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ür. 535<» ZS. Jahrgang

Heilage öes vorwärts

Sonnabenö, 12. November 1921

Die Mbeit öes Jeuerstrahls Das Meisterwerk der geflickten Strastenbahnschienen.

Ein te6,nischcr Film, der das autogene SchroeiKen und Schneiden ansckou�ch aarstellt, wurde Interessenten in Berlin gezeigt. Eine große süddeutsche Seezblfirma hatte ihn zur Ver- anschaulichunz des Arbeiisoorganges in ihren Werken herstellen lassen. Berlins Straßen sind heute mehr wie je eine große Werkstatt. Technische Wunder entwickeln sich vor aller Augen, zwischen Wedding und Lelle-Alliance-Platz beim Bau der mächtig vorwärtsschreitenden Untergrundbahn, alltäglich im Kleingetriebe der ewig aufgerissenen Straßenbahnschienen. Der chastende staunt, daß das Eisen gleich einem Stück döapier ist, daß man es im Nu zerschneidet und zusanimenpappt, I trennt und verbindet mit dem Strahl einer Flamme, kaum großer als di« einer Kerze. Da liegen zahlreiche Notgleise auf den Straßen Berlins über die dieElektrische" langsam hingleitet und an dem danebenUsgcnden Schienenstrang wird emsig gearbeitet. Dort, wo Zwei Schienen zusammenstoßen, ist ein Stück herausgeschnitten, um durch eiu neues ergänzt zu werden. Funken sprühen, das Eisen fliegt an den Berührunqsstellen zusammen, es bildet sich ein einziger, fest in sich gefügter Schienenstrang. Wie mühsam wurden die Gleise früher durch Laschen mitcinänder verbunden. Für Viele, die einige Augenblicke diesem Schauspiel zusehen, ist das nichts weiter als ein schöner Anblick. Wie dos Werkzeug entsteht. Welche Unsumme von geistiger und körperlicher Arbeit steckt in Viesen so unscheinbaren Apparaten, die das Eisen sprühen lassen, mit deren Hilfe es zusammengefügt und getrennt wird. In großen Fa- briken arbeiten Tausende von fleißigen Menschen an der Herstellung dieser Werkzeuge. Es wird nach den modernsten Methoden der Ar- i>eitsteilut:g geschaffen. Alle, die dort wirken, haben ihren Anteil an dem fertigen Werkzeug, das fast wie ein Spielzeug aussieht. In der Gießerei glühen die Oefen. Das flüssige Gelbmetall wird mit kleinen Tiegeln aus ihnen geschöpft und in die bereitstehenden Gießkästen, die die Formen wie ein eiserner Wall umschließen, gegossen. Sorg- fältig entfernt ein Arbeiter die Schlacke, die sich auf der Oberfläche des Metalles im Tiegel schnell gebildet hat und hält sie mit einer langen Stange während des Gusses zurück und das reine, leuchtende Metall schmiegt sich in dünnem Strom in die gewundenen Hohlräume und nimmt den Weg, der ihm von Menschenhand vorgczeichnet wurde. Alsbald wandern zahlreiche und zierliche Gußstücke in das Rohlager, werden dort in viele Fächer eingeordnet, um nach und nach in die Dreherei zu gelangen. An jeder Revolverbank steht«in Arbeiter, der das wechselnde Eingreifen der Werkzeuge besorgt. Unerbittlich heben und senken sich die Werkzeuge, gehen schnell zurück und fressen sich wieder langsam in das Arbeitsstück hinein. Die Materialstangen werden automatisch nachgeschoben, und dieses Spiel wiederholt sich in stän. digem Kreislauf. In dieser Maschine feiert der Geist des Ingenieurs seinen Triumph. Trotzdem aber muß sie ständig überwacht werden. -Die Wertzeuge nutzen sich ab, Schrauben geben nach: Ungenauig» keiten sind die Folge dieser Mängel. Besonders genau zu arbeitende Teile werden aber noch immer auf Drehbänken hergestellt, an denen geübte Dreher ihres Amtes walten. Mit feinsten Meßwerkzeugen tasten sie die Maße ihrer Arbeitsstücke ab und in der Kon' rolle werden alle diese Teile einer sorgfältigen Nachprüfung unterzogen, bevor sie zum Zusammenbau in die Montage gelangen, in der nun die vielen Modelle der Schweiß- und Schneidbrenner, die Reduzierventile usw. zusammengestellt werden. Der Maler gibt ihnen dann den legten Schllff: sauber lackiert wandern die Apparate in das Ausgangs- magazin. Dort werden sie verpackt und treten dann ihren Weg m die Welt an. In einem anderen Teil dieser großen Werke liegt die Sauersiosfabrik. 5zier wird der zum Schweißen und Schneiden des Eisens nötige Sauerstoff aus der Luft gewonnen. Die Luft besteht be- kanntlich aus einem Gemenge von Stickstoff(zirka 78� Proz.), Sauerstoff(21 Proz.) und Argon (mehr als Proz.) Das Verfahren zur Gewinnung des Sauerstoffs besteht darin, daß die Luft zunächst unter hohem Druck völlig verflüss zt

wird und dann unter Wiedergewinnung der zur Derflüßi- gung erforderlichen Kälte(200 Grad Celsius) einer Rektifikation unterworfen wird. Dabei verdunstet der leichter flüssige Stickstoff, während ein hochprozentiger Sauerstoff(SS Proz.) zurück- bleibt. In einer Panzerkammcr wird der Sauerstoff unter einem Druck von 150 Atmosphären in schlanke, aber starke Stahlflaschen gefüll:.(1 Atmosphäre ist der Druck von 1 Kilogramm auf 1 Ouadratzentimeter. Bei 150 Atmosphären drücken also auf jeden Ouadratzentimeter der Innenwände der Stahlsloschen?. Zent- ner.) Die Flamme schneidet und kittet. Die autogene Schweißung wird nun in der Weise vorgenommen, daß die Schweißstellen mittels eines Schweißbrenners durch eine Stichflamnie so weit erhitzt werden, daß sie bei dünnen Blechen zu- sammenfließen, während bei stärkeren Teilen ein gleichartiges Material eingeschmolzen wird. Die Flamme wird in der Weise er- zeugt, daß demBrenner" Azetylen und Sauerstoff zugeführt wird, wobei der unter hohem Druck stehende Sauerstoff das unter sehr geringem oder gar keinem Druck stehende Azetylen mit sich reißt. Die beiden Stahlflaschen, die man auf der Straße bei den Gleis- reparaturen sehen kann, enthalten also diese beiden Gase. In ähn- licher Weise wird auch beim Schweißen mit Wassergas an Stelle des Azetylens verfahren. Das autogene Schneiden erfolgt mittels be- sonders gearbeiteter Brenner. Die Schnittstelle wird hierbei mit der Schweißflamme auf Schmelztemperatur erhitzt. Dann wird die Azetylen - bzw. Wasserstoffzufuhr abgesperrt, so daß nur noch der Sauerstoff allein unter einem Druck von etwa S0 Atmosphären auf die Trennungsstelle einwirkt, wodurch eine sofortige Verbrennung des Eisens oder sonstigen Materials an der betreffenden Schnitwaht entsteht, deren Nachbarschaft jedoch nicht erheblich erwärmt wird. Zur Erzielung sauberer Schnittflächen hat die betriebsame Technik eine ganze Anzahl vonFiihrungsmaschinen" gebaut. Da sind Maschinen, die gestalten, den Brenner in gerader Linie bis zu einer Länge von 4 Metern zu führen. Mit anderen werden sauber kreisrunde Löcher in das Eisen gebrannt, und wieder andere schneiden Profileisen im Winkel von 4S Grad. Dos autogene Schweiß- und Schneideverfahren hat geradezu eine Revolution in der Technik her- vorgerufen. Welch eine mühselige Arbeit war es früher, ein kleines Mannloch in einen Dampfkessel zu machen. Mit Bohrer, Meißel, Hammer und Feile wurde tagelang gearbeitet, um ein« Leistung zu vollbringen, die mittels des Schneidbrenners in wenigen Minuten beendet ist. Hinter den sprühenden Funken, die in den Straßen Berlins in den Abendstunden zauberhaft leuchten, verbirgt sich mehr technisches Denken, mehr Arbeit und Fleiß, als mancher ahnt, der sich des schönen Schauspiels freut. Luöenöorff in Serlin. Nach der Demonstration vom 9. November am Wiitenbergplag begab sich ein Trupp von etwa 150 Mann meist Postbeamte nach der Maahenstraße 29, um dort einemhohen Herrn" ihre Ovationen darzubringen. In dieser Villa wohnt jetzt der Hasardeur des Weltkrieges, Luden- d o r f f, dem auch die Beamtenschaft ihr jetziges klägliches Los zu verdanken bat. Er ist dort Gast der Hauseigentümerin, einer ver- witweten Baurat Heckmann. Mit den wiederholten Rufen:Hoch die deutsche Republik! Nieder mit dem Massenschläch- t e r L u d e n d o r f f!" setzte sich der Zug in voller Ordnung weiter in Bewegung. Die Schreckenstot einer Mutter. Unter''»v Anklage des kindesmordee. Eine Frau tötet ihre beiden Kinder. Was der Polizsibericht als Ursache bezeichnet, ist das Schreckensbild einer zerrütteten Ehe, unter dessen Eindruck die Frau, die nicht mehr Herr ihrer Handlungen war,

das Verbrechen beging. Das Schwurgericht des Landgerichts III hatte sich mit einem solchen Fall zu beschäftigen. Angeklagt war eine Frau Auguste R. aus Lichtenberg . Die Beweisaufnahme entrollte das übliche Bild einer Unglück- lichen Ehe, in der der Mann behauptet, die Frau trage die Schuld, während die Frau wiederum alle Schuld dem Manne zur Last legt. Der Ehemann behauptete vor Gericht, daß seine Frau verschwende- risch gewesen sei und alles Geld für Naschereien ausgegeben habe. Die Angeklagte dagegen behauptet, daß ihr Mann ihr nicht ge- nügend Wirtschaftsgeld gegeben und alles Geld mit seiner Geliebten ausgegeben habe. Als Tatsache wurde festgestellt, daß der Mann an dem Abend, als die Angeklagte die jetzt zur Anklage stehende Tat beging, mit seiner Geliebten in einem Kino saß. An diesem Abend brachte die Angeklagte ihre drei Kinder im Alter von IW, 2'A und 7 Iahren wie sonst zu Bett und öffnete sämtliche Gashähne. Als der Mann spät nachts nach Hanfe kam. fand ei- die Wohnung dicht mit Gas gefüllt. Während die sofort angestellten Wiederbelebungsversuche bei der Angeklagten und dem siebenjähri- gen Mädchen von Erfolg waren, ver starben die beiden jüngeren Kinder. Die Geschworenen folgten den Ansfüh- rangen des Vertcidiaers und bejahten nur die Schuldfrage nach Tot » schlag unter Zubilliaung mildernder Umstände. Das Urteil lautete auf neun Monate Gefängnis bei bedingter Be» gnadigung._ Verein" für eine Nacht. Vielen Tanzlustigen in Berlin und manchen seßhaften Zechern genügt die Verlängerung der Polizeistunde bis 1 Uhr nachts nicht. Um der Polizei ein Schnippchen zu schlagen, werden für einzelne Abende besondersVereine" gebildet, da diele ebenso wie geschlossene Gesellschaften nach der Gesetzgebung und Rechtsprechung keiner Polizeistunde unterliegen. DieZufuhr" von Gästen wird durch Schlepper und Anreißer" geregelt, so daß sich dieGründung" lohnt. Um die Polizei in ibrer Kontrolle solcher strafbaren Machenschaften zu unterstützen, haben die Verbände der Gast- und Schankwirte sich bereit erklärt, ihre Mitglieder anzuhalten, auch alle privaten Veranstaltungen polizeilich an zu- melden. Bei nachweislichem Mißbrauch der polizeilichen Eon- derstellung der Vereine und geschlossenen Gesellschaften wird vom Polizeipräsidenten auf Grund des äs 4 der Polizeiverordnung vom 27. August 1921 eingeschritten, wonach für einzelne Lokale die Po- lizeistunde allgemein auf 10 Uhr abends festgesetzt werden kann. Zur Reform der Lehrerbildung hat der Hauptvorstand der Arbeitsgemeinschaft sozial- demokratischer Lehrer, der soeben im Reichstagsgebäude zu einer Sitzung zusammentrat, eine Entschließung angenom- inen, in der festgestellt wird, daß der Hauptvorstand mit größtem Befremden von den Ausführungen des früheren preußischen Unter- richtsministers Becker im Hauptausschuß des Landtags Kenntnis genoinmen hat. Mit aller Entschiedenheit sei gegen das dort ver- treten« Programm einerLehrerbildungsreform", die in Wirklichkeit nur die alte Abseits- Bildung der Volksschullehrer verewigen würde, aufzutreten. Es wäre ein Verhängnis für die Volkshochschule und für unsere Schule überhaupt, wenn Preußen nach der Auffassung seines früheren Uuterrichtsministers Decker die Führung" in der Frage der Lehrerbildung im Sine des Artikels 143 der Reichsvcrfassung und der hierauf gegründeten Beschlüsse der Reichsschulkonfercnz nicht aus der Hand nehmen läßt. Der Hauptvorstand kordert von der Rcichsregierung die sofortige Veröffentlichung ihrer Pläne für die Lehrerbildungsreform, damit die Lehrerschaft Gelcaenheit z» ausreichender Mitwirkung erhält. Er richtet aber zugleich an alle Mitglieder der Ar- bcitsgemeinschaft die. d r i n g l i ch e Aufforderung, auf der Wacht zu stehen und die Grundsätze für die neue Lehrerbildung den Unterrichtsministerien ihrer Länder gegenüber mit allem Nach- drucke zur Geltung zu bringen. Die Städkevertrcter im Berliner Rathaus. In den von der städtischen Borkoerwaltung mit Blattpflanzen geschmückten Fest- räumen des Berliner Rathauses fand gestern abend aus Anlaß der Tagung des Deutschen Städtctages und des Rcichsstädtebundcs ein zwangloses Beisammensein der Stödtevertreter statt, an dem auch geladene Gäste teilnahmen. Der Magistrat hatte, einem Brauch früherer Städtetage folgend, zu dieser schlichten Veranstaltung ein- geladen. Oberbürgermeister B ö h und Bürgermeister Ritter begrüßten die Vertreter der Reichs-, Staats- und Provinzialbehör- den, des Reichs- und Landtages im Senatorcnsaal. Ein 0rchesterabend der Schutzpolizei im Marmorsaal de? Zoo haüe unter Leitung des KapellineiilerS Clemens Scknnalslich eine zahlreiche Kunstgemeinde zusammengeführt. Das auS etwa 80 Be-

Fräulein.

Bon Paul Enderling . Aus der unteren Etage klang eine Zießharmonita her- auf, jauchzend und schmerzlich in langgezogenen Tönen, die kein Ende hatten. Sie sangen: Wie schön ist das Leben... Wie noller Bitternisse ist das Leben... Tante Tine kam mit dem Kaffee und dem Zucker. Sie hatte einen ganzen Berg Kuchen besorgt und nötigte Fräulein und Eva Stück für Stück auf, bis sie nicht mehr schnaufen konnten. Sie unterhielt sie dabei mit ihrem Hauptthema: von dem Spender des Kaffees und Zuckers.Sagt' ich Ihnen schon, daß er singen konte?" Nein, das sagten Sie noch nicht." Er konnte singen wie ein junger Gott. Im Männer- gesangverein, im Kirchenchor und bei anderen Gelegenheiten hat er die stärkste Stimme gehabt. Und der Superintendent hat damals gesagt:Sie sollten was für Ihre Stimme tun, mein Lieber, es ist ja ewig schade drum." Tat er denn etwas dafür?" Nichts. So Tnd die Männer." Sie klagte lange über die mangelhafte Ausbildung dieser Stimme, die ihr etwas Ueberirdilches gewefemUnd dann mußte der Aermste ja fort, und ich siste nun hier als altes Tantchen." Fräulein lobte den Kuchen, um doch etwas zu sagen. 2lber sie bereute es gleich. Denn sie mußte nun noch ein Stück pro- bieren, wenn sie die Gastgeberin nicht schwer beleidigen wollte. Ist der Kaffee nicht köstlich? Sie haben noch gar nichts über den Kaffee gefagt, Fränlcinchen." Er schmeckte wie ge- trck.tes Stroh. Er stand ja schon dreiviertel Jahre. Und der Zucker haste merkwürdige Nebengerüche aus dem Schlaf- Zimmer, io nach Toiletteneffig und Pomade. Fräulein lobte schnell alles.., Finden Sie, daß Tbea'brcn Bräutigam gut behandelt? Nein sie sollte anders sein. Sie ist viel zu fidel. Eine Brout muß ein bißchen gerührt sein. Sonst ist sie gar keine richtige Braut."_ Sie hatte recht. Thea war kein«richtige Braut". Sie bummelte wieder mit ihren Freundinnen die Langgasse auf und ab und ließ Henning zu Hause warten. Und wenn sie von der Hochzeit sprach, die näher rückte und ja nun wegen

des Todesfalls nur klein ausgerüstet werden konnte, sprach sie, als ginge es sie eigentlich gar nichts an. Den armen Henning kommandierte sie hin und her, fand aber, wenn auf ihn die Rede kam, allerlei gute Eigenschaften an ihm zu entdecken. Und Hermann? Was ist mit Hermann? Man sieht ihn ja gar nicht mehr. Die großen Ferien sind doch noch nicht zu Ende." Er ist auch zu Hause nur bei den Mahlzeiten." Vorige Woche sah ich ihn auf dem Langen Markt im Weinlokal sitzen, ganz vorn am Fenster mit seinem Freunde aus Berlin und zwei Damen. Sie sollen Schauspielerinnen sein." Den letzten Satz hauchte Tante Tine nur. Mit dem Begriff Schauspielerinnen" verband sie ein Bild von schwüler Ver- führung und entarteter Verderbnis. Das sieht Hermann eigentlich gar nicht ähnlich," sagte Fräulein. Und wo hat er nur das Geld dazu her, ich bitte Sie! Äulius gibt ihm doch keins, weil er nicht mit ihm abrechnen wollte." Fräulein dachte an den Abend im Zoppotcr Garten und an Cäsar Iustitz.Das weiß ich auch nicht." Und wir hatten schon immer Angst, er würde sich in Sie verlieben, denken Sie nur." In mich?" Fräulein wurde doch verlegen. Tonte Tine nickte näher.Ja. Es wäre ja kein Wunder ' gewesen: Zwei hinge Menschen so dicht beisammen" Aber das ist doch noch kein Grund, sich zu versieben." Tante Tine legte ihre breite, knochige Fubrmannshand auf Fniul-uns Rechte.Er bat nach Ihnen geschielt und ge- blinkert. Das fühlt ja ein Blinder mit dem Krückstock. Und ich habe schon solche Angst gehabt" Angst? Aber dos ging Sie doch nichts an." Fraulein lächelte. Ein bißchen Uebsrmut blitzte in ibren Augenwinkeln. Es ging mich wohl an. Denn dann hätte meine Schwä- gerin Sie ja entlassen müssen." Ach so!" Ja," si'hr Tante Tine gemütlich fort,ein Fräulein, das dem Sohn vom Hans den Kopf verdreht, kann sie doch nicht im Haufe behalten." Fräulein schob ibren Teller mit einem Ruck zurück.Wenn er nun aber um mich angehalten und ich Ja gesagt hätte?" fragte sie kampflustig.

Ach Gottchen, daran war ja doch nicht zu denken. Ein junger Mann aus so guter Familie!" Wissen Sie, ob meine Familie schlechter war?" Ich will ja nichts gegen Ihre Familie sagen, behüte. Aber Sie sind nun doch mal in Stellung. Und Unterschiede müssen nun ja einmal sein. Sie hüstelte und versuchte zu lachen. Ihre gelben Pferdszähne wurden in ihrer ganzen Größe sichtbar.Sie haben doch auch so'ne gute Stellung. Und wenn Sie mal alt werden wie ich. werden Görkes schon für Sie sorgen. Für mich wird ja auch gesorgt." Also Sie meinen, ich werde einmal so leben wie Sie?" Hoffentlich, mein Kindchen" Sie sprach den Satz nicht zu Ende. Fräulein lehnte sich im Sofa zurück und lachte... lachte, daß ihr die Tränen über die Wangen liefen.Fräulein bleiben, mein Leben lang?" Sie sah Tante Tine an und dachte an dieses zwecklose, un- fruchtbare, aussichtslose Leben. Aber war es denn nicht mög- sich, daß sie Recht behielt? Hatte Tante Tine nicht auch ein- mal von Liebe und Glück und einer bunten Zukunft geträumt, ehe der Aschenregen des Lebens all ihre Träume verschüttete und vergrub, daß sie unkenntlich, unförmig wurden? Und wieviel Jahre trennten sie denn von der da drüben? Ein vaar Iahrzebnte. die so schnell vergehen. Und heute batte Fräulein sich vor dem Spiegel das erste graue Haar ausgerissen. Als Fräulein daran dachte, wurde ihr Lachen stiller... Vielleicht wanderte sie ibr Leben lang von SteTma zu Stellung, von einer Familie Görke zur anderen, von Demüti- gung zur Ernicdrig'mg. einen ganzen langen Schmerzensmeg entlang, um in Lächerlichkeit und Elend zu enden wie diese da. Wenn sie nicht vorder entgleiste, wie so viele... so»'W- Nein, verlieren würde sie sich nicht. Dazu seblten ibr das leichte Blut und die leichten Flotterflügel leider, bäste sie fast gedacht. Ein inneres Schwergewicht hielt sie. Sie würde ein braves Mädel bleiben. Bis zuletzt, obn' ihr Verdienst und Würdigkeit. Und sie würde alt und häßlich, vielleicht auch ver- bittert, gallig und schrullig werden. Keiner würde glauben. daß sie auch ein Liebesleben gehabt, das ihre junge Seele ausgefüllt hatte. Keiner würde ohne Lachen daran denken. daß je ein Mann sie geliebt und still umworben habe. (Forts, folgt.)