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Rt. 507 38. �ahrgakg

2. Vellage öes Vorwärts

Sonntag, 23. Oktober 7027

Interview im Zoo. Urwaldkultur am Kurfürftendamm.

Um kurz zu berichten: In der Preußischen Akademie der Wissen- schasten hat Dr. v. Allesch den Bericht über.Die drei ersten Lebens­monate eines Schimpansen" seinem hohen Auditorium zum Vortrag bringen lassen. Die Erforschung der Lebensfunktionen unseres Bruders auf dem linken Ast der großen Völkerfamilie läßt der Der mutung Raum, daß nach den Darwinschen Entwicklungsgesetzen ein­mal in fünfzigtausend Iahren jenseits der Gabel ein gelehrtes Schimpansenkollegium Im Urwald(hoffentlich!) zusammenhockt und ein jüngerer Affe den gleichartigen Vortrag hält über die von Natur aus verunglückte Menschenrasse. Es ist sodann zu erhoffen, daß das Manuskript des Dr. v. Allesch eine vorteilhafte Vergleichsunter- läge zu den gelehrten Untersuchungen abgibt, vorausgesetzt, daß der Schimpansendoktor ehrlich genug ist und die Autorschaft nicht unter- schlägt. In seiner Abhandlung hat Dr. v. Allesch das Verhalten der Mutter während der Schwangerschaft beschrieben und Mutter und Kind von der Geburt ab in physischer und psychischer Hinsicht ge- schildert, die Ernährung des Jungen, seine ersten Gehoersuche, sein erstes Lachen, den ersten Zahn usw., wobei er auch nicht vergaß, die Leußerungen der anderen Schimpansen zu diesem freudigen Famillenereignis mitzuteilen. In lakonischer Kürze hätte der Bericht einfach so gelautet: Mütter und Kinder befinden sich wohl. Jedenfalls war es Anlaß genug, daß ich als schnellstens orien- tierter Berichterstatter mich auf den Weg machte, um im Zoo ein Interview bei Madame Schimpansin zu erhaschen. Ich hatte es schlecht getroffen, denn ich kam in die Völkerwanderung eifersüchtiger junger Mütter hinein, die alle die Aeffin und ihr Kind sehen wollten. Der Andrang war so groß, daß der erhobene Arm unserer Verkehrs- polizei den Kinderwagenkorso vor dem Schimpansenhaus in ge- regelte Fahrtbahnen lenken mußte. Lei Müller und Kind. Mir blühte ein besseres Glück, meine Pressekarte legitimierte mich. Frau Schimpanse ließ sich sogar herab, mir die Fragen zu beantworten, die ich glaubte zur Ergänzung des akademischen Be- richts von Dr. v. Allesch stellen zu müssen. Vorerst machte ich der Mutter mein Kompliment über das blühend« Aussehen des Jungen, was sie aber zweifellos kalt ließ. Gar nicht eitel und eingebildet, reichte sie mir den Fang der Jagdbeute von dem behaarten Kopf des Kleinen und, da ich ablehnte, knackte sie mit eben solchem Ver- gnügen dm Fang selbst zwischen den Zähnen. Unser Gespräch bewegte sich sprunghaft und e» entbehrte nicht jmes zauberischen Reizes, den die Gespräche unserer großen Stars aufzeigen. Auf ihr Affenkind hinweisend, meinte sie:.Es Ist mein erstes, aber auch das letzte. Nie wieder!"' .Wieso?" fragte ich. Worauf sie die sehr kluge und menschlich so verständige Begründung gab: Ja, glauben Sie denn, ich soll mir durch die Kinder meine Taille ruinierm?" Ich beeilte mich, zu versichern, daß ich solches nicht im ent- ferntesten zu denken gewagt hätte, worauf ich dann das Gespräch auf den wissenschaftlichen Fall und sein Aufsehen in der Gelehrten- well lenkte. Sie hatte nur eine verächlliche Handbewegunz dafür übrig, ihre ganze Meinungsäußerung bestand in den Worten: Die Affen!" Beinahe sah Ihr Berichterstatter seinen Auftrag schon als ge- scheitert, wenn nicht Frau Schimpanse mir zu Hilfe gekommen wäre. Mit echt weiblichem Raffinement suchte sie sich über die verschieden- sten Fragen des Tages bei mir zu informieren, wobei sie voraus- setzte, daß ein Journalist alles wissen muß. So wollte sie u. a. wissen, wie weit der neue Hebammenerlaß der Regierung schon gediehen sei, ob die Friedländer oder die Gerstel in puncto Hutmoden ton- angebmd sei, ob dle neuen Rennsportbanten absolut sicher wären, ob ich ihr nicht unter dem Siegel der Verschwiegenheit den besten Tip für das Sonntagsrennen verraten könnte und ob in der Tat

unter der neuen bürgerllchm Mehrheit im Stadtparlament ver- fprochsnermaßen Gas, Brot und Milch billiger werden würden. Alle diese Fragen standen so wenig mit ihrer Mutterschaft in Beziehung, daß ich wirklich keine erschöpfende Auskunft geben konnte: ich hatte mich ja leider nur für das eine Haupllhema präpariert. Ich armer Besucher war zweifellos in Ungnade gefallen, plötzlich aber ver- schönte ein Schelmenlacheln das bärtige Antlitz der Schönen: Haben Sie vielleicht eine Zigarette?" Der Abschied. Nachdem ich so glücklich war, ihr das Gewünschte zu über- reichen und sie mir die ersten Lungenzüge mit Eleganz ins Gesicht geblasen hatte, sprang sie plötzlich aus ihrer hockenden Stellung auf, faßte mich an der Schulter und schob mich ziemlich unsanft zum Türausgang. Dabei zischte sie: Gehen Sie jetzt, mein Herr, gehen Sie! Mein Mann kommt dort und ich habe keine Ursache, ihm Ver- anlassung zu einer Mißdeutung zu geben!". Auch ich hatte keine Ursache und empfahl mich schnell. Als ich draußen am Käfig vorüberging, hörte ich eben eine junge Dame zu ihrer Freundin mit echt mütterlicher Zärtlichkeit sprechen: Weißt du, Grete, wenn Bubi nur erst etwas weiter ist, werde ich noch anfangenJazz" zu tanzen!"

�unöeparaöe. Die Automobilhalle am Kaiserdamm beherbergt«ine Aus- stellung von Hunden aller Rassen. Die Automobtlhalle ist gewiß geräumig und an Türen gerade nicht arm. aber man hat nur eine geöffnet. So kam es zu einem Gedränge, das unnötig war. Draußen Schimpfen, innen ohrenbetäubendes Geiläff. Das verschmolz zum Auftakt. Dann bewunderte man die Hunde. Die Bernharditter, stockhaarige und langhaarige, groß und dabei für das Auge doch eigentlich weich. Man wird bei ihrem Anblick an all die lieben Geschichten über sie erinnert, die man als Kind in den Schulbüchern las. Mächtige Neufundländer, in Boren untergebracht, wissen auch für sich einzunehmen. Doch was fressen die bei den heutigen Futterpreisen! Ein leichtes Grauen überkommt den Beschauer. Einen erfreulichen Anblick bieten die deutschen Doggen, in der Farbe eine schöne Mannigfaltigkeit: geströmte, gelbe, gefleckte, schwarze und blaue. Eine ungeheure Schnelligkeit verrät schon der ganze Bau der Windhunde, von denen prächtige Exemplare ausgestellt sind. Etliche unter ihnen sind auch berühmte Nenner, was durch Angabe der gewonnenen Rennen bewiesen wurde. Den Persern schenkte man sonderlich Aufmerksamkeit. Die d e u t s ch e n S ch ä f e r- Hunde, diese treuen Diener der Menschen, finden und das nicht nur ihrer schönen Augen wegen immer neue Freunde. Ebenso die D o b e r m a n n p i n s ch e r, die schon manche rühmliche Leistung als Polizeihunde vollbrachten. Für das farbensinnige Auge bietet ihre Farbe auch seine Ab- wechselungen: da sind die schwarzroten, die braunen, blauroten und braunroten. Rottweiler hatten sich auch allerlei eingefunden. Das kann man gleichfalls von den Airedale-Terriern behaupten, denen man es direkt ansieht, daß sie gern mit durch dick und dünn gehen. Ferner sah man Boxer, die zu Fleisch gewordene Grimmigkeit, die aber oft für ein Streicheln recht empfänglich ist. Daß von den Vor- stehhunden aller Art, diesen bekannten Iagdhu»den, sich viele ein- fanden, ist selbstverständlich. Dachshunde gab es natürlich in großen Mengen, ebenso hatten sich viele Foxterrier ein Stelldichein gegeben. Manche von ihnen wartend auf Herrchen und nicht recht wissend, um was es sich handelte, wurden tatsächlich zum drolligen Bild. Die englischen Bulldoggen sind einfach schön ob ihrer arotessen Häßlichkeit, und ähnlich die französischen Bulldoggen, in denen eigentlich gefühlsmäßig eine anziehende Unsinnigkeit steckt. Ferner seien noch die Pudel erwähnt, diese so dekorativ wirkenden Hunde, ein lebendes Spielzeug. Die Aufmachung, in der manche Schoßhunde gezeigt wurden, man sah mit Blumen besteckte Bettchen, verdroß jedoch, wenn man an die Schwere der Zeit dachte.

Der Nettangsweg öer Konsumenten. Zum GeschäfisberZchk der Lerliner Konsumgenossciifchasf. _ Die Konsumgenossenschaft Berlin und Umgegend, die' zur ge- meinwirtschaftlichen Organisatton des Verbrauches, der Berliner Arbeitermassen berufen ist, veröffentlicht ihren Geschäfts- bericht für das Jahr 1920/21, der am Mittwoch in der General- Versammlung zur Beratung kommt. Die Mitgliederzahl der Konsum- genossenschaft weist einen Rückgang von 134 891 auf 125 62? auf, der sich aus der großen Zahl von Ausschlüssen erklärt. Es wurde nämlich im letzten Jahre eine Sichtung des Mitgliederbestandes vor- genommen und diejenigen ausgeschieden, die seit mehr als zwei Jahv-n keine Marken abgeliefert lzaben. Bis dahin wurde eine große Zahl von Mitgliedern in den Listen geführt, die infolge des Krieges oder seiner Folgen von ihrem Genossenschaftsrecht keinen Gebrauch machen konnten, teils verzogen, teils verstorben waren oder ihren Haushalt aufgelöst hatten. Die Zahl der Ausschlüsse, die auf diese Weise vollzogen werden mußte, beträgt 19 688: neu ein- getreten sind im letzten Geschäftsjahr 15 550 Mit- g l i e d e r. Die eingezahlten Geschäftsguthaben der Mitglieder er- höhten sich von 3,2 auf 5,5 Millionen Mark. Die Umsätze stiegen von 137,9 aus 232 Millionen Mark: die Steigerung ist zu einem Teil auf die weitere Entwertung des Geldes zurückzuführen. Das wird bestätigt durch die Verbrauchsstatistik einiger Hauptbedarfsartikcl, di« einen beträchtlichen Zuwachs u. a. Im Kartoffelvertrieb, im Ver­kauf von Weizenmehl und Zigarren zeigt, auf anderen Gebieten jedoch geringere Mengenverkäufe nachweist. Diese Tatsache zeigt, daß die Konsumgenossenschaften noch ein weites Arbeitsfeld vor sich haben, um die Warenversorgung der arbeitenden Bevölkerung sicherzustellen. Günstige Forsschritte zeiesse der Ausbau der Konditorei und der Mineralwasserfabril sowie auch der Neben- bettiebe. Ganz besonders bemerkenswert aber ist die Ausdehnung der V e r t e i l u n g s st e l l e n. Die Zahl der Verkaufsstellen konnte insgesamt um sechs oermehrt werden, und zwar wurden zwölf neue Lebensmittelverkaufsstellen eingerichtet, sechs Spczialgemüseverkaufs- stellen aber geschlossen. Nachdem die Genossenschaft Unter großen Schwierigkeiten auch zum Vertrieb von Manufaktur- und Schuhwaren übergegangen ist, verfügt sie nunmehr über drei eigene Warenhäuser. Das neue Warenhaus in der Reinickendorfer Straße konnte in Bettieb genommen, das Warenhaus 1 in der Brunnenstraße aus- gedehnt werden. Der Ausbau des stüheren Volkshauses Charlotten- bürg zu einem Warenhaus ist im Gange. In den Warenhäusern wurden im letzten Jahre insgesamt 19 Millionen Mark um- gesetzt. Soll die Konsumgenossenschaft auf dem Wege zur Eigen« Versorgung der breiten Massen unter Ausschaltung des ver- teuernden Zwischenhandels sieghaft weiter fortschreiten, so ist es not- wendig, daß sich noch viel mehr Mitglieder der Bewegung an- schließen. Jeder Arbeiter, Angestellte und Beamte, jede Hausfrau sollte sich sagen, daß es ein Widersinn ist, sich von der durch Profit- interessen geleiteten kapitalistischen Warenversorgung abhängst zu machen, während sie in der Konsumgenossenschaft die Waren im Eigcnbettieb geliefert, zu einem Teil sogar hergestellt bekommen können._ Verfehlungen eines Frauenarztes. Der Begründer der seltsamen neuen Gemeinschaft von Menschen, deren Zusammenleben auf einem Gelände von Spreenhagen im Somer d. I. Aufsehen erregte und den Magistrat zum Einschreiten veranlaßte, der Dr. med. Heinrich G o l d b e r g, hatte sich gestern vor der 2. Strafkammer des Landgerichts III auf die Anklage d« fahrlässigen Tötung zu verantv orten. Das Erscheinen dieses Vertreters einer neuen Moral und wirk- schaftlichen Neugestaltung erregte im Gerichtsgebäude Aufsehen: der hochgewachsene Mann mit tiefschwarzem, bis auf die Schulter herab- hängendem Haupthaar, dichtem schwarzen Vollbart und etwas ver- klärtem, sympathischen Gesicht, war nur bekleidet mit blusenartigem Hemd, schwarzem, durch einen Gürtel festgehaltenem Beinkleid und Sandalen an den nackten Füßen. Der Angeklagte, der sich als Anti- Militarist, Pazifist und Altruist bezeichnet und versicherte, nur von idealen Motiven geleitet zu werden, hat im Jahre 1995 seine ärzt- liche Praxis begonnen, die er bis 1911 ausübte. Er hatte in Hohen» schönhausen eine Privatklinit für Frauenkrankheiten, die außerordent» lichen Zuspruch hatte, um so mehr, als er den unbemittelten Patienten in weitestgehender Weife entgegenkam. Er hat in seiner Klinik Hunderte von Operationen vorgenommen, ist aber schon einmal wegen Abtreibung zu 1 Jahr 3 Monaten Gefängnis verurteilt

SS)

Fräulein.

Don Paul Enderllng. Iwelkes Luch. Mademoiselle. Fräulein lag im Sande. Eva lief hochgeschürzt in die See und sprang schreiend vor Glück zurück, wenn die Welle sie verfolgte und bespritzte. Fräulein baute im Sande kleine Figuren, Burgen und Wälle. Biswellen ließ sie nur den Sand durch die Finger rieseln und schloß die Augen. Dann hörte sie die Stimmen ringsum der Großen und der Kinder, die am Strande spielten, das monotone Rauschen der See und ganz aus der Ferne verwehte Klänge einer Musik: die Kurkapelle spielte im Kurgarten. Görkes waren für einige Wochen nach Zoppot überge- siedelt. Seit Jahren bewohnten sie ein Gartenhaus in der Bismarckstraße. Es stand in einem großen Obstgarten. Nach der Straße zu waren zwei massive Gebäude. Das Garten- haus war sommerlich gebaut, leicht, als wäre es für Aegypten bestimmt. Der Seewind pfiff durch tausend Luken und Löcher hindurch. Aber Julius Görke war nicht zu bewegen, ein anderes zu beziehen. Er war auch darin konservativ. Frau Görke war ganz seiner Meinung: sie wohnten billig in der Birkcnvllla. Seit zehn Jahren war die Miete nicht gestiegen. Vormittags saßen Görkes im Kurgarten und hörten der Musik zu; auch Frau Franzius mit Werner saß meist dabei. Hast du auch deine Ferienaufgaben erledigt?"Ja, Mama." Desto mebr Genuß wirst du dann von der Erholung hier haben."3a, Mama.".Werner sah aber nicht aus, als ob er zuviel Genuß beim Anhören der Musik hotte. Er absol- vierte auch hier eine Aufgabe und hörte die Melodien mit einem Ernst an, als müsse er sie auswendig lernen und später wieder vorspielen. Fräulein war dann mit Eva draußen am Strande. Und nach einer Weile kam Hermann Görke zu ihr Es war immer dasselbe Spiel. Er trennte sich von den Seinen, ging auf den Steg, sagte, R> er nach Glettkau zu am Strande gehen wolle, und bog dann in umgekehrter Richtung nach dem Fa­

milienbad zu ab. Dort im Freien lag Fräulein mit Eva am Strande. Ist es erlaubt?" Bitte." Er lag in einigem Abstand von ihr und sah sie an und half ihr beim Sandformen. Wenn sich ihre Hände berührten, zitterte er. Gestern Hab' ich ein Gedicht gelesen. Wollen Sie es hören?" Sie nickte, und er begann mit seiner immer etwas be« legten, müden Stimme: Der Kelch der Qual. Und reichst du mir beim leichten Plaudern Den purpurschimmernden Pokal, Ich trink ihn durstig, ohne Zaudern, Ich trink ihn aus, den Kelch der Qual. Und weiß ich auch, daß er nicht enden, Rur mehren kann den dunklen Gram, Ich trink, weil er aus deinen Händen. Aus deinen süßen Händen kam... Fräulein blickt« in die Weite. Möwen stiegen auf und durchschnitten die Luft. Wie weiße Pfeile durchschnitten sie den blauen Himmel. Bis zu den Wolken stiegen sie auf. Sie schwieg. Gefällt es Ihnen?" fragte er leise. Es ist sehr traurig," sagte sie.Und sehr schön," setzt« sie nach einer Weile hinzu.Wie heißt der Dichter?" Ich weiß nicht." Fräulein sah ihn an. Sie wußte jetzt, wer der Dichter war. Und in einer Anwandlung von Angst und Erregtheit lief sie zu Eva hin, hob sie hoch in die Luft und tollte mit ihr durch den Sand.Nun müssen wir aber gehen." In sanfter Linie rundete sich die Küste, die grünen Wälder krönten die Höhen. Dort die grüne Spitze, wo die roten Dächer herllberlugten, war das kleine Fischerdorf Adlershorst: Die Promenadenwege waren belebt. Junge Mädchen und Herren im Tenniskostüm schlenderten. Finden Sie nicht auch, daß man gescheiter faulenzen kanp, als daß man sich Bälle zuwirft?" Fräulein verteidigte das Spiel im Freien. Hermann aber blieb hartnäckig.Haben Sie schon mal häßlichere Bewegungen gesehen als beim Temüsspiel? Wie

können Frauen nur Gestalt und Gesicht verzerren! Und. alles aus der Leidenschaft, den Ball richtig zu schleudern. Es ist eine Grimasse unserer Kultur. Und natürlich macht es mein Fräulein Schwester mit. Da kommen sie beide sehen Sie nur!" Drüben in der Allee ging Thea mit Henning. Sie waren jetzt, wo Henning Schulferien hatte, den ganzen Tag zusammen. Thea sprach nie mit Fräulein von jener Nacht: sie ver« mied seitdem ein Alleinsein mit ihr. Wenn Fräulein ins Zimmer trat, wo Thea mit ihrem Bräutigam war, drückte sie sich zärtlicher an ihn und überhäufte ihn mit Liebenswürdig« ketten, als hätte sie das Gefühl, etwas wiedergutmachen ztt müssen, oder als wolle sie ihr sagen: ich habe es mir jetzt über- legt: ich liebe doch ihn. Das war da« einzige, was sie mit jener Fluchtnacht zu verbinden schien. Fräulein hatte sich oft gewundert, daß sie nie mit ihr davon gesprochen. Sie hatte nicht gerade Dank erwartet, aber doch eine Erklärung. Allmählich fühlte sie aber, daß Thea sich zu sehr schämte, als daß sie darüber hätte sprechen können, oder legte sie dies Feingefühl nur in sie hinein? Thea sprach nie mehr den Namen Lothars aus und begann sofort ein anderes Thema, wenn im Gespräch der Name doch ge- nannt wurde. Fräulein begriff das alles. Aber es tat ihr dennoch weh, daß Thea sich ihr nicht zu nähern vermochte. War sie für sie wirklich nur ein lästiger Dienstbote, der in Dinge Einblick bekommen hatte, die ihm verborgen bleiben mußten? Ich glaube, nun trennen wir uns wohl." Sie waren am Kurgarten angelangt. Aber Hermann ließ sich heute nicht abschütteln.Im Gegenteil, ich begleite Sie bis zur Birkenvilla." *** An diesem Tage war Tante Berta draußen. Im Kur- konzcrt nach.dem zweiten Gläschen Malaga Weißt du, mir ist so blümerant im Magen" fragte sie, ob es wahr sei, daß Hermann immer mit Fräulein zusammen sei. Frau Görke schrie auf:Bist du schon wieder bei deiner Idee!" Sie war nur frob, daß Julius und Dora mit Werner auf dem Steg waren und das nicht angehört hatten. Tante Berta zuckte gekränkt die Achseln.Man denkt nur an die Familie, und das ist nun der Dank. Kein Wort sage ich mehr über die Geschichte. Mögt Ihr Euch von fremden Leuten belehren lassen."(Forts, folgt.)