fation anzusehen ist: das Original befindet sich im Archiv des oben- genannten Verbandes. Die deutsche Regierung wird ersucht, eine Kommission zu er- nennen, in der die Angehörigen der gewerkschaftlichen Organi- sationen und der beiden sozialistischen Parteien zwecks Untersuchung der Zustände im Lager Lichtenhorst oertreten sein sollen. Auch uns scheint es dringend erforderlich, daß die zuständigen Stellen schleu- nigst eine genaue Untersuchung der Angelegenheit anordnen. Es liegt nicht im Interesse der deutschen Regierung, vor dem Ausland in den— wenn auch unbegründeten— Verdacht zu kommen, sie sympathisiere mit den Umsturzbestrebungcn russischer Monarchisten in Deutschland . „Sonner Justiz'". Der Landgerichtsprilsident von Lonn schreibt uns zu der unter vorstehender Ueberschrist in Nr. 477 vom S. Ottober 192! enthaltenen Notiz: „Es ist unrichtig, daß der Gymnafialdircktor Dr. Niepmann der französischen BesatzunzSbehörde ohne jeden Grund mehrere Bonner Studenten als Kommunisten denunziert hat. Der Tatbestand ist folgender: Bei dem Direktor erschien ein Beamter der fran- zösischen Sicherheitspolizei und beschuldigte ihn, daß man am 27. Januar aus dem Fenster einer Klasse des städtischen Gymnasiums eine große schwarzweißrote Fahne jedesmal beim Vorübergehen französischer Truppen mit hurrapatriotischem Gegröle über deren Köpfe habe schweben lassen und daß nationalistische Lieder(cheil Dir im Siegerkranz usw.) gesungen worden seien. Der Direktor be- stritt das. Der Beamte zog zum Beweise— die Besatzung hatte selbst keine Wahrnehmung gemacht— Nr. 1 der in Bonn er- scheinenden mehrheitssozialistischcn Zeitung„Rheinisches Volt" vom 1. Februar 1921 hervor, in der mit den angegebenen Aushrückcn u. a. diese Behauptung unter der Ueberschrist„Deutschnationale Flegeleien" aufgestellt war. Der Direktor bestritt die Richtigkeit der Notiz. Aus die ungläubige Frage des Beamten, wie denn dies« Notiz zu erklären sei, erwiderte der Direktor, der Zeitungsartikel könne nur von einigen ehemaligen Schülern der A n st a l t herrühren, die schon wiederholt die Anstalt angegriffen, in der Revolution extreme und radikale Anschauungen aufgenommen hätten und die man damals allgemein als Kommunisten und Bolschewlsten bezeichnet habe. Er benannte, um seinen Angaben Glauben zu verschaffen, zwei Per« sonen, bezüglich deren diese Voraussetzungen zutreffen sollten. Das Schöffengericht und die Berufungsstrafkammer haben auf die Privatklage der genannten wegen Betcidigung hin in der chaupt- Verhandlung diesen Tatbestand festgestellt. Die Urteile haben über- ''instimmend dem Direktor den Schutz des§ 193 StGB, zugebilligt, da der Direktor nicht seinerseits denunziert, sondern sich gegen«ine Zcitungedenunziation, die ihn und seine Anstalt der Besatzungs- behörd» gegenüber bloßstellte und der Gefahr»ines empfindlichen Einschreitens aussetzte, verteidigt habe. Somit entbehrt die Behauptung, daß„hinfort jeder Reaktionär im besetzten Gebiet ungestraft seine republikanisch oder sozialistisch g'sinnten Mitblirgcr bei der Besatzungbehörde denunzieren" dürfe und ein preußisches Gericht solche„Nationale Denunziationen" für eist berechtigtes Interesse des Denunzianten Halts, der Begründung. Dasselbe gilt von der allgemeinen Schlußfolgerung:«Das ist die Justiz, die immer wieder Entrüstungen markiert, wenn wir unser schärf st es Mißtrauen erklären."— Es ist weder vorher eine Aufklärung versucht worden, noch ist mir da» Blatt, das diesen An- griff auf die Unparteilichkeit und die nationale Gesinnung hiesiger Richter enthält, von der Redaktion zugeschickt worden." Wir haben dieser Zuschrift nach dem Grundsatz Raum gegeben, daß auch der andere Teil gehört werden solle. Aber wir müssen be- tonen: Auch die Sachdarstellung des Bonner Landgerichtspräsi- drnten ergibt ein moralisch nicht zu billigendes Verhalten des Schul- direktors Dr. Niepmann. Auf Grund einer bloßen Vermutung, ohne jede tatsächliche Unterlage, daß sie die Urheber d»? gegen ihm gerichteten. Artikels seien, hat N. einige seiner ehe- maligen Schmer der Besatzungsbehörde als K o m m u n i st e n und V o l s ch e w i st e n benannt. Diese durch die Hervorhebung«ex- tremer und radikaler Anschauungen" verschärfte Angabe beruhte auch nur auf einer leichtfertigen Mutmaßung, denn in Wirklichkeit waren die Angegebenen Mitglieder der Sozialdemo- kratischen Partei. Wir können nicht annehmen, daß ein Gerichst das so stark seine nationale Gesinnung betont» wirklich ein derartiges Verhalten billigen könnte. Selbst wenn man in der Zeitungsnotiz gegen den Direktor eine Denunziation erblickt, die nach unserer Auffassung keineswegs beabsichtigt war, so durste doch der Direktor gerade vom nationalen Standpunkt aus diese nicht seinerseits mit einer Denunziation gegen Personen beantworten, von denen er nicht einmal wußte, ob sie etwas mit dem ersten Angriff zu tun hatten.
d!e verelenSung öer InvaliSen unö Witwen. Der Zentralverband der Invaliden und Witwen Deutschlands richtet einen Notruf an die Reichsregierung und den Reichstag : darin heißt es: Die Arbeitsinvaliden, Invaliden- und Altersrentncr, Unfalloer- letzten, Armenunterstützungsempfänger, Geburtskrüppel und ihre An- gehörigen sind durch die neue Verteuerung aller Lebens- und Be- darssmittel in einen Zustand der Verelendung gebracht, der nickst mehr iibcrtroffen werben kann. An Renten einschließlich Beihilfen und Zulagen erhalten: 1300 000 Invaliden- und Alters- rentner im Durchschnitt pro Tag zirka 2,90 M., 1 200 000 Waisen pro Tag zirka 1,10 M., 900 000 Unfallverletzte im Durchschnitt pro Tag zirka 1 M. Reichsmittcl werden außerhalb dieser festgesetzten Renten als ergänzende Fürsorgeleistungen nicht gegeben. Auf dem Wege der Armenfürsorge sollen die Gemeinden Helsen , und hier wer- den Unterstützungen gewährt, die unter Anrechnung der Renten durchschnittlich ISO M. pro Monat im Reiche nicht übersteigen. Er- wcrbsloscnuntcrstützungen sind den Invalidenrentnern usw. reichs- gesetzlich verwehrt, da diese Kreise alz nicht mehr auf dem freien Arbeitsmarkt vermittlungsfähig betrachtet werden. Verzweifelt be- mühen sich die zum Teil erwerbsfähigen Invaliden um die wenig freiwerdenden passenden Arbeitsgelegenheiten für Erwcrbsbeschränkte: die Regelung der Erwerbsbeschafsung für Erwerbsbeschränkte liegt völlig im argen. Der Ausruf schließt mit einer bitteren Anklage gegen M i l- liardengcwlnne und unerhörten Luxus, während große Teile unseres Volkes unschuldig auf die elendeste Weise dahinsiechen und zugrundcgchen._ Vas Schicksal öer Meßbilöanftait. Zu den sonderbaren Vorgängen in der Meßbildanstalt, mit denen Uit uns schon einmal beschäftigten, wird uns neuerdings geschrieben: Die bisherige Meßbildanstalt soll künftighin„Staatliche Bild- stelle" heißen und ihre Sammlungen sollen einem Konzern großer Verleger, dem neu gegründeten«Deutschen Kunstverlag Ä. m. b. ch.", zur Ausnutzung ihrer Schätz« überlassen werden. Nur wenige Per- sonen, die mit dem Wesen und der Bedeutung der kleinen Anstalt vertraut sind, kennen den Verlust, den die Verwirklichung diese? Projektes in kultureller chinsicht bedeuten würde. Die cheranziehuNg des Buch- und Kunsthandils sowie der geschäftliche Vertrieb muß als durchaus wünschenswert bezeichnet werden, jedoch darf dies nur zum Nutzen des Staates» nicht aber des Prioatkapitals
geschehen, und das wertvolle Archiv der Anstalt darf keinesfalls, unbekümmert um das Wohl und Wehe derjenigen, die ihr Lebens- gut dem Dienst der Anstalt gewidmet haben, dem Unternehmer- t u m ausgeliefert werden. Es ist höchste Zeit, daß sich die staat- lichen Behörden mit den Vorgängen in der Meßbildanstalt ein- gehend beschäftigen.... Der Kölner MMtärtuchprozeß. Nach vorläufig unverbürgten Meldungen soll Watzl bereits Mitt- woch In P a s s a u von den österreichischen Behörden eingeliefert sein, so daß mit seinem Eintreffen in Köln schon Freitag gerechnet werden kann. Er hat sein Angebot einer Sicherheitsleistung von einer Million Mark inzwischen auf 3 Millionen erhöht, um auf freien Fuß gesetzt zu werden. Die Zeugenvernehmung wurde gestern sortgesetzt. Der Zeug« D a v i d s o h n, Direktor der Lioyd-Bant in Köln , macht Mitteilungen über den Ankauf englischer Pfunde durch T r o b« ck. Er bekundet, daß er gegen die Geschäfte Trobecks starke Bedenken hatte, einmal wegen des hohen Risikos, das Infolge der starken Valutaschwankungen bestand, zum anderen aber wegen der Persönlichkeit Clelands. Gegen Clsland lagen Klagen deutscher Firmen vor, so daß dessen Ausschluß aus der britischen Handelskammer erwogen wurde. Um den Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen, fei Cleland empfahlen worden, durch Nichtzahlung der Beiträge freiwillig auszuschcheiden. Zeuge Polizeibaupimann Gourdet, Verwaltungsdirektor der Beschaffungestelle, schildert die Schwierigkeiten bei der Einkleidung der Sicherheitswehr. Die Berichte der Kommandeure wurden van Monat zu Monat schärfer und verlangten vom Ministerium, daß die Einkleidung der Mannschaften erfolge. Dazu kam im November und Dezember bittere Kälte, in der die Leute Außendienst machen mußten. In dieser kaiastrophalen Lage kam uns das Ange- bot des engtischen Tuches sehr gelegen. Di« Proben wurden von allen Sachverständigen als erstklassig bezeichnet. Daher schlug ich Major B r u e r den Ankauf des Tuches vor. Mit größter Entschiedenheit erklärt Zeuge, daß ihm bei-diesem Geschäft von keiner Seite Ge- schenk« oder Zuwendungen gemacht worden feien. D o rs.: Es ging das Gerücht, daß die Belchaffungsstelle Kauf» leute und Fachmänner„kaltfckmeuzig" behandelte, daß dagegen Schieber liebenswürdig empfangen wurden, nachdem die Leute Sie In Ihrer Prlvatwohnung aufgesucht hatten. Zeuge: Solche Leute sind wohl in meine Wohnung gekommen, ich habe sie aber a b g e- wiesen und an die Behörden verwiesen. Vors.: Sie sollen bei derMblicferung der Ware in Köln gewesen sein und dabei von Wahl freigehalten worden sein. Zeuge bestreitet, daß das in dieser Form geschehen sei. Er habe in den drei Wochen seines Kölner Ansenthaltes mit Watzl drei- bis viermal gespeist und dieser Hab« dabei die Zeche bezahlt. Vors.: Ich finde das eigentümlich. Das mag unter Geschäftsleuten üblich fein, aber nicht bei V c a m t e n, sich von dem Mann, der für das Tlmt liefert, freihalten zu losten. Vor dem Krieg« hätte jeder Beamte das entrüstet abgewiesen. Zeuge: Ich war gar nicht in amtlicher Eigenschaft in Köln . Auf Befragen Rechtsanwalts Dr. Alsberg erklärt Zeuge, daß er die Herren bei der Ueber» gäbe des Tuches und der Verladung in Köln unterstützen sollte: des- halb trug auch nicht das Ministerium die Kosten der Kolner Reise, sondern die Firma Cleland. Zeuge Major Bruer bestätigt, daß der Zeuge Gourdet lediglich zur Unterstützung als Privatperson nach Köln gereist sei. Zeuge Rittmeister a. D. Müller, jetzt Kaufmann, be- schäftlgt sich mit der Beschaffung von Einfuhrerlaubnissen. Er bean- svrucht für diese Tätigkeit 2 Proz. des Umsatzes. Vors.: Wofür? Zeuge: Weil ich auf(Jlrund meiner Energie und meines Ver- standes etwas erreiche, was andere nicht zuwege brachten. Vors.: Welche Wege sind Sie dabei gegangen? Zeuge: Jedenfalls keine illegalen. Vors.: Sonst soll das aber vorkommen. Zeuge: Man muß ja verrückt fein, wenn man so etwas tut, es kommt sa doch heraus.(Heiterfeit.) Kaufmann K o r t m a n n, der als nächster Zeuge vernommen wird, ist mit Wahl nach Abwicklung des Tuchgeschäftes zusammen- gekommen. Watzl habe ihn oeranlaßt, noch Berlin zur Vefchassungs- stell« zu fahren und dieser Socken anzubieten. Watzl habe ihm Ver- Haltungsmaßregeln gegeben. Als Zeuge dann zur Beschaffungsstelle kam, will er von Gourdet schroff abgewiesen worden sein, er sei darauf aber den Weisungen Watzls entsprechend in die Wohnung Gourdets gegangen und dort von diesem höchst liebenswürdig cmp- fangen worden. Er habe Grüße von Watzl überbracht, und nur in den letzten fünf Minuten fei von den Socken gesprochen worden. Gourdet habe gesagt:..Wir dürfen nicht zuviel bestellen, aber so auf 100 bis 180000 M. Bestellungen können Sie rechnen." Der Auftrag sei aber nicht zur Ausführung gelangt. Zeuge Gour- d e t: Die Aussage des Zeugen ist ein reines W Hantaliegebilde. Er machte mir sein Angebot, das ich in.' üblicher Weise anhörte. Ich habe ihn aber sofort an dos Antt gewiesen, mit dem Bemerken, daß ich dort allein Über Geschäfte verhandele. Das Angebot wurde abgelehnt, weil die Preise zu hoch waren und die Qualität nicht befriedigt«. Nach Vereidigung des Zeugen Gourdet wird die Sitzung vertagt.
Gegen öie Sonderstellung öe? Schutzpolizei . Der Reichsverband der Polizeibeamten Deutschlands , in dem mit 120 000 Mitgliedern die größte Zahl des gclamten deutschen Polizeibeamten oereinigt ist, hatte zum 20. d. M. die Vertreter 1 einer Landesverbände zu einer Konferenz nach Verlin in das iehreroereinshaus berufen. Es wurde Stellung genommen gegen die von Regierungen einzelner Bundesstaaten, insbesondere von Preußen, beabsichtigte Schaffung eines Beamtenfonderge- setze» für die vom Reich subvenNonierte staatliche(jjrüne) Polizei. Auch andere Beamtengewerkschasten, insbesondere der Deutsche Be- amtenbund als Spitzenorganisation, waren oertreten. Vom be- omtenrechtlichen Standpunkt verwarf der erste Referent Geheimrat Groß jede beamtenrechtliche Sonder st cllung der Polizei- beamten und forderte die Unterstellung dieser Beamten unter das für alle Becmten geltende Beamtenrecht. Dieselbe Forde. rung stellte der zweite Referent Generalsekretär Dr. F r a n ck e, der die Angelegenheit vom wirtschaftlichen, sozialen und beamten- gewerkschaftlichen Stondpunkie aus beleuchtete. Für den Deutschen Veamtenbung sagte Ministerialrat a. D. F a l k e n b e r g die tat- kräftige Unterstützung dem Reichsverbande zu, weil es sich um den ersten Versuch von Regierungsstellen handle, das Berufsbeamten- tum abzubauen. Ein Vertreter der Reichseisenbahngewerkschaft versicherte di« Polizeibeamtenschaft der Solidarität der Eisenbahn- beamten. Es wuroe eine Entschließung in diesem Sinne ange- Nammen._ verbot öer„Rheinischen Republik'". Köln , 20. Oktober. (Dena.) Der Kölner Polizeipräsident hat die „Rheinische Republik", das Organ der rheinischen Separatisten, soeben für die Dauer eines Monats verboten. Das Verbot stützt sich auf die Verordnung des Reichspräsidenten vom 29. August. Der Heraus- geber S m e e t s hat bei der Interalliierten Rheinlandkommission Einspruch erhoben. Gestern war erst gemeldet worden, daß die Rheinlandkommission sicb vorbehalten hätte, jede Maßnahme auf Grund der erwähnten Ver- ordnung v o r h e r zu genehmigen. 5ür Paul K6ri. Men. 20. Oktober. (Elz. Drahtbericht.) Die Organisation der Wiener Presie, der die Journalisten aller Richtungen angehören, hat an die ungarische Regierung aus Gründen der Menschlichkeit und der Solidarität die telegraphische Bitte gerichtet, das im Tisza-Prozeß verhängte Todesurteil gegen Paul Ken nicht vollstrecken zu lassen.
Wirtschaft Die Konjunkturgewinne am Häutemarkt. Mit der Verschlechterung der Valuta hat auf allen Gebieten eine verschärfte Nachfrage bei steigenden Preisen nach deutschen Waren eingesetzt. Die Industrie steht im Zeichen der Hochkon- junktur, die Arbeitsiosigkeil nimmt ob. Welche Gewinne dabei möglich sind, zeigt u. a. die unersreuliche Entwicklung der Preise auf dem Häutemarkt. Innerhalb zweier Monate sind die Preise so sprunghnst in die Höh» gegangen wie nie zuvor. In der nachfolgenden Ucbersicht sind die Preisbewegungen bei den H a m- burger Auktionen von August bis Ende September gegen- übergestelll und berechnet, welcher Mehrerlös Ende September gegenüber dem August im Durchschnit! für jedes Fell erzielt wurde. Cs wurden gezahlt für S. August 28. Cepibr. �ko Hau/ Ochienhäuie pro Piund. 12,10 Sit. 18,85 M. 231,25 M. Kalbfelle pro Pfund.. 15,70. 37,60 ,. 197,10„ Roßhäute pro Siück.. 319,—. 500,—, 181,—« Schaffelle pro Piund.. 5,20. 8,55« 20,10, Ziegenfelle pro Siück.. 98,—„ 120,—, 22,—.' Die Preisbewegung hängt sehr eng zusammen mit der Eni- wertunz unserer Valuta, da wir aus den, Häuteanfall bei den in- ländisch?» Schlachtungen den vollen Bedarf nicht befriedigen können. Wir decken gcgenwiirlig noch ungefähr die Hälfte des Verbrauchs aus dem Ausland. Bei die'er Lage des Häutemarkts müssen natürlich der Handel, die lederver arbeitende Industrie, die Ger - bereien und die Fleischerei«» große Gewinne einheimse». Da wir eine Uebertichi über die Zahl der Schlachtungen in Deutschland haben, so läßt sich aus den letzten zwei Monaten ein Ueberblick gewinnen, wie hoch der Gewinn sein muß, den die genannten Interessengruppen erlang! haben. In der nachsolgenden Zusam- menstellung ist dies« Berechnung angestellt und der Mehrerlös im Gesamtbetrag angegeben. Aus der heimischen Schlachtung fielen Felle an: MeSrerlö? Graßviehhäuie... 200 000 Siück 56 250 000 M. Kalbfelle..... 280 000, 55 188 000. Roßhnute..... 10 000. 1 810 000, Schaffelle..... 100 000. 2 010 000, Ziegenfclle..... 25 000« 550 000« 115 80 8 000 AtT- , Es sind also nicht weniger als 115,8 Millionen Mark Konjunkturgewinne in diesen zwei Monaten der H ä u t e- und Lederindustrie zvge-aUen, ganz abgesehen von den Gewinnen— die ungefähr noch einmal so viel ausmachen dürf- ten—. die aus dem Aufkauf im Ausland und der Verarbeitung der Felle im Inland erzielt wurden. Valuta und Warenpreise. Die Veeschlechlmmg der Valuta in den letzten Monaten und ihr katastrophaler Stürz am Beginn dieser Woche hat bereits eine ganze Reihe von Warenpreisen in die Höhe getrieben. Durch den letzten panikartigen Rückschlag ist der deutschen Industrie mit einem Schlage die Einfuhr von Rohmate- r i a l i e n fast ganz unterbunden worden. Der Getreide- groß Hand ei ist gelähmt. An der Berliner Pradukienbvrfe zahlt man bereits für den Doppelzentner Weizenmehl, der im Juli noch mit 244,08 M., im August mit 373,46 M. gehandelt wurde, einen Preis von 655 bis 720 M. R o g g e n m e h l ist von 225,30 Mark im Juli auf 500 bis 550 M. Mitte Oktober gestiegen. Am Metallmarkt stellte sich am 18. Oktober der amtliche Preis für 100 Kilogramm Elektrolqtkupser auf 5410 M. gegen 3326 Mark am 30. September d. I. In ähnlicher Weise hat sich die Preis- bewegung auf allen anderen Warenmärkten entwickelt. Für das deutsche Volt wird sich erst im Verlaufe der nächsten Wochen die un- geheuerliche Verteuerung aller wichtigen Lebensbedürfnisse im Klein- Handel bemerkbar machen. Vom 20. Oktober an tritt außerdem die, Steigerung des Goldaufgelds auf Zölle von 900 tstilf 1900 Proz. in Kraft, und es ist anzunehmen, daß sehr bald elne neue, noch stärkere Erhöhung folgen wird, da bei dem jetzigen Satze der letzte Kurssturz noch' gar nicht In Betracht gezogen war. Im internal t'onalen Warenverkehr macht sich die rapide sinkende Kaufkraft der deutschen Mark bereits deutlich bemerkbar. Die amerikanische Ausfuhr von Baumwolle, Getreide, Kupfer, Schmalz usw. nach Deutschland stockt bereits, Die Bankiers und Spekulanten der Vereinigten Staaten , die sich für viele Milliarden Mark deutsche Noten und Anleihen gekaust hatten, um am Wieder- aufbau Deutschlands gut zu verdienen, können auf diesen Besitz jetzt ebenfalls 50 bis 80 Proz. Verlust buchen. Aehnlich liegen die Dinge in England. Wird der Cntentekapitalismus, den die vcn Tag zu Tag zunehmende Not der werktätigen Bevölkerung Deutschlands kalt läßt, wenigstens durch die Verluste am eigenen Geldbeutel zur Ver- nunft gebracht werden? Die Besserung der Mark hat auch gestern angehalten, aber Immer noch nicht die Kurssprünge vom Wvchenbeginn ausgeglichen. Der Dollar wurde amtlich mit 157,84(gegen vorgestern 171,57 M.) notiert. 100 holländische Gulden kosteten 5344,65(5869,10) M.. 1 Pfd. Sterling wurde mit 614,35(615, SSM. bezahlt, 100 sranzosische Fran- ken mit 1123,85(1126,16) M. und 100 Schweizer Franken mit 2867,10(2872,90) M. Die Gemeinnützige Sledlungsfinanzlerungsgenossenschafl m. b. h. t„Gesi") ist am Donnerstag, den 29. September, in Berlin cm Preußische!, Abgeordnetenhaus gegründet werden. Unter Vorsitz des Stadtverordnetenoorstehers Pfeil fand an diesem Tage im Beisein von Vertretern der Regierung, oer Ministerien, einiger Groß- danken und der Kaufmannschaft eine Besprechung darüber statt, wie den Siedlungen finanziell am besten zu helfen sei. Stadt- verordnetenvorsteher Pfeil ging in seinem«inleitenden Vortrage davon aus, daß es sich bei den Siedlungen um Lebensfragen des deutschen Volke« handele, daß darum olle Schwierigkeiten beseitigt werden müßten, daß aber ohne große Kapitalien unter den jetzigen Staatssinanzverhältnissen niemale ein« gesunde, feucht- bringende Siedlungspolitik getrieben werden könne. Da der Wille zur Förderung der Siedlungspolitik vorhanden ist, so muß auch ein Weg der Kapitalbeschaffung gefunden werden. Alle Anwesenden erkannten nach längerer Aussprache an, daß das geschilderte Finanz- institut für die restlose Durchführung des Siedlungswefeno von der größten Wichtigkeit fei. Die„Gest" hat es sich zur vornehmste» Pflicht gemacht, für erste und zweite Hypotheken zu sorgen. Alle zeit- raubenden Hemmungen bei Reich, Staat, Kreis und Stadt sollen beseitigt werden, bei den Ministerien für moderne Bestimmungen eingetreten werden. Großbanken sollen für Zwischenkredite sorgen, die VersicherungsgeseUschasten sollen gebeten werden, Gelder für billigen Zinsfuß zu leihen. Vorläufig sind die Siedlungen der Pro- vinzen Brandenburg und Pommern lns Auge gesaßt worden. Zum Vorsitzenden wurde der Oberpostsekretär Pfeil, Stadlverordneten- Vorsteher In Schwedt a. d. Oder gewählt. Sämtliche Zuschriften sind an ihn zu richten. Ein Forschungsinstitut für Agrar- und Siedlungswesen ist aus Mitteln des Reichs und Preußens in Anlehnung an die Berliner Universität unter Leitung des Professors S e r i n g begründet worden. Die Forfchungstätiakeit wird sich besonder» mit Problemen beschäftigen, welche die Agrar» und Siedlungsgesetzgebung des Reichs und der Länder berühren. Mit der Forschung verbindet sich eine Lehrtätigkeit. Das Institut hat die Aufgabe übernommen, höhere Beamte für die landwirtschaftliche Verwaltung und für das Siedlungswefen auszubilden und hält dazu geeignete Vorlefunoen und Uebungen ab. Volkswirten mit landwirtschaftlichen und juristi- scheu Kenntnissen soll Gelegenheit zum Erwerb eine» Diploms gegeben werden, das durch Ablegung einer Prüfung nach Zjährigem Studium erlangt werden kann.
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