deren sie sich als Hauptstadt des Reiches nicht entziehen kann. Die bürgerliche Wahlpropaganda wird abprallen von allen jenen, die klarsehend genug sind, ihren Zweck zu durch- schauen. Der ist, den besitzenden Klassen durch Täuschung der Wähler jenen Einfluß zurückzugewinnen, den sie unter dem Dreiklassenwahlrecht besaßen, und der ihnen durch das gleiche Recht aller verloren gegangen ist. Die Frage ist einfach die, ob Groß-Berlin als ein wehr- loses Objekt der Zügellosigkeit privatkapitalistischen Gewinnstrebens ausgeliefert werden, oder ob es als eine wahre Gemeinschaft seiner werktätigen Bürger und Bürgerinnen von ihnen selbst zum Wohle des Ganzen ver- waltet werden soll. Mögen die Wähler und Wäblerinnen mor- gen diese Frage entscheiden, indem sie die Stimmzettel der Sozialdemokratischen Partei in die Urne werfen!
„De ? Sieg war zum Greifen nahe!" Der deutschmonarchistischen Partei und ihren Freunden, der Deutschen Volkspartei , ist jedes Mittel recht, um uns zu bekämpfen. Die Eroß-Berliner Wahlen werden deswegen von ihnen auch mit dem„Dolchstoß von hinten" geführt. Man wird doch nicht auf solch gute alte Ladenhüter verzichten, mit denen die Hetze gegen links nun schon seit Iahren betrieben wird. Deswegen erscheint gerade noch zur rechten Zeit eine kleine gut aufgemachte Broschüre unter dem Titel„Der Sieg war zum Greifen nahe!", die der Genosse Kuttner im Verlag für Sozialwissenschaft herausgibt. Die 32 Seiten dieser Ar- beit sind angefüllt mit authentischen Zeugnissen zum Front- Zusammenbruch. Kämen sie von Republikanern, so würden sie von unseren Gegnern nicht anerkannt werden. Deswegen ist mit Fürsorglichkeit alles das jjum Frontzusammenbruch aneinandergereiht, was der Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen, der Kronprinz Rupprecht von Bayern , Generalfeld- Marschall Hindenburg , Generalquartiermeister Ludendorff, Forstrat Escherich, die Oberste Heeresleitung und andere dazu s gesagt haben. Wenn man, wie in dieser Arbeit, die Zeugnisse so be-> ! deutender Persönlichkeiten des alten Regimes aneinanderreiht. � liest, dann muß man sich immer wieder fragen, wie es möglich , ist, daß irgend jemand den Mut findet, heute zu behaupten, daß im Herbst 1918 der Sieg„zum Greifen nahe" war, daß das alte Regime nicht um Landgcwinn gekämpft habe und wie die Redensarten dieser Sorte sonst noch alle heißen. Das . Schriftchen wird in der politischen Aufklärungsarbeit gute Dienste tun.,_
Knüppel-Kunze wird unbequem. Ein Wahlflugblatt der Deutschnationalen jammert über die Partcizersplitterung in ihren Reihen. Knüppel-Kunze , der seine eigene„Dcutschsoziale Partei" gegründet hat, wird derb heruntergeputzt. Die„neue Firma" habe sogar schon Sonderkandi. boten zu den Stadtverordnetenwahlen aufgestellt.„Wes- sen Geschäfte besorgt Herr Kunze damit?" fragt entrüstet das Flug- blatt. Und es antwortet:„Die des Judentums, das von der völkischen und nationalen Zersplitterung allein den Vorteil hat." Wie wenn nicht schon immer die Häuptlinge der Antisemiten sich durch besondere Vorliebe für eigene und eigenste Parteigrüppchen uosgezeichnet hätten! Uns tanns recht sein, wenn die Iudenfres- fer einander fressen. Einstweilen tut sich allerdings die Deutschnationale Dolkspartei noch dick und verspricht, am 16. Oktober das„ruhmreiche alle schwarzweißrote Banner über der Rsichshaupt- stadt wieder aufzuziehen". Die sozialistische Beoölle. r u n g Berlins wird ihr am 16. Oktober einen Strich durch die Rechnung machen.»
Das Thüringer Kabinett vollständig. In der gerstigen Sitzung des Thüriger Landtages wurde der Kandidat der Unabhängigen, Bezirksschulrat Greil! in Gera -Reusj, zum M i n i st e r für ■ Volksbildung gewählt. Moritz hartmann . Von I. K l i ch e. Die Raschlebigkeit unser kampfdurchlohten Tage läßt kaum Zeit zu beschaulichem Blick in die Vergangenheit. Wie anders war es doch einstmals. Weit über ein halbes Jahrhundert hinaus > erbauten wir uns an den Märzvorgängcn des ZLer Sturmiahres. Die Männer der Frankfurter Paulskirche sind uns auf hohem Sockel stehende Idealfiguren, obschon mancher unter ihnen war, dessen angeblich großdeutscher Blick über sehr beengte Philister- firenzen zuweilen nicht hincusfand. Und so mancher schwenkte päter um und sah in Bismarcks Blut- und Eisenpolitik die Er- füllung seiner Iugendträume. Zu diesen letzteren gehörte bestimmt nicht Moritz Hart- mann, der heule vor 100 Jahren, am 15. Oktober 1821 zu Duschnik in Böhmen geboren ward. Dieser begeisterte böh- mische Freiheitssoldat und Dichter, wis Freiligrath ihn einmal nannte, blieb zeitlebens ein aufrechter Demokrat. Und Zeit seines Lebens blieb er den schwarzrotgoldenen Farben der Burschenjahre treu. Ganz so wie sein Freund und Gefährte Ludwig Pfau , mit dem er im Pariser Exil bretonische Volkslieder ins Deutsche übertrug. Bereits als Vierundzwanzigjähriger oeröfsentlichte Moritz Hartmann seine gegen das Metternichsche System gerichtete schnei- dig-scharfe Gedichtsammlung„Kelch und Schwer t". Der Erfolg war, daß der junge Stürmer schleunigst sein Bündel packen und vor den polizeilichen Häschern nach Brüssel flüchten mußte. Als er sich später in seine österreichische Heimat zurückwagts. verfiel er sofort der Zwangshaft. Doch im Märzgswitter des Sturm- jahres sprengten die erbitterten Volksmassen seinen Kerker. 5)art. mann war frei und wurde vom Leitmeritzer Wahlbezirk ins Frank- furter Parlament gesandt. Hier saß er auf den Bänken der ent- schicdcnen Linken, stand seinen Mann und beobachtete darüber hinaus die mit ihm zu gleichen Zwecken angerückten Kollegen. Da fand dann der kluge Böhme so manches, was ihm Spaß machte und ironisicrenswert dünkte. Und so erschien eines Tages die seinerzeit viel beachtete„Reimchronik des Pfaffen M a u r i c i u s". Ein scherzhaftes kurzweiliges Büchlein, das boshaft-lustig die Männer der Paulskirche unter die Lupe nahm und sie nach Hcine'schem Rezept spaßhaft abkonterfeite. Das Buch fand damals willige Leser und wurde viel belacht. Als der jungdeutsche Frühlings- und Freiheitstroum zu Ende war, lenkte Hartmann seine scharfe Feder vom palitisch-satirischen ins ruhige Erzählergebiet. Auf mancherlei Fluren tummelte er fein Rah. Erzählungen und Skizzen, teils lebhafter, teils beschau- licher Art erschienen. Auch eine größere Novelle,„Der Kampf um den Wald" genannt. Hier führen Bauern einen zähen Streit um alte Rechte. Aber auch die eigenen persönlichen Schick- fale der politischen Jahr« fanden ihren Niederschlag in einzelnen Büchern. So besonders:n den„Erzählungen eines Unstete n". Schließlich hat er auch eine Darstellung der 48er Vorgänge geschrieben, die gerade in unserer Zeit wieder neu auf- gelegt wurde und die Prager März- und April-, die Frankfurter September, und die Wiener Oktobertag« lebendig veranschaulicht.
die Gppauer Untersuchung w!rö fortgesetzt. Die XU. verbreitete gestern die Nachricht, die Staatsanwalt- schaff Frnnkenthal habe die Untersuchung wegen dei. Oppauer An- glück s e i u g e st e l l t. da die Schuld eines Unbekannten nicht ermittelt werden konnte, wie wlb. meldet, ist diese witleilung falsch. Von amtlicher Seite wird vielmehr darauf hingewiesen, daß die Untersuchung über die Schuldftage nach wie vor weiter» gehe. �_
Staöt!er haftentlassen. Der am Donnerstag festgenommene Dr. Stadller wurde vom Amtsgericht aus der Haft entlassen, da der für die Verfolgung der Straftat zuständige Oberrcichsanwalt von der Stellung eines Haft- antrages absah. Dieser sei, so heißt es in der offiziellen Mitteilung, nicht erforderlich, weil mit Rücksicht auf die Familienverhällnisse Stadtlers das Vorliegen eines Fluchtverdachts nicht als hinreichend be. gründet erscheine. Die„Germania " teille gestern abend aus dem Vorleben dieses Vorkämpfers der deutschmonarchistischen Sache einige Einzelheiten mit, die auf den Charakter des besagten Herrn und auf seine cha- mäleonhafte Verwandlungsfähigkeit ein Helles Licht werfen. Recht boshaft meinte die„Germania ", daß, falls die Untersuchung den Verdacht des Landesverrats bestätigen würde, zu prüfen wäre, ob man es bei StoÖller mit einem normalen und geistig völlig Intakten Menschen zu tun habe. Ueber seine frühere „politische" Tätigkeit heißt es: In Zentrumskreisen ist Dr. Stadtler von früher her nicht un- bekannt. Er war vor Jahren einmal Oberlehrer in Elsaß- Lothringen , wurde aber aus dem Schuldienst entlassen, weil er seine Klasse— ob es Quartaner oder Tertianer waren, ist uns entfallen— als eine Art Zentrumsfugendverein ansah und die seiner Erziehung anverttauten Knaben zur Zeit des Wahlkampfes — Zentrumswahlaufsätze schreiben ließ. Thema: Welche Partei werde ich wählen?, oder: Warum wählen wir Zentrum?, oder so ähnlich. Damals gehörte die„Tägliche Rundschau" zu den Blättern, die auf den unglücklichen Magister nach Kräften losschlugen. Nachdem man ihm aus Gnade und Barmherzigkeit einige Zeit in Köln eine Beschäftigung in der Partei gegeben hatte, ist Stadtler in den Krieg gezogen, in russische Gefangenschaft geraten und von dort nach Kriegsende zurückgekommen, um sich fortan in Berlin als B o l f ch e w i st e n b e k ä m p f e r zu be- tätigen. In letzter Zeit zeichnete er als Herausgeber der Zeitung „Das Gewissen", in der er eine sogenannte„überparteiliche" Politik trieb, die aber nichts anderes als ausgesprochene Rechts- Politik war. Das ist Eduard Stadtler , der Leit- artikler der„Täglichen Rundsch au". So sieht das Bild eines Mannes aus, dessen ssch die Deutsch- nallonalen im Kampf gegen die Regierung bedienen.
Die Groß-�amburger Irage. Die Zentralstelle für„Neugliederung des Deutschen Reiches" hielt am 13. und 14. d. M. zwei Sitzungen ab, in denen sie sich fast ausschließlich mit der Grcß-Hamburg -Frage beschäftigte. Es wurde folgender Beschluß gefaßt: „Die Zentralstelle hält eine Behandlung der Hamburg -Fragc als einer weltwirtschaftlich deutschen Frage bei der Unholtbarkeit der heutigen Verhältnisse für dringlich erforderlich und empfiehlt ihre baldige Erledigung durch einen innerhalb der von der Preußischen Regierung gewünschten Frist von 4 Wochen über den Kvmmisssonsbericht zu fassenden Beschluß."
Das Militärtqch üer preußischen Sipo. In der gestrigen Verhandlung des Prozesses Wahl und Ge- Nossen fuhr der Vorsitzende in der Vernehmung der einzelnen An- geklagten über die Einzelheiten der unter Anklage stehenden Vor- gängc bei der Eindeckung und Durchführung dcS TuchgcschäfteS fort. Zur Sprache kommt bei diesen sich lang hinziehenden Er- örterungen, daß zu jener Zeit die meisten englisten Tuchangebote Luflgeschäste waren. Montag wird wahrscheinlich der Minister Seöering als Zeuge vernommen werden.
Daneben fristete Hartmann feine Existenz aus den Einkünften des von ihm erteilten Sprach- und Literaturunterrichtes und ferner aus Reiseberichten, die er in erster Linie für die„Kölnische Zeitung " und für das von Robert Prutz heausgegebene„Museum" schrieb. Sein politischer Blick und seine Sprachkenntnisse kamen ihm hierbei sehr zugute. Moritz Hartmann , der übrigens der Dater unseres Genossen, des Geschichtsschreibers L u d o Hartmann ist, starb 1872 in Wien . Wem die Demokratie ehrliche Herzenssache ist, der wahrt dem wackeren Streiter und Poeten heute«in ehrendes Gedenken.
Das Neue Thealer am Zoo versucht krampfhaft das einträgliche Zugstück zu entdecken.„Das Ewig. Männliche" wird es nicht sein, obwohl es aus Paris kommt. Kommt es wirklich ganz und gar von dort, von Herrn Romain Coolu«? Ich weiß es nicht: es duftet, es duftet manchmal schlecht und noch allerhand anderen Beigaben. Der Schwant beginnt, indem ein Bett auf der Bühne steht. Welch ein Bett! Ein Sachverständiger des Stückes sagt, daß dieses Bett starkbevölkert sei. Und dies« Böller, die als ein schöner Gast Frau Hansi Arnstädt regiert, sind ein Schwachtopf, ein Kabarettdichter und ein Zuckerkönig. Die beiden ersten sind jung. Trotzdem schlägt sie schließlich der Alte aus dem Feld. Dieser Alte soll das Meiste vom Ewig-Männlichen haben, vom Cwio-Idiotischen, vom Ewig-Bullenmäßigen. Man muß das Stück zu den Herren- abendstücken rechnen und wahrscheinlich auch zu den Durchfallstücken. Es ist nicht kurzweilig, obwohl es mit Amüsement elektrisiert sein soll. Man lacht nicht. Wo es zu deutlich zugeht, kann man eben nicht lachen. Man schmunzelt nicht einmal. Man fragt nur: Warum das alles? Warum dieses Nachthemd und die drei anderen Halb- kleider der Frau Arnstädt, die über vieles hinweghelfen, wogegen die übrigen Künste machtlos sind. Stärkster Beifall wurde denn auch von den Naiven nur dann geklatscht, als Frau Arnstädt sich wie eine halb angezogene Modepuppe herumdrehte. Ick. H. Schall und Rauch. Der literarische Ehrgeiz ist diesem Breill, das durchaus in der Entwicklung seines Genres Epoche machen wollte und nicht konnte, abgestreift Und es geht auch so, um so rüehr, da die krampfhafte Absicht sich nicht unangenehm mehr aufdrängt. Als Stimmungsmocher und Kontakthersteller ist Jogues B e r q e r unermüdlich: ein Maschinengewehr, dos— gemildert durch öfter- reichischen Charme— Witze, Selbstironien und sonsttge Unterhalt- lichkeiten verschießt. Es gibt daneben natürlich einen pathosgefeg- ncten Zeitgloffator, der die Republik verulkt, einen Gelenkmann, dem man die Glieder nach Belieben biegen kann, eine Stepptänzerin und eine sehr gute Sängerin fMia Werber). Lotte Werkmeister entzückt durch ihre Anmut. Die rassige Rote bringt Senta S ö n e- l a n d ins Programm. Halb Berliner Straßensunge flies: Gsmin), halb Difeufe, immer frech-witzig, berlinerisch-ulkig. eine prachtvolle originelle Type, bringt sie unerschöpflich Leben und Lachen in die neugestrichenc Bude. Ob sie eine reisende Berlinerin darstellt oder die Tanznarrheiten parodiert oder die Tücken der Bcsheit vorführt, mit denen eine Thcaterncoize heimgesucht wird, immer ist sie prickelnd, karikaturistisch, uranimalisch und doch voll feinsten Reize». Sie ist ein ausgewachsenes Kabarett ganz für sich.— t.
weiteres verfahren gegen üie �bv. Auf Grund der in der Oeffentlichkeit gegen den Leiter der Hundertschaft Z. b. V. sowie gegen mehrere Mitglieder dieser Polizeiabteilung erhobenen schweren Vorwürfe wurde nunmehr, wie eine Berliner Korrespondenz mitteilt, von der Staatsanwaltschaft III gegen Hauptmann Stenn es und Genossen die Voruntersuchung wegen Waffenhinter- ziehung und Geheimbündelei eröffnet. Das Ber - fahren richtet sich auch gegen den Zugführer Meyer, der in der vergangenen Woche, wie gemeldet, unter dem Verdacht, an der Tötung des Wachtmeisters Buchholz beteiligt zu fein, verhaftet wurde. Es hat lange gedauert, bis sich die Staatsanwaltschaft zum Einschreiten veranlaßt sah. Die Ver- dachtsgründe gegen zahlreiche Mitglieder des Z. b. V. verdich- teten sich jedoch derart, daß ein Einschreiten der Staatsan- waltfchast unbedingtes Erfordernis wurde. Durch diesen Schritt der Justizbehörde findet zugleich die Behauptung der rechtsstehenden Presse, bei der Z. b. B. sei alles in bester Ordnung und Buchholz habe den Tod durch Selbstmord gefunden, schlagende Widerlegung.
fiüf öem Seamtenfang. Aus der Landtagsfraktion wird dem„Sozdem. Park. Dienst" geschrieben: Das Wettrennen um die Gunst der Beamten beginnt, ohne daß die Großorganisationen der Beamtenschaft die Beratungen über die „2. Etappe" abgeschlossen haben. Das Zentrum hatte einen Antrag „Bereitstellung von Mitteln für die Beschaffung von Wintervorräten" als dringend auf die Tagesordnung gesetzt, ohne aber in diesem eine bestimmte Summe zu nennen. Um die Kernfrage wurde so herumgeredet, daß die Zeit der Ausschußmitglieder besser hätte aus- genutzt werden können. Als dann die S o z i a l d e m o k r a t en das Eis brachen und für jeden Beamten', Angestellten und Arbeiter (Lehrer betrachten wir in diesem Sinne als Beamte) eine B e- fchaffungsbeihilfe von 3000 M. und für jedes Versorgung?- berechtigte Kind eine solche von 500 M. beantragten, sank der Mut bedenklich und dieselben Herren, die durch ihren Antrag die Beratungen des„Deutschen Beamtenbundes", dm sie zugunsten Dr. Höfles zerschlagen möchten, in empfindlichster Weise stören, liehen nun die M i l l i o n e n aufmarschieren, die zur Deckung nötig seien. Durch diese Beratungen sind auch alle anderen für einzelne Beamtengrup- pen ebenso wichtigen Angelegenheiten auf lange Zeit oerschoben. Ob hier nicht auch der Kampf um das Groß-Berliner Stadtoerordnetenparlament bedenklich mitgefpiell hat, und sich die Herren noch im letzten Moment die Gunst der Beamten- schaft kaufen wollen, während sie, als es galt, mit der Bewilligung ernst zu machen, wieder abschwenkten? Die monarchistische Putschgefahr in Tirol. Innsbruck , 13. Oktober. (WTB.) Die(sozialdemokratische) „Dolkszeitung" bringt heute Enthüllungen über angebliche(?) Putschpläne der Innsbrucker Karlisten. Das Blatt schreibt, es seien bereits alle notwendigen Borbereitungen zu einer monarchistischen Erhebung abgeschlossen. Die Organisa. tion der Karlisten setze sich in der Hauptsache aus ehemaligen Offizieren, die in der Frontkämpfervereinigung und im Reichs- bunde der Oesterreicher organisiert sind, zusammen. Eine Aufrage der Groftdentsche». Wien . 14. Oktober. (WTB.) Der Verband der Groß- deutschen Dolksparteim beschloß, eine Anfrage an die Re- gierung zu richten, iy der auf die K a r l i st i s ch e Bewegung oerwiesm und betont wird, es sei Tatsache, daß der Reichsbund der Oesterreicher und andere karlistische Organisationen tätig v» Dien st der Propaganda stehm und aus dem Aus- lande bedeutend« Geldmittel erhalten. Di« Abge- ordneten fragm die Regierung, was sie zu unternehmen gedenke, um die gegen den Bestanv der Republik gerichteten Umsturz- bewegungen zu unter bindm und gegen die Schuldigen vor- zugehen.
INondfinsternis. In der Nacht vom 16. zum 17. Oktober findet eine teilweise Mondfinsternis statt, bei der die Mondscheibe zu mehr als neun Zehnteln das Durchmessers verdunkelt werden wird. Der Kernschatten der Erde trifft den Mond um 10 Uhr 14 Minuten abends(Mitteleuropäische Zeit) und verläßt ihn um 1 Uhr 83,6 Mi- nuten. Die größte Bedeckung erfolgt 11 Uhr 53,8 Minuten. An- fang und Ende der Finsternis kann als Zeitsignal zum Kontrollieren der Uhren benutzt werden. Am 18. Oktober strahlen schnellfahrende, sttichsörmige Stern- schnuppen von einem Punkte aus, der nordöstlich vom Orion zwischen Orion und Zwillinge liegt. Ihre Häufigkeit steigert sich bis 3 Uhr früh: doch wird das helle Mondlicht die Beobachtung etwas erschweren. Zur Beobachtung der fast totalen Mondfinsternis wird die Sternwarte in der Invaliden st ratze, am Landesaus- stellunaspark(Uraniasternwarte), am Sonntag von 10 Uhr abends bis 1 Uhr nachts geöffnet sein. Ein deutsches Revolutlonsslück von einem Frcknzosen. Im Ver- lag E. P. Tal u. Co., Leipzig und Wien , ist ein deutsches Revolutione- drama erschienen, das vor bald hundert Iahren von einem Fron- osen geschrieben wurde. Es handelt sich um keinen Geringeren, als en ersten Uebersetzer des Goetheschen„Faust", um Gerard d e Nerval , der Deutschland außerordentlich geliebt und aus dieser Liebe ein Drama von hoher und bewegter Tragik geschaffen hat.— Revolutionsstimmung, die heute merkwürdig aktuell anmutet, kommt auf. E» ist die schwarzrotgoldene Stimmung der deutschen Studenten, die vor hundert Jahren der Revolution trotzten, um der Freiheit des Geistes und der politischen Macht zum Siege zu verhelfen. Das französische Stück ist mehr deutsch als ftanzösisch. Max Hochdorf , der für die Buchausgabe des Werkes eine neue Studie über Gerard de Nerval verfaßt hat, hat das Werk für die moderne Bühne be- arbeitet. Die Suche nach Degas-Füßen. Eine nette Degas-Anekdote er- zählt Ambroise Vollard in seinem neuen Buche über den Meister. Degas malte in seiner Jugend eine F u h st u d i e, nicht also die Füße eines Mädchens, die unter der Bettdecke erscheinen. Diese Studie schenkte er dem liebenswürdigen Modell. Dreißig Jahre später fiel ihm das Bild ein und er hätte es gern wiedergehabt. Er meinte, es wäre eine seiner besten Arbeiten. Fräulein Lude, das Modell, würde sie ihm gewiß wiedergeben, wenn er ihr etwas anderes dafür schenkte. Aber erst mußte er diese Lude wiederfin- den. Er fand sie wieder. Sie hatte Glück gehabt, hatte einen Maler geheiratet, lebte jetzt als Witwe behaglich von ihrer kleinen Rente und malte in ihren Mußestunden selbst. Er besuchte sie und kam alsbald auf sein Anliegen jju sprechen.„Sag mal, erinnerst du dich noch an mein« Füße?"„Gewiß, du hast immer drollige Ideen gehabt!"„Also," fuhr Degas fort,„gib sie mir wieder. Darfst dir dafür in meinem Ateli-r was anderes aussuchen."„Recht gern," meinte Lucie,„ober denk dir, da brachte mir dnes Tages jemand vom Markt ein Bündel Radieschen, herrlich für ein Stilleben. Ich hatte keine Leinwand zur Hand: da nahm ich deine Füße."„Du hast auf meine Füße gemalt?" rief Degas verzweifett. Dann mit Fassung:„Ra gut, so schenk mir deine Radieschen, ich habe mir immer gewünscht, etwas von dir zu besitzen." �siecht gern, lieber