Die Verhanölungen km Gafthausftreik. Im Reichsarbeitsministerium trat am gestrigen Rachmit- tag das von den Parteien vereinbarte Schiedsgericht zusammen, dem die Schlichtung des Konfliktes im Berliner Eastwirtsgewerbe obliegen soll. Als Unparteiische waren er- schienen: Regierungsrat Dr. Weigert, der gleichzeitig den Vorsitz führt, Genosse Adolf Cohen und der Vorsitzende des Gewerbegerichtes Dr. Prerauer, als Arbeitgeberbeisitzer die Herren Schüler, Obiglo und Feidt, als Arbeitnehmerbeisitzer die Vertreter der Angestelltenorganisationen Fritz Schmidt (Zentralverband der Angestellten), Vollmerhaus(Ge- werkschaftskommission) und R i e m a n n. Nachdem R i ch- t e r vom Zentralverband der Gastwirtsangestellten den Standpunkt der Arbeitnehmer und Syndikus H a m p e von der Arbeitsgemeinschaft der Arbeitgeberverbände im Gast- wirtsgewerbe den Standpunkt der Gastwirte dargelegt hatte, zog sich das Schiedsgericht in der sechsten Nachmittagsstunde zur Beratung zurück, die bei Schluß der Redaktion noch an- dauert.
Sezirksaussthuß für?lrbeiterWoh!fahrt! Bezirkskonferenz am ZNonlog, den 7. November, nachmittags 6y2 Uhr. in den Vubisälen, Neue Königsir. 26. Tagesordnung:"„Die erste Arbeiterwohlfahrkslagung in Görlitz ." Referenkin: Marie lluchacz, M. d. R. Wenn bis Montag nachmittag der Gasiwirlsgehilfenstreik noch nicht beendet ist, findet die Konferenz in der Schulaula Sleinstr. Z2/Z4 stakt.
Der preußische Lanöesgesunöheitsrat. Der Preußische Landesgesundheitsrat ist Sonn- abend vormittag im großen Saale des Preußischen Ministeriums für Volkswohlfahrt eröffnet worden. In Vertretung des preußischen Ministers für Volkswohlfahrt begrüßte Staatssekretär Scheidt die fast vollzählig erschienenen Mitglieder. Staatssekretär Scheidt führte in einer Ansprache aus, daß der Landesgesundheitsrat insofern keine neue Organisation sei, als er entstanden ist aus der Zusammenfasiung dreier bisher schon tätigen Organe der früheren Medizinalverwaltung, die jetzt eine Abteilung des Ministeriums für Volkswohlfahrt ist. Der Landesgesundheitsrat soll zu allen irgendwie wichtigen Gesetzentwürfen, die in der Medizinalabteilung des Wohlfahrtsministeriums ausgearbeitet und vorbereitet werden, rechtzeitig Stellung nehmen. Er soll ferner sich gutachtlich zu bedeutungsvollen Einzelfragen äußern und auch in der Lage sein, in Gemäßheit seiner Geschäftsordnung seinerseits Anregungen zu geben. Der Schwerpunkt der Arbeit wird in den Fachausschüssen liegen. Nach der Begrüßung verpflichtete der Staatssekretär durch Handschlag an Eidesstatt das Präsidium und die Mitglieder des Landesgesundhsitsratss auf die gewissenhafte Erfüllung der Pflichten. Darauf nahm der Präsident des Landesgesundheitsrates Ministerial- direktor Profesior Dr. G o t t st e i n das Wort zu einigen Geschäfts- führungsfragen. kr betonte ebenfalls, daß der Schwerpunkt der Arbeit in den Ausschüssen liegen werde, von denen zehn in Aussicht genommen und zwei bereits ihre Arbeit aufgenommen hätten, und zwar der Ausschuß für gerichtliche und soziale Medizin, Ausschuß für die gerichtsärztlichen Obergutachten und für die Prüfung der Kreisarztanwärter. Der Präsident erklärte, daß er sich vorbehalte, zu den Spezialstogen über die beschränkte Anzahl der Mitglieder im Landesgesundheitsrat hinauszugehen und eine größere Anzahl von Sachverständigen heranzuziehen. Darauf erfolgte der Schluß der Sitzung._ Lloyd George fährt nach Washington . Aus Washington wird berichtet: Der englische Botschafter in den Vereinigten Staaten teilte dem Staatssekretär Hughes mit, Lloyd George hoffe, daß die inneren englischen Angelegenheiten es ihm möglich machen, würden, London in etwa 14 Tagen zu oerlassen, um die Washingtoner Konserenz zu besuchen.
Die Waffe««keöer! Der in Deutschland weilende Liuäkerausschuß hat an deck Präsidenten der Vereinigten Staaten Harding die folgende Kundgebung gerichtet: Das Komitee der amerikanischen und englischen Freunde (O u ä k e r), die in Deutschland arbeiten, möchte dem Herrn Präsi- denten und den Mitgliedern der Entwaffnungstonferenz seine Auf- fassung über die große Wichtigkeit dieser Versammlung und seinen Wunsch, die Entwaffnungsbewegung durch alle in seiner Macht liegenden Mittel zu unterstützen, bekunden. Die Arbeit während der zwei letzten Jahre in Deutschland hat in den Freunden die Ueberzeugung nur gestärkt, daß jetzt nicht nur seelische Motive» sondern auch die wirtschaftliche Not- wendi'keit das Niederlegen aller Waffen bedingt. Der augenblickliche Zeitpunkt ist ein besonders günstiger zur Unter- nehmung eines solchen Schrittes; geschieht das jetzt nicht, so besteht die Möglichkeit, daß die Geschichte der westlichen ZivilisaUon ein grausames Ende findet. Die Lage einer Nation ohne Armee, die von sich militärisch ständig vergrößernden Mächten umgeben ist, ist unhaltbar und kann nicht von langer Dauer sein. Daher be- steht die dringende Notwendigkeit für ein sofortiges Vorgehen in der angemessenen Richtung. Wir sind uns der Schwierigkeiten be> wüßt, die einer allgemeinen Entwaffnung im Wege stehen, doch haben wir die Ueberzeugung, daß unser 2S0jähriges Bestehen als eine Gesellschaft, die es stüher und auch noch jetzt für möglich hält. ein Leben auf Grund des christlichen Grundsatzes der u n b e w a s s- neten Liebe und des guten Willens zu führen, uns Er- fahrungen gegeben hat, die zu dieser verhängnisvollen Zeit Ausdruck finden sollten. Wir hoffen, daß lähmende Furche edlem Vertrauen zueinander Platz machen und dadurch das Reich wottes auf Erden näher bringen wird. Die große Berliner Abrüstungskundgebung. Wie den PPN. mitgeteilt wird, veranstaltet anläßlich des Zu« sammentritts der Abrüstungskonferenz der Staatsmänner in Washington (12. Nov.) und der des Internationalen Gewerkschasts- bundes in Amsterdam (IS. Nov.) der Aktionsausschuß„Nie wieder Krieg" auf der Basis der großen Friedensdemonstrationen vom 31. Juli am Sonntag, den 13. November, vormittags 10� Uhr, im Berliner Zirkus Busch eine große Kundgebung unter dem Titel „Weltabrüstung". Diese Aktion steht im engsten Zusammen- hang mit der Abrüstunzspropaganda, die die Friedenssteunde aller Länder in dieser Woche einleiten. In Deutschland finden Kundgebungen größeren Stils noch in Hamburg , Frankfurt , Stuttgart und München statt. In der Ber - liner Versammlung werden namhafte Vertreter der Berliner Gewerkschaftskommission, der beiden sozialistischen Parteien und der deutschen Friedens- und Völkerbundsorganisationen referieren.
GewLrkjZ)asten unö GetreiSebewirtschastung In dem Gesetz über die Regelung des Verkehrs mit Getreide ist vorgesehen die Mitwirkung eines Aufsichtsrates, in dem auch den Gewerkschaften fünf Sitze eingeräumt worden sind. Bei der Verabschiedung wurden durch Beschluß dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der eine verhältnismäßig kleine Mitgliederzahl hat, zwei Sitze eingeräumt, während dem AllgemeinenDeut- schen Gewerkschaftsbund mit seiner großen Mitgliederzahl nur«in Sitz gegeben wurde. Aus diesem Grunde haben sowohl der Allgemeine Deutsche Ge- werkschaftsbund als auch die Afa die Mitwirkung abgelehnt und oerlangt, daß nicht dem Deutschen Gewerkschaftsbund, sondern dem Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund der zweite Sitz einge- räumt wird. Die sozialdemokratische Fraktion hat sich veranlaßt gesehen, einen Antrag im Reichstage einzubringen, wonach dieser Zustand des Unrechts beseitigt wird.
Oesterreichs Vertretung in Polen . Die österreichische bevoll- mächtigte Vertretung ist in eine Gesandtschaft umgewandelt worden. Als Gesandter in Warschau ist Nikolaus Post bestellt.
den zu suchen hat, wird sich nicht einwandfrei feststellen lassen, da die Wahl geheim war. Vermutet wurde allgemein, daß etwa die Hälfte der Deutschen Valkspartei weiße Stimmzettel abgegeben hat. Das neue Ministerium wird sich am Donnerstag dem Landtag vorstellen. Ueber die Besetzung der Minister- Posten waren bereits vor der Wahl des Ministerpräsidenten zwischen den Parteien Vereinbarungen getroffen wor- den, so daß folgende Ministerliste als feststehend betrachtet werden kann: Präsidium: Otto Braun (Soz.). Inneres: Severing(Soz.), Handel: Siering(Soz.), Landwirtschaft: Wendorff(Dem), Justiz: Am Zehnhoff(Ztr.). Volkswohlfahrt: Zentrum. Finanzen: v. Richter(D. V.), Unterricht: Bölih(D. V.). Für das Wohlfahrtsministerium kommt zunächst Stegerwald in Frage. Sollte er ablehnen, so wird die Zentrumspartei ein anderes Mitglied nominieren. Für das Handelsministerium hatte die sozialdemorratischs Fraktion zu- nächst Genossen Lüdemann in Vorschlag gebracht. Da aber gegen ihn vom Zentrum und den Demokralen Widerspruch erhoben wurde und Genosse Lüdemann selbst leine Kandid.i- tur aus anderen Gründen zurückzog, so wurde er durch Genossen S i e r i n g, den bisherigen Fraktionsvoriitzenden, ersetzt. Der Deutschen Volkspartet ist mitgeteilt worden, daß in der Fraktion der Sozialdemokraten gegen Herrn L ö l i tz als Unterrichtsminister starke Bedenken bestehen. Der Wahlakt im Landtag. 62. Sitzung des Preußischen Landtags , 3 Uhr nachm. Präsident L e i n e r t erteilt das Won zur Geschäftsordnung dem Abg. Herold(Z.)(Dem Abg. H e l l m a n n(D. Vp.), der sich gerade in der Nähe der Rednertribüne bewegt, wird von der äußersten Linken unter großer Heiterkeit zugerufen: Der verant- wortliche Redakteur!) An Stelle des nicht anwesenden Herold beantragt Abg. Dr. Perich(Z.) die Vertagung der Sitzung auf 8 Uhr abends. Abg. Dr. Weyer- Ostpreußen(Komm.): Wir widersprechen der Vertagung. Um die BUdung der Koalition Stinnes-Scheide- mann zu erleichtern, sind wir dafür, daß die Wahl sofort vollzogen wird.(Heiterkeit und Zustimmung bei den Kommunisten.) Der Vertagungsantrag wird gegen Kommunisten und Unab- höngige angenommen. Nächste Sitzung abends 8 Uhr. Schluß%4 Uhr. 63. Sitzung, abends 8 Uhr. Präsident Leinert eröffnet die Sitzung und teilt mit, daß der Wahl die Form der Landtagspräsidentenwahl zu- gründe gelegt ist. Die Wahl wird also durch Stimmzettel erfolgen; die Abstimmung geschieht unter Namensaufruf. Nach drclvlertelftündigem Wahlakt teilt Präsident Leinert fol- gendes Ergebnis mit: Abgegeben wurden 333 Stimmzettel. Unbeschrieben waren 47, ungültig keiner. Abgegeben wurden für Braun(Soz.) 197 Stimmen, für Winkler(Dn.) 63 Stimmen, Leid(U. Soz.) 26. Oeser(Dem.) 3, Zakobi-Rassaus(Z.) 1. Pinker- neil(D. Vp.) 1, Noske 1, Stlnnes 1. Stegerwald 1. Abgeordneter Braun(Soz.) ist somit zum Ministerpräsidenten �e- wählt. Präsident Leinerl erklärt: Ich werbe den Gewählten von dem Ausfall der Wohl in Kenntnis setzen. Darauf vertagt sich das Haus auf D o» n e r s t a g, den 16. No. v e m b« r, 3 Uhr: Entgegennahme einer Erklärung des Minister. Präsidenten und Besprechung der Erklärung. Schluß'AlO Uhr.
Belgisches Strafgesetz in Eupen -Walmedy. vom 22. d. JTL an wird das belgische Strafgesetz in den Kreisen Eupen und Malmedy eingeführt. Die Internationale Arbeitskonferenz bestellte eine Kommission zur Reorganisation der Zusammensetzung des V e r- waltungvrats des Internationalen Arbeitsamts.
Serliner Sezejflon. Bon John Schikowski . Die Berliner Sezession hat am Kurfürsten dämm 232 eine Ausstellung eröffnet, die bis zum Januar dauern soll. Also keine Gelegenheiissache, sondern eine Veranstaltung, von der man anneh- men muß, daß die leitenden Männer ihr bestes Können hineingelegt haben, und die eine Auslese des Erlesensten bietet, was die Berliner Sezessionisten neuerdings geschaffen haben. Von dieser Warte und mit diesen Erwartungen betrachtet, ent- täuscht die Ausstellung, sowohl was ihren Inhalt als was hire Auf- machung anbetrifft. Die Berliner Sezession war früher ein Kampfplatz, heute ist sie eine Ruhestätte. Sie produziert und zeigt nicht Kunst von heut« und morgen, sondern von gestern und vorgestern, und wo sie„modern" sein will, begnügt sie sich mit zaghasten Kom- promissen oder sie bietet blamabel Mißverstandenes. Es ist im Prinzip nichts dagegen zu sagen, wenn heute Schaffende sich der künstlerischen Ausdrucksformen bedienen, die vor Jahrzehnten oder Jahrhunderten lebendig waren. In der Entwick- lungsgefchichte der Gegenwart zählen sie freilich nicht mit, denn sie tragen nichts dazu bei, die künstlerische Kultur vorwärts zu wuchten, aber an ihren Werken kann man, wenn sie ehrlich empfunden sind, Freude haben. So an den geschmackvollen kleinen Biedermeiereien von Erich Simon(12S und 126) und an dem altmeisterlich minu- ziösen Großmutterporträt Klaus Richters(117). Wenn aber z. B. der Münchener Martin Lauterburg einen großen„Oelberg" im Stil der Florentiner Frührenaissance malt, so merkt man an der Kühle und Flauheit der Arbeit, daß er sich nicht in jene alte Zeit verliebt hat, sondern wohlberechnend eine modische Maskerade mit- macht.(96.) Die eigentlichen Stützen der heutigen Berliner Sezession , die Heckendorf(S1. 52), Kraustopf(93, 94), Kohlhoff(67 bis 69), die mit starker Begabung und sicherem Geschmack auf der goldbringenden Mittelstraße zwischen Alt und Neu zu wandeln pflegen, haben sich diesmal nicht in Unkosten gestürzt. Namentlich Krauskopf, der stärkste von den Dreien, schickt«in paar Landschaften, die gegen früher Geleistetes einen bedauerlichen Rückschritt bedeuten. Erich Waske gibt in seiner.Seebrücke"(153) eine Vereinigung von monumentaler Linie und kitschiger Limonadenfarbe. Am schlimmsten aber entgleist Willi Ja ecket. Er teilt das Schicksal seiner„Bäume, die zum Lichte streben"(62), indem er sich ver- geben? müht, seine solide, sehr irdische und erdenschwere Kunst„ex- presstonistlsch" zu beflügeln und zu durchgeistigen. Sie wurzelt ebenso fest und unlösbar im Boden wie jene Bäume und wird, wenn sie nach oben strebt, lediglich dünner. Ueber E o r i n t h, den Vorsitzenden und Senior der Berliner Sezession , möchte man gern rücksichtsvoll schweigen. Er hat in der zeitgenössischen Kunst eine wichtige Rolle gespielt, indem er das technische Können des Im- pressionismus zur höchsten erreichbaren Stufe der Virtuosität ent- wickelte. Sein Name wird nicht vergesien werden. Wenn alternde große Künstler, die aus der Tiefe schöpfen, in manueller Geschicklich- keit nachlassen, f» pflegen ihre Werke dafür an seelischem Gehalt reicher zu werden. Man denke an Rembrandt . Wenn aber der
Virtuose mit vorrückenden Iahren die Elastizität seines Handgelenks einbüßt, dann bleibt nichts übrig. Jeder Pinselstrich gleitet aus und das Ergebnis(20, 21, 24) sind Leinwandflächen voll Fratzen und Verzerrungen. Weder ein Tiefschürfender noch ein Virtuose ist L e o v. K ö n i g, den man zur Feier seines 56. Geburtstages durch eine Sonderaus- stellung geehrt hat. Gute, solide Technik, kluge, oft geistreich poin- tierende Auffassung und— vor allem— feinster, sicherster.kulti- oiertester Geschmack sind die Vorzüge seiner Kunst. Das„Frühstück" (20) von 1907 erinnert an sein Hauptwerk, das„Nochtkaffee" im Kronprinzcnpalais. Wertvoller erscheint mir ein festumrissenes, in sparsamer diskreter Farbengebung sehr ausdrucksvolles Frauenpor- trät(75) von 1915. Von einer Kunst, die mit allen Fasern lebendig im Boden der Gegenwart wurzelt und die Keime der Zukunft in sich trägt, ist hier fast nichts zu spüren. Hans Braß (8 und 9) wäre zu nennen, der ekstatische Farbenzauberer, dessen Werke durchaus auf Fernwirtung gestellt sind und den die Hängekommifsion daher mit sicherem In- stinkt in einer engen Koje plaziert hat. Daneben der Münchener Josef Eberz mit einer sehr starken„Landschaft bei Assisi (23). Die anderen bieten Kunst aus zweiter Hand. Mens«(102) und Teutsch(146) streben den neuesten Italienern nach, Fritsch (39 und 40) und D e i e r l i n g(26) verniedlichen den Kubismus, und Z e l l e r(159 und 160) benutzt ihn, um seinen ganz impressionistisch empfundenen Geqenständlichkeiten eine pikante Note zu geben. Unter den Plastiken fällt eine kleine Bronze(170) von Io- Hannes Schiffner durch graziöse, fließende und doch ausdrucks- volle Konturen, beseelten Formenrhythmus und delikate Oberflächen- behandlung angenehm auf. Josef Wackerle (175—82) bemüht sich, als Holzschnitzer zu einem neuen Stil zu gelangen. Was dabei zustande kommt, ist nicht viel mehr als materialgerechtes Kunst- gewerbe, es sind spielerische Nippes mit effektvollen Einzelheiten, aber ohne jeden großen Zug. Die Holzplastik unserer Tage geht andere Wege. Die„Freie Sezession ", in der noch etwas vom Elan der alten Kunstrevolutionäre lebendig war, ist leider obdachlos geworden. Die „Berliner Sezession " kann uns, wie diese Ausstellung wieder beweist, keineswegs ersetzen, was mit jener verloren ging.
Was ist ein„Eidetiker"? Die Antwort darauf gibt der bekannte Tübinger Psychologe Prof. Karl Groos in einem Aufsatz der„Um- schau", in dem er sich mit dem neuen Begriff der E i d e t i k be» schäftigt, der besonders von dem Psychologen G. E. Müller erforscht worden ist. Man weiß, daß die mneren Bilder, die in unserer Erinnerung oder Phantasie auftauchen, in ihrer sinnlichen Anschaulichkeit sehr verschieden sind. Manche Personen haben, wenn sie sich z. B. ihr Zimmer vorstellen sollen, bloß«in sehr undeutliches Bild, während andere alles so genau sehen, daß sie die einzelnen Gegenstände auf dem inneren Bilde zählen können. Eidetiker sind nun diejenigen Menschen, dieeininnerlichgeschautesBildanderbe- stimmten Stelle des Hintergrundes sehen, auf die ihr Blick gerade gerichtet ist. Als Merkmal dieser Form der inneren Anschauung wird folgendes aufgeführt: Wenn der Eidetiker einen
Gegenstand aus einen festen Hintergrund projiziert, so kann er ganz genau angeben, wie weit der Versuchsleiter einen Zirkel öffnen muß. um die Größe des für ihn unsichtbaren Bildes zu mesien. Es hat sich nun gezeigt, daß diese eidetische Fähigkeit sich bei Kindern viel häufiger findet als bei Erwachsenen; sie ließ sich b�j Jugendlichen im Alter von 13— 14 Iahren für 37 Proz. unmittelb»� nachweis-m, war aber auch bei den anderen Kindern bis zu einem gewissen Grade vorhanden. Danach dürste also die eidetische Ber- anlagung für das Kind durchaus no r m a l sein, und man darf an- nehmen, daß die ganze Menschheit auf früheren Kulturstufen eidetilch war, d. h. innere Bilder mit vollkommener Anschaulichkeit sah. So werden z. B. die Z u h ö r e r H o m e r s ein poetisches Gleichnis viel lebhafter vor dem inneren Auge gesehen haben, als mancher moderne Philologe glauben mag. So erklärt es sich auch, daß heute noch unter den mit lebhafter Phantasie begabten Künstlern viel mehr Eidetiker anzutressen sind als etwa unter den Gelehrten. Die Gabe der Eidetik hat Kroh bei verschiedenen deutschen Dichtern nachgewiesen, und besonders deutlich bei Goethe. Dieser hat selbst geschildert, wie er mit gesenktem Kopf und geschlosienen Augen in der Mitte des Gesichtsfeldes ein« Blum« schauen tonnte, aus der sich ander« blumen» artige Gebilde in hervorquellender Schöpfung" immer neu ent- falteten. Auch sonst läßt sich m seiner Dichtung die Fähigkeit der inneren Schau von Bildern in hohem Grade nachweifen. Zetkunqsdienst vor 150 Jahren. In diesen Tagen konnte das größte konservative Blatt Englands, die ,'Morning-Post", deren erste Nummer am 2. November 1771 erschien, auf ein hundertfünfzig- jähriges Bestehen zuruckblick-n. Die Zeitung verdankt« ihren raschen Austtieg in erster Reihe chrem ausgezeichneten Nachrichtendienst, der die Leser ständig über die französische Revolution und dce „Schreckens zeit" auf dem lauwnden erhielt Die Nachrichten wurden der Redaktion von besonderen Kuriereu übermittelt. Immerhin mußten die englischen Leser des 18. Jahr- Hunderts ein« Geduld zeigen, von der wir uns heute ichwer«ine Dar« stellung machen können. Eine kleine Nachricht aus Paris brauchte im Durchschnitt drei Wochen, ein? von Petersburg gor zwei Monat«, ehe sie veröffentlicht wurde. Dabei war man überdies noch von den Witterungsverhältnisien abhänoig. denn der Auslandsdienst richtete sich ganz nach den atmosphärischen Verhält- nissen und insbesondere nach dem Wind, von dem die Zeit abhing. in der die Segelschiffe die Themse erreichen konnten. Sonne, die lötet. Die außerordentlich stark« Lichtwirkung der Sonne in diesem langen und trockenen Sommer soll nicht nur segens- reiche Folgen gehabt haben, sondern Aerzte haben behauptet, daß dadurch auch manche Störungen der Gesundheit hervorqerufen wür- den. Wie jedes Heilmittel, das die Natur uns bietet, ist ja auch die allbelebende und heute mehr denn je von der Medizin ausgenutzte Kraft der Sonne, sobald sie im Uebermaß einwirkt, schädlich. Die erbarmungslos stechende Wut der Sonnenstrahlen hat jeder schon einmal empfunden. Tödlich aber kann die Sonne in der tropischen Wüste des Aequators wirken, und man muß schon ein Ein- geborener sein, um es überhaupt zu wagen, ohne Schutz sich der Sonne der Wüste auszusetzen. Der Europäer bedarf einer sorgfältig erprobten Kleidung, und er muß sich vor den Sonnenstrahlen so in acht nehmen, wie ein Anfälliger, der sich vor einer Erkältung durch