Ergebnislose Sitzung ües Sotfchafterrates. Varl». 17. Oktober. (MTV.) Havas meldet: Die Sitzung der Botschaftertonserenz. die heute nachmittag wegen der Inkraftsetzung der Empfehlung des Dölkerbundrates über Ober- schleslen stattfinden sollte, wurde vertagt. Sie wird Voraussicht- lich am Mittwoch stattfinden. Es wurde in der Tal für er- forderlich gehalten, eine juristische Prüfung der Frage vorzu- nehmen, und man erwartet die Ankunft des englischen Juristen M a k I n g. Lord H a r d i n g e. der an den letzten Sitzungen der Konferenz nicht teilnahm, führt morgen nach Paris zurück. * Es wäre verfehlt, aus dieser oder ähnlichen Meldungen irgendwelchen Optimismus zu schöpfen. Eine Hoffnung, daß die Genfer Entscheidung noch eine Abänderung erfahren könnte, besteht leider kaum noch, nachdem England so kategorisch hat wissen lassen, daß es den Spruch des Obersten Rates annehmen würde. Indessen muß darauf hingewiesen werden, daß gewisse Un- stimmigkeiten zwischen Paris und London über die Aus- führungsfragen noch immer bestehen. Dies wurde auch in einem„diplomatischen Lagebericht" der Havas- Agentur, den wir in unserer Sonderausgabe am Montag- vormittag veröffentlichten, mgegeben. Der Gegensatz dreht sich um die Frage, ob die Empfehlung des Lölkerbundrates ein unteilbares Ganzes bildet oder ob die Grenz- Ziehung und wirtschaftliches Regime zwei voneinander unabhängige Vorschläge sind. England vertritt die erste, Frankreich die zweite Auffassung. England stützt sich dabei auf den Friedensvertrag, der zwar eine Grenz- Ziehung vorsehe, aber kein wirtschaftliches Regime, das den beiden Ländern. Deutschland und Polen , aufgezwungen werden könnte. Ueber diese Wirtschaftsabmachungen müßte zuerst ein Einverständnis zwischen Warschau und Berlin erzielt werden, und in London zweifelt man dieserhalb an dem guten Willen Polens . Daher will England die R o t i- fizierungderGrenzesolangehinausschieben, bis dieses Einvernehmen durch direkte Verhandlungen zwischen Berlin und Warschau erreicht ist. Frankreich dagegen möchte offenbar sobald wie möglich diese für die eigene Politik unverhofft günstige Entscheidung des Rates sanktioniert sehen und unter Dach uno Fach bringen. Es kann sich aber der Stichhaltigkeit der englischen Rechts- bedenken nicht völlig entziehen und schlägt daher vor, daß die neue Grenzlinie in Berlin und Warschau formell mit- geteilt und daß der Wunsch ausgesprochen werde, daß die beiden Länder sich innerhalb eines Monates über das wirt- schaftliche Regime verständigten. Man will dabei, wie sich Havas ausdrückt,„an die Weisheit der beiden Völker appellieren". Daraus geht hervor, daß auch Frankreich etwas in Der- legenheit geraten ist, wo es gilt, die Rechtmäßigkeit des Genfer Spruches zu beweisen. Aber was bedeuten für den Quai d'Orfay Rechtsbedenken gegenüber einem diplomatischen Erfolg? Man verfügt ja dort über jene dienstbeflisienen Taschenspieler, auch„zuristische Sachverständige" genannt, die bereit sind, zur Höberen Ehre ihres Landes die Rechtmäßigkeit einer jeden Rechtsbeugung zu„beweisen" und zu„be- gründen". Wir wissen, daß Proteste in einer Welt zwecklos sind, wo die militärische Gewalt noch allein ausschlaggebend ist. aber wir müssen dennoch feststellen, daß oer Genfer Spruch ein neues Glied in jener Kette bildet, die in Ver- sailles mit der Verletzung der 14 Wilsonschen Punkte begann und später mit der Besetzung des Maingaues, mit der„Volks- abstimmung" in Eupen und Malmedy, mit den militärischen Sanktionen am Rhein u. a. m. fortgesetzt wurde. Wir geben uns auch nicht der Illusion hin, daß mit dem neuen am deut- schen Oberschlesien begangenen Rechtsbruch die Zahl der Ver- tragsverletzungen beendet sein wird. Es ist der Fluch der bösen Tat, die in den Tagen der Pariser Friedensverhandlungen im Jahre 1919 verübt wurde daß sie immer weitere Unge- rechtigkeiten und Rechtswidrigtciten erzeugt. Daher sehen wir ohne jede Hoffnung der Ankunft des eng- tischen juristischen Sachverständigen Making in Paris ent- gegen. Wir zweifeln nicht daran, daß er sich schließlich mit seinen französischen Fachtollegen über eine„Formel" einigen wird, mit der man das Schicksal des oberschlesischen Volkes im Namen des internationalen Rechtes besiegeln wird. Ob aber damit die Akten der Weltgeschichte über das oberschlesische Problem auch nur einstweilen geschlossen werden, das wird nicht allein von uns bezweifelt, schon dringen aus London und sogar aus Paris , von allen anderen alliierten und neutralen Hauptstädten gar nicht zu sprechen, sorgenvolle Stimmen zu uns. Die Erklärungen B a l f o u r s, die wie die Beichte eines unruhigen Gewissens klangen und deren Offenheit nicht unsympathifch anmutete, spiegelten diese Befürchtungen eindrucksvoll wieder. Soweit sie an die Vernunft des deutschen Volkes appellierten, brauchen wir nicht zu betonen, daß wir schon in früheren Schicksalstagisn vor selbstmörderischen Verzweiflungsausbrüchen gewarnt haben. Aber wir verhehlen nicht, daß wir recht trübe in die Zukunft blicken. Eine halbamtliche englische Aeusternng. London , 17. Oktober. lUiTB.) Wie Reuters Bureau er- fährt, hat der Botschafterrat noch keine Mitteilung an Deutschland und Polen bezüglich der neuen schlesischen Grenz« ergehen lassen. In der Mitteilung heißt es weiter: Es kann kein« Rede davon sein, die Ententetruppen zurückzuziehen, ehe nicht eine Kommission an Ort und Stelle die neue Grenzlinie fest- gestellt hat. Dies kann vielleicht eine BerzSgerung von einigen Wochen bedeuten. E» wird daraus hingewiesen, daß die wirtschaftlichen Bestimmungen im Interesse beider Par- leien gelrosfen sind und daß e» unter den obwaltenden Umstünden für unfaßbar gehalten wird, daß die unmittelbar Beteiligten nicht die Bedingungen annehmen und ihr Bestes tun. um sie zu erfüllen. vom politischen Standpunkt aus gilt die ganze Angelegenheit für beendet, obwohl noch Nein« Einzelheiten festzusetzen sind. Heute redet Lloyd George . Gestern abend fand in London eine Kabinettssitzung statt, in der das Programm der Regierung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit festgelegt wird, das heute dem wieder zu- sammentretenden Unterhau» vorgelegt wird. Man erwartet für heute ein« große Rede Lloyd Georges im Unterhaus über die Arbeitslosigkeit im Zusammenhange mit der wirtschaftlichen Lage in Europa . Der Sturz der Mark dürfte dabei auch zur Sprache kommen, ebenso die Lösung der oberschlesischen Frage. Auch das französische Parlament tritt heute wieder zu- sommen. Es wird in einer der ersten Sitzungen der Kammer auch eine große Rede Brtands erwartet. Dafür sorgen schon die be- reits angekündigten Interpellationen der clemencistischen Opposition-
polen wünscht Vereinbarung. Warschau , 17. Oktober. (OE.) Am Sonnabend hat bis in die späten Abendstunden hinein ein« Konferenz des Staatschef» Pilsudski mit dem innerhalb des polnischen Kabinetts gebildeten„Politischen Komitee" stattgefunden. Die Verhandlungen galten der ober- schlesischen Frage. Ueber da» Ergebnis ist nichts bekannt. Indessen ist es bezeichnend, daß offenbar auf Grund höheren Orts aus- gegebener Direktiven die polnische Presse ihre bisherig« Taktik gegenüber der Genfer Entscheidung in auffälliger Weise verändert. Sie hat es aufgegeben, Mehrsorderungen in Oberschlesien anzumelden und oersichert nunmehr, die Grenzfrage sei endgültig er- ledigt. Sie richtet setzt ihr Hauptaugenmerk auf das gemein- same Wirtschaftsregim« de» geteilten Industriegebiets. Charatteristischerweise führt der„Kurjer Poranny'(Morgenkurier) aus, es läge die Gefahr eines deutschen Boykott« vor. Polen müsse, mit den Großmächten zusammenwirkend, darauf hin- streben, einen dlockus vivenäi mit Deutschland zu finden. Polen müsse dabei in Rechnung stellen, daß künftig auch gegenüber Deutschland eine größere Harmonie der englischen und französischen Politik zu erwarten sei. Es werde Polens Aufgabe sein, darauf hinzuwirken, daß Oberschlesien keine eiternde Wunde des Kontinents bleibe: die Politik der Regierung müsse entschieden, ruhig und versöhnlich sein. Sache der Presse sei es, die Regierungs- politik nicht zu erschweren. Sicheren Informationen nach können diese Auslassungen des„Kurjer Poranny" als inspiriert gelten. Schwedischer Pessimismus. Stockholm , 16. Oktober. (WTB.) Professor Gustaf Eassel bezeichnet im„Svenska Dagbladet" den Teilungsplan Oberschlesiens als ein neues folgenschweres Beispiel für das durch den Dersailler Frieden inaugurierte politische und wirtschaftliche Auflvsungs- Programm. Ein wirtschaftlich einheitlich organisierter Staat sei ein Gebilde, womit verständige Menschen rechnen und das sie aus- bauen Man versündige sich an der Natur des Wirtschafte- leben», wenn man nach Gutdünken alte Verbindungen abschneide. Aller Wahrscheinlichkeit nach werde der neue Teilüngsplan dazu führen, daß ein weiterer ökonomisch überaus wichtiger Teil Europas verarme. Oesterreichs Beispiel hätte abschreckend wirken müssen. Die Folge werde der Zusammenbruch des Schadenersatzplanes und ein neues politisches Chaos sein, das sehr, sehr bald die bis- herigen geringfügigen Wiederaufbauversuche Europa » lahmlegen werde.
Die Diebftahlsaffäre im Reichsarchiv. In der Diebstahlöangelegenheit von Geheimakten im Reichs- archid auf dem VrauhauSberg in Potsdam ist e« der Potsdamer Kriminalpolizei gelungen, einen gewissen Angestellten Tiehe der ÄbwicklungSstelle Spandau zu überführen und zu verhaften. Ciehe gibt zu, in den letzten drei Monaten sich zehnmal ins Reichsarchiv eingeschlichen und Aktenstücke, die wichtig für unsere Feinde schienen, gestohlen zu haben. Siehe gibt ferner an, daß er im Auftrage des Redakteur» Wandt von der„Freien Presse' gebandelt Hab», dessen Verhaftung von un« bereit» gemeldet wurde. Für jedeS«kienstück will er von Wandt 100— 200 M. erhalten haben.
Die Sewegung in üer Metallinüuftrie. Die Afcfunktionäre der Metallindustrie nahmen gestern in über- voller Versammlung den Bericht von Fritz Schmidt über den Gang der letzten Verhandlungen mit dem Verband der Berliner Metallindustriellen entgegen. Zu dem Resultat ist als wesentlich noch folgendes zu bemerken: Es wird in der endgültigen Formulierung festgelegt werden, daß die Erhöhung der Grundgehälter um 60 M., die durch Schiedsspruch vom 21. Dezember 1920 erfolgt ist, bei den in Betracht kämmenden Gruppen beibehalten wird. Auf dies« Gnmdgehälter wird für den Monat Oktober der Schiedsspruch vom 7. Oktober angewendet, das heißt, auf die sich so ergebenden Grund- nehälter erhalten als Teuerungszuschlag im Oktober die Angestellten 1K0 Proz�, die Jnaendlichen(Lehrlinge) 130 Proz. Die Erhöhung auf 170Proz. für November und Dezember gilt dagegen in sämtlichen Gruppen, also auch für die Lehrlinge. Es ist hier der Afa gelungen, die unterschiedliche Be- Handlung der Lehrlinge in den Prozentzuschlägen zu beseitigen— Die im Tarif aufgeführten Grundgehälter der Gruppen Ch und Cc werden ab 1. November 1921 um 60 M. erhöht. Die Erhöhung der Grundgehälter kommt den unter diese Gruppen fallenden Ange- stellten insoweit zugute, als sie nicht bereite vorher schon von der Firma gewährt worden ist. Gegen wenige Stimmen angenommen wurde eine Reso- l u t i o n, die die erzielten Zugeständnisse im kinblick auf die zu- nehmende Verringerung der Kaufkraft unserer Mark al« völlig un- genügend bezeichnet, sich für gleichmäßiae(nicht prozentuale) Teue- rungszulagen erklärt und weiter tagt:„Unter Würdigung der gegen- wältigen Lage nehmen die Funktionäre auf Wunsch der Organi- sation die schwere Aufgabe auf sich, ihren Austraggebern die ge- botenen Zugeständnisse zur Annahme zu emp- fehlen." Die Resultate der Urabstimmung müssen bis Donnerstag, 4 U h r, im Bureau der Afa sein.
ver inkeralliierke Maulkorb. Da« Höchster Kreisblatt ,st wegen eines Artikel«.ein neue» El'aß-Sotbringen', in dem die Entscheidung des VölkeibundrateS kritisch beleuchtet wurde, auf drei Tage verboten wurde. Der neue mittelamertkanische Staat. Nachdem im Januar diese» Jahre« die Regierungen von Honduras . Guaiemala und San Sal- vador übereingekommen waren, zugunsten eine« staatlichen Zu- sammenschlusses auf ihre Souveräniiät zu verzichten, ist unter dem tl). Oktober der provisorische Bundesrat der„Zentral- amerikanischen Federation" sormell an die Stelle der drei trüberen Regierungen getreten. Der neue Staat umfaßt 100 000 Ouadratmeilen(2ö8 000 Ouadralttlometer) mit t Millionen Einwohnern._______ Wirtflchcrft Wer hat Schuld an der Kartoffelnol? Die Kartoffelpreise ziehen an, und mit der größten Besorgnis sehen die Verbraucher den strengen Frösten entgegen, die eine Ver-. ladung der Kartoffeln verhindern. Händler, die eine Knavpheit an billigen Kartoffeln verspürten, und Agrarier, die ihre Preise herauf» setzten, schoben die Schuld aus die Reichseiscnbahn. Die Reichseisen- bahnoerwaltung hat nun zu den Borwürfen Stellung genommen und dabei die Schuld entschieden in Abrede gestellt. Sie weist u. a. auf den niedrigen Wasserstand der Flüsse hin, der Wassertransporte unmöglich macht, und so den Güterverkehr der Eisenbahnen erheb- lich belastet, und auf die verkehrstechnischen Schwierigkeiten, die sich au» den Entcnteforderungen ergeben, ferner aber auch auf die Zu- nähme des Stückgutverkehrs. Außerordentlich wichtig aber ist die Feststellung, daß im Oktober und September d. I. genau soviel Wagen sürden Kartofselversand gestellt worden sind als in den gleichen Monaten des Vorjahres. Man er- innere sich daran, daß Im vorigen Jahre für Brotgetreide noch die Zwangswirtschast, für Kartoffeln das Umlageverfahren in Geltung war. Die Vermutung scheint sich alio zu bestätigen, daß die frei« Wirtschaft zur Folge gehabt hat, daß die Waren auf den Bah» nen spazieren gefahren werden» anstatt auf dem kürze-
sten oder zweckmäßigsten Wege zum Derbraucher zu gelangen. Es ist dabei zu bedenken, daß die Kartoffelernte in diesem Jahre nach der Erntestatistik erheblich geringer ist als im vorigen, gleichwohl ist die Eisenbahn mit der gleichen Zahl von Wagen nicht imstande, den Verkehr in der gleichen Weise abzuwickeln. Allerdings hat in diesem Jahre die Kartoffelernte früher begonnen als in anderen Jahren. Schon bei Aufhebung der Zwangswirtschaft wurde darauf hingewiesen, daß die Reichseisenbahn unter den damals noch ungünstigeren Verhältnissen nicht in der Lage sein werde, den planlosen Eisen- bahntransporten des freien Handels Genüge zu tun. Jetzt haben wir das Ergebnis der Rechnung: die Händler sitzen nach ihren Angaben mit wenig Kartoffeln da, und obwohl große Kartoffelmengen im Stückgutverkehr verladen werden, reichen die Wagen für die not- wendigen Traneporte nicht aus. Erschwerend kommt wohl hinzu, daß mit der Besserung der Konjunktur in fast allen Gewerbezweigen die Anforderungen der I n d u st r i e an das Transportwesen erheblich gewachsen sind. Bedenkt man dabei aber noch, daß gleichwohl die Gesamtproduktion noch weit von ihrem Vorkriegsstande entfernt ist, so sieht man, wie unverantwortlich der Schritt in die freie Lebensmittelwirtschast gewesen ist. Man hat eben die Interessenten der Produktion und des Handels gehört, sich aber um die V r r t e i- lungsmöglichkeit bei beschränkten Verkehrsmitteln nicht be- kümmert. Man erkennt jetzt auch, wie begründet die Haltung der So- zialdemvkratie gewesen ist, als sie gegen die Aufhebung der Zwangs- Wirtschaft stimmte. Es ist jedem Einsichtigen ohne weiteres klar, daß eine Wieder- Herstellung der Zwanaswirtschaft kaum möglich ist, nachdem man ihre Organe abgebaut und die Preisbildung so sehr dem freien Markt überlassen hat, wie das in der letzten Zeit der Fall gewesen ist. Der fragwürdige Segen der freien Wirtschaft ergießt sich jetzt über uns und es ist nur zu hoffen, daß die Schritt« der Gewerkschaften beim Reichsernährungsminister wenigstens nach der Richtung Erfolg haben, daß allgemeine Höchstpreise für Kartoffeln der Preis- treiberei ein Ziel setzen. Dringend zu wünschen aber ist es, daß die Bestrebungen der Genossenschaften nach engerer Verbindung von ländlichem Erzeuger und städtischem Der- brauch er noch energischer als bisher betrieben werden. Hier hat die Landwirtschaft die Möglichkeit, einen Teil des ungeheuren Scha- dens wieder gut zu machen, den sie zusammen mit den übrigen bür- aerlichen Parteien durch die rücksichtslose Politik der freien Wirt- schaft über die breiten Massen gebracht haben. Notwendig ist dazu allerdings auch, daß die Landwirtschaft ihren Widerstand gegen an- gemessene Höchstpreise fallen läßt und sich dabei nicht immer wieder auf die windigen Berechnungen der Jndexkommission beruft. Mit gegenseittger Anklage ist weniger geholfen als mit einem tatkräfti- gen Willen zur Abhilfe, der vor einer rücksichtslosen Verfolgung wucherischer Erzeuger und Händler nicht Halt machen darf.
Erhöhung der Aussuhrabgaben. Der wirtschaftspolitische Ausschuß und der Ausfuhrabgabenau«» schuß des vorläufigen Reichswirtschaftsrats haben dem Antrag der Reichsregierung, die Ausfuhrabgaben durchschnittlich um 4 Prozent zu erhöhen, mit wesentlichen Aenderungen zugestimmt. Es wurde beschlossen, für sogenannte Auslandswaren, das sind Waren, in denen ausländische Rohstoffe zur Verarbeitung kommen. oder solche Halbfabrikate, die zum Zweck der Wiederausfuhr ein- geführt wurden, entsprechende Erleichterungen eintreten zu lassen. Damit ist die Möglichkeit gegeben, einen Teil der ungeheuren Valutagewinne der Ausfuhr der Allgemeinheit nutzbar zu machen. Die vorläufige Regelung soll nach dem Antrag der Regierung später einer dauernden Neubearbeitung de». Ausfuhrabgabentarifs Platz machen. Angesichts des neeurlichen Valutasturzes ist jedoch die Frage berechtigt, ob nicht der Beschluß des Reichswirtschaftsrats durch die Tatsachen längst überholt ist. Es wäre dringend zu fordern, beschleu- nigt einen erheblich größeren Teil der Ausfuhrgewinne den vom Valutasturm schwer betroffenen Reichsfinanzen nutzbar zu machen. Da wahrscheinlich noch der volkswirtschaftliche Ausschuß des Reichs- tags zu der Ausfuhrabgabenregelung Stellung nehmen wird, wird es Aufgabe der sozialistischen Parteien sein, dort eine Verschärfung der Aussuhrbesteuerung zu bewirten. »--- vcukschlands Ausverkauf. Mit der Verschlechterung der Valuta setzt der Ausverkauf Deutschlands verschärft ein. Die Schweizer Grenze mußte für den kleinen Grenzverkehr in Textilien gesperrt werden, weil valutastarke Nachbarn die badischen Grenzorte voll- ständig an Bekleidungestücken ausgekauft hatten. Zusammenschluß der oberschlesischen Zemenllndustrie. Der Schimisch ow-Silesia-Konzern der oberschlesischen Ze- mentindustrie, der erst kürzlich durch Zusammenschluß mehrerer ober- schlesischer Zementfabriken entstanden ist, wird mit der schlesi- schen P o r tl a nd-Z e m e n t f a b r i ka t i o n zu Groscho- witz, der Führerin der zweiten großen Zementgruppe in dem deutsch bleibenden Teil Oberschlesiens , einen Interessengemeinschaft?- vertrag eingehen. Die Generalversammlung des Groschowitzer Zementunternehmens wird über eine Kapltalsverdoppelung zu diesem Zweck Beschluß fassen. Der verfall der schweizerischen llhrenindustrie. In dieser welt- berühmten Industrie wurde die Produktion sehr wesentlich ein- geschränkt. Die Zahl der Arbeitslosen beträgt 35 000, der Export — es handelt sich hier um eine reine Exportindustrie— ist geaenüber dem Vorjahr fast um die Hälfte zurückgegangen. Für den Rückgang wird die Konkurrenz der deutschen Industrie, welche infolge der schlechten Markwährung billiger exportieren kann, verantwortlich ge- macht. Das trifft wohl nur in beschränktem Maße zu, die deutsche Uhrenindustrie erzeugt nicht genug, um den normalen Bedarf der Welt zu decken. Die Verelendung der Massen, deren verminderte Kaufkraft, gereicht der schweizerischen Uhrenindustrie: ähnlich wie an- deren, nicht dem lebenswichtigen Bedarf dienenden Industrien, zum Verderben. Praktische Mrlschaflskunde für Arbeiter. Unter Beteiligung des französischen Bergarbeiterverbandes ist in Frankreich eine kleine Aktiengesellschaft gegründet worden für die Ausbeutung eines Schieferbruches. Die Unternehmung soll lediglich dem Zwecke dienen, daß die Bergarbeiter Erfahrungen über die Betriebs- leitung, die Produktionskosten usw. gewinnen, um dies« für die allgemeine Bewegung zu verwerten. Sie wollen auf diese Weise erfahren, was die Produktion den Unternehmern tatsächlich tostet und was sie von diesen bei den Verhandlungen verlangen kön- nen. Die beschäftigten Arbeiter sind nicht Aktionäre, auch handelt es sich hier nicht um eine Genossenschaft. Bausiosspreise in Frankreich . Das Ministerium für die zer- störten Gebiete Nordfrantrcichs hält, so berichtet die„Soziale B a u w i r t s ch a f t", für Geschädigte Baustoffe zu folgenden Preisen, frei Bestimmungsort, zur Verfügung: Kail ......... 75 und 65 FrcS. Portlandzement........ 130 Ficß. (LipS........ 70 Frc«. pro Tonne Ringofensteine... 116 Frc« für 1000 Slück Nach dem heutigen Stand unserer Valuta würden diese Preise bedeuten: Kalk.... 680— 670 M.(Preis in Deutschland etwa 270 Dt.) Portlandzement rund 1100„<„„„„ 430„) GipS...... 625,(,„,. 860.) Ringofensteine... 1026,<„.,, 380„) Inzwischen hat sich die Valuta weiter verschlechtert. Man sieht aus dieser Gegenüberstellung, in welchem Umfange die deutsche Baustoffindustrie Valutaqewinne zu ihren Gunsten machen kann. Die Gefahr der Boustofsknappheit in Deutschland dürste immer größer werden, je mehr die Frage der Reparations- leiftungen auch auf dem Gebiete der Baustoffe für uns akut wird.