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Tagung öes Reichsbeamtenbeirats.

Erster Verhandlungstag. Der Leiter der Beamtenzentrale beim Parteiverstand. Geneste Hermann Wäger, kani in seinem Referat aus der Tagung des Reichs» beamtenbeirats, über die wir bereits kurz berichteten, zunächst auf das frühere Verhältnis der Sozialdemokratie zu den Beamten im Obrigkeitsstaate zurück und berührte dann die grund- legende Umgestaltung der Verhältnisse noch der Revolution. Wir stehen erst am Anfang einer neuen Entwicklung. Noch ist die Mensch» heit nicht geistig reif genug, um ihr Dasein vernunftgemäß zu ze» stalten. Die Klassengegensätze werden sich weiter verschärfen. Das ist keine» Verelendungstheorie, sondern ein psychologisches Grundgesetz, dessen Wirken man in der Geschichte und in unseren Tagen beobachten kann. Erst wenn die große Mäste der Schaffenden die Unvernunft der heutigen Gesellschaftsordnung er- kannt haben wird, sind wir geistig reif für höhere Lebensformen. Die geistige Befreiung kann nur das Werk der Sozial- d e m o k r a t i e sein. Wir können nicht mit den Händen in den Hosentaschen abwarten, bis auch der zweite große Zusammenbruch kommt. Die Katastrophe würde auch uns treffen. Der Görlitzer Parteitag war clne Manifestakion unseres willens zur Macht. geboren au» der Erkenntnis, daß wir nah« daran waren, durch eigene Versäumniste den Gegnern fast das Feld geräumt zu haben. Der Parteitag hat durch die Annahme des Antrages Berlin allen reaktionären monarchistischen Beamten und Angestellten schärfsten Kampf angesagt und ihre sofortige Entlassung ohne Pension verlangt. Desgleichen hat er verlangt, daß olle wich. tigen Vcamtenstellen nur mit wirklich republikanisch ge- sinnten Männern besetzt werden. Wir haben die Macht, wenn wir nur wollen. Helfen Sie alle mit, den Willen In die Tat umzusetzen. Sm Anschluß an dieses Referat sprach Genosse St« in köpf. Die erste parteiamtliche Stellungnahm« zur Deamtenfrage gab die Fraktion der Nationalversammlung, indem siedieSicherungder beruflichen, wirtschaftlichen und staatsbürger» lichen Recht« der Beamten verlangte. Dementsprechend hat auch die Fraktion die Bestimmungen in der Reichsversastung schaffen helfen. Auch der Weimarer Parteitag hat sich auf den Stand» punkt der Erhalkung eine» füchfigcn, vorqebildelen Beamtentums äestellt. Da» Görlitzer Programm gilt in all feinen Teilen für die Beamten ebenso wie für all« anderen Parteigenossen. Der Satz «Sicherung und Ausbau der Rechte der Beamten" ist als Grundlage für ein Aktionsprogramm gedacht. In ihm ist zu fordern: 1. Sicherung und Ausbau der beruflichen, der staatsbürgerlichen und wirtschaftlichen Rechte der Beamten, einschließlich des Koalitions- rechtes. 2. Anpostunug der Einkommensverhgltniste an die je» weilig« Wirtschaftslage. 8. Gesetzliche Mitbestimmung der Beamten- rät« unter Regelung des Dienstbetriebes. 4. Anerkennung der Beamtengewerkschasten als wirtschaftliche Interessenvertretungen. S. Schaffung«ine» freiheitlichen Beamten- und Dstziplinarrechts. 6. Freier Aufstieg der Beamten lediglich auf Grund ihrer Befähigung. 7. Oeffnung der Beamtenlaufbahn allen Volksgenossen. 8. Er­setzung der leitenden monarchistischen durch republikanische Beamte. Genosie Falkenberg behandelte dann eingehend die Frage der gewerkschaftlichen Beamtenbewegung und führte etwa folgendes aus: In zum Teil weit auseinanderliegenden Etappen hat sich die ehemals kleinbürgerliche Beamtenbewegung zu dem entwickelt, was sie heute Ist. Die am S. Februar ISIS geschaffen« Interessen- gemeinschaft deutscher Beamtenverbänd« war nur eine lose Kartellierimg von BeomtenverbSriden, aber nicht die Zentral» der De-mtengewerkschastsbewegung, wie sie zurzeit durch den am 4. Dezember 1318 aus der Bersckunelzung von Interessen- gemeinschaft und ebemaiigeni Verband deutscher Beamtenoereine ent- standenem Deutschen Beamtenbund verkörvert wird. Die- jenigen, die heut« schon verlangen, daß der DBB. oleich den Arbeiter- aewerlschaften eine gewerkschaftlich in Reih und Glied marschierende Arbeitnehmerformation darstelle, vergessen, daß die politische Befreiung der Beamken erst durch die November-Reoolution erfolgt ist. Im Augenblick ein« gewalisam« Entwicklung herbeizuführen, bedeute nach seiner Aufsassung die Zerschlagung de» wesentlichen Teils der in Jahr- zehnten in der Beamtenichaft geleisteten Organisationsarbeit. Es bat keinen praktischen Wert, sich In Traumzustände zu versetzen, Tatsachen regieren auch in der gewerkschaftlichen Welt. Alle Instanzen haben«in wesentliche» Interesse an der Klärung die'er bedeutsamen Frage. Wenn wir mit ihnen ein«r Klärung zustreben, wird die Zeit nicht fern fein, in der von der auch in Beamtenkreisen ersehnten Arbeitnehmerfront nicht mehr nur ge- wrotben wird, sondern<n der sie handelnd in die Gestaltung der Geschicke ihrer Glieder einzuarelfen vermag. An der sehr umlongreichen Debatte beteiligte sich u. a. der Genosse Leipart , der den Wunsch auslvrach, daß dt« Beamten- verbände sich zu einer großen Organisation zusammenschießen möchten, um so eine machtvolle Einheitsfront neben der Arbeiter- bewcgung zu bilden. Das Eroebnis der Aussprache war die An» nähme folaender Resolution:.Der Reichsbeamtenbeirat erklärt, die dem Deutschen Beamtenbund angehörenden parteiaenössischen Be» amten sind verpflichtet, die gewerkschaftlich« Entwicklung an dieser Organisation mit oller Kraft aktiv zu fördern und auf ein inniges Hond -in°Hand-arbeiten* mit dem Allgemeinen Densichen Gewert» schaftsbund und dem Allgemeinen freien Angestelltenbund hinzu» arbeiten.",~ Zwelker verhandlungskag: Am zweiten Tag» der Verhandlungen wurde einem Antrag de» Vorsitzenden. Genossen Franz Krüger , zugestimmt, nach den Res«.

raten der Genossen Dr. Voelter und Max Gronefeld über den dritten Punkt der Tagesordnung: Leamlenräkegeseh und Disziplinarrechk auch die Diskussion über den ersten Punkt zu erledigen. Dr. Voelter verbreitete sich in seinen Ausführungen eingehend über die Bestimmungen des B e a m t e n r S t e g e s« tz e s. Vornehmlich kritisierte der Redner, daß ein eigentliches Mitbestimmungsrecht den Beamten in dem Entwurf nicht gewährt werde. Was das D i s z i- plinarrecht anbetrifft, so ist schwer verständlich, warum die Be- stimmung der Verfassung nicht zur Geltung gebracht wird. Genosse Grone seid: Ich möchte heute in kurzen Worten aus- sprechen, was die Sozialdemokratisckje Partei verlangt, und was sich mit unseren Forderungen deckt. Hauptsach« ist die D« m o k r a t i- sierung der Berwaltung, der aber ein« Demokrakisierunq der Menschheii vorausgehen muß. An dem vorliegenden Gesetzentwurf ist die Sozialdemokratie nicht schuidi«. Am Schlüsse einer sehr ausgiebigen Diskussion erklärte Genosse Franz Krüger : Der Parteivorstand stimmt der Kritik zu, daß viel» leicht etwas mehr hätte geschehen können, doch ist manche Kritik unberechtigt. Unser« Genossen in der Regierung sind zum Teil in einer prekären Lage und so ist unsere Machtposition nicht, daß wir einfach'daran gehen könnten, alle leitenden Stellen mit Sozial, demokraten zu besetzen. Es wird erwünscht, daß die Minister in stärkerem Maße Genossen zur Mitarbeiter heranziehen. Es muß aber auch die Fähigkeit zur Bekleidung des höheren Postens vorhanden sein. Die Demokratisierung wird nur das Produki einer jahrelangen Arbeit sein können. Gegen Leute, die m öffenilich provozierender Weise gegen die Republik auftreten, muß natürlich entschieden eingeschritten werden. Erst im Laufe einer Reihe von Iahren wird sich die Aus- Wirkung demokratischer Maßnohmen»eigen können. Wir haben ein« Neuregelung des Disziplinarverfahrens verlangt. Das Interesse ist daran größer, als das des Reichs. Vorerst wird nur übrig bleiben, in Preußen«ine Regelung vorzunehmen. Auf die reichsgesetzliche Regelung können wir nicht warten. Folgende Entschließung wurde angenommen: ..Gegen die A n st e l l u n g s b e d i n g u n g e n für die Betmiten der Schutzpolizei , wie sie im Erlaß des Preußischen Innenministers vom 10. Mai d. I. festgelegt worden sind, hat sich in den Reihen der davon betroffenen Beamten ein st arter Widerstand geltend gemacht. Die Beamten haben seinerzeit die Unterschrift unter Protest geleistet, ohne sie für rechtsverbindlich zu betrachten. Diese Be- stimmungen sollen jetzt durch ein Sondergesetz sanktioniert werden. Der Reichsbeamtenbeirat erhebt gegen dieses Sonderqesetz schärfsten Protest. Er sieht in dem Sondergesetz einen Niederschlag der Münchener Beschlüsse. Di« beabsichtigt« Sonderstellung der Polizei in rechtlicher Beziehung verbunden mit einer tiesein�chneiden- den Beschränkuna ihrer nersassungs mäßig garan­tierten Rechte fördert die Militarisierung der Polizei und ist eine ständige Bedrohung de» republikanischen Elemeni» In derselben. Wie keine ander« Beom'engruppe muß die Polizei im Volksempfinden leben. Sie kann es aber nur, wenn die Beamten in rechtlicher und wirtschaftlicher Beziehung unter das allgemein geltend« Recht gestellt werden. Aus staatspolitischen Gründen muß gefordert werden, daß die Beamten der Schutzpolizei rechtlich, wirtschaftlich und sozial mit den übrigen Deam�enkategorien gleichgestellt werden. Der Reichs- beamtenbeirat protestiert weiter aegen das im Gesetz vorgesehene zweierlei Recht für Ober- und Unterbeamt« und verurteilt auf» schärfste die Regelung der Anstellung und Versorgung nach den Grundsätzen ler W e b r m o ch t. Er gibt ferner seinem Befremden darüber Ausdruck, daß die berufenen Vertreter der Beamten, Be- amtenausschüsse und Berufsorganisationen bei der Schaffung der- artiger Gesetze nicht gebort werden und fordert vom Parteivorstand und den Fraktionen, sich mit Nachdruck jeder Sonderstellung der Polizei zu widersetzen." Die kürzlich von der Reichs- und Staatsregierung durch die Press« bekanntgegebene neue Gehaltsregelung ist für den größten Teil der Beamten unannehmbar. Die neuen Einkünfte der Beamten der unteren Besoldungsgruppen sind viel zu niedrig, sie erreichen in vielen Fällen nicht das Exi- stenzminimum, während die Spannung gegenüber den oberen Be» amtengruppen ein« zu groß« Ist._ Es muß daher unten zugelegt und oben gestrichen werden. Es muß von den Volksvertretern ein« gründliche Prüfung und Aus. gleichung der großen Unterschiede gefordert werden, ffi» muß serner gefordert merden, daß die drei Hauptorganisationen: Deutscher Beamienbund, Afa-Bund und ADGB . gemeinsam mit der Reoierung vertxrndeln und gemeinsam di« neuen Ge» hälter und Besoldungen der Beamten, Angestellten und Arbeiter fest» setzen. Getrennte» Verhandeln bedeutet Zerwlitterung und Durch» führung reaktionärer Machenschaften zum Nachteil aller Beteiligten, wie wir es deutlich an der jetzt bekanntgewordenen Regelung sehen., Der Reichsbeamtenbeirat der SPD. fordert, daß die Arbeiten an der Neugestaltung des gesamten Beomtenrechte« auf«in- heitltcher Grundlag« mit allem Nachdruck beschleunigt werden. E- muh erreicht werden, daß der Reichsgesetzgebimg auf die'em Gebiet unbedingt gemäß Artikel 10 Ai'fer 3 der Reichsversastung die Vorhand gewahrt wird. Durch di« Verschleppung ist bereit, die Gefahr eines Vorgreifens der Landesgesetzgebung entstanden." Ein ScÄußbericht folgt.

Viktor �ö!er über Taktik. Die WienerArbeiterzeitung" veröffentlicht Briefe Biktor Adlers an Friedrich Engels , die einen überaus wert- vollen Beitrag zu? Parteigefchicht? darstellen. Man weiß, daß Adler, einer der klügsten und ausgezeichnetsten Männer, die die sozialistische Bewegung hervorbrachte, zur rcichsdeutschen Sozialdemokratie in den engsten Beziehungen.stand und olle Vorgänge, die sich in ihr abspielten, mit schärfstem Interesse verfolgte. Von ihnen handelt denn auch ein großer Teil der Briefe,. in deren einem(vom 25. August 1892) u. a. aus­geführt wird: Don uns kann ich Dir da? Beste berichten. Die neue Organi- sation wird sich bewähren, so scheint es. und d i eU n a b h ä n- g i g e n" b l a m i e r e n s i ch bei uns weit mehr als in Deutschland . Wir haben ihnen auch kein so gute» Material geliefert wie Lieb- knechtsReden, aus denen jetzt die Jungen und Wollmar Kapital schlagen.... Persönlich zu rempeln ist dort am dümmsten, wo die Leute persönlich beliebt sind, während rein sachliche, sehr nüchterne und kühle Erörterung schließlich auch die Personen aus dem Sattel hebt. Ich denke daran, eine Broschüre über Taktik zu schreiben Domela Vollmar", wobei mich r.ur geniert, daß der Alte (Wilhelm Liebknecht . Red. d.D.") schlecht wegkäme. Aber auch er würde andererseits profitieren: denn es läßt sich m. E. nach- weisen, daß alle die vermeintlichen Schwankungen der Taktik histori sch sehr erklärbar und begründ- b a r s i n d.... Aber die Kritiker der Taktik glauben immer, sie sei oder könne sein«ine gerade Linie, während sie eine Wellenlinie sein muß. gerade wie die Wellgeschichte. Die Unabhängigen oderJungen" von damals bildeten den äußersten linken Flügel der Arbeiterbewegung, Vollmar stand alsPossibilist" undStaatssozialist" weit rechts. Die Mitte bildete der Parteivorstand mit Wilhelm Liebknecht , dessen Temperament sich aber für eine solche Rolle wenig eignete. Darauf beziehen sich Adlers kritisch abwägende Aeußerungen. die auch heute noch voller Beachtung wert sind. Besetzung öes öurgenlanües. Wien . 14. November.(Eigener Drahkberlchl.) Die deutsch - österreichische Wehrmacht hat gestern morgen die Grenze des Burgenlaode» überschritten und die Besitznahme des Landes begonnen. Der Vormarsch, der sich voriSuflg auf den nörd- lichen Abschnitt de» Burgenlandes beschränkt, vollzog sich in größter Buhe und Ordnung. Von Widerstand war nicht» zu bemerken. Dos Zentrum de» In vler Kolonnen erfolgenden vorrücken» bildet die auf E I s e n st a d t vorrückende Brigade, die in Eisensladt um 2 Ahr uochmiitags einzog. Das vorrücken wird heule fortgefetzi, und wenn keine unerwarteten Zwischenfälle eintreten, dürfte morgen abend der ganze Norden de» Burgenlandes bis zur Demarkationslinie im Besitz Deutsch -Oesterreichs fein. vadupest. 14. November.(Ungar. Eorr.-Aureau.) Ministcrprösi- dent Bethlen gab dem Reichsverweser die Demission der Regie- rung bekannt. Der Reichsverweser behielt stch die Entscheidung vor und ersuchte di« Regierung, di» Geschäfte weiterzuführen. Die Wiener Arbeiter-Zeitung " erfährt aus Budapest , daß die Staatsanwaltschaft unter Berufung auf ein Gesetz von 1913 über den Schutz des Königtums die Untersuchung gegen sämtliche Führer der republikanischen Partei und Hausdurchsuchung bei beiden Präsidenten der Partejf angeordnet hat. Dob-i wurden sämtliche Druckschriften, Akten utd auch der Entwurf eines offenen Briefes, der in der Nattonalvtrsammlung eingebracht werden sollte, be. schlagnahmt. p, Ein lpmptomatiscbes Wahlergebnis. Varls. 14. November. (WIB.) Bei einer Nachwahl einem Wahlbezirk von pari» für den S e m e l n d e r a t erhielt im ersten Wahlgang der von den Kommunisten aufgestellte Kandi- dct Sabina, ein wegen der Meulerri bei der Schwarzen- Vleer-Flolle Verurteiller, dix höchste Stimmenzahl. Der nächstfolgende Kandidat ist der sozialistisch-radikale: e» ist Infolgedessen eine Stichwahl notwendig. « Dies Wahlergebnis ist um so bemerkenswerter, als es selbst für die Sozialisten eine Ueberraschung gewesen sein dürfte. Die Auf. stellung de« Matrosenmeuterers Badina als Kandidaten hat näm. Sich eine eigenartige Vorgeschichte. Wenig« Tage, nachdem der Führer der Meuterei im Schwarzen Meer, Marty, in seinem Arbeiterviertel von Charonne mit starker Mehrheit zum Stadtverordneten gewählt worden war, wurde ein anderes Mandat für da» Pariser Stadtparlament frei, diesmal in einer ausgesprochen klein- und spießbürgerlichen Gegend, im Viertel de» Santö-Gefängnisses, da» bisher stets bürgerlich gewählt Halle. Die Sozialisten, die dort über ein« gewisie Anhängerschaft ver- fügen, stellten einen früheren Deputierten, M a y« r a s, als Kandi- baten auf. Kaum war dies bekannt gegeben, da erklärten die Kommunisten, ebenfall« einen Kandidaten aufzustellen in der Person des eingekerkerten Obermaates B a d i n a. Dies geschah ihrerseits lediglich aus Bosheit gegen die Sozialisten und war um so srevelehafter, als die Aussichtesi Bodinas in diesem Viertel allge- mein als sehr gering empfunden wurden. Es bestand nun dt« Ge- fahr, daß die Regierung eine glatte Niederlage Badinas als G e g« n- gewicht zu der Wahl Marty» bezeichnen und die Frei» lassung des letzteren oerweigern würde, zumal seine Wahl vom Rat der Präsektur in Paris für ungültig erklärt worden ist. Dann wären die Kommunisten damit krebsen gegangen, daß die» die Schuld der Sozialisten sei, die ihren Kandidaten gegen ein Opfer der militaristischen Reaktion aufrechterhalten und damit besten Niederlage und weitere Gefangenschast bewirkt haben. In dieser Situation besannen sich die Sozialisten keinen Augenblick. Sie geißelten in scharfen Worten das niedrig« Manöver der Kommunisten» zogen aber die Kandidatur Mayöras zurück und forderten ihre An- Hänger auf, geschlosten für den Kommunisten zu stimmen. Die Kom- munisten haben aber anscheinend die Absicht, diese Bosheitspolitik gegen die Sozialisten bei allen kommenden Wahlen zu treiben, und deshalb erkürten letztere schon jetzt, daß sie sich in Zukunft nicht mehr in solch sinnloser Weise opfern und daß di« Schuld an etwaigen späteren Niederlagen der Arbeiterschaft die Kommunisten treffen würde._ Inbesten scheint dieser Verzicht unerwartet gut« Früchte zu tragen. Daß Badina in diesem kleinbürgerlichen Viertel überhaupt die meisten Stimmen erringen konnte, ist zweifellos als wichtiges Stimmungssymptom der französischen öffentlichen Meinung zu betrachten._ Silligung öes Gasarbeiterftreiks. In einer gestern abend abgehaltenen Versammlung der Ge- meindearbcller wurde eine Refolutton abgelehnt, die das Be- dauern über die in den letzten Tagen erfolgte Teiloktion(Gas- orbeiterstreik) ausspricht. Heute wird in einer Versammlung dar- über abgestimmt, ob da» Angebot de» Magistrat» ange- nommen werden soll oder nicht._______________________

Soelitz' Wanölungen. In der gestrigen Sitzung des Hauptausschustes de» Preußischen Landtags stellte sich der Kultusminister B o e l i tz als erster Minister der neuen Koalition den Volksvertretern vor. Boelltz sprach von der Notwendigkeit der Erziehung zur Staatsgesinnung und zur Be- jnhung dieses Staates. Er rückte ab von den Geschichtsbüchern der Vorkriegszeit, wie» es weit von sich, jemals für ein m o n a r ch i- stisches Lese- oder Geschichtsbuch eingetreten zu sein und erklärte weiter, daß er für die Fortführung de« Werkes von Haenisch in der Arbeiterbildung auf den Universitäten eintrete. Er trat auch für die vierjährig« Grundschule im Sinne der Reich«Verfassung ein. Den Entwurf des Reich»schul- g e s e tz e s erkannte der neue Untcrrichtsminister mit bestimmten Beschränkungen al, Verhandlunqsbasi» an. Boelitz erklärte, das Reichsschulgesetz müste die Synthese zwischen Gewissensfrei- heit und Staat»ein heit schaffen. Abg. König(Soz.): Wir verlangen einen Geschichtsunterricht, bei dem alles Unwahre und Dynastische ausge- schaltet bleibt.- Für die Umqestaltvnq de» Rcichsschulgesetzent- wnrfes wüsten die preußischen Stimmen im Reichsrat eintreten. Die Berufsausbildung der Lehrer hat im engsten Anschluß an die Uni- versitäten zu erfolgen. Der Zentrumeabg. Lauscher wandte sich gegen die Sozialdemokraten und ihr« Ablehnung de» Grundschul- gesetzentwurs«: weiter malt««r das Gespenst eines zukünftigen Kulturkampfes an die Wand. Die Demotraten vertraten den Standpunkt der Soziaidemckrotie. ver bayerisch« Minisierpräfldenl Gros Lerchenfeld ist nach Be- sprechunoen mit dem Reichskanzler Dr. Wirth. di« vor allem mlrtschastllche Fragen betrafen, nach München zurückgekehrt._

Der Tumult im öraunschweiger Lanötag. vraunschweig, 14. November.(MTB.) In der Landesvcr« sammlung legte vor Eintritt in die Tagesordnung der Abgeordnete Erdmann(Soz.) unter Bezugnahme auf die tumultuarischen Bor- gänge in den letzten beiden Sitzungen Verwahrung dagegen ein, daß der Abgeordnete Blasius feine verurteilende Kritik an dem Staatsministerium so allgemein gehalten habe, daß sie als auch auf dl« beiden sozialdemokratischen Mitglieder de» Kabinett» bezüglich angesehen werden könne. Das fei aber unberechtigt. Den unabhängigen Abgeordneten müsse der Vorwurf gemacht werden, daß sie durch ihr Verhalten Ansehen und Würde des Hauses schwer geschädigt hätten. Auf Wunsch der USP.. die zu dieser Erklärung Stellung zu nehmen wünschte, wurde die Sitzung sodann aus morgen vertagt.

Msntat auf Tschitscherin! Königsberg , 14. November. (WTB.) Nach einer Meldung der Kgsb. Allg. Ztg" aus Riga sollen am 4. November aus Tschitscherin in seinem Empfangszimmer zwei Revolverschüste abgegeben worden sein, die aber fehlgingen. Der Attentäter soll ein Mitglied der soziolrevolutionären Terroristengruppe sein. Di« Außerordentlich« Kommission habe dreitausend Verhaftungen vorgenommen. Der Präsident de» Obersten Wirtschastsrates, Aogdanosf, sei ob- gesetzt und die Kommission zur Bearbeitung der ausländischen Kone Zession« oerhastet ward«. j