künfttge freiheitliche Entwicklung Berlins nur durch eine starke Sszialdemokratie gewährleistet ist. Wir Sozialdemokraten haben den heutigen Wahlkampf nicht herbeigeführt, aber ipir nehmen jeden Kampf an, der uns angetragen wird. Wir freuen uns, wenn sich Gelegen- heit bietet, mit dem Gegner die Kräfte zu messen. W i r v e r- trauen der Einsicht der arbeitenden Bevölke- r u n g, daß sie der Lügenpropaganda ihrer Feinde nicht auf den Leim gehen wird. Wir oertrauen darauf, daß jeder Mann und jede Frau sich klar sind über die B e d e u t u n g des Heu- tigen Tages. Wir erwarten, daß jeder seine Pflicht t u t und an die Wahlurne geht mit der Parole: keine Skimme der bürgerlichen Reaktion— jede Stimme der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands !
Wehe üem Volt..! Eine Zeitungskorrefpvndenz versendet folgende Meldung: Als eindrcnksvolles Zeichen der Trauer um das zerstückelte Oberschlesien trägt seit heute morgen das Denkmal Friedrichs des Großen Unter den Linden einen großen Kranz mit zwei Schleifen. Das eine Band in Schwarzweißrot trägt die Inschrift:„Gewidmet von Mitgliedern der Deutschen V o l k s p a r t e K', das ander« Schleifenband den Satz:„Wehe dem Volk, das seine Waffen 5 Mi- nuten zu früh an die Wand stellt!-— Dieser Satz stand, wie er- innerlich, wörtlich im Leitartikel des„Vorwärts- vom 3. Ottober ISIS. Wie ungewollt prophetisch hat damals da» sozialistische Zentralorgan die grausamen Geschicke des deutschen Volkes mit diesen Worten geschildert! Das unkerwöhkte und mißleitete Deutsch - lond hat seine Waffen weggeworfen und muß jetzt trauern um Hunderttausende und Millionen deutscher Volksgenossen und um weite Landesteile, die dem Vaterlande grausam und wider- rechtlich entrissen werden. Das so oft zitierte Wort des„Vorwärts" war nicht un- gewollt prophetisch. Am 3. Oktober �918 machte nämlich Prinz Max von Baden der Heeresleitung Vorstellungen darüber, daß eine plötzliche Waffenstillstandsbitte, wie sie von der OHL. gefor- dert wurde, den Verlust weiter deutscher Gebiete in Ost und West nach sich ziehen werde. Die OHL. antwortete darauf: Die Oberste Heeresleitung bleib» auf ihrer am Sonntag, den 2t. September b 3„ gestellten Forderung der sofortigen her- ausgäbe»es Ariedensangebois an unsere Feinde bestehen.- Der„Vorwärts" war bekanntlich stets für die Landes- Verteidigung, für die Erhaltung Deutschlands , eingetreten. Er kannte die Vorgänge, die zwischen der Regierung und der OHL. spielten. Seine Worte richteten sich so deutlich, wie es die damaligen Umstände gestatteten, an die OHL., die durch ihren plötzlichen Nervenzusammenbruch das Ziel der sozialdemokratischen Landesverteidigung vernichtete. Unsere Prophezeiung war also nicht ungewollt, sondern gewollt, und sie hat sich in furchtbarer Weise bestätigt. Wehe dem Volk, das in solcher Zeit solche Führer besaß!
Oröens-Inöuftrie. Der Geschäftsbetrieb der K r i e g er v er e in e. die sich«ine eigene Ordensoerleihanstalt zugelegt haben, läßt den„Verband national gesinnter Soldaten" nicht schlafen. Cr gibt �«uch seinen Privatorden heraus. Uns liegt ein Antragsfor- mular vor, wie es gegen Einsendung von einer Mark erhältlich ist. Als der haup. sächlichst« Test dieses Formulars ist wohl eine an- gebogene Z a h l t a r t« mit dem ausgedruckten Betrag von 30 M. anzusehen. So viel kostet nämlich die Wonne, sich den Piepmatz der Ehrhardianer usw. in« Knopfloch stecken zu können. Aber doch immerhin billig gegen die alten Zeiten, wo man, um«inen Orden zn erhalten, mindestens 10000 M. für einen Kirchenbau stiften mußte. Aber die„nationalgesinnten" Soldatm denken: die Masse muß es bringen und deshalb verleihen sie ihren Orden an jeden Mann, jede Frau, jedes Fräulein ohn« Altersgrenze nach oben oder unten. Der vrdenstandidat hat nur aus Ehre und Gewissen zu ver« sichern, daß er während des Weltkrieges bemüht war, seine Pflicht
Ein vorblick aus öas heutige Serlin aus öem Jahre 1524. Von Ernst Grau. Zukunftsutopim hat man von jeher geschrieben, und ein« zahlreiche Epigonenschast hat jedesmal mit ernsten oder schmunzelnden Gesichtern darüber zu Gericht gesessen und sich gefreut, wie reich- lich naiv sich doch die fjerrm Urgroßväter die Zukunft vorgestellt haben. Aber diese Kritiker haben sich ihrerseits wieder ungehemm- ten Zukunftsschwärmereim hingegebm, die un, heut« wieder ebenso naiv erscheinen. Trotzdem steckt darin, wie in jeder Utopie, doch auch manch Körnchen Wahrheit. Bor einem Jahrhundert schrieb Julius v. Boß, der Anfang des vvriHm Jahrhunderts ungezählte Lustspiele, Roman « und Histörchen aller Art verfaßt hat, u. a. auch drei Lustspiel«:„1724"— „1824"—„1924", Dramaturgisch und künstlerisch haben sie welter keinen Wert, doch wurden sie m Berlin gespielt, und unsere Vorfahren hatten sicher ihre Freude daran. EI« saßen im Parkett, lächelten über die Primitivität ihrer Eltern von Anno 1724 und waren stolz auf ihre derewstigm Söhn«, die e« um 1924 dann so herrlich weit gebracht haben würden. Das Spiel endet mit den Worten: „Wer das Stück will kritisieren, warte gütigst hundert Jahr, Früher kann er ja nicht wissen, ob die Zeichnung richtig war." Heute können wir nachprüfen, ob dl« Vorschau richtig oder falsch war. Boß hat das heutige Berlin nur aus 500 000 Einwohner geschätzt. Man war eben damals ein gemächtticheres Tempo gewohnt. Zu den weiter abgelegenm Vorstädtm zählt er Charlottenburg und— Weddingi Vermutlich hatte Voß zu dem Wachstum Berlins kein rechtes Zutrauen. Dagegen ist er dek Iniernen Ausgestaltung der Stadt UM einige Jahrdutzende vorausgeeilt. Bei ihm sind die Kirch- türme schon allmthalbm der Telegruphle nutzbar gemacht, wenn er auch dm Gedanken der drahtlosen Stationen noch kaum zu ahnen wagte. Die Spree Müßte aber nach seiner Voraussage heute schon so vertieft und verbreitert sein, daß ein mit 200 bis 300 Zentnern betasteter Riesenwalfisch bequem hindurchschwimmen könnte. Auch mit dm prophezeitm Regendächern werden wir uns auf eine bessere Zukunft vertrösim miisien. Ueberhaupt sollm es dl« Großstädter nach voß' Meinung sehr gut haben. Sie benutzen Hüte mit Blitzableitern, ledern« Kahnschuhe, um nach Belieben die Spree zu über- schveitm und Teleskopbrillen, durch die man ohne weiteres die Sa- teifitm des Jupiters betrachten kann. Außerdem tragen sie an ge- wohnlichen Schuhm SpruN�edern. vermutlich dachte Voß dabei an hüpfende Köngeruhs. Da er weiter in richtiger Erkenntnis an einen Ewigkeitswert seiner Werte Nicht glaubte, durfte er auch kühn behaupten, es gäbe in unserer Zeit kein« Theater mehr. Jeder ge- wöhnliche Mann sei so gebildet, daß er sich seine Tragödien und
zu tun, gleich ob im Felde, in der Etappe oder in der Heimat, mit der Waffe, an der Arbeitsstätte oder in der F a mi lte! Nur „Umstürzler" sind ousgefchloffm. Also, immer heran, meine Herr- schatten, hier kann jeder einm Orden verdienen, hier kostet e» nicht 10 000, nicht 1000, nicht 100 M.,— für 30 M. erhält hier jeder eine leibhoftizs Ehrendenkmünze des Weltkrieges am schwarzweiß- roten Bandet
Deine Stimme fehlt noch zum sozialdemokratischen Siege. Die Anhänger der Bürgerlichen Parteien find gegen die Arbeiterschaft aufgepeitscht. Sie werden heute bis zum letzten Mann wählen gehen. Trotzdem ist üer Sieg unser, wenn wir auch ans dem Posten sind. Deshalb eile! unö gib deine Stimme öer Sozialüemotratisthen Partei(SPD .)
Neichsbeihilfe für Kapitalrentner? Der„Deutsche Rentnerbund C. B." fordert in einer an den Reichstag gerichteten Denkschrift die Schaffung eines Rcichshklfsfonds, aus dem allen Kapttalrentnern, die-- Männer über 60, Frauen über 50 Jahre— all oder erwerbsunfähig oder dauernd behindert find, ihren Lebensunterhalt durch Erwerb zu bestreiten, folgende jährliche Zuschüss«zu gewähren sind: 1. Bei einem Einkommen bis zu 2000 M. a) Einzelpersonen bis zn vollen 4000 M. Einkommen, b) Ehepaaren bis zu vollen 5000 M. Einkommen. bei einem Einkommen 2. a) von 2000 bis 3000 M. 100 Proz. dieses Einkommens b). 8000„ 4000. 75.. c). 4000. 5000, 50,,. d)„ 5000„ 6000 25„,, e)„ 6000„ 7000„ 15.„„ f). 7000„ 8000 5„ Bei Ehepaaren erhöben sich die durch die Zuschüsie zu 2a bis k geschaffenen Einkommen um 25 Proz. Ehepaare mit einem Einkommen 3.»> von 8000 bis 0000 M. 25 Proz. dieses Einkommens b). 9000. 10000. 20„ c), 10000. 11000, 10,, Auch wir sind der Ansicht, daß die verelendeten Kapitakrentner aus Reichsmitteln unterstützt werden müssen, können uns aber der Tatsache nicht verschließen, daß einer Staffelung, wie sie der Rentnerbund empfiehlt, manche Bedenken entgegenstehen. Uns scheint der Hauptwert der Unterstützung darin zu liegen, daß das Einkommen der Aermsten möglichst nahe an das Existenzminimum herangeführt wird. In Fällen, wo es sich um verhältnismäßig ge- ringe Zlischüff« handelt, ist die private Fürsorge Imstande, mit- dernd einzugreifen, was bei größeren Zuschüssen auf Schwierigkeiten stößt. Auf alle Fälle müßte der Hilfsfonds vor allzugroßer Zer- splitterung dewahrt bleiben. Er soll nicht Almosen gewähren, son» dern wirklich ins Gewicht fallend« Hilf« bringen.
Saargebiet und Frankenwährung. Eine auf 25 000 bis 30 000 Personen geschätzte Versammlung protestierte gestern gegen die von der Regierungstommission zur Erweiterung des Franken- Umlaufes in Saarbrücken ergriffenen Maßnahmen.» Zum Schluß wurde ein Telegramm an den Völkerbund ge- fandt, m dem die versammelten bekunden, daß sie geschloffen hinter den Erklärungen und Forderungen der nach Genf entsandten Dele» gation stehen und den Völkerbund bitten, im Sinne der vorgebrach- ten Wünsche baldigst durchgreifende Maßnahmen treffen zu wollen. Da» Telegramm ist gezeichnet von der Demokratischen Partei, Deut- scheu Volkspartei, Deutlchnationalen Dolkspartei und der Zentrums- Partei. Für Sonnabend abend hatte die Sozialdemokratische Partei ebenfalls eine Versammlung einberufen.
Komödien selbst schreib«. Ob er dabei an das Heer der Filmdramen- Verfasser gedacht hat, sei dahingestellt. Di« Entwicklung der Presse hat er hingegen wieder unterschätzt, wenn«r uns nur sechzehn Tageszeitungen gönnt. Doch er macht das wieder gut, denn er ge- währt uns zwölf Stundenblätter und sogar ein Halbstundenbiatt. Zei-tungsgründer seien besonders auf diese letzte Möglichkeit hinge- wiesen. Natürlich hat der vielbeschäfttgte Großstädter kein« Zeit, all diese Blätter zu. lesen, und es gibt deshalb eine„Essenzial- Zeitung", die«inen Extrakt aus allen anderen Blättern bringt.— Daß jede» Haus feinen Dachgarten hat, Ist selbstverständlich. Leider aber noch nicht Tatsache. Ebenso, daß man sich in der Stadt die Driefe durch Taubenpost zusendet. Der Postminister wird allerdinge darüber lächeln, denn er hat ja sein« Rohrpost. Aber einen anderen Vorschlag wird«r sicher gern hören. Es heißt da wörtlich:„Von Meile zu Meile �teht ein Mörser, in Bomben stecken die Briefe. Heut morgen schrieb ich nach Wien , nachmittags kann Ich Antwort haben." Wie b«! keinem Utopisten fehlt auch bei Voß das lenkbare Luft- schiff nicht. C« kehrt immer und überall wieder und dokumentiert die alle Sehnsucht des Menschen, sich über den Alltag zu erheben. Außerdem kennt Voß auch den Dompspflug, der aber nicht von Bauern, sondern von„Agrikulttirbeslissenen" bedient wird. Man spricht auch sonst außerordentlich gewählt. Es gibt kein« Köchinnen und Kammerjungfern mehr, sondern„Küchenfräulein" und„Stuben- fräuletn". So wechseln in voß' Lustspiel ernste und törichte Voraussagen. Auch ein großer, gewaltiger Krieg spielt hinein. Die Vereinigten Staaten von Europa kämpfen gegen die Bereinigten Völker Asien «. Allerdings ein kleiner Irrtum. Denn von der Einigkeit der euro - päischen Völker ist noch nicht viel zu oerspüren. Aber Gasbomben und Gasangriffe hat Voß richtig vorausgeahnt. Anderes, wie etwa der amputiert« und wieder aufgesetzte Kopf, ist albern und lächerlich. Doch ein kleiner Ausfall gegen die Be» Hörden ist noch sehr hübsch. Auf ihren Kanzleien werden künftig nur noch Automaten sitzen.„Man merkt's am Stil", bemerkt Voß launig.
«fltonon Lescaut� von Karl Sternheim im Theater in der Koniggräher S kratze. Kaum war der Chevalier des Grieu den Kinderfchuden ent- wachsen, als er der zarten Manon Lescaut verfiel. Es nutzte nichts, daß die Eltern ihn für das Priestergewand bestimmten. Er wurde zum Falschspieler, zum Dieb und beinahe zum Mörder für die an- gebetete Frau. Als Manon zusammen mit anderen Frauen des leichten und käuflichen Geblüts nach Reu-Orleans über den Ozean verschickt wurde, folate ihr der Cbevalier. Als Strafkolonist wollte er mit der verhimmelten Frau leben. Sie starb ihm aber fort, da sie die Strapazen der neuen Erde nicht ertrug. Diesen Roman hat der Abb« Prevost geschrieben, der ein Vaqabund, ein Benediktiner und Zeilenschinder gewesen ist. Ms der Abb« auf der Totenbahre
die �änülerprofite vor üer Aollerhöbung. Hamburg , 15. Oktober. (Eigener Drahtbericht.) Das Ortskartell Groß-Homburg des Afa-Bundes und der Ortsausschuß Groß- Hamburg des Allgemeinen Deutschen Gewerkschafts- b u n d e s richteten an den Reichskanzler Dr. Wirth folgendes Tele- g r a m m: Exzellenz! Tiefste Erregung herrscht in Kreisen groß- hamburgifcher Arbeitnehmerschast ob der zurzeit im Hamburger Hasen betriebenen wucherischen Ausnutzung d er ange- kündigten Zollerhöhung. Die übermäßigen und über- stürzten Warenhereinnahmen zum niedrigen Zoll- fatz bedeutet nach der Auffassung der hiesigen Arbeitnehmerschast einerseits die schärfste Schädigung der Reichstasse. andererseits die Möglichkeit einer übermäßigen Uebervor» t e i l u n g deutscher Konsumenten. Die eingeräumte ll e b e r« gangszeit von 14 Tagen gibt die Möglichkeit eines Riesen- Profits für den Handel auf Kosten aller Steuerzahler und Der, braucher. Die unterzeichneten Spitzen der wirtschaftlichen Organi- scttionen der hamburgischen Arbeitnehmerschast empfehlen dringend, im allgemeinen Interesse die bis zum 20. Oktober laufende U e b e r- gangsfrist sofort aufzuheben oder aber den aus der Uebergangszeit dem Handel erwachsenden beträchtlichen Gewinn auf Kosten des Reichs und aller Verbraucher im allgemeinen Staats- intereffe durch eine Nachverzollung zu erfaffen. Es liegt die Gefahr vvr, daß Hamburgs organisierte Arbeit- nehmerschaft des Hafen» zur Selb st Hilfe greift, um der zurzeit betriebenen wucherischen Ausnutzung der angekündigten Zoll- echöhung wirksam entgegenzukreten. Es wird dringend anheim- gegeben, zukünftig UebergangKbcstimmungcn, wie sie jetzt ein- geräumt sind, nicht wieder zu gewähren, da diese Uebergangs- bestimmungen nur dem Vorteil einzelner aus Kosten der Gesamtheit dienen.
Lanütag unü<dppau-k>ilfe. Der Hauptausschuß des Preußischen Landtages genehmigte Sonnabend vormittag zunächst einen Bettag von 6 Mcl- lionen zur Unterstützung der Opfer von Oppau. Sodann wurde die Beratung des Haushalts des Staatsminifterinms und des Ministerpräsidenten fortgesetzt. Abg. v. E a m p-(D. Vp.) besprach die Schwierigkeiten In der K a r t off e lvers or g u n g»nd ver- langte eine scharfe Grenzkontrolle zur Verhütung von Berschiebun- gen nach dem Ausland«. Auch Abg. O e s e r(Dem.) brachte die Lebensmittelteuerung zur Sprache, die im engen Zusammenhang mit dem V a l u t a st u r z der Mark liehe.— Abg. Braun(Sozj bezeichnet den Staatsrat als überflüssig, er sei überzeugt, daß sich später einmal eine Landtagsmehrheit für die Abschaffung des Staatsrats finden werde. Der Redner kritisierte da» Be- stehen besonderer preußischer Bevollmächtigter in München und in Dresden . Zum Schluß übte er Kritik an den Kartoffelschwierig- leiten und brachte sodann Beschwerden über die Personalpolitik des Ministers des Innern vor. Hierauf nahm das Wort Ministerpräsi- denk Stegerwald. Er berichtete über die Maßnahmen zur Be- Hebung der Kartoffelnot und verteidigt das Bestreben der prenßi- schen Gesandtschast in München , solange auch die anderen deutschen Staaten Vertretungen dort unterhalten. Der Minlsierpräsident be- sprach sodann die ö b e r s ch l e s i s ch e Frage. Weiter bezeichnete er die Einrichtung eines ständigen Ausschuffes des Staatsrats für erforderlich, damit die notwendigen Arbeiten nicht verzögert würden. Er gab sodann«ine Uebersicht über die in Vorbereitung befindlichen Gesetzentwürfe.— Abg. Severing(Soz.) hob hervor, wenn der Ministerpräsident Ausführungen, wie er sie soeben im Ausschuß ge- macht habe, schon früher gemacht hätte, wäre seine Politik niemals eine reaktionäre genannt worden. Leider Hobe er bisher so weder im Landtag, noch bei sonstiger Gelegenheit gesprochen.— Abg. L e i d(11. Soz.) sagte dem Kabinett Stegerwald den schärfsten Kampf an und sprach sich für Abschaffung des Staatsrats aus.— Abg. Kloft(Z.) erklärte, der Staatsrat müsse bleiben: es seien aber Maßnahmen zu treffen» durch die ein besseres Zusammenarbeiten des Staatsrats mit dem Landtag gewährleistet würde. « Mannheim , 15. Oktober. (WTB.) Der Verband der Badi- schen Ziegeleibesitzer teilt mit, daß er sich bereit erklärt habe, die zur Wiederherstellung der Explosionsschäden von Oppau nötigen Ziegel zum Herstellungspreis zu liefern, und dementiert die Nachrichten von wucherischen Preissorderungen seitens der Ziegeleibesitzer.
lag, sezierte man seinen Leib. Aber siehe, er war scheintot, und so schickte er Arzt sich an, da» Messer in einen noch lebendigen Men- schen hineinzustoßen. Hat Karl Sternheim einem scheintoten Werke oder einem noch lebendigen zu neuem Leben verHolsen, als er Manon Lescaut zum Trauerspiel umformte? Sternheim, der Skeptiker, der Theoretiker des gebildeten und der Spießerei abholden Europäertums, geht unter die Rührdraniatiker, unter die Raupache und Sudermänner, und macht aus dem unsterblichen Roman ein Rührstück, das sehr bald vergehen muß. Er schneidet aus dem Buche nicht ungeschickt, aber viel zu grob sechs Bilder heraus. In jedem Bilde steigt eine Szene der Zärtlichkeit zum Gipfel. Die Falschspieler, der soldatische Halunke, der Gastwitt auf dem Lande, der larmoyante Abbe, der lüsterne Alte, der unternehmungslustige Kavalier, das sind alles die Herren und Buben, die lustern nach Manon find, und denen sich der leidenschaftliche Chevalier in den Weg stellt. Sternheim ton- trastlert ein wenig den Gegensatz von Adel und Volk, um sein Stücklein modern zu frisieren. Aber der moderne Geist geht nicht sehr tief, und er geht dem Dichter schließlich vollkommen au». Denn während der Roman skepttsch endet, während in dem alten Buche der Liebhaber am Leben bleiben darf, drückt ihm Sternheim die Giftflasche in die Hand, und der Chevalier endet wie Romeo. An diesem Ende sieht man, daß der Dichter von heute nicht das acht- zehnte Jahrhundert ausfrischt, sondern nur einen Trick aus der ewigen Kolportage. Frau Orska ist Madame Lescaut. Diesmal wirtlich rührend außerordentlich einfach, außerordentlich sanft, schmachtend und hin- gebend, verzichtend auf Kleider, pfeifend wie eine Nachtigall, wohl noch die Worte ein wenig hackend und verschluckend, doch trotzdem ein« sehr voetisch« Gestalt. Herr Janssen, gesühlvoll, jung, schön, töricht liebend, edel untergehend,«in schmelzender Schwärmer, eine nicht minder poetische Gestalt. Herr R i e m a n n gebietet als Bramabas über neu« Tön« der Derbheit, die man ihm nicht zuge- traut hätte. Die Regie Bernauers waltete umsichtig, dämpfend, Sternheim» Theatralik, die diesmal wirklich nur Theattalik ist, ins angenehm Bildliche und Bewegende hineinhebend. _ Max Hochdorf . ZMchael Bohnen, der von allen Banden der Regle befteite. selbst- herrliche und eigenwillige Schauspieler der Opernbühne, spiett im Deutschen Opernhause den Mephisto in allen Schillerungen des teuf- tischen Witzes, sarkastischer und ironischer Weltverachtung. Ein hä- Mischer Bösewicht, der alle irdischen Effekte, dir das Stück und die Galeriesehnsucht erheischen, wie aus einer Spitze auffängt und de- monstriert. Schon sein Aussehen ist ein ungewohntes, besonderes, graugrün die Fratze, graugrün das Kostüm und der weite Mantel. In Momenten der Ruhe und Beobachtung spielt dieser Mantel allein, Und in der Erregung fliegt er In den Bögen und Schwingungen der leidenschaftlichen Szenerie mit den Menschen mit/ Eine starte Theaterleistung, um so eindringlicher, als auch Bohnen» Gesang aus der Sprechroutine wieder in klangvolle breite Melodie hineingleitet. Seine Spielart, die sicher nicht srei von Theater ist, stach dennoch höchst wunderbar ab gegen die markierte und maskierte Kindlichkeit der Stoltenberg, gegen die in Scharnieren knackende Puppenhaftigkeit