Nr. 49$ ♦ ZS. Jahrgang Ausgabe V Nr. 247
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Freitag, den Äl. Oktober 19%1
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Krisenstimmung.
Das Reichskabinen berät seit vormittags g Uhr die Entscheidungsaoke über Oberschlesicn. In Berlin steht man unter dem starken Eindruck, daß die Entscheidung noch un- günstiger ist. als das nach den ersten Verössentlichungen zu erkennen war. Die Wirkung dieser Tatsache auf die b ü r- gerlichen Fraktionen, zumal auf die D e m o k r a t e n und die D e u t sch e B o l k s p a r t e i. ist unverkennbar. D i e Stimmung gegen das Kabinett Wirth hat sich in den vormittags st unden verstärkt. Es besteht die Absicht, neue Verhandlungen mit der Entente anzubahnen. Räch dem Wortlaut der Rote sind die Aussichten auf irgend- einen Erfolg neuer Verhandlungen nur gering. Von welcher Seite das Kabinett Wirth abgelöst werden wird, ist einstweilen ganz unklar. Aus führenden englischen Wirtschaftskreisen werden Stimmen gegen die oberschlesische Entscheidung laut, die sich mit dem deutschen Arteil über die wirtschaftlichen folgen dieser neuen Gewalttat decken. Die englische Regierung aber scheint fest auf der Entscheidung von Genf zu beharren. Die Wikgliedcr der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion sind ersucht worden, über Sonntag in Berlin zu verbleiben. Es ist noch ungewiß, ob am Sonnabend eine Reichstagssihung flatts'.ndel und möglich, daß eine am Sonntag abgehalten wird. « Verlin, 21. Oktober. (DTB.) heute morgen um 9 Uhr fand eine Kabinettssihung statt, in der der Auhenminlster Dr. R o s e n über die Rote betreffend Oberschlesien referierte. 2m Laufe des Tages werden sich die beteiligten Ressorts mit dem In- halt der Rote eingehend beschäftigen und dem Kabinett, das voraus- sichtlich heute abend zu einer neuen Sitzung zusammentreten wird, das Ergebyis ihrer gutachtlichen Aeuherungrn vorlegen.
Wenn das Kabinett Wirth heute fällt so ist das ein S i e g des Unverstandes, der Deutschland teuer zu stehen kommen kann. Man ist über den Inhalt der neuesten P a- r i s e r Note mit Recht entsetzt, man ist mit Recht der Mei- nung, daß die über Oberschlesien gefällte Entscheidung v e r- t r a g s w i d r i g ist. Deutschland werden durch diese Ent- scheidung Verpflichtungen auferlegt, die im Dokument von Versailles keine Rechtsstütze finden, die ibm nur durch G e- malt aufgezwungen werden können. Darüber besteht volle Einigkeit, daß diese Entscheidung wider alle Vernunft und wider alles Recht ist, und daß ein letzter Versuch, eine Besse- rüng zu erzielen, unternommen werden muß, wenn er mit irgendeiner Aussicht auf Erfolg unternommen werden kann. Ueber die Frage, was von deutscher Seite noch getan werden kann, sollte nun das Kabinett sachlich und ohne jede Ablenkung beraten. Denn alle Politiker ohne Unterschied der Partei müßten doch in d e r Erkenntnis einig fein, daß diplo- matische Schritte in der oberschlesischen Frage, wenn sie irgend- eine Aussicht auf Erfolg haben sollen, von dem gegen- wärtigen Kabinett unternommen werden müssen und nicht von seinem etwaigen Nachfolger. Die Aufgaben, die sich setzt ergeben, sind solcher Art, daß kein Mensch mit gesunden Sinnen sich zu ihnen dränaen wird. Rein menschlich, persönlich könnten die Mitglieder des gegenwärtigen Kabinetts heilfroh fein, wenn sie von jeder weiteren Verantwortung entbunden werden würden. Es ist wahrhaft kein beneidenswertes Los, das ihnen zugefallen ist, immer wieder mit minimaler Erfolgaussicht Anstrengungen zur Wahrung der deutschen Interessen unternebmen zu müssen, und sich nachher von jenen beschimpfen zu lassen, die an der unglücklichen Lage Deutschlands die wahren Schuldigen sind. Der Versuch, an der gefällten Entscheidung noch etwas zu ändern, ist die undankbarste Aufgabe der Welt. Wir wür- den sie gern den bürgerlichen Parteien, am liebsten den Deutschnationalen überlasten, die dann auch einmal zeigen müßten, was sie können. Bleibt das Kabinett Wirth im Amt, dann wird den Herren von rechts alles, was es tut, zu wenig sein Und bleibt sein Vorgehen ohne Erfolg, so wird es neue Flüche und Ver- wünschungen der unentwegten Hetzer über sich ergehen lasten müsten. Diese Flüche und Verwünschungen würden wir wahr- haftig lieber anderen gönnen, die sie wirklich verdienen Aber das ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist. ob eine neue Regierung bessere Aussichten hätte bei der Entente oder gegen die Entente die deutschen Wünsche durch» zusetzen. Auf diese Frage kann jeder, der noch etwas Ge- wissen und Ueberlegungslähigkeit oesitzt, nur antworten, daß das Gegenteil der Fall wäre. In dem Augenblick, in dem das Kabinett Wirth stürzt, würde der ganze riesenhafte Propagandaapparat des französt»
schen Chauvinismus die Nachricht in die Welt heulen, daß in Berlin die Politik des Friedens aufgegeben und daß das alte nationalistische Deutschland wieder aufer- standen sei. Mit einer Zentnerlast von Mißtrauen belastet würde die neue Regierung an ihre Arbeit gehen. Würde es ihr gelingen, binnen kürzester Frist— denn jeder Zeitverlust wäre Gefahr— das Mißtrauen zu besiegen und die Mächte zu einem mehr entgegenkommenden Verhalten zu veranlassen, als dies dem Kabinett Wirth gelungen ist?* Die Aussichten, noch etwas für Oberschlesien zu erreichen, sind gering. Aber das Maximum dieser Erfolgaussichten liegt immer noch beim Kabinett Wirth. Das Minimum liegt bei einer rechtsgerichteten, nationalistischen Regierung. Oder hat eine andere Parteigruppierung mit einem ande« ren Kanzler irgendein geniales Programm, um Deutschland mit einem Schlage aus seiner unglücklichen Lage zu befreien, ganz Oberschlesienwiederzurückzuholen? Wir würden ihr neidlos ihre große weltgeschichtliche Rolle über- lassen, denn es ist tausendmal besser, ein schlechter Prophet ge- wefen zu sein, als das Unheil des eigenen Landes und Volks richtig vorausgesehen zu haben. Wo ist diese neue Koalition? Wo ist der Mann? Wo ist das Programm? Käme morgen eine neue Regierung ins Amt, die zeigen soll, daß sie es bester kann als die bisherige, so wäre dick Host- nung, daß ihr das gelingt, verschwindend gering, die G e- fahr aber, daß sie Dummheiten beginge, die das Unglück Deutschlands noch vermehrten, riesengroß. Vor dieser Gefahr zu warnen, ist heute Pflicht jedes Poll- tikers, der sich seiner Verantwortung gegenüber dem Volke be- wüßt ist. Weder darf sich das Kabinett Wirth zu u n ü b e r- legten Handlungen drängen lasten, die statt Nutzen nur Schaden bringen, noch darf das Kabinett Wirth gestürzt und von einer neuen Regierung abgelöst werden, die- mit den Schicksalen Deutschlands hafardiert. Wir fordern in letzter Stunde, daß das Kabinett Wirth im Amte bleibt, daß es reiflich erwägt, was die gegebene schwere Lage zu tun gebietet und daß es mit einer Erklärung über feine fernere Politik vor den Reichstag tritt. Findet sich dann eine Mehrheit im Reichstag, die glaubt, eine andere, dem deutschen Volk heilsamere Politik treiben zu können, so mag sil ♦s wagen und die Verantwortung auf sich nehmen. Der Reichs- tag muß aber in seiner nächsten Sigung eine aktionsfähige Re- gierung vorfinden, und die?� Regierung kann, wenn d i e V e r- n u n f t siegt, keine andere als die Regierung Wirth sein.
Wir veröffentlichen nachstehend den vollständigen Text !der Note über Oberschlesien in der amtlichen beut- � schen Uebersetzung. Paris , 20. Oktober. Herr Botschafterl Ich habe die Ehre, Ihnen anbei den Text der Entscheidung zu übermitteln, die die Botschafterkonferenz am 2<Z. Oktober d. I. namens und in ausdrücklicher Vollmacht der Regierungen des B r i t i- schen Reiches, Frankreichs . Italiens und Japans ge- troffen hat, die mit den Dereinigten Staaten von Amerika als alli- ierte und astoziierte Hauptmächte den Friedensvertrag von Ver- failles unterzeichnet haben. Die genannten Mächte haben gemäß dem Ariedensverlrage eine Lösung gesucht, die dem Wunsch der Bevölkerung, wie er in der gemeindeweisen Abstimmung zum Ausdruck Mammen ist, ent- spricht und die geographische und wirtschaftliche Lage der Ortschaften berücksichtigt. Sie haben sich deshalb nach Einholung des Gut- achtens des Völkerbundrates veranlaßt gesehen, den I n- dustriebezirk Oberschlesicns zu teilen. In Anbetracht der Tat- fache, daß die verschiedenen Voltsteile geographisch zerstreut liegen, andererseits aber stark untereinander vermengt sind, muhte jede t Teilung dieses Gebietes dazu führen, daß auf beiden Selten ver Grenzlinie ziemlich beträchtliche Minderheiten verblieben, und daß wichtige Interestengebiete auseinandergertsten wurden. In Berück-, t sichtigung dieser Umstände ekithält die getroffene Entscheidung Maß- nahmen, um im Interesse der Allgemeinheit die Aortdauer des Mrlschaflsleben» ebenso wie den Schutz der Minderheiten in Oberschlesien zu gewähr- leisten..1 Die deutsche Regierunq muß sich auch voll dessen* bewußt werden, daß die alliierleu Mächte ihre Entscheidung r als ein einheitliches Ganzes betrachten und daß sie fest entschlossen sind, seinen verschiedenen Teilen Geltung zu verschassen. In dem' Falle, daß die beteiligten Regierungen oder eine von ihnen sich i aus irgendeinem Grunde weigern sollte, die Entscheidung ins- ' gesamt oder zu einem Teile anzunehmen, oder durch ihre Haltung � zu erkennen geben würde, daß sie der loyalen Durchführung der Ent- scheidung Hindernisse in den Weg zu legen bestrebt ist, behalten sich die alliierten Mächte, in der Erwägung, daß es im Interesse des allgemeinen Friedens notwendig ist, die vorgesehene Regelung so I schnell wie möglich durchzuführen, solche Maßnahmen vor, die ! sie sür geeignet halten, um die völlige Durchführung ihrer Ent- scheidung sicherzustellen. Genehmigen Sie den Ausdruck meiner ausgezeichnetsten Hoch- achtung. gez. A. B r i a n d.
Anlage.
i"u> i im iii M.-riMCC'S-Kwa ritn»-»— i—■■ iiMiii u.«*----- m Die neue Brenie in Überschlesien nach der Ent' scheidung des Völkerbundrates.
In Erwägung, daß nach dem Wortlaut des Artikels 88, letzter Absatz des Friedensvertrages von Versailles , es ihre Aufgab« ist, in i dem der Volksabstimmung unterworfenen Teile Oberschlesiens die Grenzlinie zwischen Deutschland und Polen aus Grund der Volksabstimmung festzusetzen. in Erwägung, daß am 20. März 1021 die Volksabstimmung unter den im Anhang des oben erwähnten Artikels festgesetzten Be- ''ngungen stattgefunden hat, und in Erwägung, daß sowohl nach dem Erqebnii der gemeint»«- weisen Abstimmung als auch nach der geographischen und Wirtschaft- lichen Lage der Ortschaften die in Bettacht kommende Abtretung von Gebieten gewisse Fragen aufwirst, die geregelt werden müssen, beschließen das Britische R«ich, Frankreich , Italien und Japan , die mit den Bereinigten Staaten von Amerika als alliierte und asso- ziierte Hauptmächt« den Friedensvertrag von Versailles unterzeich- n«t haben, nach Einholung des Gutachtens des Völkerbundsrates fol- gendes: I. Die Grenze zwischen Deutschland und Polen in dem in Artikel 88 des Friedensvertrages von Versailles bezeich- neten Teile Oberschlesiens wird folgendermaßen bestimmt: Die Grenze folgt der Oder von ihrem Eintritt in das oberschl«sifche Abstimmungsgebiet bis zur Höhe von Riebotschau, von dort ob verläuft sie nordostwärts, wobei an Polen fallen: die Ge- meinden Hohenbirken, Wilhelmstal, Raschütz, Adamowitz, Bogunitz, Lissek, Summin, Zwonowitz, Chwallentzitz, Ochojetz. Ober- und Nie- der-Wilcza, Kriewald, Knurow, Gieraltowitz, Preiswitz, Makoschau, Kunzendorf, Paulsdorf, Ruda, Orzeqow, Schlcsiengrub«, Hohenlinde, während bei Deutschland bleiben: die Gemeinden Osttog, Markowitz, Babitz, Gurek, Stodoll, Niederdorf, Pilchowitz, Nieborowitzer Hanl- mer, Nieborowitz, Schönwald . Ellguth-Zabrze , Sosnitza, Mathesdorf, Zaborze, Biskupitz, Bobrek, Schömberg : von da aus läukt dl« Grenze zwischen Roßberg(an Deutschland ) und Birkenhain(an Polen ), dann ; wendet sie sich nach Nordwest, wobei auf deutscher Seite verbleiben: > die Gemeinden Karf, Miechowitz, Stollarzowitz, Friedrilhswille, Ptakowitz, Larischhof, Miedar, Hanussek, Neudorf-Tworoa, Kotten- luft, Potempa, Keltsch, Zawadztt, Veterihof-Pluder, Klein-Lagiewnik, Skrzidlowitz. Gwodzian, Dzielno, Czieasnau, Sorowski, während auf polnischer Seite verbleib«n: Scharley, Radzionkau, Trockenberg, Neu-Repten, Alt-Repten, All-Tarnowitz, Rybna, Piassetzna, Boru-