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Bestände in Deutschland   nicht alt das, was leider besteht oder bestanden hat und von der Sozialdemokratie entschieden be- kämpft wird, würde das Bild derfriedlichenRepublik, die Deutschland   heute in Wirklichkeit ist, nicht immer wieder durch alldeutsche Fratzen entstellt, so wäre Herrn Briand  nichts, aber auch gar nichts geblieben, worauf er seine These von der Unentbehrlichkeit der französischen   Rüstung hätte stützen können. Unsere Nationalisten sind die freiwilligen Helfer des französischen   Im- perl alismus! Liegt es aber auf wirtschaftlichem Gebiet nicht genau so? Das herausfordernde Gehaben, mit dem sich das deutsche In- dustriekapital auf seinem Geldsack spreizt, die übermütige Be- Handlung, die es seinem eigenen Staat zuteil werden läßt, wirkt nicht nur nach innen aufreizend, sondern auch nach außen. Das Verhalten der Industriekapitäne liefert dem Aus- land alle Argumente für die Behauptung, daß Deutschland  zahlen könne, aber nicht zahlen wolle. Deutschland  , das ist für das Ausland nicht bloß das Deutsche Reich mit seinen leeren Taschen, sondern das weite deutsche Land, mit allem, was auf ihm steht, seinen Fabriken, seinen kommerziellen und landwirtschaftlichen Unternehmungen. Und wenn dann das Ausland zu der Meinung kommt, daß Deutschland   in Währ- heit nicht von seiner demokratischen Regierung regiert wird, die Erfüllungspalitik treibt, sondern von kapitalistischen  ' Herrenmenschen, die diese Politik hinter treiben, welche Folgerungen ergeben sich daraus für Deutschlands   Schicksal? Was ist die Politik der Erfüllung? Sie ist die Fort- fetzung der Politik der Verständigung unter ver­änderten Umständen. Die Politik, die während des Krieges auf einen Frieden der Rettung, einen Frieden der Erhaltung und der Verständigung hinsteuerte, mußte scheitern, weil sich die wirkliche Macht nicht in den Händen Bethmanns be­fand, sondern in den Händen Ludendorffs. Die Er- füllungspolitik, die darauf hinausläuft, solange den äußeren geldlichen Verpflichtungen nachzukommen, bis die Gegner ihre Unerfüllbarkeit erkennen und zu einer Verständigung reif find diese Erfüllungspolitik wird scheitern, wenn sich heraus- stellt, daß sich die wirkliche Macht nicht in den Händen W t r t h s befindet, sondern in den Händen des Herrn S t i n- n e s, daß sie nicht beim Reichstag liegt, sondern beim Reichs- verband der deutschen Industrie. Alles hängt davon ab, ob es dem Reichskanzler Wirth ge- lingt, seine Erfüllungspolitik solange fortzusetzen, bis die Ge- fahr der schwersten Katastrophen für das Reich überwunden ist. Alles hängt davon ab. ob wir einen Reichstag haben, der die Notwendigkeiten der Zeit begreift und danach handelt. Mit einer Politik der schwankenden Entschlüsse brin­gen wir das Reichsschiff nicht durch den Sturm. Und da die Politik desnationalen Widerstanoes" eine Phantosmagorie ist, deren Wesen kein Mensch erklären kann, bleibt nur die P o l i t i k d e r C r f ü l l u n   g. Sie mit Entschiedenheit und» wo es nottut, auch mit Härte durchzuführen, müssen Regie- rimg und Reichstag stark genug sein.
Die§oröerungen üer Arbeiter. ATGB.«ud Llsa-Vund beim Reichskanzler. Berlin  . 22. November.  (WTD.) Der Reichskanzler emp- sing heute Vertreter des Allgemeinen Deutschen   Gewerkschafts- Hundes und des Allgemeinen freien Angsstelltenoerbandes, welche die durch die Presse bereits bekanntgewordenen Forde- rungen zur Behebung der Finanznot des Reiches überreichten. Die Vertreter der genannten Verbände erläuterten ihre For- derungen eingehend: die Stellungnahme der Reichsregierung wird in einer zweiten Sitzung bekanntgegeben werden, die binnen kurzem stattfinden wird.
Die deukfch-polnischea Verhandlungen. Die Vertreter Deutsch- land» für die Verhandlungen über Oberschlesten, Schiffer, Le- w a l d und Gros Schulenburg, sind in Genf   eingetroffen. Di« erste Sitzung mit den polnischen Vertretern findet heute vor- mittag unter Galonder» Vorsitz statt.
Proletarierfrauen. Die Frau Geheimrätin mit der dürren Seele rümpft die Nase, und ihr stupides Gesicht wird noch lcinger, wenn sie das Wort Proletaciat nur hört. Und gar erst die Proletarierfrauen, was man sich von denen olles erzShltl Da ist die Frau Eils und die Frau Harenhold.H beide voll dampfenden Levensgefühls, die treiben es arg mit den Männern, vernachlässigen ihre Kinder und suchen sich verbotene Freuden. Da ist dt« nadeistickelnde Berta Reck, die keine Unterkunft fand und nun im Freundeshduthalt den Mann der kranken Frau mit ihrer drängenden Frische wild und begehrlich macht. Und diese kranke, betrogene Frau scheut ssch nicht vor der Sünde des Selbstmordes? Dort wieder überläßt eine schwache Kreatur, der der Krieg den Mann und Ernährer verschlang, ihre Kinder dem Armenhaus. Und gar Bentta, da» junge, überschäumende Ding mit den heißen Sinnen, erfüllt von Trunkenheit nach den un- gelebcten Dingen, folgt zügellos ihrem pochenden Blute und wird .so eine". Proletarickmädchen, Proletarierfrauen! Wißt ihr Klassen­geschöpfe, Ihr moralgepcmzerken Bürger beidertel Geschlechts, was das heißt? Das heißt: Dulderinnen, itumMS Heldinnen, Opfrrl Dos Wort Proletärierfrsu ist angefüllt bis zum Rande mit Schicksal! Und wenn diese Proletdriersrauen» abgerackert und krank, zerbrechen. oder jung und hilflos, sehnsüchtig und glücksSurstig, verderben(wie ihr es nennt), wen klagt ihr dessen an? Jene Gtücksenterbten, Unertösten, Unsteten, Beladenen, die in dumpfen Häusern zusammen- gepfercht, gegenseitiger Verführung preisgegeben wohnen, wo die Stuben ohne Licht Und Luft, wo dos Btau des Himmels und da» Grün des Waldes nicht binkömmt und das Elend täglicher Gast ist! Und lockt draußen um sie her nicht das brausende, helle, lachende Leben? Sie sind arm, sie sind jung, sie sind unbehütet und allein. Denn e» ist Krieg! Keine friedliche Familiemnauer trennt sie von den Versuchungen der Welt, keine Schönheit umgibt sie. Der Krieg machte sie zu einsam Kämpfenden, hat ihnen ihre Liebsten, ihre Männer genommen und sie hilflos in die Brandung des ver- wilderten, entfesselten Lebens geschleudert. Die Heimkämpferinnen unterlagen. Der Moloch Krieg fraß ihre heiligen Freuden und fraß ihre Kraft. Hatten sie kein Recht auf Freude, auf CoNne, aus Liebe? Und draußen wird der, für den das junge Herz rein und gut glüht, dahingerafft! lange wartete sie sehnsüchtig auf sein- steimkchr, mit brennendem Blute dem Ruf des Lebens lauschend, und weil sie allein blieb, ihm folgend. Der draußen aber sieht noch tn seiner Sterbestunde die Liebste rein und verklärt, und der Too hat ihm das Traurige erspart, sein fernes, unbehütetes Mädchen als dos Mädchen aller zu wissen. Auch seiner Mutter blieb der Schmerz er- spart, dem gliebten Sohne diese Wahrheit ins Feld schicken zu müssen. Wer will die Schiffbrüchigen anklagen, wer eine Schuld aussprechen? Alle diese Gestalten, diese unglücklichen und armen Würmer, die Henni Lehmann   in ihrem nachdenklichen Buche in wechselvollen Bildern vorführt, erlagen den Versuchungen ihres Herzens und den
.Di« Frauen aus dem Alten Staden Nr. 17," Erzählung von Heani Lehmann. Berlin   1921. B u ch h a n d- lung»Borwart Berlin.
Solfchewift Raübruch. In der ersten Hälft« des 18. Jahrhunderte wurde der Professor Wolfs, für die damalige Zeit eine philosophische Größe, von der Universität Halle verjagt. Ein neidischer Pro- sessorenklüngel hatte ihn bei Friedrich Wilhelm I.   denunziert: Wolfs lehre die Unfreiheit des Willens. Das bedeute, daß ein desertierender Grenadier nicht bestrast werden rönne, weil er ja in seinem Willen, nicht frei gewesen sei. Friedrich Wilhelm   l., dem dielangen Kerls" als höchstes Gut galten und Desertion als größtes Verbrechen, geriet in Zorn und jagte Wölfs davon. An diese Zeiten, wo von Wissenschaft wenig, von einem intriganten Klüngel desto mehr an den Universitäten zu spüren war, wird man gemahnt, wenn man den Artikel liest, dm derordenlliche Honorarprofessor der Rechte in Kiel  ", Dr. v. B eseler, in derKreuz-Zeitung  " gegen seinen ehe­maligen Kollegen, den jetzigen Reichsjustizminister Genossen R a d b r u ch schreibt. Traurigster Universitätsklatsch, gegen den sich ein Altjungfernkasfee in Pinneberg   noch als geistige Höhe ausnimmt.Haben Sie schon gehört, Frau Nachbarin, der Radbruch ist sozialdemokratischer Reichsminister geworden und seine Eltern waren doch so brave anständig» Leute! Wie muß diesen armen Menschen um ihren mißratenen Sohn zumute sein?" Ja wirklich nicht so zu lesen bei der Kaffee- schwester Berta Treppenklatsch, sondern bei demordentlityen Honorarprofessor" Dn v. Beseler. Wir erfahren nämlich, daß Radbruchs Vater,ein würdiger alter Herr" hörst du's, unwürdiger Sohn!»mit Kummer und Schmerzen" die politische Entwicklung des Sohnes beklagt, und«eben diesem wird noch einevortreffliche" Schwester ins Feld geführt, damit sich auf solchermaßen strahlendem Hintergründe die dunkle Gestalt des sozialistisch Degenerierten mn so schauerlicher abhebe.' Wo Klatsch blüht, gedeibt die Angeberei, die Verleum- dung. Professor Beseler versteht sein Handwerk mindestens so gut wie Fräulein Berta Treppenklatsch.Gestern hat man ihn mit der 1. auf der Straße gesellen, ich sage Ihnen, Frau Nachbarin, ich sage Ihnen.... Das beißt, ich habe nichts gesagt." Schreckliches weiß uns die Universitätsklatschbase Beseler über den sündigen Radbruch zu berichten. Der Mann ist gar kein Sozialdemokrat! Er gehört äußerlich der mehrheitssozialistischen Partei an, ist aber in Wirklichkeit ein Unabhängiger." So Herr v. Beseler zu Anfang. Doch halt, ist das genug, um Mißtrauen zu säen? Die Unabhängigen unterstützen ja das Ministerium Wirth. Also muß Radbruch   mehr sein als ein Unabhängiger, das schlimmste, schwärzeste, was ein ordent- sicher Honorarprofessor sich in seinem wissenschaftsdurchtränk- ten Geyirn ausmalen kann! Also lassen wir so ganz beUäufig etwas einfließen von Radbruchsbolschewistischen Idealen". Immer nach nicht genug! Aber es weckt Arg- wohn, und der Leser ist geistig vorbereitet, wenn das pro- fessorals Klatschweib am Schluß des Artikels mit der ganzen mühsam zurückgehaltenen Neuigkeit herausplatzt: Ich würde Radbruch  » Flugschrift und seine Erwiderung für durch und durch verlogen erklären, wenn ich nicht wüßte, daß Rad- bruch ein bi» zum Irrsinn fanatischer Dolschewist ist. Denn da» ist er: Dolschewist. Da» mögen sich die M e h r h» i t» s o z i a l i st« n und da» Zentrum gesagt sein lassen." Man kSnnt» daraufhin das Klatschweib v. Beseler je nach Wunsch fürdurch und durch verlogen" oder fürirrsinnig" erklären, wenn sich nicht die Sache auf viel einfachere Weise psychologisch richtigstellte. Wer nämlich das ganze Elaborat von A vis Z liest, der erkennt sehr bald seinen wirk- ltchen Inhalt: gekränkte Eitelkeit eines wissen- schaftlich unbedeutenden Professor» gegen den geistig höher st ehe nden Kollegen, den der Kleine zwar nicht begreifen, aber um so besser begeifern kann. Die Gehasslgteiit dieser Seele enthüllt sich rührend naiv in den Schlußsätzen: Ich schreibe hier in dieser Zeitung(der konservativenKreuz- Zeitung  ". Red.)< obgleich ich eigentlich der Deutschen Volksparlei
Rutenstreichen de» sorgenschweren Lebens, weil ihr Proletarier- dasein das unerbittlich grausame Verhängnis wurde, das dt« stillen Zermürbungen und den fiebernden Puls schuf, der die Armen einem entgöttertcn Leben zutrieb. Der Krieg vernichtete nicht nur Existenzen, er vernichtete auch Seelen. Henni Lehmanns Wirklich- keitsbuch, getragen von sittlicher Größe und strenger Objektivität, greift an die Wurzel ernster Zeitfragen. Frei von der Erregungs- gebärde der Tendenz, gibt es das vollkommen» Bild gefährdeter Lebenslaufe. In ihrem Stil ist Wilhelm Raadeick« Art; man denkt an die Chronik der Sperlingsgasse. Tragik de» Alltag», ausgesanaen mit dem weiten Mantel echten Menschentum» und befreit von der Trübung falscher Optik. Henni Lehmann   verkündet dir Botschaft der Nächstenliebe und be» großen Allverstehens. J. M. V.
uoa der Ratte und ihresgleichen. Die große'Nattenvertilgung, dt« auf den 23. d. M. angesetzt ist, ruft mancherlei Erinnerungen an den Kampf de» Menschen gegen da» schädlich» Nagetier wach. Freilich wissen wir nicht immer, ob mit dem Im allgemeinen als Maus bezeichneten Tiere dl» Ratte oder sonst ein Geschöpf au« deren Verwandtschaft gemeint ist. Im Gesetze Mosi» wird die ganze Sippe für unrein erklärt, und der jüngere Iesüia» bricht in Klagen darüber au», daß Juden sich von solchem Fleische nähren. Wenn 1. Sa- nmelis s erzählt wird, die Philister hätten die den Israeliten«nt- rissen« Bundeslade zurückgebracht und gleichzeitig fünf goldene Mäuse als Weibgeschenk gestistet, nachdem Mäuse ihre Aecker ver- heert hotten, so Ist darunter wohl dle Feldmaus zu verstehen. Nach dem Bericht de» griechischen Geschichtsschreiber» Herodot   zog Sancherib, der uns auch aus dem Alten Testamente wohlbekannte König von Assyrien  , gegen die Aegypter zu Felde, lieber Nacht machte sich ein Schwärm von Feldmäusen über die Waffen der Krieger her und zernagte alles Lederzeug derartig, daß die Leute wehrlos wurden und abzogen. Zum Andenken errichteten die Aegypter eine Etatue ihres König», eine Maus tn der Hand. Nach einer Mitteilung des Römers Justinu» wurde die Stadt Abdera in Thrazien   von den Einwohnern geräumt, weil sie vor den, Ueber- handnehmen der Mäuse und Frösche keine Ruhe mehr fanden. Im Mittelalter spielen Mau» und Ratte im Volksglauben eine bedeutende Rolle. Auch Dichtungen beschäftigen sich damit und nehmen oft einen sehr ernsten Zug an, wie u. a. die Erzählungen vom M ä u s, t u r m bei Bingen  , wo der böse Erzbischof Hatto von Mainz sein schreckliches Ende gefunden haben soll, und vom Rattenfänger von Hameln beweisen. Letztere beruht auf einer Art Wandersage. Einen gewissen Nachklang davon zeigt u. a. die unheimliche Gestalt der Rattenjungfer in Ibsen  »Klein Eyols", die auf Kindheitserinnerungen des nordischen Dichtergreises zurück- gehen soll. Eine beliebte Schöpfung der Volkssage ist der Ratten- k ö n i g. Er beruht auf einer lange Zeit von der Wissenschaft an- gezweifelten Naturerscheinung, dem Zusammenhängen einer Anzahl von Ratten, die mit den Schwänzen unauflöslich verwickelt sind. Wir sind begierig, ob bei der großen Rattenhatz am 23. Exemplare solcher Rattenkönige gefunden werden. Der Naturkunde würde damit ein großer Dienst erwiesen werden. Vielleicht erhalten wir jetzt auch Auskunst darüber, ob die!
angehöre. Ich wollte bei denen stehen und kämpfen, von denen Ich die stärkste Gegnerschaft gegen meinen Gegner erwarte." Ein unproduktives Gehirnchen, das nur in der Vorstellung eines Gegners arbeiten kann, an dem es sich reibt. Ein Gerne- groß auf dem Prosessorenthrönchen. Ein typischer Repräsen­tant des professoralen Klüngels, der es nicht verschmerzt, daß Kollege Radbruch   Minister werden konnte, während er, Herr von und zu Beseler, immer noch als ordentlicher Honorar- Professor in Kiel   sitzt. Eine giftspritzende nationalistische Klatschbase. Ein Stückchen Mensch, das umgekehrt aus- sieht wie Deutsäzlands geistige Wiedergeburt. Arme Jugend, die solch ein Mann erzieht! Die Vegleittuusik zu dem Geschrei BeselersRadbruch   ist Bot- schewist!" liesern die Anpöbeluiigen des Iustizministers in der Roten Fahne". Da das Kommunistenblatt über die A r b e i- terdeputationen bei Radbruch   allerhand Unwahrhelten ver­breitet, so sei hier folgendes festgestellt: Sämtliche Arbeiter- deputationen, so viele ihrer auch kamen, sind voin Genossen Radbruch  empfangen worden. Mit den meisten gelang es, in vertraulicher Aussprache eine Verständigung zu erzielen, die Deputattonen ließen sich von der Richtigkeit der fiaitung de» Ministers überzeugen. Nur bei einer Deputation, die in Stärke von etwa 33 Mann unter der Führung des Kommunisten R« m m e l e uiü) der unabhängigen Abgeordneten Frau Zletz kam, war eine geregelte Aussprache und«ine Derständigulig nicht möglich. Da das Konserenzzlmmrr in diesem Augenblick gerade besetzt war. muhte der Minister mit der Deputation zunächst auf dem Flur verhandeln, empfing sie aber später nochmals. Er erklärte auch dieser Kommission, daß innerhalb zehn Tagen sömiliche llichtenburger Fälle unter dem Gesichts- punkt der Begnadigung nachgeprüft werden würden, daß sämtliche politischen Mitläufer begnadigt werden würden. Da die Kam- Mission aber auf ihrer Forderung der unterschiedslosen Be- gnadigung sämtlicher Gefangenen beharrte, verlief die Unterredung ergebnislos. Untersuchung über Lichtenburg. Der durch Reichstagsbeschluß vom 19. November 1921 ein- gesetzte Untersuchungsausschuß zur Prüfung der Zustände in den Strafanstalten stellt als Ergebnis seiner Unter- suchungen in der Strafanstalt Lichtenburg fest: Von keinem der Gefangenen sind Klagen über die Anstaltsver- waltung oder schlechte Behandlung durch das Anstaltspersonal oder über die Verpflegung und Unterbringung geäußert worden. Die danach Befragten erklärten, daß der Hungerstreik sich nur gegen das gefällte Urteil richte, dem sie die ErklärungFreiheit oder Tod" entgegensetzten und gegen die Not, die ihre Familien leiden. Wenn auch manche von den Nahrungsverwetgerern blaß und geschwächt aussahen und einige Störungen der Magen- und Darm- sunkttoncn sowie der Herztätigkeit aufwiesen, so bestand doch nach der Ansicht des ärztlichen Mitgliedes des Untersuchungsausschusses ein« ernstliche Lebensgefahr für keinen. Der abends vorher erfolgte Abtransport der nach Torgau   ver- legten 31 Gefangenen sowie dle Dislozierung der übrigen tn das Lazarett und in Aufenthaltsräume für zwei oder drei Gefangene in Lichtenburg hat sich nach Angabe der Anstaltsboamten ohne jede Ge- waltanwendung und mit größter Schonung vollzogen. Entgegen- stehend« Angaben der Gefangenen wurden nicht vorgebracht. Am Tag« des Besuche» hatte bereits ein erheblicher Teil den Hungerstreik aufgegeben. Brodauf(Dem.). Bruhn(Dnat.). Dr. Grotjahn(Soz.). Dr. Herzfeld(Komm.). Merck(Bayr. Lp.), v. Rehbinder(Z.). Rlppler(D. Dp.). Dr. Rosenfeld(Unabh.). * München  , 22. November.  (TU.) Don der Fraktion der baye- rischen Mlttelpartei wurde folgende Interpellation beim bayerischen Landtag eingebracht:Der Reichstag   hat einen Ausschußzur Prü- fung der unhaltbaren Zustände in den Strafanstalten" eingesetzt. Derselbe ist Zeitungsberichten nach in Preußen bereite in Tätigkeit getreten. Was gedenkt die Staatsregierung zu tun, falls der Aus- chuß auch in Bayern   in gleicher Weife vorgehen sollte, um ihrer- eits eine solche Gefährdung der bayerlschen Justizhoheit hintanzu- halten?"
schwarze Hausratte(mu» rsttu») bei uns, wie behauptet wird, chon völlig durch die Im 18. Jahrhundert von Osten her einmar- chierende Wanderratte(mu» ckecumsmus) verdrängt worden ist. Untersuchungen in norddeutschen Städten, Stralsund   voran, vor nahezu vierzig Jahren ergaben, dah die Hausratte dort keineswegs ausgestorben war. Auch hat st« sich bi» jetzt dort noch erhalten. In früheren Jahrhunderten wurden die Ratten wegen de» großen Un- Heils, das sie anrichteten, wiederholt von der Kirche feierlichst In den Bann getan, machten sich aber in ihrer Gottlosigkeit nichts daraus. Wir wollen bosfen, daß die Maßregeln am 23. November eine bessere Wirkung erzielen, obwohl KnÜppelkunze und j-tne Garde nicht dazu aufgeboten ist. Dle Vrrtspositik avferer Thealer. Der bekannte Theaterfach- mann Max Epstein   stellt in einem Aussatz über die Preise der Theaterkarten tn der ZeitschristDas blaue Heft" fest, daß die meisten Berliner   Theater augenblicklich schlecht gehen und eine Krise besteht. Er findet den tteferen Grund für diese Zustände in der falschen Preispolitik der Theaterdirektoren. Der größte Fehler liegt nach seiner Ansichtiti der unsinnigen Hinaufsetzung der Ein- trittsprcij«, selbst für die früher billigsten Plätze. Auch die onsvruchs- vollsten Opcrettenunternehmungen haben keinen«tot, der höher ist, als etwa 2S00U M. täglich. Sie haben ober tatsächlich eine Ein- nahmefähigtett von 7<)0iX) Mk. und noch mehr» und sie nehmen solche Summen auch an Sonntagen ab und zu ein. Darin aber liegt ein besonderes Geschäftsmanöver. Man darf nicht eine in der Sache nicht bearündete Tageskonjunktur ausnutzen und eine Leistung zu einem Preise abgeben, der sich nur durch eine zufällige Laune des Publikums erklärt. Man verjagt das Publikum, sobald sich nachher herausstellt, daß das Gehört» oder Gesehene nicht im rechten Der- hältnis zum Preise steht. E» ist unsinnig, für Premieren, die sich als minderwertlg« Kunstleistungen herausstellen, 2M und 309 M. zu nehmen und ein« Gemeinde von Unzufriedenen erstehen zu lassen." Epstein schlägt gerade das Gegenteil der bisherigen Prei-fest- setzung vor; er meint, man müsse zunächst normal« Preise ansetzen und das Stück erproben, und wenn sich dann ein großer Erfolg herausstelle, könne man höhere Preise nehmen. Aber die Preis- steigerung hat überhaupt«ine Grenze, und diese beginnt, wo die Kaufkraft des Publikums aufhört... Die Masse wird in Unter- haltungsstätten getrieben, die weniger kostspielig sind und auch kein viel geringeres künstlerisches Niveau haben, denn unser« Theater ind heute zum Teil bereits auf einem nicht zu überbietenden Tief- tand angelangt, und daran ist auch die Wiedereinführung franzö- ischer Schunderzeugnlsse mit schuld. B. Die Große Vo'.ksoper führte ihrem großen Hörerkreis« in der Neuen Welt' Verdi« immer noch prachtvolle Frühoper(1859) M askenboll" vor. Die lautlose Aridacht glich die Mängel de» Saaltbeaters aus, trotzdem deckte das Orchester unter Brecher teil- weise den Gesang. Die Inszenierung bot gepriesen sei der Zwang zur Vereinfachung ruhige, schöne Bühnenbilder. Melanie Kurth« in jeder Hinsicht vortreffliche Amelia, Kirchners Groi Richard und Scheidt« Rene beide» Heroorragende Gesangs letstungen gaben der mit ledhaftem Beifall aufgenommenen Auf- führung den Charakter. 4