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Nr. 541 5S. Iahrgaag

1. Seilage des Vorwärts

Mttrvoch. 16. November 1921

Ms üer hunöertMafl z. b. v Mitzhandlungsprozetz gegen acht Schnpobeamte.

Vor dem Landgericht II Berlin (Strafkammer 4 unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Dr. Friedmann) hatten acht Schupobeamic von der in der Charlottenburger Schlotzkasern« unter- gebrachten Hundertschaft zur besonderen Verwen- " nJL� n>e9cn Mißhandlung eines Sistierten bzw. wegen Duldung der Mißhandlung und wegen Beleidigung zu verantworten. An- geklagt waren die Wachtmeister Adolf S ch l u t t e, Artur Martin. Hermann Meyer, Friedrich Grunewald, Hans Zimmer. Paul Hahn, Heinrich Adrian, Eduard K I e n e r t. Hauptwacht- meister Meyer, der als diensttuender Vorgesetzter die Mißhandlung zugelassen haben soll, wurde aus der Untersuchungshaft vorgeführt. Er ist in die Affäre der Ermordung des Wachtmeisters Buchholz von der Hundertschaft z. b. V. verwickelt. Als Nebenkläger ist zugelassen der jetzt 21 jährige Kaufmann Rob. Dickfach aus Charlottenburg , der in der Nacht des 2. Februar 1S21 das Opfer der Mißhandlung war. Dickfoch sah damals auf der Straße den Wachtmeister Schlutte in einem tällichen Streit mit seiner Braut, warf in Erregung über Echluttes Verhalten ein paar Zurufe hinüber und wurde darauf von Schlutte zur Wache gebracht. Dort wurde Dickfach nach seiner Ber- nehmung in ein abgelegenes Zimmer geführt, in gemeinster Weise beschimpft und dann von einer größeren Zahl Schupobeamten m i t einem Stock, mit G u mm i kn ü v p e ln und mit zu» jammengedrehten nassen Handtüchern schwer miß- handelt. Dickfoch erstattete Anzeige beim PolizeiprSstdium und bei der Staatsanwaltschaft. Das Kommando der Schupo leitete«ine Untersuchung ein, bei der nichts herauskam. Die Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft führte zu dem Ergebnis, daß Anklage gegen die acht genannten Personen erhoben wurde. Wir haben von dem Prozeß, der am Sonnabend begann, leider erst am Montagabend erfahren, so daß wir nur über die Verhandlung vom Dienstag bc» richten können. Die Angeklagten bestritten ihre Schuld mit alleiniger Aus» nahm« Grunewalds, der aber auch nur zugab, mit einem Handtuch geschlagen zu haben. Schlutte behauptet«, Dicksach habe ihn mit einem Schlüssel am Auge verletzt, Dickfach aber bekundete, er habe gegen einen Angriff einen Abwehrhieb mit der Faust geführt. Nach Anficht der Anklagebehörde hat es sich bei den Vorgängen auf der Wache um eine planmäßige Mißhandlung gehandelt, zu welchem Zweck Dickfach tn das abgelegene Zimmer geführt worden sei. Die als Zeuge vernommenen Schupobeamten erklärten größtenteils, sich an die Vorgänge tn der Polizetstube nicht mehr genau erinnern zu können, die Namen der Beteiligten nicht mehr zu wissen oder bei Beginn der Prügelei das Zimmer verlassen zu haben. Einer der Angeklagten, der damals in dem Zimmer schlief und von dem Lärm aufwachte, will sich wieder hingelegt haben und nichts weiter wisien. Gestern wurde der vielgenannte Kommandeur der Hundertschaft z. b. V, der Hauptmann Stenne», eidlich vernommen. Kenntnis von der Mißhandlungsaffäre habe er erst durch die Preise erhalten. Im Wachbuch war zwar Dickfach» Sistierung oermerkt, ober natürlich stand darin nichts von dem, was dann folgt«. Das Protokoll, da» mit Dickfach, wie dieser bekundete, aufgenommen und unter dem Zwang der Mißhandlungen von ihm unterschrieben wurde, ist nicht gefunden worden. Stenne» erklärte alle Angeklagten für tüchtige, zum Teil sehr tüch» tige Beamte. Er bestritt den in einem anonymen Brief gegen chn erhobenen Vorwurf, daß er bei einem von der Untersuchung»» kommission de» Schupokommandos in der Kaserne abgehaltenen Lokaltermin den Hauptwachtmeister Meyer weggebracht habe, damit Dickfach ihn nicht au« den Mannschaften herausfinden könnte. Vor- gehalten wurde ihm, daß er während der Gerichtsverhandlung auf dem Flur seinen Leuten gesagt habe, sie sollten nicht» zugeben. Er erklärte, sie nur belehrt zu haben, daß sie sich nicht selber zu bezichtigen brauchen, sondern die Aussag« ver» weigern können. Darüber habe ihn selber erst der Verteidiger be> lehrt. Ein Zeuge, der die Worte des Hauptmann« Stennes zum Teil gehört hatte, blieb dabei, Stennes habe mit einer nach der Saal» tür deutenden Kopfbewegung gesagt:Nichts zugeben." Di« über diesen Punkt vernommenen Schupobeamten machten verschiedene An» gaben. Einige wußten nichts davon, einer aber bekundete, Stennes

habe sie ermahnt, sich so zu benehmen, daß siedie Uniform nicht blamieren". Staatsanwalt Dr. G r ö s ch n e r beantragte für Hahn, Adrian und Kienert die Freisprechung, dagegen hielt er die übrigen An» geklagten für überführt. Er geißelte dasfalsche Kamerad- s ch a f t s g e f ü h l", das mehrere der als Zeugen vernommenen Schupobeamten zu falschen Aussagen oerleitet habe und beantragte gegen Schlutte 4 Monate Gefängnis, Martin 1 Jahr 2 Wochen Ge» fängnis, Meyer 1 Jahr 4 Monate Gefängnis, Grunewald und Zimmer je 3 Monate Gefängnis, außerdem gegen Martin und Meyer auf 3 Jahre die Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter. Rechtsanwalt G a l l i n e r als Vertreter des Nebenklägers betonte die Planmäßigkeit der Mißhandlung und die Unwabrhaftig- keit mehrerer Zeugen. Der Verteidiger Rechtsanwalt II n g« r empfahl milde Bestrafung des geständigen Grunewald und forderte Freisprechung für alle anderen Angeklagten. Das Gericht bezweifelte nicht Dickfachs guten Glauben, hiett aber sein? Beobachtungen infolge begreiflicher Erregung für nicht in allen Punkten sicher. Freigesprochen wurden außer Hahn, Adrian und Kienert noch Zimmer und auch Schlutte, desien Zusammenstoß mit Dickfach als nicht aufgeklärt anzusehen sei. Martin wurde nur wegen Beleidigung(durch Duzen) zu 100 Mark Geldstrafe verurteilt. Grunewald erhielt wegen eingestandener Äeteiligung an der Mißhandlung 3 Monate Ge» fängnis. Die hervorragende Rolle Meyers bei dem Miß- handlungsatt wurde mit 1 Jahr 3 Monate 1 Woche Ge- fängnis geahndet, auch wurde auf Aberkennung der Fähigkeit zur Amtsbekleidung für 3 Jahre erkannt. Er habe, sagte der Vor» sitzende, durch seine überaus rohe Handlungsweise und dadurch, daß er als diensttuender Hauptwachtmeister den Mißhandelten dürch An- drohung neuer Mißhandlungen zur Unterzeichnung de» Protokoll« gezwungen habe, das Ansehen der Schutzpolizei schwer gefährdet._ Hilfe für die Minderbemittelten. Neun Millionen Mark für Erwerbslosenunterstützuugen. Die Dezernenten des Wohlfahrtsamtes und der Erwerbslosen- fürsorge traten heute zu einer Besprechung beim Stadtkämmerer Dr. k a r d I n g zusammen. Es wurde befchlosien, noch am Donners- tag einen Magisiratsbefchluß herbeizuführen, um der Not der Emp- fänger von laufenden öffentlichen Unlerstühnngen, der Sozialrentner und der erwerbslosen Unterslühungsempsänger abzuhelfen. E» ist in Aussicht genommen, in einzelnen Beträgen an jeden Unter stühungs- empfänger fünfzig Mark, an die Frauen der llnlerstühungs- empfänger ebenfalls fünfzig Mark und für jede» Sind dreißig Mark zu zahlen. Die Auszahlung soll sofort nach Bewilligung schon in den nächsten Tagen erfolgen. Zm ganzen sind für diese» Hilfswerk nenn Millionen Mark ausgekvorfen. 4 150 000 Mark zur MilchverbMigung. VI« Stadt gewährt bekanntlich bei wirtschaftlicher Notlag« für Schwangere(3 Monate vor der Entbindung bi» zur Entbindung) und für Sinder bi» zum vollendeten 2. Lebensjahre einen Milchzeldzuschuß von tägllch 30 Pf. bzw. 45 ps. Seil dem 1. März hat die Stadtver- ordnetenversammlung 2 850 000 M. bewilligt, die inzwischen veraus- gabt sind, wegen der Bewilligung der Mittel bis zum 1. Oktober 1821 ist der Stadtverordnetenversammlung bereits eine Vorloge über fechshundertlausend Mark zugegangen. Zur Durchführung der Milchverbilligung bis zum 31. März 1822 hat der Magistrat de- schlössen, den ausreichend erscheinenden Betrag von weiteren sechs- hunderttausend Mark bereitzustellen und der Stadtverordnetenver- sammlung eine entsprechende Vorlage eingereicht. Damit würden die städlischerselt» für die Milchverbilligung in»gefaml zur Verfügung gestellten bzw. zu stellenden Mittel die höhe von 4 150 000 M. für das Jahr 1921/22 erreichen. Vom 1. April 1922 ab werden übrigens die Geschäfte der Milch- oerbilligung auf die Bezirke übergehen, die anch die Mittel durch ihre Etat» anfordern werden.

LebeuSmittelplünderungen in Neukölln. , Zu schweren Ausschreitungen ist es gestern vormittag ln Neukölln gekommen, wo von arbeitslosen Männern und Frauen eine Anzahl Lebensmittelgeschäste ausgeraubt wurden. Die BS.-Korrespondenz verbreitet darüber folgende Einzelheiten: Die ersten Ausschreitungen begannen kurz vor 11 Uhr in der H e rr f urt h sl r a ß e, wo ein Trupp von etwa 150 Männern und Frauen geschlossen anmarschierte. Unter lautem Schreien und Rufen machte die Menge Miene, in die Filiale der Konsum» genossenschaft Berlin und Umgegend einzudringen, konnte jedoch das Vorhaben nichr ausführen, da das Personal schnell ent» schlösse» die eisernen Rolläden herunterließ. Dafür drang die Menge in das Lebensmittelgeschäft von Gebr. M u t h, das auf der anderen Seite der Straße liegt, ein. Die Verkäuferinnen standen dem Treiben der Frauen und Männer vollkommen machtlos gegenüber und flüchteten. Die Menge packte Butter, Margarine. Käse usw. in Körbe und Taschen ein, zum Teil wurden die Kisten mst Margarine, Ciern usw. selbst geraubt. Kurze Zeit daraus drang ein Trupp von etwa 300 Personen in die Verkaufsräume der Neuköllner Großhandelsgesell- s ch a f t in der S t e i n m e tz st r a ß e ein und plünderte auch hier den Laden vollständig aus. Die Verkäufer flüchteten, nachdem sie die Polizei benachrichtigt hatten. Auch in diesem Geschäft wurden die Lebensmittel iast vollständig geplündert. Ebenso er» ging es in der B e r g st r a ß e der ButterhandlungZu den drei Sternen", wo man anfangs dem Treiben der Arbeitslosen Widerstand entgegenzusetzen suchte. Die Menge zertrümmerte jedoch die großen Fensterscheiben und drang unter Drohungen in das Ge- schäftslokal ein. Erst als polizeiliche Verstärkungen herankamen, zer- streute sich die plündernde Menge, die inzwischen den Laden aus- geraubt hatte. Gegen 3i12 Uhr wurden mehrere Lebensmittel- gefchäfte in der Nogatstraße ausgeraubt, ohne daß es der Polizei gelang, gegen das Treiben der an zahlreichen Stellen plötzlich auftouckenden Trupps einzuschreiten. Die Plünderer be- yaupteten, daß sie arbeitslos seien und heute keine Er- werbslosenunterstützunq erhalten hätten. Ans diesem Grunde müßten sie zur Selbsthilfe greifen. Infolge der be- deutlichen �Zorgfcige haben zahlreiche Geschäfte in Neukölln, vor allem die Mutter- und Nahrungsmittelgeschäfte geschlossen. Zu weiteren Exzessen Ist es Im Lauf des gestrigen Tages jedoch weder in Neukölln noch in anderen Gegenden Berlins gekommen. An die besonneren Teile der Bevölkerung muß aber die Bitte er- gehen, sich durch die allgemeine Not nicht zu Unklugheiten hinreißen zu lassen, die, abgesehen von den strafrechtlichen Folgen, denen der Einzeln« sich im Falle seiner Festnahme gar nicht entziehen kann, prakttsch nur den Erfolg Häven können, daß die Geschäftsleute ihre Läden geschlossen halten, wodurch die Not nur noch gesteigert wird.

Noch kein �nde Im Reigenprozeß. Urteilsverkündung erst Freitag früh. In dem weiteren Verlauf seiner Gutachterrede sagt Dr. Osborn, er müsse Einspruch dagegen erheben, daß hier von dem.Literaten» wm" und dessen Ansichten über die Kunst gesprochen worden ist. Die Heiligkeit der Kunst liege dem Literaten ebenso am Herzen wie dem Prof. Brunner und seinen Leuten. Es handle sich hier um ein wirNiches Kunstwerk, das man nicht durch Worte wieun- züchtig" undzotenhaft" beleidigen oder durch Parallelen mit Kino- werken herabsetzen darf.-Mögen viele in denReigen" gegangen fein, um sich sexuell aufzuregen, am Schlüsse dürften sie dennoch nachdenklicher geworden sein. Schließlich sei gefragt worden, ob es opportun erscheine, ein solches Stück in der heutigen Zeit, wo das Volk sittlich krank sei, aufzuführen. Es sei ja bekannt, daß tn allen Zeitperioden Klageweiber männlichen Geschlechts durch die Lande ziehen und über die Zunahme der Unsittlichkeit klagen. Jeder hält immer die Zeit, in der er lebt, für die unsittlichste. Unsere Zeit sei durchaus nicht so leichtsinnig und frivol, wie hier zu schildern versucht wurde. Nie waren die Universitäten so voll wie jetzt, überall herrscht geistige Arbeit und Spannkraft. Wir leben in einer Zeit, wo sich Neues entwickelt und vorbereitet. In einem Schlußgutachten bezeichnet der Sachverständige Dr. Alfted K e r r den Professor Dronuer al» einen»fanatischen Dilettanten" und einengutgläubigen Schädling". Auf da» Ersuchen des Vorsitzenden, derartige Bemerkungen besser zu unterlassen, erklärt Alfred Kerr , daß er damit auch den Anftohnehmer bzw. denjenigen, der andere veranlaßt hat, Anstoß zu nehmen sowie die Stinkbomben-Ethiker ebenfalls meine. Wenn

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Fräulein.

von Paul Enderling . Ein tiefer Groll gegen sie überkam ihn. Auch sie glaubte nicht an ihn. Warum wich sie ihm aus, wenn er zu ihr kam? Warum erschrak sie, wenn er zu ihr sprach? Er meinte es doch nicht böse mit ihr. Warum liebte.,. sie... ihn... nicht? Heute wollte er sie fragen und in ihre Hände die Wag- schale legen. Vielleicht würde noch alles gut. Sein Leben lag in Trümmern, ja, aber ihr Dasein war das Mondlicht, das darüber schien. Wehe, wenn es dunkel wurde! Er schlug die Hände vor das Gesicht. Plötzlich hörte er Stimmen neben sich. Er hatte sie eigentlich schon längere Zeit gehört; erst jetzt war er sich ihrer bewußt geworden. Es waren bekannte Stimmen. Sprach da nicht Lothar und nun Thea? Warum sprachen sie nur so erregt? Verwirrt blickte er um sich. Die Schwester und der Freund standen dicht an dem ver- schnörkelten Pfeiler, der die Kanzel trug. Er wollte sich er- heben und sie begrüßen, aber etwas hielt ihn zurück und gab ihm nicht die Kraft zum Aufstehen. Und nun sagte Lothar:Es wäre doch besser gewesen, dein Verlobter wäre mitgekommen." Nein, nein." sagte Thea leidenschaftlich.So ist es besser. Was sollte er hier? Siehst du das nicht ein? Siehst du nicht, daß es so sein mußte, daß er nicht abtonnte?" Ruhig. Thea, ruhig!" Nein, ich kann nicht ruhig sein. Das ist mehr, als man von einem Menschen verlangen kann." Hermann hörte erregt zu. Was war seiner Schwester? Litt sie auch sie auch? Waren sie alle zum Leiden ver- urteilt? Er hatte sich so lange nicht um Thea gekümmert. Jetzt tat es ihm leid. Wie ftemd gingen sie doch olle neben- einander her... Ich liebe dich doch, Lothar." sagte Thea schluchzend,du weißt es doch. Wie kannst du mich nur so leiden lassen!" Ich hätte es dir gern erspart. Aber" Sie bettelte:Ich will ja nicht viel: ich will ihn ja auch

Ich

heiraten, ich will ihn nicht auch noch unglücklich machen bin auch viel zu schwach dazu, um mich loszureißen."" Was willst du dann, Thea?" Lothar! Gib mir eine Stunde, daß ich froh fein kann mein Leben lang. Du hast mich doch einmal geküßt vor Iahren. Also mußt du mich doch einmal geliebt haben" Das ist lange her. Thea. Es ist viel dazwischen ge- kommen." Ja, ich weiß, ich weiß. Ich bin ja schuld. Ich weiß auch nicht, wo ich die Zeit über gewesen bin. Mir ist alles so unbegreiflich, daß ich nach dir... nach dir.." Nun weinte sie. daß man ihre Worte nicht mehr hörte. Still, Thea, nicht weinen! Ich bitte dich." Ach. es ist ja alles gleich... Weißt du. daß ich zu dir flüchten wollte, kurz nach dieser Verlobung?" Thea!" Ich war schon auf dem Bahnhof und war fertig mit allem. So liebe ich dich. Was hättest du getan, Lothar, wenn ich gekommen wäre?" Ich hätte dich wieder zurückbringen müssen, Thea." Du liebst mich also nicht? Gar nicht?.,, Laß mich doch nicht betteln, Lothar!" Hermann schämte sich für seine Schwester und empörte sich über sie. Warum demütigte sie sich so? Und war sie denn toll, daß sie sich hier so bloßstellte? Jeden Augenblick konnten die Besucher näherkommen, und ein Fremder konnte von der Straße eintreten. Die Tür war ja ossen. Wollte sie sich bloß- stellen? Er mußt« dazwischentreten. Ich kann nicht anders, Thea," sagte Lothar. Sein« Stimme klang erttst und verhalten, aber nicht hart. Du liebst?" Ja." Wen?" Er zögerte. Ich weiß." Ihre Stimme steigerte sich fast �bis zum Schreien.Fräulein liebst du. Ihr sab ich es längst an. Aber du kannst du sie wirklich lieben? Ich glaube es nicht." Ich schwöre es dir. Du siebst nun" Sie antwortete nicht mehr, sondern lief von ihm weg bis zu der kleinen dunklen Kapelle, die zwischen den Strebe-

pfeilern eingebaut war. Hermann sah, wie sie ihren Kopf an das Holzgitter preßte. Er stand auf. Aber er ging nicht zu ihr. Er blieb an dem Tisch stehen, der auf samtener Decke die Bibel trug. Lothar Fräulein-- mit einem Male sah er alles ganz deutlich. Alles war klar und so natürlich. Der Brief damals, der ihn bei Lothar so erregt hatte, rar von ihr. Schon da- mals hatten sie einander geschrieben, schon damals. Und er hatte geträumt und gehofft und gewartet. Nun mußte etwas geschehen, etwas Unerhörtes, Unbegreif- liches. Die Pfeiler mußten sich biegen und das Gewölbe her- abziehen und alles begraben, alles. Der Sturmwind mußt« durch die Orgel brausen, daß sie ihren letzten Choral sang. Die Grabladen mußten sich öffnen und die Toten hervorsteigen lassen Tod und Auferstehung-- Aber nichts geschah. nichts. Die Gewölbe standen fest und warfen hin und wieder den Ton von Menschenstimmen zurück. Auf den steinernen Grabplatten klang der rasche Schritt eines Menschen. Drüben an der kleinen Kapelle stand Lothar noch immer bei Thea und sprach auf sie ein, tröstend, beruhigend. In diesem Augenblick legte sich eine Hand auf Hermanns Schulter. Er fuhr herum. Fräulein stand vor ihm. Sie strahlte und lachte.Hier treffe ich Sie also doch?" Sie sah in sein durchwühltes Gesicht. Was ist Ihnen?" Sie folgte seinen Blicken und erblaßte. Lothar war da. und Thea war bei ihm. Und nun... nun... streichelte er sie zärtlich, und sie sah seinen Kopf sich zu ihr neigen.Was ist das? träume ich?" Der Spuk der alten Kirche, die Träume und Phantasien, die in den alten Hallen Heimat hatten, ver- wirrten sie wohl. Sie faßte Hermanns Hand. Dort dort! Kommen Sie," sagte sie endlich. Mechanisch folgte er ihr. Lothar drehte sich um und sah die beiden. Sofort ließ er Thea und ging auf sie zu. Fraulein zerrte an Hermanns Hand und zog ihn mit sich. Kommen Sie," sagte sie leise und eindringlich. Nun stand Lothar hinter ihr.Wollen Sie fort, Fräu- lein?" Wie glücklich sein Gesicht ist durchfuhr es Hermann wie glücksicher. Früulein drehte sich um.Ja. Ich will," sagte sie hart. Ich will Sie nicht mehr sehen. Nein, ich will nicht." .(Forts, folgt,)