Nr.497+ 38.Jahrgang Ausgabe A nr. 251
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" Sozialdemokrat Berlin"
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Freitag, den 21. Oftober 1921
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Die Entscheidungsnote überreicht.
Der jetzt in Berlin eingetroffene Wortlaut der Völkerbundentscheidung über Oberschlesien bestätigt leider die von uns am Donnerstagmorgen veröffentlichte Nachricht eines Warschauer Blattes, daß die Grenzfest fegung noch ungünstiger ausgefallen ist, als bisher in Deutschland angenommen wurde. Außer den Gebieten, die schon als verloren bekannt waren, wird Deutschland einen schmalen Landstrich an der Oder hergeben müssen, die auf diese Weise an der tschechoslowakischen Grenze bis Ratibor zum Grenzfluß zwischen Deutschland und Polen wird. Die neue Grenze nimmt dann weiter den schon bekannten Verlauf, umgeht aber dann weiter nördlich in weitem Bogen auch die Städte Tarnowit und Lublinit, die auf diese Weise mit etwa zwei Dritteln ihrer Kreisgebiete zu Polen fallen. Danach dürfte auch die Statistik der„ Gazeta Poranna" ungefähr richtig sein, derzufolge 100 Proz. der Zinkproduktion, 85 Proz. der Kohle, 70 Proz. des Stahls und 65 Proz. des Eisens auf die polnische Seite zu liegen kommen.
Das verlorene Lubliniz ist vorwiegend agrarisches Gebiet. Der Tarnowiger Kreis aber ist reich an Eisenerzen, und in ihm befinden sich die Wasserwerke, die das ganze Industriegebiet zu versorgen bestimmt sind, nachdem die Verforgung von Beuthen her immer mehr versagt.
Hierdurch werden die wirtschaftlichen Verluste Deutsch lands noch vermehrt. Zu ihnen gesellen sich die moralischen: die Zahl der deutschen Volksgenossen, die bei Deutschland zu bleiben wünschten und die nun doch unter polnische Oberhoheit gestellt werden, wird noch größer.
und verwickelten Berhandlungen an einen Tisch zusammen-| Fall, daß sie durch ihre Haltung befunden sollte, der loyalen Durch sehen müssen. Arbeiterfragen, Währungs fragen, führung dieser Entscheidung Hindernisse in den Weg zu legen, 3011 fragen und Fragen der Behandlung des deutschen sind die alliierten Regierungen im Interesse des allgemeinen Frie Eigentums werden geregelt werden müssen. Es dens der Ansicht, daß die Notwendigkeit vorliege, so schnell hängt für die Zukunft sehr viel davon ab, welche Lösungen wie möglich das in Aussicht genommene Regime bei dieser bevorstehenden Konferenz gefunden werden, es hängt einzuseßen, wobei fie fich vorbehalten, folche Maßnahmen in sehr viel ab von dem Sachverständnis und der Geschicklichkeit Anwendung zu bringen, die sie als notwendig erachten, um die der deutschen Unterhändler, nicht weniger aber auch von der volle Wirkung ihrer Entscheidung sicherzustellen. moralischen Stellung der deutschen Regierung, die hinter ihnen steht. Die neue Grenze. Paris , 20. Oftober.( Havas.) Man veröffentlicht heute die
Die Grenze
Danach stellt sich auch die gesamtpolitische Situation etwas anders dar, als von vielen erwartet wurde. Man glaubte, Dokumente über Oberschlesien , die dem Bölkerbundrat Reichstag und Regierung würden durch die Entscheidung über und dem Vorfühenden des Obersten Rates unterbreitet wurden, beOberschlesien in jeder Beziehung vor vollendete Tatsachen sonders die am 12. Oktober einstimmig angenommenen Empfehlungen. geftelt sein, und es würde nichts anderes zu tun übrig bleiben, als das politische Fazit aus ihnen zu ziehen. In Wirklichkeit handelt es sich aber zum Teil noch um werdende Tat- folgt der Oder von dem Punkte ab, wo dieser Fluß in Oberschlesien fachen, deren Entwicklung durch das Verhalten Deutschlands eintritt bis Niebotschau. Sie verläuft nachher in nordöstlicher Rich beeinflußt werden kann. tung und läßt auf polnischem Gebiet die Gemeinden HohemDie Sozialdemokratische Reichstagsfrat.birken, Wilhelmsthal , Raschük, Adamowitz, Bogunik, Liffet, Summin, tion hat sich, wie an anderer Stelle mitgeteilt, zur Frage der Gieraftoviß, Preiswig, Makoschau, Kunzendorf, Paulsdorf, Ruta, wonovih, Chwallenziz, Ochowe, Wilcza, Kriewald, Knurow, Kabinettskrise erklärt, noch ehe ihr der Wortlaut der Ent- Orzegow, Schlesiengrube und Hohenlinden . Sie läßt auf deutscheidung über Oberschlesien vorlag. Sie hätte sich nach schem Gebiete die Gemeinden Ostrog, Markowig, Babig, Guref, in der gleichen Richtung und höchstens noch schärfer erklären wig, Schönwald, Elguth- Babrze, Sosniza, Mathesdorf. Zaborze, Kenntnisnahme dieses Wortlauts nicht anders, sondern nur Stodoll, Niederdorf, Pilchowik, Nieborowitzer Hammer, Nieborotönnen. Daß man in einem solchen Augenblick an eine Rabia Biskupih, Bobret und Schomberg. Von da geht die Grenze zwischen nettskrise denkt, ohne daß man die Regierung für die ein Roßberg, das an Deutschland fällt und Birkenhain, das an Bolen getretenen Schäden verantwortlich machen kann, und ohne daß tommt, in der Richtung Nordwest weiter und läßt auf deutsche m nehmen, ist in einem anderen Land als in Deutschland kaum lust, Potemba, Keltsch, Bavatsti, Pluder- Petershof, Klein- La die Absicht besteht, einen entscheidenden Kurswechsel vorzu Gebiet die Gemeinden Karf, Miechowik, Stollazomik, Friedrichswille, Ptakowik, Larischhof, Niedar, Hanusfet ,, Neudorf- Tmorog, Rottenmöglich. gionit, Strzidlowig, Gwosdzian, Dziaelna, Cgiasznau, Sorowski und läßt im polnischen Gebiet die Gemeinden Echarley, Radzionkau, Trockenberg, Neu- und Alt- Repten, Alt- Tarnowik, Rybna, Biafezna, Borufchowik, Milolesta, Drahthammer, Bruschick, Wüstenhammer, Rofottet, Roschmieder, Pavoutau, Spiegelhof, Gutsbezirf GroßLagievnit, Gliniz, Koschütz und Lissau. Im Norden des letzteren Ortes fällt die Grenze mit der alten Grenzlinie zusammen und mit ber, die bereits zwischen Polen und Deutschland festgelegt worden ist. Die wirtschaftlichen Vorschriften.
Würde die Reichsregierung heute durch das Schwanken einzelner Parteien genötigt sein, ihren Rücktritt zu erfiären, so wäre ohne Not eine überaus schwierige Lage geschaffen, und die Stellung Deutschlands in den bevorstehenden Berhandlungen würde nicht gestärkt, sondern geschwächt.
Die Webergabe der Entscheidung.
Von den Verteidigern der Völkerbundentscheidung wird hervorgehoben, daß das von Deutschland_abgetrennte Gebiet ein polnisches Sprachgebiet mit deutschen Sprachinseln sei, und daß sich das Gebiet der ursprünglich polnischen Besiedlung noch viel weiter nach Westen erstrecke. Das ist an sich richtig, auch nach der Teilung wird ein Stück vorwiegend polnischen Sprachgebiets bei Deutschland verbleiben. Aber das ändert nichts daran, daß das Industriegebiet, wenn auch die Deutschen dort die späteren Anfömmlinge waren, von den Deutschen zu dem gemacht worden ist, was es ist. Es Die Note der Botschafterkonferenz über die Lösung der oberändert auch nichts daran, daß Städte mit starken deutschen schlesischen Frage ist am Donnerstag nachmittag 5 Uhr dem BotMehrheiten auf Grund eines zweifelhaften" Selbstbestim- fchafter Dr. Marer in Paris übergeben worden. Der Umfang läßt mungsrechts" polnisch gemacht worden sind, und daß diese die Veröffentlichung der amtlichen Uebersehung vor heute nachmittag ist ein 15 Seiten langes Schriftstück, das Bestimmungen enthält Paris , 20. Oktober. ( EE.) Das Wirtschaftsabkommen ganze wahnsinnige Teilung gegen den Willen des ober- wohl nicht erwarten. Aus diesem Grunde ist anzunehmen, daß 1. über Eisenbahnen, 2. über affer- und Elektrizi schlesischen Volkes selbst vorgenommen worden ist. Die wirtschaftlichen Bestimmungen der anberaumi werden wird. die Plenarsitung des Reichstags für Sonnabend vormittag 9 Uhr tätspersorgung, 3. über die Währung, 4. über ven Bis in die späten Abendstunden des Bostverkehr, 5. über 3ollfragen, 6. über Kohlen und Entscheidung scheinen nichts Wesentliches zu enthalten, was Donnerstag hatte Reichstagspräsident Löbe mit dem Reichskanzler Mineralien, 7. über Gewerkschaften der Unternehmer nicht schon bekannt wäre. Das Hauptinteresse tonzentriert sich Dr. Wirth über die Anberaumung einer Plenarsizung Vereinbarun- 9. über den Verkehr, 10. allgemeine Bestimmungen, und der Angestellten, 8. über soziale Versicherungen, also auf die Frage, in welcher Art die Verbindung zwischen gen nicht getroffen. Das dürfte erst geschehen, wenn der genaue 11. Rechte der Nationalitäten und Schutz der Minder. der Grenzfestsetzung und den wirtschaftlichen Bedingungen und vollständige Tegt der Note überfeht im Befih der Reichsregie- heiten. erfolgt ist. Hier ergibt sich nun, daß man in Paris auf folgenden rung ist. Paris , 20. Oktober. ( Havas.) Die von dem Völkerbundrat Ausweg verfallen ist: Die Entscheidung über Oberschlesien vorgeschlagenen und von den alliierten Mächten angenommenen wird den beteiligten Staaten nicht offiziell, sondern sozusagen Paris , 20. Oktober. ( EE.) Das Schreiben, das Briand als Maßnahmen zur Fortdauer des wirtschaftlichen Lebens in Oberprivatim mitgeteilt. Die offizielle Veröffentlichung, nach der Präsident des Obersten Rats dem deutschen Botschafter schlesien zielen darauf ab, während einer gewissen Zeit den Indu die geteilten Gebiete binnen Monatsfrist von den Inter- und dem polnischen Gesandten in Paris übermittelt hat, strien in den von Deutschland abzutretenden Gebieten ihre früheren alliierten zu räumen und den beiden Nachbarstaaten zu über- hat folgenden Wortlaut: Absatzgebiete zu wahren und die Lieferung der Rohstoffe und der geben sind, soll erst erfolgen, nachdem die WirtschaftsParis, 20. Oktober. Fabrikate, die für diese Industrien erforderlich sind, sicherzustellen. verhandlungen zwischen Deutschland und Ich habe die Ehre, Ihnen beigeschlossen den Wortlaut Weiter sind sie darauf berechnet, beiderseitige Unruhen zu verPolen abgeschlossen sein werden. Zu diesen Verhandlungen der am 20. Oktober von der Botschafterkonferenz ge- meiden, die sich aus der plöglichen Ersetzung der deutschen durch die follen binnen acht Tagen nach der gestern erfolgten Mitteilung, troffenen Entscheidung zu übermitteln. Die Botschaftertonalso am Donnerstag nächster Woche, die Bertreter benannt ferenz handelt im Namen des Britischen Reichs, Frank in dem den Bolen überantworteten Gebiet ist, ergeben könnten, polnische Mart, die allein gejehliches Zahlungsmittel sein. reichs, Italiens und Japans , der hauptsächlichsten alliierten 3wang geschaffen, sich über die Wirtschaftsfragen zu ver- Mächte haben in Anwendung des Friedensvertrags eine Lösung ge- Sie wollen die Freiheit des Personenverkehrs über Auf diese Weise wird für Deutschland wie für Polen ein Großmächte, die den Versailler Vertrag unterzeichneten. Genannte ferner zu verhindern, daß der Eisenbahnverkehr in Ober schlesien durch die Grenzänderung in Mitleidenschaft gezogen wird. ständigen. Die Möglichkeit, daß bei diesen Verhandlungen auch sucht, die den Wünschen der Bevölkerung Oberschlesiens die neue Grenze aufrechterhalten, die Lieferung von Wasser und noch eine Verbesserung der Grenze erzielt werden könnte, entspricht, wie sie bei der Boltsabstimmung befundet wurden, wo
Das Begleitschreiben Briands.
der Grenzlinie
beträchtliche Minderheiten
die Eisenbahn
scheint nicht zu bestehen, da natürlich ein Verzicht Bolens auf bei auch der geographischen und wirtschaftlichen Elektrizität regeln, den Privatbesitz schützen und soweit wie möglich ihm zugesprochenes Gebiet nicht zu erwarten ist. Deutschland Lage der Dertlichkeiten Rechnung getragen wurde. Nachdem die für die Arbeiter in den Polen zugeteilten Gebieten die Bor wird aber von Jem ihm zugeteilten Stück Oberschlesiens und Botschafterkonferenz ein Gutachten des Bölferbundrats eingeteile fichern, die sie aus der deutschen Gesetzgebung und den Polen von dem seinen nicht eher Besiz ergreifen können, ehe holt hatte, gelangte sie zur Aufteilung des oberschlesischen Industrie- Organisationen ihrer Gewerkschaften zogen und schließlich den Schuß eine Berständigung zwischen ihnen im Sinne der„ Empfehlun- gebiets. Angesichts der geographischen Verteilung der deutschen und der Minderheiten auf der Grundlage der gerechten Gegenseitigkeit gen" des Völkerbundes zustandegekommen ist. Der von der Entente gewählte Weg wird offensichtlich polnischen Bevölkerung und der Verquickung dieser beiden völkischen sichern. Zu diesem Zweck ist für von dem Bestreben bestimmt, der gefällten Entscheidung ihren Elemente mußte jede Teilung dieses Gebiets zu beiden Seiten vertragswidrigen Charafter zu nehmen, er wird ein neues Uebergangsstadium vorgesehen, die 15 Jahre lang als aber in Wirklichkeit nur verschleiert. Denn das, was von den einheitlicher Betrieb weitergeführt werden soll. Während wirtschaftlichen Bestimmungen zu bindendem Recht für beide lassen, ebenso wirtschaftliche Interessen. Unter diesen Bedingungen eines Zeitraumes, der 15 Jahre nicht überschreiten darf, wird die Teile erklärt wird, greift weit über den Vertrag von Ver- enthält die getroffene Entscheidung Maßnahmen, die die gemein- deutsche Mark in den an Bolen abzutretenden Gebieten beibehalten sailles hinau. Nur in manchen Fällen findet sich die Klausel, famen Interessen, die Fortdauer des Wirtschaftslebens in Ober- und während der gleichen Periode werden die Post-, Telephon- und daß diese oder jene Bestimmung nur dann gelten soll, wenn schlesien sowie den Schutz der Minderheiten garantieren sollen. Die Telegraphengebühren in der polnischen Zone in deutscher Mark festzwischen den beiden Interessenten nichts anderes vereinbart deutsche Regierung soll sich dessen bewußt werden, daß die gestellt. Das Zollsystem wird an der polnischen Grenze einge wird. Hier also öffnen sich noch Verhandlungsmöglichkeiten, alliierten Mächte der Meinung sind, ihre Entscheidung bilde ein führt mit wenigen Ausnahmen für Naturerzeugniffe von oder nach während im übrigen ein Zwang ausgeübt wird, für dessen Ganzes.. Die Alliierten sind entschlossen, die Beobachtung einem der beiden Teile, die in dem anderen Teile weiter verarbeitet Ausübung sich im Dokument von Versailles keine Rechts- dieser Entscheidung feitens der beiden Parteien durchzusehen. werden sollen und die auf die Dauer von 15 Jahren zollfrei sind. grundlage findet. In dem Falle, daß die intereffierten Regierungen oder eine der- Poln wird in Uebereinstimmung mit dem Versailler Artikel 90 auf
Binnen acht Tagen werden sich also Bertreter der deut- selben es aus irgendeiner Ursache ablehnen sollten, die ganze die Dauer von 15 Jahren den Export der Bergwerkserzeugnisse der schen und der polnischen Regierung zu überaus schwierigen Entscheidung oder einen Teil derfelben anzunehmen, oder in dem polnischen Zone nach Deutschland geftatten. Dagegen muß Deutsch