmten schwerste Gefängniß würde ihm nicht so bitter zu ertragen in das Gelächter hell ein. Gleichzeitig frachte aus sein, als die vorwurfsvollen Blicke, mit denen ihre Mütter, den Reihen der Soldaten ein Schuß. Der Unter­Weiber, Kinder diejenigen, die um seinetwillen etwa das offizier, hiziger und slinker als sein Vorgesetzter, hatte Leben verlören, von ihm zurückfordern würden. ihn gethan, um Ambros an der Ausführung seines

Ambros:

Mit dem Herrn Pfarrer giebt's feinen Durchgang Diese Vorstellungen machten Eindruck und die Leute Stückleins zu hindern. Die Kugel that feinen Schaden; hier," versetzte Ambros." Sei gescheidt, Herr Offizier, mit sahen einander unschlüssig an und wie oft im Leben dem Knalle aber folgte ein jähes Verstummen des Ge­Deinen paar Buffern richtest Du gegen unsere Stuben nichts balancirte die Entscheidung auf einer Nadelspitze. Da rief lächters. Ambros wandte sich, die Büchse von der Schulter reißend, rasch herum. Herr von Neikenstein wurde dunkelroth vor Born. " Ich verlange Gehorsam im Namen des Königs!" rief er." Ich werde ven Tambour drei Wirbel schlagen lassen; haft Du dich nach dem dritten Wirbel mit den Leuten nicht entfernt, lass' ich Feuer geben."

Was würde Dir denn das helfen?" fragte Ambros spöttisch. Schau Dich erst ein Bisst um, Du sigest wie der Fuchs im Eisen!"

Er wies auf den Wegrand zur Linken und Rechten. auf dem inzwischen die beiden anderen Haufen erschienen waren und die Soldaten in den Flanken und im Rücken zugleich bedrohten.

Der Oberlieutenant fluch te gräulich.

Mit nichten, Herr Pfarrer. Wir werden den Blaurücken" Halt! Halt!" schrie der Lieutenant, der während fein Haar krümmen, wenn sie nicht anfangen. Kann Einer der Vorstellungen des Pfarrers Muße genug gehabt, seinen daran denken, wie sie die armen Menschen drüben eben Zorn der Erkenntniß unterzuordnen, daß er mit seinen traftivt haben, ohne daß ihn die Faust juckt? Wie ich am Leuten verloren wäre, wenn es zum Kampfe kam; aber Schulhaus vorüber gekommen bin, hab' ich sie schreien es war zu spät. Ambros unterließ es zwar auf den Zus hören. Aber wir wollen's nicht heimzahlen nach Verdienst. ruf, das Zeichen zum allgemeinen Angriff zu geben, jedoch Die Bayern sollen durchschlüpfen, wenn sie den Herrn Pfarrer in demselben Momente stürzten sich die durch den Schuß hier lassen wollen!" auf das Aeußerste erbitterten Monthaner und Vigiler,

Der Pfarrer war geschlagen. Der Hinweis auf die die auf den Flanken standen, auf die Soldaten herab, Mißhandlung der Gefangenen hatte dem Schwanken der die ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich auf Ambros Leute ein Ende gemacht; sie nahmen wieder eine ent- und seinen Haufen gerichtet hatten. So unerwartet und so schlossene Haltung an, und ihre Mienen wurden drohender gewaltig war die Wucht des Doppelstoßes, daß die Sol­als zuvor. Herr Moltenbecher gab aber die Hoffnung noch daten die Kolben und kaum minder harten Fäuste der