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Nr.501 38. Jahrgang Ausgabe A nr. 253
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Sonntag, den 23. Oftober 1921
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Rücktritt der Reichsregierung.
Berlin , 22. Oftober. 6.45 Uhr abends.( WTB.) Die Reichsregierung hat in ihrer heutigen Kabinettssitung auf Antrag des Reichskanzlers Dr. Wirth beschlossen, dem Reichspräsidenten ihre Demission zu unterbreiten.
Das Kabinett Birth hat demissioniert, weil 3 entrum und Demokraten seine Demission verlangten. Die Bertreter der Sozialdemokratischen Partei haben noch im letzten Augenblid auf die unabsehbaren Ronsequenzen dieses Beschlusses hingewiesen, der in einer Zeit tritischster Entwicklung der auswärtigen Politik Deutschland ohne aktionsfähige Regierung beläßt und eine Arise mit ratlosem Ausgang er öffnet. Ihre Barnung fand fein Gehör, die bürgerlichen Barteien nahmen die Berantwortung für diese Krise auf sich. Man könnte daraus schließen, daß im Kabinett tiefgehende Meinungsverschiedenheiten vorhanden waren, und daß die bürgerlichen Roalitionsparteien die bisherigen Taten der Regierung oder ihre ferneren Pläne mißbilligten. Dieser Schluß liegt ungemein nahe, denn daß man eine Regierung ftürzt, wenn man mit ihrer Bolitik einverstanden ist, das ist doch ein ganz ungewöhnlicher Fall.
Zentrum und Demokraten ertlärten aber, daß sie mit der Politik der Regierung Wirth vollkommen einverstanden feien, und daß sie sich eine andere Politit überhaupt nicht vorstellen fönnten. Sie bestanden aber trotzdem auf dem Rücktritt des Kabinetts, und sie bestanden darauf, daß dieser Rücktritt voll gogen werden müsse ohne vorherige Entscheidung des in Berlin präsenten, aber nicht versammelten Reichstags. Ganz natürRich, denn die Regierung Wirth hätte im Reichstag ein Ver= trauenspotum erhalten, und um dies zu verhindern, mußte man ihren Rücktritt veranlassen.
Was wir Sozialdemokraten dazu fagen? Wir find ganz ber Meinung der Demokraten und des Zentrums, daß die Politit des Kabinetts Birth die zurzeit einzig mögliche sei, und antworten daher auf die Frage, was dem Kabinett Wirth folgen soll, flar und einfach: Ein neues Kabinett; Birth mit der alten Politit!
fchen Frage besteht, soweit wir sehen, bei den Parteien der alten Koalition feine Meinungsverschiedenheit darüber, daß der Kampf um das unglüdliche Land nicht auf deffen Rüden ausgetragen werden darf, daß Möglichkeiten, seine arbeitende Bevölkerung vor Willkür und schweren wirtschaftlichen Er schütterungen zu schüßen, nicht außer acht gelassen werden dürfen, daß mit einem Wort der schwere Gang zum Berhandlungstisch, wie er durch die Genefr Entscheidung aufgestellt worden ist, nicht vermieden werden kann. Die deutsche Boltspartei hat nun vorgestern den bekannten Beschluß gefaßt, der die Entscheidung über Oberschlesien ablehnt". Es muß flargeftellt werden, daß diefer Beschluß fein Hindernis sein kann, die Rechte und Interessen der oberschlesischen Bevölkerung in Berhandlungen mit Bolen, wie sie die Genfer Entscheidung vorschreibt, nach Kräften wahrzunehinen.
Was die übrigen Bunkte betrifft, so ist als selbstverständlich vorauszusehen, daß eine Partei, die sich auf die„ Aner fennung und Berteidigung der Republit" verpflichtet, monarchistische Agitationen in ihren eigenen Reihen nicht dulden wird, und daß sie behilflich sein wird, unzuverlässige Elemente aus den Offiziertorps der Reichswehr und der Schußpolizei sowie aus politisch einflußreichen Be amtenstellungen zu entfernen.
In der Steuerfrage wird davon: nicht abgegangen merden können, daß die in Aussicht gestellte Kredithilfe nur ein augenblickliches Auskunftsmittel darstellt, und daß die Erfassung der Sachwerte eine unumgängliche Notwendigkeit ist und bleibt.
Schließlich ist es eine Lebensfrage für Deutschland , daß der Anschein vermieden wird, als ob von der bisherigen fiaren Bahn der auswärtigen Politit auch nur um Haaresbreite abgewichen würde. Daß die Erfüllungs fähigkeit Deutschlands durch die Abtrennung wertvoller Teile Ober schlesiens geschwächt wird, ist eine unbestreitbare Tatsache. Der Erfüllungs wille darf aber durch die Entscheidung über Oberschlesien nicht aus seiner bisherigen Richtung abgedrängt werden.
Das ist die Politit, die die Sozialdemokratie zu treiben bereit ist mit jedem, der gleichfalls dazu bereit ist. Will man aber eine andere Politif, so wird man sich dazu entschließen müssen, fie ohne oder gegen die Sozialdemokratie zu machen. So ist wenigstens für die Sozialdemokratische Partei die Lage vollkommen flar, so unflar und verworren sie leider auch sonst geworden ist.
Das Ergebnis der Verhandlungen, die heute beginnen, läßt sich nicht voraussehen. Manche meinen, schließlich werde dabei die alte Koalition herauskommen mit der alten Re gierung Wirth. Andere sehen voraus, daß das Resultat. eine Regierung der bürgerlichen Mittelparteien mit deutschnationaler Unterstügung fein werde. Auf alle Fälle ist ein Geduldspiel begonnen wor den, dessen Ausgang von den Nerven der Beteiligten und von allerhand launischen Zufällen abhängig sein wird. Es wäre fehr unterhaltend, mitunter vielleicht sogar erheiternd, als unbeteiligter Buschauer diesem Spiel beizuwohnen, ginge es dabei. nur nicht um das Schicksal des deutschen Volkes.
Kriegsdrohung gegen Karl.
Zentrum und Demokraten glauben, die Deutsche Boltspartei für die Unterstützung der bisherigen Politik des Kabinetts und für ihre geradlinige Fortführung gewinnen Prag , 22. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Die Regiezu können. Sie glauben, dieses Ergebnis fogar in allerfürzester rung der tschechoslowatischen Republik hat die Frist erzielen zu können. Wir müssen abwarten, ob ihnen das Mobilisierung von zwei Jahrgängen verfügt daß die Truppen in Raab und Steina manger sich dem Exgelingt. und scheint zu einem sofortigen Eingreifen entschloffen zu taifer Sarl angeschlossen haben. far! foil nicht weiter Die Sozialdemokratische Partei kann es den bürgerlichen sein. Sie steht in ständigem Kontakt mit der kleinen wie bis Raab gekommen sein, weil auf Verfügung der ungarischen Koalitionsparteien nicht verwehren, nach rechts hin zu ver- Entente, hat aber auch mit den Großmächten wegen der Regierung der Eisenbahnverkehr von Raab ab eingestellt worden handeln, sie wird aber fordern, daß genau ebenjo nach links in Ungarn entstandenen drohenden Lage Fühlung gesucht. ift. In Budapest herrscht vollkommene Ruhe. Es wird zwar hin verhandelt wird. Die Politik des Kabinetts Wirth hat hier besteht die allgemeine Auffassung, daß man marschieren behauptet, daß kart sich dort aufhalte, es ist aber nicht festgestellt: bisher die Unterstüßung der Unabhängigen ge- wird und daß man sich diesmal nicht mit einer neuen Flucht von der Absicht des Karl- Putsches haben nur zwei Minister funden, sie wird, nehmen wir an, diese Unterstügung auch Karls begnügen, sondern die Entwaffnung Ungarns gewußt, nicht aber der Ministerpräsident. weiterhin finden fei es mit Eintritt der Unabhängigen in durchführen wird.
ändert bleibt.
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die Regierung, sei es ohne ihn, menn fie tatsächlich under- Wien , 22. Offober.( WEB.) Die Vertreter der fleinen Wien , 22. Oftober.( Intel .) Zu dem Putsch des Ertaisers Entente find beim Minister des Aeußern und beim Reichsver- Karl meldet die Wiener Arbeiterzeitung ", daß Karl an der Spige Für die Sozialdemokratische Partei tann es bei den be- wefer erschienen und haben Ertlärungen abgegeben, die dahin der Pronaj und Oftenburg Truppen nach Budapest marvorstehenden Berhandlungen feinen anderen Leitfaden geben, lauten, daß durch die Rückkehr des Königs der Frieden ichieren ließ. Eine andere ungarische Meitung besagt, daß die als den Beschluß des Parteitags von Görlig, der besagt: Mitteleuropas bedroht erscheine. Wenn die ungarische Ostenburg- Truppen bereits auf dem Marsch nach Budapest Die Sozialdemokrafie ist bereit, mit anderen Parteien in Reich Regierung der farliftischen Unternehmung nicht aus eigenem Herr find. und Ländern in der Regierung zusammenzuarbeiten, wenn mit werden könnte, würden die Staaten der kleinen Entente genötigt diesen Parteien eine Verständigung über ein Arbeits- fein, einzugreifen. programm möglich ist, das folgende Grundforderungen enthält:
Anerkennung der Verteidigung der Republit; Sicherung des demokratischen Selbstbestimmungsrechts des Volkes in Reich, Staat und Gemeinden;
Demokratisierung der Verwaltung und Reublitanisierung der Reichswehr und der Polizeiorgane; Sicherung des Ausbaus der sozialen Gefeßgebung; eine Politik der Bölterverständigung;
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Wien , 22. Oftober.( Intel .) In Dedenburg waren alle Vorbereitungen zum Empfange des Erfaisers getroffen, woraus hervor. Oesterreichs Arbeiter zur Abwehr bereit. geht, daß der Putsch von langer Hand vorbereitet war. Wien , 22. Oftober.( Intel ). Die Parteileifung der Die Truppen wurden vom General Hegedös auf den Erkaiser verSozialdemokratischen Partei und die Obmänner der eidigt. Die Allgemeine Zeitung " meldet, Karl habe eine ProOrdnerwehren( Arbeiterwehren) sind zu einer Sihung zu- flamation erlassen, in der die Einsehung einer neuen Refammengetreten und tagen in Permanenz, um alle Maßnahmen zur gierung verkündet wird, der Bela von Ratowsky, Andrassy, Apponij Sicherung der Republik durchzuführen. und der ehemalige Gefandte in Wien , Dr. Graz, angehören. Ententeprotest.
Wien , 22. Offober.( Intel ) Die Parteileifung der Großdeutschen Partei plant, eine große Kundgebung für die Re
loyale Ausführung des Friedensdiffats in den publit: Wie der Wiener Abend" mitteilt, soll die Parteileitung der Budapest , 22. Oftober.( WEB.) Die hiesigen Entente. Grenzen unserer Leiffungsfähigkeit und Aufbringung der dadurch Großdeutschen Partei an die Sozialdemokratische par- vertreter haben Einzelschritte bei der Regierung gegen bedingten Leistungen, in erster Linie durch weitgehende heran- tei mit der Aufforderung herantreten wollen, die Sozialdemo- die Rückkehr Ertaifer Karls unternommen und profeffiert. Im Laufe 3lehung des Bejiges. fraten mögen im Hinblick auf die schwere Lage der österreichischen des Tages wird der ungarischen Regierung eine kollettivnote Es fann gar feine Rede davon sein, daß sich die Sozial- Republik wieder in die Regierung eintreten. Ferner teilt mit einem analogen Proteft überreicht werden. demokratische Partei, von dieser Verhandlungsgrundlage aus der„ Abend mit, daß der gesamte Bahnverkehr nach Ungarn eingehend, zu irgendeiner verwaschenen Verständigungsformel gestellt ist. Ungarn verleugnet.
herbeilassen wird. Es wird im Gegenteil durch Besprechung Jansbrud, 22. Oftober.( Intel .) Die Tiroler Landesregierung Budapest , 22. Oftober.( WIB.) Der Standpunkt der unaller dieser Bunfte im einzelnen flargestellt werden müssen, ist zu einer außerordentlichen Sigung zufammengetreten. Dr. garischen Regierung gegenüber dem unerwarteten Ereignis ist, daß daß die Deutsche Volkspartei wirklich die Notwendigkeit dieser Steible, der deutschnationale Führer der Tiroler heim- König Karl im Sinne des Gesetzes, Artitel 1, vom Jahre 1920, Forderungen eingesehen hat, und daß sie bereit ist, an mehren, richtet einen Aufruf an die Heimwehren, sich bereit gegenwärtig die Ausübung der Herrscherrechte in Ungarn nicht überihrer Berwirklichung mitzuarbeiten. zu halten. Die sozialdemokratische Landespartei.nehmen kann und das Gebiet des Landes abermals verDabei wird auf die Entwicklung der Dinge feit Görlig leitung erläßt einen Aufruf an die Tiroler Arbeitermehren, in lassen muß. Die Regierung hat die nötigen Verfügun Rücksicht genommen werden müssen. In der oberschlesi, dem diese zur strengsten Bereitschaft aufgefordert werden. gen getroffen.