Nr.489+38. Jahrgang Ausgabe A nr. 247

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands

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Sonntag, den 16. Oftober 1921

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Abteilung Morigplak 11753-54

Heute ist Stadtverordnetenwahl!

Die Gegner der Demokratie behaupten oft, daß der Wille des Volkes nur scheinbar unser Staatswesen regiere. Alle vier Jahre einmal werde das Volk zur Wahlurne gerufen, dann lege es sich auf ebenso lange Zeit wieder schlafen. Nun, dieser

Borwurf gilt für die jetzige Zeit sicher nicht. Zum sech

Samino D 21:10

dig, daß ihr aus den Volksmassen heraus ein entschiedenes 3urüd!" entgegentönt. Durch den Ausfall der Stadtver ordnetenwahlen, bei denen eine Bevölkerung zur Urne geht, sofort gezeigt werden, daß ihre Stunde nicht gekommen ist, aktion und für den Schutz der Republik demonstriert, die in Nach der Ermordung Erzbergers hat die Berliner Be­völkerung in einer Wucht und Geschlossenheit gegen die Re­der ganzen Welt Bewunderung hervorgerufen hat.

Das Schicksal der Groß- Berliner Stadt- Sattel der Regierung zu schwingen. Da ist notwen­verwaltung wird heute entschieden. Gewählt wird von 9 bis 5 Uhr. die ber des Freistaates Sachsen gleichkommt, muß der Reaktion st en Male in fnapp dreijährigem Zeitraum geht die Berliner Bevölkerung heute an die Wahlurne, um ihren politischen Geht so früh wie möglich zur Wahl. Billen fundzutun. Zweimal haben wir zum Reichsparlament Die Wahllokale sind an den Anschlagsäulen gewählt, zweimal zum preußischen Parlament, und nun wird das zweite Mal für das Stadtparlament abgestimmt. Man bekanntgegeben, es sind meist dieselben wie tönnte fast von einer Ueberhäufigkeit der Wahlen reden. Die heutige Wahl ist denn auch tatsächlich von den bürger­bei der letzten Wahl. Nehmt eine Legiti- In- und ausländische Bürgerblätter berichteten damals in unwillkürlicher Begeisterung von der Demonstration lichen Parteien nicht erzwungen worden, um den Willen der mation mit. der Fünfhunderttausend, die ihresgleichen nicht in Bevölkerung zum Durchbruch zu verhelfen, sondern sie haben der ganzen Weltgeschichte hat. Der Geist jenes Tages, an dem sie durchgesetzt in der Spekulation, daß die Häufigkeit des Wählens eine Wahlmüdigkeit der Arbeiterschaft herbei­muß auch am heutigen Wahlsonntag lebendig sein. führen würde. Ein juristischer Formfehler bei der Feststellung Mit der gleichen Bucht und Geschlossenheit wie am 31. Auguſt des Wahlergebnisses, der feinerlei materielle Nach­muß die Berliner Bevölkerung der Reaktion ihre Absage er­teile für sie im Gefolge hatte, war den Herren der aufbau- nur ein Mittel, die arbeitenden Klassen in Demut und teilen. Was damals Viele innerlich dachten: Rönnten wir befliffenen" Deutschen Boltspartei Grund genug, die frühere Gehorsam gegen die Besigenden zu erhalten. Sie doch nicht nur gegen den Feind demonstrieren, sondern gleich Wahl anzufechten. Hätten sie sich wohl an diesem Fehler ge- wollen Schulen für fünftige& nechte, wir wollen Schulen mit ihm abrechnen", das soll heute zur Tat werden. Die stoßen, wenn diese frühere Wahl ihnen die Mehrheit für freie Menschen! Darum geht in Wahrheit der Stunde des Handelns, nach der sich so viele gesehnt haben, gegeben hätte?! Aber weil die Bürgerlichen, bei der vorigen Kampf! Das Wehegefchrei der Bürgerlichen über die vernach- ist gekommen. Wahl geschlagen, verhältnismäßig menig zu verlieren haben, lässigte Religion und Moral ist eitel Humbug. deswegen sind sie jetzt auf Neuwahlen versessen.

Wählt die sozialdemokratische Liste( SPD .) i bie arbeitende Bevölkerung im Luftgarten versammelte,

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Und wie an jenem Demonstrationstag flar war, daß der Aber bei dieser Wahl werden nicht nur die Geschicke der wirksame Schutz der Republik und der demokratischen Freiheit Hier zeigt sich das wahre Gesicht der Herrschaften. Sie, Stadt Berlin entschieden. Wieder stehen wir in einer schweren nur durch eine starte Sozialdemokratie gewähr die der Sozialdemokratie verschwenderische Mißwirtschaft" Regierungskrise. Der ungerechte Machtspruch der Entente über leistet ist, nicht durch jene Linksradikalen, die sich selber von aus Parteiegoismus vorwerfen, setzen aus nacktesten Partei- Oberschlesien tommt der Reaktion nicht so ungelegen, wie sie jeder Mitarbeit ausschließen und dadurch tampflos dem Geg­interessen den fostspieligen Wahlapparat in Bewegung, weil tut. Mit Hilfe dieses Steigbügels hofft sie sich wieder in den ner das Feld überlassen, so muß auch heute klar sein, daß die ein völlig belanglofer Formfehler vorgekommen ist, der sachlich niemandem gefchabet hat. Das Buchstabenjuristen­tum eines Herrn v. Ennern triumphiert.

Die Arbeiterklasse hat heute die Pflicht, durch die bürger­

liche Rechnung einen dicken Strich zu machen. Durch die Tat hat die arbeitende Bevölkerung zu beweisen, daß alle

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Die Genfer Entscheidung bestätigt.

Spekulationen auf ihre Wahlmüdigkeit hinfällig sind. London , 15. Oftober.( Reuter.) Die Botschafter- hat, gilt das tiefempfundene Bild, das einst Jean Jaurès für Der ungeheure Propagandaapparat, den die bürgerlichen Par- konferenz ist mit der Veröffentlichung der Empfehlungen Elsaß- Lothringen geprägt hat. Diesseits der Mauer steht der teien zu dieser Wahl in Bewegung gesetzt haben, dürfte den des Bölferbundrates bezüglich Oberschlesiens , die jetzt die 3u- Baum, feine Wurzeln reichen aber tief im Erdreich über sie Arbeitern zur Genüge zeigen, daß es bei dieser Wahl nicht ftimmung der britischen Regierung erhalten hinaus. Das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit kann um Kleinigkeiten geht. Solche Summen, wie bei dieser haben, betraut worden. Dieselbe Körperschaft wird demgemäß durch keine künstliche Festsetzung politischer Grenzen zerrissen Stadtverordnetenwahl opfert das Bürgertum nur, wenn es die interalliierte Abstimmungskommission über das Wesen der werden. fich von einem Wahlsieg tausendfältige Berzinsung Entscheidung unterrichten und sie auch der deutschen und der Erst wenn die wirtschaftlichen Bestimmungen der Ent­der Wahlkosten verspricht. polnischen Regierung zur Kenntnis bringen. Die brifische Re- scheidung bekannt sind, wird sich ermessen lassen, in welchem Was diesen Herrschaften gefährlich dünkt, was sie durch gierung erkennt an, daß die Regelung fehr gerecht und Maße durch sie die Möglichkeit zur Erfüllung der uns auf­die Wahl beseitigen wollen, ist nicht die sozialistische Mißwirt- unparteiisch ist. Wie sie selbst die Empfehlungen ohne erlegten Verpflichtungen noch weiter herabgemindert wird. schaft", sondern die sozialistische Wirtschaft. Die fort Rüdfrage und Bedenken annimmt, so erwartet sie, daß dies Mit übertreibenden Behauptungen werden wir auf die Welt schreitende Kommunalisierung, die städtische Bewirtschaftung von allen beteiligten Parteien in dem gleichen Sinne geschehen feinen Eindruck machen, es muß flare und ehrliche haben dem profitlüfternen Privatfapital eine Anzahl Ber - wird. Rechnung gemacht werden, für die man dann die Berück dienstmöglichkeiten genommen. Das paßt den tapi- Paris , 15. Oftober.( Havas.) Die Botschafter- sichtigung durch alle verständigen Wirtschaftspolitiker ver talistisch orientierten Parteien nicht. Betriebe, die heute für konferenz hat sich in ihrer heutigen Sitzung der vom langen und erwarten muß. Daran darf aber kein Zweifel die Allgemeinheit arbeiten, sollen wieder in Gewinn- Bölferbundrat empfohlenen Cöfung hinsichtlich der Grenz- bestehen, daß der ehrliche Wille Deutschlands , sein Wort quellen für einige Wenige zurücverwandelt werden. 3iehung in Oberschlesien und der wirtschaftlichen einzulösen, auch nach dieser furchtbaren Erschütterung weiter Freie Bahn der privaten Verdienerei", das ist die wirkliche Bereinbarungen, die zwischen Deutschland und Polen ge- bestehen bleibt. Wahlparole des Bürgerblocks. troffen werden sollen, an geschlossen. Sie wird in ihrer Im Innern macht die nunmehr unwiderruflich gewordene nächsten Sigung, die auf Montag festgefeht ist, die verschie- Entscheidung eine sehr schwere Krise wahrscheinlich. denen Einzelheiten zu ihrer Durchführung prüfen. Klarere Einsicht und besserer Wille der bürgerlichen Koali tionsparteien fönnten sie vermeiden, aber die sind leider schein bar nicht vorhanden. Kommt sie, obgleich die Sozialdemo fratie alles tut, um ihren Ausbruch zu verhindern, so tragen die bürgerlichen Koalitionsparteien für sie und ihre Folgen, die, wie es scheint, noch nicht überall ganz begriffen werden, die Verantwortung. Bringt die Weisheit der bürgerlichen Po­litiker das Reich in eine noch schwerere Notlage, dann soll sie nicht erwarten, daß die Sozialdemokratie aus purer Guts mütgkeit und bürgerlichen Wünschen entsprechend die Not­helferin spielen wird!

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Einem fozialistisch orientierten Arbeiter braucht man nach dieser Feststellung nichts mehr zu sagen. Aber freilich, der Rampf hat auch noch ein geistiges 3iel: er wird geführt um die städtische Schule. Die Erhaltung und Vertiefung Mit dem Entschluß der Entente, die Entscheidung des des christlichen Geistes" haben die Rechtsparteien auf ihr Bölkerbundes anzunehmen, ist auch die letzte Hoffnung, durch Banner geschrieben. Wo ist eigentlich der christliche Geist dieser Anfechtung ihrer Vertragsmäßigkeit eine Abänderung her­Herrschaften? Ist er bei dem Pfarrer Philipp, der wäh- beizuführen, geschwunden. Wir stehen vor einer uner rend des Krieges auf der Kanzel Gott dafür dankte, daß bittlichen Tatsache, die man mit welchen Gefühlen immer auf er den Krieg herbeigeführt habe, oder ist er bei jenem Stettiner nehmen kann, mit der man sich aber abfinden muß! Jetzt Bastor, der nach der Ermordung Erzbergers erflärte, sein heißt es, den Kopf oben behalten und für das Nächste forgen. Mitgefühl gehöre dem Mörder, nicht dem Gemordeten? Trotz aller gefühlsmäßigen Proteste werden sich jetzt die Hat das tägliche Haß- und Rachegeschrei der deutsch - wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen nationalen Preffe irgend etwas gemeinsam mit der Lehre des enger und lebhafter gestalten. Denn das Leben for­Nazareners, der feine Bergpredigt begann mit den Worten: dert sein Recht. Oberschlesien , der politische Streitgegenstand, Deutsch - Polnische Teilungskonferenz? Liebet Eure Feinde"? Oder läßt sich die von den bürger- wird zum wirtschaftlichen Bindeglied zwischen den beiden lichen Parteien geschützte private Profitgier, der von ihnen Ländern. Die deutsche Politik wird mit ruhiger Ueberlegung Paris , 15. Oftober.( Havas.) Die britische Regierung verteidigte Lebensmittelwucher, die sprunghafte das Ihre dazu tun müssen, daß sich das Los unserer von uns hat gestern die französische Regierung benachrichtigt, daß sie die Dividendensteigerung, der Börsentaumel, läßt sich das alles getrennten Volksgenossen erträglich gestaltet und daß die französischen Anregungen über das hinsichtlich der Emp­vereinbaren mit dem Jesusworte: Cher geht ein Kamel durch Schäden, die die deutsche Wirtschaft erleidet, auf das möglichst fehlungen des Völkerbundrates einzuschlagende Verfahren an­ein Nadelöhr, als daß ein Reicher in den Himmel geringste Maß beschränkt werden. Zu diesem Zwed werden nehme. Die Botschafterkonferenz wird also beauftragt werden, fommt? Verhandlungen mit Polen zu führen sein, die nicht vom Haß diese Empfehlungen in Beschlüsse umzuformen und wird geeignete Wenn man in der heutigen Welt nach Spuren einer Ge- gegen ein anderes Bolt, sondern von der Liebe zu den eigenen Maßnahmen zur Sicherstellung ihrer Anwendung feffsetzen. finnung fuch die der brüderlichen Nächstenliebe des Neuen Volksgenossen und von der Sorge um die deutsche Wirtschaft Wegen der wirtschaftlichen Anregungen, welche Testaments entspricht, bei den Vorfämpfern der christ- gelettet sein müssen. diefe Empfehlungen begleiten, werde die Botschafterkonferenz ohne 3weifel die deutsche und die polnische Regierung auffor­dern, Bevollmächtigte zu bestimmen zur Besprechung der wirtschaftlichen Verwaltung, die in dem durch die neue Grenzlinie geteilten Oberschlesien einzuführen sei. Der Beschluß der Botschafter­

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lichen" Schule findet man wahrlich kein Körnlein davon! Die Was im einzelnen zu tun sein wird, darüber wird man Arbeit der Sozialdemokratie für den Bölkerfrieden, für erst reden können, wenn die Entscheidung in ihrem Wortlaut ein besseres Los der unterdrüdten Klaffen, vorliegen wird. Die Veröffentlichung wird jetzt auch nicht das ist das wahre, das prattische Christentum der Neu- mehr lange auf sich warten lassen.

zeit! Aber gerade von diesem Geiste soll nach dem Willen Für die Deutschen im abgetrennten Teil Oberschlesiens fonferenz werde veröffentlicht werden, wenn ihn die beteiligten Re­der Patentchristen die Jugend ferngehalten werden: wie für die Deutschen überall, in Nord und Süd, in Ost und gierungen empfangen haben werden. ihre angeblich christliche" Schule ist ihnen wie alle Religion West , die ein verlorener Krieg von ihrem Mutterland getrennt l

( Weitere Meldungen auf der dritten Seite.)