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kabs das Exekutivkomitee der Wiener   ArVeitsgemeinschaß kein Mandat erhalten; was es erstrebe, sei eine Wiedervereinigung aller internationalen Organisationen, während die Labour Partn einen solchen Versuch nach der Richtung der kam m u- nistlschen Internationale nicht vorschlage und an die ita- lienische Partei nicht gedacht habe(letztere Behauptung beruht übrigens auf einem Irrtum); das einzige, wozu sich dieZwei- einhalb" bequemen würde, wären gemeinsame Aktionen von Fall zu Fall über einzelne konkrete Fragen. In seiner Antwort hat Henderson noch einmal mit schlagender Deutlichkeit den Standpunkt derZweiten" festgestellt und die Schuld derWiener" an der Ergebnislosigkeit deses neuesten Annäherungsversuches nachgewiesen. Von den Unterhändlern der Wiener Arbeitsgemeinschaft hat sich bisher nur Longuet imPopulaire" vom 26. Ok­tober zu dem Ausgang der Londoner   Verhandlungen gs- äußert. Er versucht, das von der Labour Party   vor- geschlagene Vorgehen zu ironisieren: Henderson und seine Freunde hätten alsnotwendig und ausreichend" erachtet, einen Kongreß nach London   in einigen Wochen einzuberufen oder sogleich die beiden Internationalen aufzulösen undeins, zwei, drei" jene neue Internationale zu gründen, die alle Ar- beiterparteien mit Ausnahme der Kommunisten enthalten hätte. Und nun schreibt Longuet wörtlich: Das war einfach und schnell, viel zu einfach und viel zu schnell in Anbetracht der außerordentlichen Kompliziertheit dieses Problems und der' erheblichen Schwierigkeiten, die es in den meisten Ländern des europäischen   Kontinents und Amerikas   zum Unter­schied von England bietet." So viel Worte, s o viel leere Redens» arten. Es wa in der Tat möglich,eins, zwei, drei" aus zwei Internationalen, zwischen denen es überhaupt keine prinzipiellen und taktischen Gegensätze mehr gibt nament­lich seitdem die deutschen   Unabhängigen die Koalitions- Politik für eine Frage der Taktik, nicht des Prinzips, erklärt haben, eine einzige zu machen, und zwar war das von HeNderson vorgeschlagene Vorgehen das einfachste und das schnellste. Wer dieses Vorgehen ablehnt mit der Begründung, daß damit die absolute Einigung, also die Einigung mit Mos- kau, nicht hergestellt wird, der will offenbar die Einigung überhaupt nicht. Oder glaubt etwa ein Anhänger der Wiener Arbeitsgemeinschaft, daß es möglich fein wird, die Einigung mit den kommunistischen   Jnternatio- nalen in absehbarer Zeit zu erreichen? Die Parteien der Dritten Internationale gehen immer mehr im Anarchismus unter. Will die Wiener Arbeitsgemeinschaft diese reinliche Scheidung, die die geistigen Väter der Internationale, Marx und Engels, für so unerläßlich hielten, daß sie ihr eigenes Werk zerschlugen, wieder verwischen und die sofort erreich- bare Einigung aller marxistischen   Sozialisten einer m weiter Ferne liegenden und höchst problematischen Verschmelzung mit den Neobakunisten opfern? Zur gleichen Zeit, als gegenüber dem klaren Vorschlage der Engländer dieWiener sich mit solchen Haarspaltereien befaßten, wurde zwischen Berlin  , Wien   und Prag  , zwischen zwei Parteien derZweiten" und drei Parteien derZweieinhalb", binnen wenigen Stunden eine gemein- same Kundgebung und gemeinsames Handeln beschlossen gegen die durch die Rückkehr des Habsburgers nach Ungarn   neuerlich akut gewordene Gefahr der Gegenrevolution: Niemand hat dabei auch nur eine Sekunde daran gedacht, sich mit den kommunistischen   Wirrköpfen darüber zu verständigen. Die Ausreden Longuets sind so nichtssagend, daß mau annehmen muß, daß irgendwelche Motive, die er nicht aus- sprechen kann und will, sich hinter diesem ablehnenden Ver- halten der Wiener Arbeitsgemeinschaft verbergen: vielleicht betrachten die Franzosen und die Unabhängigen die Einigung aller Sozialisten deshalb alsvorzeitig", weil sie in den näch- stcn Monaten einen Zuwachs von kommunistischer Seite er- hoffen: die französische   Kommunistenpartei, deren Führer in allerhand dunklen Korruptionsgeschichten verwickelt sind, geht
ihrer Auflösung entgegen, ebenso rechnet man vielleicht auf eine Entwicklung derKommunistischen Arbeitsgemeinschaft" Paul Levis nach, rechts? Jedenfalls ist durch das Verhalten des Wiener Exekutiv- komitees die Wiederherstellung einer einigen s o z i a l i st i- s ch e n Internationale, die schon jetzt möglich war u n d i st, um einige weitere Monate verzögert worden. Die deutschen   Unabhängigen haben unserem Parteitag in Görlitz  vorgeworfen, daß er die Schaffung der Koalition mit der Deutschen Volkspartei   höhergestellt habe, als die fortschreitende Einigung der deutschen   Arbeiterklasse. Auch wer in unserer Partei gerade von diesem Gesichtspunkte aus Bedenken gegen den Görlitzer   Beschluß bzw. gegen die Art, wie er von gewissen Seiten begründet wurde, ebenfalls hat, kann sich der Erkennt- nis nicht verschließen, daß manches schwerwiegende Argument f ü r den Görlitzer   Beschluß sprach. Was sich aber in London  abspielte, ist das i n t e r n a ti o n a l e Gegenstück zu Görlitz  . Denn dort wurde eine sofort er- reichbare internationale Einigung mit Rücksicht auf die Kommunisten durch die Vertreter der Internationale Zweieinhalb vereitelt. Es ist notwendig, daß die deutsche Ar- beiterklasse darüber unterrichtet wird, und da kaum anzu- nehmen ist, daß die Argumente, die der in London   gewesene Vertreter der USPD. vorbringen wird, stichhaltiger sein wer- den als die gewundene Rechtfertigung Longuets imPopu- laire", so kann man schon jetzt behaupten, daß die internatio- nale Einiaung der sozialistischen   Arbeiterklasse überflüssig ver- zögert worden ist._ die Regierungsumbilöung in Preußen. DieKreuzzeituna" regt sich in einem Artikel, der die preußische Regierungsfrage behandelt, schrecklich auf. Sie meint, es. zeige sich immer deutlicher, daß Preußen mit Gewalt zur Hausmacht des Sozialisten kanzlers Wirth und des Par- teipräsidenten Ebert gemacht werden soll«. Das preußische Volk, der Preußische Landtag   und der preußische Minister- Präsident würden einfach vergewaltigt. Wir verstehen nicht recht, warum' die deutschmonarchistischeKreuzzeitung  " den preußischen Ministerpräsidenten Etegerwald plötzlich alz He» loten schildert. Wir fühlen uns aber nicht berufen, das auf- zuklären. Uns scheint viel wichtiger, daß Stegerwald selbst in einem Interview, das er gestern dem Chefredakteur des Deutschen  " gewährt hat, erklärte: In Preußen ist durch die Vorgänge im Reich die bisherige politisch« Regierungsbasis erschüttert. Die Einbeziehung der Sozialdemokratie in die preußische Regierung ist jetzt sowohl ein Gebot politischen Anstandes als auch der Staats- Notwendigkeiten. Der Sozialdemokratie kann nicht zuze- mutet werdm, im Reich in allen entscheidenden Stunden in die Bresche zu springen, in dem größten Bundesstaat dagegen von der unmittelbaren Mitwirkung an den Staatsgeschäften ausgeschaltet zu bleiben. Wir stehen zudem vor einem sehr schlimmen Winter und vielleicht vor einem noch schlimmeren Frühsommer. Unter diesen Umständen wird die Einbeziehung der Sozialdemokratie in die preu- ßisch« Regierung bald erfolgen müssen." Wir erkennen diese politische Einsicht gern an. Sie hat leider nur bedingtes Gewicht, well der preußische Minister- Präsident immer noch meint, daß es kein« andere Regie- rungsmöglichkest gibt als die dergroßen Koalition". vis Justiz hat versagt. Die Erschießungen in Mitteldentschland. Die Freitog-Sitzung des Untersuchungsausschusses förderte ahn- liche Ergebnisse zutage wie die am Donnerstag. Nach dem Fall Staube, über den bereits berichtet wurde, untersuchte der Ausschuß die Erschießungen, die sich an das Gefecht von Besenstädt anschlössen. Zeuge H e i n r i ch L e h m a n n hat als Schutzpolizeibeamter an dem Gefecht teilgenommen. Er berichtet über die Erschießung des Amtsvorsteher-s von Trebnitz. Dieser ist einer Gruppe vorgeführt worden, die aus dem Leutnant v. d. Tann und zwei Hallenser   Zeitfreiwilligen bestand. Leutnant v. d. Tann
beschimpfte den Gefangenen furchtbar und gab dann den Befehl, ihn dem Hauptlb.ann vorzuführen. Leise aber sagte er den ab- fuhrenden Schutzpolizisten:Ihr nehmt den Weg durchden Hohlweg und dann..."» dabei machte Leutnant v.d. Tonn mit dem Zeigesinger die Bewegung dos Gewehrabdrücken». Der gefangene Amtsvorsteher mußte dann vor den drei Schutz- Polizisten hergehen. Etwa hundert Meter entfernt, vergrößerten diese den Abstand. Der Gefangene ging weiter, blieb aber ein paar Mal stehen und drehte sich um, dann fiel ein Schuß und der Gefangene sank tot zu Boden. Leutnant v. d. T a n n hat auf ähn- liche Weise schon vorher einen anderen Gefangenen be- seitigen lassen wollen. Es war dies ein Schutzpolizeibeamter der Technischen Hundertschaft, der vorher von den Kommunisten als Geisel verschleppt worden war. Weil er über seine Behandlung bei den Kommunisten nicht ungünstig aussagte, hielt ihn v.d. Tann für einen Spion. Auch bei seiner Abführung machte v. d. Tann d i e Bewegung mit dem Zeigefinger. Zufällig kam ein Be- amter der Technischen Hundertschaft vorbei, der den Gefangenen als Kameraden erkannte, wodurch dieser gerettet wurde. Es folgt der Fall der Erschießung des Ortsvorstehers Müller im Klostermannsfeld. Schuhmachcrmeister Feige und seine Frau haben als Zeugen von dem Fenster ihrer Wobnung aus gesehen, wie Müller aus dem erleuchteten HotelDeutscher Kaiser, dam Standquartier der Schupo, um 11 Uhr nachts mit starker-oe» deckung abgeführt wurde. Bald daraus fielen Schüsse. Müller wurde später als Lsiche gefunden., Ueber die Erschießung des Ortsvorstehers Mosen hau er m Oßmünde sagt der Zevae Lichtenberger aus, der der Schutz. polizel angehört hat. Mosenhauer mußte während des Transports auf einen Acker gehen. Da gerade ein paar Telegravhenorbeiter vorbeikamen, ließ man ibn wieder zurückkommen. Als d'« Arbeiter fort waren, mußte Mosenhauer wieder auf den Acker und wurde dort erschossen. Ferne? hat Lichtenberger gesehen, wie ein Wachtmeister einen anderen Gefangenen erst qeobrfeigt und dann mit dem Revolver erschossen hat. Auch dieser Zeuge belostet den Leutnant v.d. Tann sehr schwer. Im Leunawerk habe v. d. Tann einen Gefangenen eigenhändig erschießen wollen und, als der Hauptmann ihn daran hinderte, mit einem Blick auf d:e Wacht» meiste? gesagt: �ta. dan nwerdca es andere besorgen". Der Zeuge hat dann seine Kameraden von der Erschießung abge, halten. Er führt seine Entlassung aus der Schutzpolizei   daraus zu- rück, daß er sich mißbilligend über die Erschießungen geäußert habe. Damit ist die Vernehmung der Zeugen beendet. Abg. Kilian stellt den Antrag, zu diesem Thema noch weiter Zeugen zu verneh. men. Staatskommissar Dr. W e i s m a n n, der schon vorber im Auftroge der Regierung erklärt hatte, daß der Minister des Innern auf Grund der gestrigen Berhandlungm sofort den Justiz« m i N i st e r um Untersuchung der neu bekanntgewordenen Fälle er- sucht habe, vertritt den Standpunkt, daß die weitere Untersuchung der Staatsanwaltschaft überlassen werden solle. Abg. Kaui- mann(Dnat.) und Heiderich(DBp.) pflichten dem bei, von der Linken wird sehr deftig widersprochen. Don feiten der Linken wird namentlich ausgeführt, daß die bisherigen Verhandlungen ein vollkommenes Versagen der llosti; ergeben habe. Obwohl sisben Monate seit dem Märzaufstalld ver- flössen sind, seien die meisten der hier gehörten Zeugen noch nicht einmal gerichtlich vernommen worden. Dabei habe Rechtsanwalt Hegewisch als Vertreter der Hinterbliebenen die Namen der Zeugen der Staatsanwaltschaft mitgeteilt. Die krosscstcn hier aufgedeckten Erschietznngsfälle hat die Statsanwaltschaft überhaupt nicht ln V-arbetlung genommen. Der Vorsitzende führte aus, daß der Ausschuß den Gerichten nicht vorgreifen wolle. Aber die bisherigen Ermittlungen hätten zweifellos wichtiges Material für neue gerichtliche Untersuchungen gefördert. Wenn der Ausschuß weiter in der Loge sei, den Justiz- behörden n e u e A n h a l t s p u n k t e für die Untersuchung zu bieten, so könne er sich dieser Aufgabe nicht entziehen. Der Vorsitzende schlägt vor. die Beschlußfassung über den Antrag Kilian auszusetzen bis die neuen Beweisanträge formuliert find. Der Ausschuß beschließt dementsprechend. Von den sozialdemokratischen Mitgliedern des Aus- schusses ist ein Antrag Drescher und Genossen eingegangen, auf Grund der bisherigen Ergebnisse durch den Landtag an dos Staats- Ministerium folgendes Ersuchen zu stellen: 1. mit aller Beschleuni- gung Ermittlungen darüber anzustellen, welche Abtei- l un gen der Schutzpolizei bei den in Frage kommenden Vorfällen
NoröwestöeuMer Sauernspuk. Bon I. K liche. Die Ecke zwischen Bremen   und Wilhelmshaven  . Aus den feuchten Marschenwiesen steigen graue Nebelmassen. Dicht und schwer lagern sie an den Bormittagen über dem breiten Küstenstrich. Gegen Mittag verscheucht sie die milde Spätherbstsonne ein wenig, aber des Abends fordern sie wieder ihr altes Recht. Auf den herbstbetauten Wiesen weidet Vieh aller Arten. Pferde und Rinder, Schweine und Schafe. Ueppig und voller Kraft. Nord- westdeutscher Bauernsegen. Die grasenden Pferde und Rinder, die Schafe und Schweine sind durchweg ohne Aufsicht. Und Tag und Nacht vagabondieren sie'auf den nassen Wiesen umher. Fast nie kommt ein Stück abhanden. Das ist so seit altershsr und ist auch so geblieben heutigentags. Die Menschen, die in den umliegenden Städten wohnen, in Bremen   und Emden  , in Aurich   und Oldenburg  , in Wilhelmshaven  und anderswo, sie haben keinen Nutzen von dem Blühen und Ge- deihen all der fetten Tiere. Der Marschenbauer hat gute Absatz- quellen. Aus dem besetzten und unbesetzten Industriegebiet tummeln sich die Wucheragenten ins Land und zahlen im Bunde mit den Auftäufern von den nahen friesischen Inseln Preise, bei deren Nen- nung jedes Bauernherz vor Freuden Tango tanzt. So ist es mit dem Bieh, so ist es mit der Butter, den Eiern, den Kartoffeln. Ganz schüchtern und zaghaft hatte die oldenburgische Regierung verfügt, daß der Erzeugerpreis für Kartoffeln nicht über fünfzig Mark den Zentner beiragen dürfe. Darauf Boykott auf der ganzen Linie. Große Bauerndemonstration(unTr volksparteilicher Füh- rung versteht sich) in der ehemaligenResidenz", deren Ministerial- gebäude heute wie vor grauen Zeiten die schönegrohherzogliche" Inschrift trägt. Die Regierung gab klein bei und zog die Fünfzig- Mark-Berfügung zurück. Dieweil eben die Bauern nicht nur das Heft, sondern auch die strotzenden Kartofselsäcke in den Händen halten. Satt und selbstbewußt, mit festlich geschmückten Leiterwagen und Musikkapellen voran, zog das zu Tausenden zumgroßen Bauerntag" in die Stadt gekommene agrarische Landvolk durch �dis Straßen Oldenburgs.Wir sind da, wer will uns was? Potz Wetter, es lebe der Bauersmann!" Bon einem erzählt man, er fei durch die Straßen der Stadt gefahren und habe in einem Fenster irgend etwas Großes, Kastenähnliches gesehen. Daraus zum Geschäfts-' inhaber:Wat kost de Kommod?" Und dieser:Das ist keine Kam- mode, das ist ein Konzertflügel, kostet zehntausend Mark." Darauf wieder der Bauer aus seinen Wagen weisend und die Brieftasche ziehend:Na, da schmeiß mi moß dat Ding hinten ruffl" An einer Ecke standen verhärmte Arbeiterfamilien. Als der Rauernzug vorüber kam, hielten alle den Bauern leere Kartoffel- sacke entgegen. Eine schweigende Demonstration, die die Bauern wenig anfocht.Wat kehrt mi dat!" Dos Ganze ein nachrevolutionärer Spuk wirtschaftlicher Art. Eine Schaustellung der Leute aus den Nebelbezirken.Wi wullt einfach nichl' In der Tat, sie wollen nicht. Was helfen da die Schreibereien von dreihundert Geheimräten? Was die(nicht bil-
ligen) Zusammenkünfte von zwei Dutzend Ernährungsministern? Sie wollen nicht; und die viugcnannte Erfassung der Goldwerte? Nun sie vertrauen auf den Gustav Strescmann. Der wird schon, meinen sie, dafür sorgen, daß sich so mancherlei in grqpen Nebel und blauen Dunst verflüchtigt. Die gleiche Hoffnung hegen die auf Helgoland  , auf Wangeroog und Spickeroog, auf Borkum   und auf den anderen benachbarten ostsriestschen Insclbädern verbliebenen Goldwertbcsitzer. Sie trinken steifen Grog und schweren holländischen Doornkaat   und fühlen sich, trotz Erzbergers Steuerreform und trotz allen Küstennebels von keinen Sorgen und Nöten bedrückt.
Musikalische Sommerspiele.(S ch i l l e r s a a l.) Die m u s i- kalischen Hauskomödien Dr. Erich Fischers haben sich bei einem feinsinnigen Publikum schon längst eingebürgert. Die Handlung dieser kleinen Lustspiele ist meist sehr einfach, aber psycho. logisch und gefühlsmäßig sehr vertieft. Der Witz und Humor ist ftisch und originell, niemals von der Seichtheit und der dummen Dreistigkeit unserer Operettenmache angekränkelt. Helene und Erich Fischer haben auch heute wieder in demAlten Die- n e r, demH e r r n D o k t o r" und demRomaninderWasch- k ü ch e" absolut Wertvolles geschaffen.' Und die von Erich Fischer dazu zusammengestellte und bearbeitete Musik von Offen dach, Schubert und Dittersdorf   klang im Schillersaal wieder neuSr und aktueller als die meistenPerlen" unserer besten Ope- rettendichter. Und wie amüsiert sich das Publikum! Da ist auch nicht ein Hauch literarischer Ausgrabungshochachtung, die so oft -dämpfend wirkt. Man hatte wirklich Mühe, gesittet und anständig zu bleiben bei diesen unwiderstehlichen Heiterkeitsausbrüchen. Die Regie von Herbert Neustadt war vortrefflich, das Klavierspiel von Ernst Balopp charakteristisch, entbehrte aber etwas der feineren. Kultur, dafür war feine musikalische Leitung ohne Tadel. Der Löwenanteil unter den Darstellern gebührt der mit Humor un- erschöpflich begabten Claire Jache. Wenn ihre Stimme auch nicht ganz in Schönheit getaucht ist, so oerrät sie doch viel Schule, und der musikalische Ausdruck trifft den innersten Nerv. Dazu äußerste Sicherheit und eine Darst-llungskunst, die nur wenig eben- bärtige Rivalen hat. Ein famoser Partner war ihr nach beiden Richtungen M a x M e n s i n g. Die Damen P a e ch und S e i b d, sowie Herbert Neustadt boten tüchtige Mithilfe, namentlich die erstere mit ihrem klangvollen Mezzosopran. H. M. wie trete Ich aus der Regierung aus?" Unter diesem Titel läßt der Borstand der Deutschen   demokratischen Partei einen Leitfaden erscheinen, der wegen seiner neuen, eigenartigen Ge- sichtspunkte allgemeine Beachtung verdient. So wird darin gesagt: Beim Austritt aus einer Negierungskoalition dringe man darauf, sämtliche bisherigen Ministerposten zu behalten, falls man nicht vorzieht, noch einige dazu zu beanspruchen. Nur so wird der Austritt vollen sachlichen und moralischen Erfolg erzielen. Be- gibt man sich zugleich mit dem Austritt in entschiedenste Opposition, so verabsäume man nicht, wenigstens d i e Minister der eigenen Partei auf ihren Posten zu belassen, die sich bisher durch sachliche Unfähigkeit ausgezeichnet haben. Die Opposition
beweist man dadurch, daß man den fachlich tüchtigen Männern den Eintritt in die Regierung verbietet." Goldene Worte spricht der Leitsaden auch über das Wesen der Koalition:Eine Koalition auf möglichst breiter Grundlage ist immer das nach außen zu verkündende Prinzip. Das darf jedoch nicht hindern, in der Praxis auf möglichst kleine Koalitionen hinzuarbeiten, weil hierdurch die Anzahl der auf die eigene Partei entfallenden Minister größer ausfällt. Erklärt man z. B. für Deutschlands   einzige Rettung die Koalition von der Bolkspartei bis zu d«n Sozialdemokraten, so biete man unter der Hand dem Zentrum an, mit ihm allein eine klein« Mittelkoalition zu bilden." Dem Leitfaden ist ein Anhang beizegeben:Wie lehne ich ein Ultimatum ab?" Hier heißt es:Eine Politik der Verständigung nach außen hin erscheint immer als das Gegebene. Zwingt diese Politik jedoch dazu, einen für das eigene Land unangenehmen Per- trag zu unterschreiben, so rette man sich durch einen gewaltigen Sprung aus der Regierung. Nach geglückter Flucht kann man wieder in die. Regierung eintreten, sobald die anderen unter- schrieben haben. Man richte es stets io«in, daß der Negierungsaus- tritt bei solchen Anlässen nie länger als vierzehn Tag« dauert." Sehr beachtenswert find auch die Ausführungen über Eni- fendung von Kommissaren:Gegen eine solche Entsendung erhebe man flammenden Protest. Man stürze jede Regie- rung, die Kommissare entsenden will. Haben jedoch die anderen die Entsendung eines Kommissars beschlossen, so sorge man dafür, daß dieser aus den Reihen der eigenen Partei entnommen wird." Ueber dem Leitfaden stehen als Motto die Worte:Grundsätzliche Politik ist die Kunst, aus Angst vor der Agitation de? anderen bewußt das Falsche' zu tun." Der Leitfaden schließt mit den Worten:Kops hoch, in Deutschland   ist noch niemand an Lächerlichkeit gestorben." Mich. o. L i n d e n h e ck e n. Amerikanische   Hygiene im Film. Keine Gesundheiksbehärde der Welt bat wühl di« hervorragende Bedeutung des Films für die hygienische Volksaufklärung früher und besser erkannt als die des Staates New Pork. Eine Anzahl neuer hygienischer Filme, die in jüngster Zeit von d«n amerikanischen   Gesundheitsämtern erworben wurden, behandeln noch derMünch. Med. Wochenschrift" Mund- Hygiene, Augenschutz für die Jugend, Fliegenbekämpfung, gesunde Wasserversorgung. Diese Film« werden kostenfrei verliehen. Eine andere wirksame Maßnahme der hygienischen Dolksaufkiärunq be- steht in der in allen größeren Städten durchgeführten Einrichtung oolkshyaienifcher Kurs«, die etwa eine Woche dauern und aus Vor- trägen sowie Demonstrationen auf dem Gebiete der Kinderhygiene, Ernährung. Gcsundbeitsverwaltung usw. bestehen. Auch bei diesen Kursen spielt der Film eine bedeutende Rolle. FortdildungSlcbrgAnge iitr Lehrer und Lehrerinnen Groß- Berlins. Die staaliiche x->aupistcllc ssir den natuNi'Issenschastlichen Unterricht veranstaltet in diesem Winter 18 maibematische und natiirwissmichestllch« Sehrgänge, zum Teil für Lehrer und Lehrerinnen an allen Arten von Schulen, zum Teil insbesondere sür Lebrer und Lehrerinnen an den höheren Schulen. Die Lehrgänge dauern in der Regel 13 Wochen, eine vollständige Uebersicht wird an alle Schulen Gron-Beriins versandt. Mildnngcn zur Teilnahme find mündlich von 114 Uhr lSormabcnds 112 Uhr) oder ichrisllich an die staatliche Hauptstclle, Verlin W. 83, Potsdamer Stratze 120, zu richten.