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ttr. 556 38. Jahrgang

2. Heilage öes Vorwärts

Ireitag, 25. November 1921

Äi!!a ÄÄ«. Der Moröprozeß um Wachtmeister Suchhotz.

Bor Eintritt in die Tagesordnung der gestrigen Landtagssitzung beantragt Abg. Kilian(Komm.), den am Mittwoch von ihm ver- lesenen Antrag aus Amnestieerlah und Einsetzung eines Nach- Prüfungsausschusses über die Urteile auf die Tagesordnung zu setzen. Präsident Leinert: Da der Antrag noch nicht schriftlich vorlieot, kann er noch nicht behandelt werden. Das chaus setzt darauf die zweite Beratung des

fort.

Aorstverwaltungseiais

Landwirtschaftsminister Dr. Wendorf: Die Verwaltung der Forsten darf nicht den Bestand, das Kapital der Forsten angreisen. Für die Forsttultur sind 8 Millionen Mark in den Etat eingestellt. Das Forstkulturgesetz kann erst nach Erlaß des Reichs- ermächtigungsgesetzes in Angriff genommen werden. Wir brauchen einen technisch-wissenschaftlich gebildeten Beamtenkörper. Der Haupt- ausschuß will erfreulicherweise auch die Dienstaufwandsentschädi- gungen neu regeln. Die Förster und Anwärter, die durch den Krieg in ihrem Besoldungsdienstalter zurückblieben, dürfen nicht schlechter gestellt werden als ihre Altersgenossen. Hoffentlich kann noch in diesem Kalenderjahr der Ausschuß zur Prüfung der Aus- bildungsverhältnisse zusammentreten. Der Mangel an Mitteln ver- bietet die dauernde Beschäftigung der Forstarbeiter, doch sind die betreffenden Etatsummen erhöht worden. Der Arbeiter- Wohnungsbau findet unsere ganze Aufmerksamkeit, die Ber- waltung wird den Kleinbauern entgegenkommen, doch verbietet eine geordnete Forstkultur eine zu starke Freigabe der Waldweide. Abg. Klausner(U. Soz.): Trotz des deutschnationalen Antrages zugunsten des Koalition- rechts ist das Koalitionerecht der Waldarbeiter keineswegs so sicher, als es den Anschein hat. Bon der Forstverwaltung wünschen wir eine raschere Arbeit, damit An- fragen und Klagen schneller erledigt werden. Der Privatforstbetrieb müsse in den Staatsbetrieb übergeführt werden. Abg. Wcißermel(Dnat.) begründet den Antrag, das vom früheren Landwirtschastsminister Braun auf den Forstakademien Eberswalde und Hannov.-Münden eingeführte Rektoratssystem wieder abzuschaffen. Abg. Dr. Bendiner(Soz.): Der Abg. Weißermcl würde nicht so starte Töne angeschlagen haben, wenn es sich nicht um den ver- haßten Braun gehandelt hätte. Wir können den Deutschnationalen aus der Zeit ihrer Herrschaft verschiedene Verletzungen des Etatsrechtes nachweisen. Brauns Maßnahmen waren fein gutes Recht, es handelte sich um«in« interne Angelegenheit. Das alte militärische Softem war nicht mehr zeitgemäß, das Direktorial- system mußte verschwinden. Auch unter dem neuen System werden die Anwärter zu brauchbaren Forstbeamten erzogen werden. Ein Regierungsvertreter warnt vor Ueberspannung der Daucrwaldidee. Damit ist die Aussprache geschloffen. Bei der Abstimmung werden eine Reihe von Ausschußanträgen angenommen. II. a. wird die Summe für Beschaffung von Inst- Häusern für Arbeiter auf 6 Millionen Mark erhöht, auch die Dienst- aufwandsentfchädigungen für Förster aller Rangklaffen werden erhöht. Den Forsthochschulen in Eberswalde und Hannov.-Münden wird das Promotionsrecht verlieben. Bei dem Antrag, bei diesen Forstakademien die am I. April eingeführte Rektoratsverfaffung aufrechtzuerhalten, ergibt sich die B e s ch l u ß u n f S h i g k e i t des Hauses. Das Haus vertagt sich auf Freitag 11 Uhr: Rest der Ab- stimmungen zum Forstetat. Ministerium des Innern. Schluß 'AI Uhr._____ Vor dem Streik öer Elektrizitätswerke. Bon beteiligter Seite wird uns geschrieben: Der drohende zweite Ange st eilten st reik bei den Berliner Elektrizitätswerken geht dieses Mal nicht, wie das erstemal um ideelle, sondern um materielle Ziele. Trotz- dem ist e» verhältnismäßig schwierig, eine klare Umgrenzung des Kampfziels der Angestellten anzugeben, da sich dix Forderung nicht so glatt in Mark und Pfennigen ausdrücken läßt, wie die der Ar- bciter. Die Tarifverhandlungen für die Angestellten der Werke, die nach dem ersten Streik am 12. September sofort aufgenommen sind, baben bis heute noch nicht zum Abschluß des Vertrages geführt. Wenn keine gütliche Einigung erreicht werden konnte, so liegt das nicht zum wenigsten mit daran, daß der Magistrat sich zu engherzig an den B e s o l d u n g s p l a n der Beamten klammert, obschon die Angestellten der städtischen Werke Kauf- leute und Techniker sind, deren Stellung und Tätigkeit nicht so ohne weiteres verglichen werden kann mit der Stellung der Beamten und Angestellten der Verwaltungsbetrieb«. Es ist ein Krebsschaden unserer ganzen wirtschaftlichen Betriebe, auch der des Staats und Reichs, daß die Behörden aus einer gewiffen Bequem- lichkeit heraus immer wieder die Tendenz bekunden, auch die wirtschaftlichen Betriebe nach dem Grundsatze der allgemeinen Verwaltung, also der obrigkeitlichen Auf- gaben, zu behandeln. Unser Besoldunassystem für die Beamten krankt nämlich daran, daß es sich lediglich aufbaut auf Tätigkeit-- gruppen, in die der Beamte nicht ausschließlich wegen seiner L e i st u n g, sondern in erster Linie wegen seiner Vordil- d u n g, also der abgelegten Examina und seine» Dienstalters gelangt. Für Leistungsgruppierung Ist in dem Besoldungsplan nur sehr wenig Platz vorhanden, und sie wird noch erschwert durch die stark bureaukrattsche Handhabung des Sperr- g e s e tz e s durch den Reichsfinanzminister und die vorgesetzten Staatsbehörden. Gerade die Angestellten der Städtischen Elektrizi- tätswerke können es nicht verstehen, daß ein Betrieb, der ganz nach kaufmännischen und technisch-wirtschastlichen Gesichtspunkten aufge- baut ist, und der gerade durch diesen Aufbau der Stadt im letzten Jahr einen Ueberschuß von Ol) Millionen Mark er­bracht hat, auch nach den starren Grundsätzen der Beamten- b e s o l d u n g behandelt werden muß. Die Tätigkeit des Magistrats führt dazu, daß gerade die besten Kräfte, die in einer guten Bezah« lung auch den Ansporn zu höchster Leistung erblicken, sich aus den Gemeindebetrieben fortsehnen und in der Privatindustrie Stellungen übernehmen, die eine wesentlich beffere Bezahlung garantieren. Das angerufene Schiedsgericht hatte diesen Erwägungen in seinem ersten Spruch vom 29. Oktober zu einem erheblichen Teil Rechnung getragen. Es war zwar eine Anlehnung an die Be- soldungsordnung vorgesehen, da der Magistrat glaubte, in keinem Fall hiervon abweichen zu können. Die schlechte Eingruppierung war jedoch wesentlich gemildert durch die frühere Festsetzung des Be- foldungsdienstalters. nämlich vom 25. auf das 21. Lebensjahr. Außer- dem war eine Zusammenrückung der im Besoldungsplan IS Jahre betragenden Altersstufen auf 13 Jahr« erfolgt, wobei das Schwer- 1 gewicht der Alterszulage auf die ersten Jahre verlegt wurde. Mit! dieser Regelung konnten sich die Angestellten einverstanden erklären. wenn nicht der Schiedsspruch gleichzeitig für die Zeit vom 1. Oktober, bis 39. Dezember Zulagen vorgesehen hätte, die als vollkommen un- 1 genügend bezeichnet werden muhten. Der Schiedsspruch bestimmte, daß>m Monat Oktober die Angestellten«ine Zulage von 190 M.,' im Monat November von 299 M. und im Monat Dezember von 399 M. erhalten sollten. Da- war auch unter Berücksichtigung der kurz nach dem Schiedsspruch bekannt werdenden wesentlich erhöhten Sätze der Beamtenbesoldung in keiner Weise em Ausgleich für die herrschende Teuerung. Da es aber nicht möglich war, Teile des Sckiedsspruche« anzunehmen, mußten die Angestellten den gesamten Schiedsspruch ablehnen und versuchen, für die Zeit nach dem t., Oktober ein« andere Regelung zu erhalten. E« wurd« daher am

Warum Bnchholz Selbstmord begangen haben soll.

In der Zeugenvernehmung wird immer wieder die Frage erörtert, ob bei Buchholz wegen der Unterschlagun- gen ein Selbstmord anzunehmen sei. Er selber soll seine Schuldlosigkeit beteuert und keine Selbstmordneigung gezeigt haben. Angeklagter Erren sagt, kurz vor dem Selbstmord sei noch doppelte Buchung nachgewiesen worden. Staatsanwalt Dr. Steinbrecher beantragt sofortige Ladung eines Kaufmanns Möhr, dem ein Mitgliedschaft der Hundertschaft erzählt habe, den Täler zu kennen. Die Ladung wird bcschloffen. Wachtmeister M u n n i hat die Schüffe gehört, die Wachtmeister Hinderlich auf dem Hof abgab, um einen verrosteten Revolver zu erproben Etwa 19 Minuten später habe er aus Zimmer 39 einen dumpfen Schuh gehört und Erren schon auf dem Korridor gesehen, worauf er selber als erster hineingegangen sei. Neben Duchholz lag der Revolver, in einiaer Entfernung bemerkte er später die herausgestoßenc Patronenhülse. Er habe sich sofort gesogt, daß die Wunde am Hinterkopf, weil sie nur so groß wie das Geschoß war, der Einschuß sein müsse. Als ihm dann erzählt wurde, daß der Revolver nicht Duchholz gehörte, habe er anqenommen, es könne kein Selbstmord sein. Daß Buchholz 175 999 Mk. unterschlagen haben sollte, sei ihm bekannt gewesen. Verdacht gegen Erren oder Meyer habe er nicht. An den Wachtmeister Heise, auf den die Untersuchung sich gleichfalls erstreckt hat, richtet der Vorsitzende eine eindringliche Bermahnung. Heise hat kurz vor der Tat im Zimmer 39 und benachbarten Zim- mern nach einer Schere gesucht und war, als der Schuß fiel, in der Nähe auf dem Korridor. Er habe, als er ihn hörte, sofort gemeint, daß Buchholz wegen der Unterschlagungen sich erschaffen habe. Wachtmeister Müller hat Buchholz auf dem Korridor getrof- fen und glaubt, Niedergeschlagenheit an ihm bemerkt zu haben,

Nachher habe er durch die offene Tür von Zimmer 39 Buchholz gesehen, wie er an dem Kraben seines Mantels zog. Kurz darauf habe er den Schuß fallen hören und Buchholz sinken sehen. Daß jemand sich erschießt, nachdem er soeben seinen Mantel angezogen hat, findet er nicht auffällig, Beidest Angeklagten traut Oberleutnant M a l w i tz die Tot nicht zu. Dem Wachtmeister Buchholz hat er bei dessen zehn Tage vorher erfolgten Verhaftung seinen Revolver abgenommen. Die später in Buchholz Verwahrung gefundenen Patronen paßten zu diesem Revolver, nicht zu dem bei der Leiche liegenden, in dem noch fünf Schuß waren. Selbstmord hält er für glaubhaft. Als dem Buchholz am Abend vor seinem Tode nochmals die doppelte Buchung eines Ausgabepostens von 69 999 M. vorgehalten wurde, sei er sehr aufgeregt gewesen. Er habe sich damit cntschul- digt, daß er nicht kassenmäßig vorgebildet sei. Leut- nant E n d e r l e i n berichtet über mangelhafte Buchfübrung, die er für Absicht hält. Buchholz sei, als ihm die doppelte Buchung vor- geHallen wurde, zusammengebrochen. Auf eine Frage des Staatsanwalts Krause schränkt Zeuge die Bestimmtheit seiner Mei- nung über die angebliche Unterschlagung ein. Die Untsrschlagungs- ossäre soll durch Vernehmung anderer Zeugen noch aufgeklärt werden. Nach Aussage des Friseurs Piper hat Buchholz sich wenige Minuten vor seinem Tode rasieren lasten und ein Witz- blatt gelesen. Kaum war er von dem Friseur weggegangen, als dieser schon die Schreckensnachricht erhielt, daßBuchholz sich erschaffen" habe. Die Zeugenvernehmungen werden heute sortgesetzt. Bisher ist hauptsächlich nach Motiven eines Selbstmordes geforscht worden. Die weiteren Vernehmungen werden sich vermutlich mehr aus die Frage noch den Motiven eines Mordes erstrecken.

21. November einem neu angerufenen Schlichtungsausfchuß im Reichsarbeitsministerium der Antrag unterbreitet, den Schieds- spruch vom 29. Oktober nur bis 39. September gellen zu lasten und für die Zeit nach dem 1. Oktober eine wesentliche Erhöhung der Sätze eintreten zu lasten, entsprechend der auch den Staatsbeamten gewährten Erhöhung. Das Schiedsgericht hat nun dem Antrage der Ange st eilten nicht statt- gegeben, sondern in vollkommener Verkennung der Sachlage das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und einen Spruch gefällt, der die Beamtenbesoldung in allen ihren Kons«- quenzen ab 1. April den Angestellten der Städtischen Elektrizi- tätswerke zusprach. Dieser Spruch bedeutet eine glatte Ab- Weisung der gesamten Wünsche der Ange st eilten- s ch a f t, um die jetzt sieben Monate verhandell wird, denn nach dem Grundsatz der Leamtenbeloldunq erfolgte die Bezahlung bereits fett 1919, und gerade dieser Grundsatz mar es, der aus den oben ange- führten Gründen eine tiefgehende Mißstimmung erzeugt und schließ- lich dazu geführt hat, daß im September der Streik um den Tarif­vertrag ausbrach. Er bedeutet aber weiterhin eine Benachteiligung der Angestellten gegenüber den Bcamtengruppen beim Magistrat Berlin, denn die Nachzahlung aus der Revision des Gruppenplanes muß nach den gesetzlichen Borschristen für die Beamten rück- wirkend ab 1. April 1929 sein, während die Ange st eilten infolge ihres Tarifvertrages nur Ansprüche ab 1. April 1921 geltend machen könnten. Diese Tatsachen machten die Annahme des Schieds- spruches vom 21. November zu einer glatten Unmöglichkeit. Die An- gestelltenverbände haben dann am 22. November nochmals versucht, das drohende Unheil abzuwenden. Sie haben in persönlicher Rück- spräche mit Herrn Oberbürgermeister B ö ß die bekannten vier Punkte unterbreitet. Sie wollten dadurch dem Magistrat einen Weg der Verständigung im letzten Augenblick zeigen. Der Magisttat hat aber sämtliche Auttäge der Gewerkschaften abgelehnt und da- durch den Verbänden es unmöglich gemacht, für die Annahme des Schiedsspruches einzutreten. Die Gewerkschaften sind sich aller Folgen bewußt, die ein Streik der städtischen Angestellten gerade in diesem Moment der wirtschaftlichen Unruhen im Gefolae haben kann, sie sehen aber durch die starre Haltung des Mag! st r als jeden Weg zu einer Verhinderung dieses Kon- fliktes verriegelt, und so konnte die Vollversammlung der Angestellten am 23. November nicht anders beschließen, als daß eine sofortige Urabstimmung geheim und gettennt nach Gewerk- schasten vorgenommen soll, die allerdings gleichzeitig die Abstimmung über den Streit bedeutet, da eine Der- handlungsmöglichkeit nicht mehr vorhanden ist, nachdem das Schiedsgericht im Arbcitsministerium entschieden hat. Es steht zu hoffen, daß noch in letzter Stunde die Stadtoer. ordneten Versammlung versuchen wird, den Magistrat zv einem Teach- geben zu beweaen. Es ist nämlich geradezu unverständlich, wie der Magistrat die"Vewillissimg der strittigen vier Punkte verweigern konnte, nachdem die Magistratskommission in monale- langen Verhandlungen und noch eine Sttinde vor Fallung des Schiedsspruches die Berechtigung der Ford e r u n q e n a n- erkannt batte und ihre Gewährung bereits beschlosten hatte. Sollten die Angestellten zum Streik gezwungen werden, so wurde dieses wahrscheinlich der Stadt Berlin mehr Schaben verursachen, wie die Bewilligung der Forderungen ergeben würde. » Man mag zu den ständigen Lohnkämpfen Zwischen den An- gestellten und Arbeltern der städtischen Betriebe s-rhen wie man will, dos Schauspiel, das sie in den letzten Monaten bieten, ist eines Gemeinwesens wie Berlin einfach un- würdig. Mögen auch die Extremen von links und rechts ihre helle Freude daran haben, so ist und bleibt es ein auf die Dauer ganz unhaltbarer Zustand, daß das direkt unbeteiligte Publikum, das auf das Master, auf die Deleuchtung, die Straßenbahnen u.a. m. angewiesen ist, fortgesetzt beunruhigt wird und die Konflikte aus- zubadcn hat. In Betrieben, die nicht der Plusmacherei. sondern in erster Linie dem Wohle der Allgemeinheit zu dienen haben, muß es möglich sein, die Lohn- und Arbeitsbedingungen auf friedlichem Wege zu regeln. Fehlt es an der nötigen Einrichtung zur Ver- ständigunq, dann muß sie unverzüglich geschaffen werden. Auch der Konkurrenzstreit zwischen den beteiligten Slngestelltenverbanden und demKomba " muß ausaescbaltet werden. Aus beiden Sellen muß der gute Wille zu einträchtiger Zusammenarbeit und zur Ber- ständigung vorhanden sein. Das richtige Auaenmaß kür dos un- bedingt zu Gewährende rnii der einen und für das möglichst Er- reichbare ans der anderen S-ite darf nicht beseite gelassen werden. Für b-ids Teile wäre es höchst beschämend, wenn sich ergeben würde, daß eine dauernd geordnete Wcrkiühruna Im Eiaenbetriebc der Stadt nicht möglich ist. Zuviel steht auf dem Spiele, um nicht alles daranzusetzen, dem fortwährenden Streit ein Ende zu machen, sei es durch den Ausbau der Tarifkommission zu einer Arbeits- aemeinslbaft oder sonstwie. Bor allem weniger Bureaukratte, die für die Amts�vben gut sein mag, für die Werke jedoch verfehlt ist. Auch den direkt Beteiligten dürfte allmählich klar geworden sein, daß schleunigste Umkehr geboten ist. So wie bisher, geht es nicht gut weiter.

Die gewerkschastliche Warenversorgung. Als zu Ende des vergangenen Jahres infolge Arbeitslosigkeit und mangelnder Kaufkraft der breiten Moste des Volkes das ganze Wirtschaftsleben zusammenzubrechen drohte, haben die Gewerkschaften die Warenoersorgungsstelle ins Leben gerufen, um der Krise aus dein Gebiete der gesamten Bekleidungsindustrie, wo die Not besonders groß war, abzuhelfen. Das Neich stellte aus Mitteln der produktiven Erwerbslosen- sürsorge den Gewerkschaften ein Darlehen von 25 Millionen Mark zur Verfügung. Die Organisation setzte es sich zur Aufgabe, durch Vermittelung von Aufträgen an die beschäftigungslosen Industrien die Produktion zu heben und Arbeitsgelegenheit zu schaffen und auf der anderen Seite die zu erschwinglichen Preisen hergestellten Gegen- stände an die organisterten Mitglieder abzugeben. Während der ganzen Zell der Depression in der Bekleidungsindustrie vergab die Warenversorgungsstelle ein« große Anzahl von Aufträgen an die- jenigen Unternehmungen, welche ihr vom Reichsamt für Arbeits- vermittelung bezeichnet wurden. Es war schon bei Gründung der Warenversorgungsstelle voraus- zusehen, daß der freie Handel, der sich durch die Tätigkeit einer Or- ganisation, welche die Versorgung von Millionen von Mitgliedern in die Wege leiten konnte, in seinen Gewinnmöglichkeiten bedroht sah, nicht untätig bleiben würde. Bereits zu Anfang appellierte er an die Solidarität der Unternehmer mit dem Handel, versuchte die Fa- brikanten von der Lieferung an die Warenoersorgung abzuhallen, machte ihnen in seinen Fachzeitschriften schwere Vorwürfe, daß sie sich der Kontrolle der Gewerkschaften unterwerfen und Bedingungen eingegangen seien, die sie selbst nie hätten erreichen können. Fabri- kanten, welche an die Warenversorgungsstelle lieferten, wurden auf die schwarze Liste gesetzt, um sie zu boykottieren. Die Fabrikanten ober waren bei der schlechten Konjunktur aus dem Bekleidungsmarkt« sehr froh, sich durch das Reich Aufträge vermitteln zu lassen,»m so ihren Betrieb aufrecht erhalten zu können. Mit dem weiteren Fallen der Mark und dem damit einsetzenden Export, welcher relativ gute Absatzmöglichkeiten für die Industrie schuf, schwand jedoch ihr Inier- esse an einer planwirtjchaftlichen Regelung der Produktion, und s i e schlössen sich dem Kampf des Handels gegen die Warenversorgung der Gewerkschaften an. Mit Ei»- gaben an Regierung und Parlament, mit Irreführung der öfsentlichen Meinung in Zeitungen und Fachzeitschristen über die Tätigkeit der Warenoersorgung, besonders über die Kreditgewährung, wurde auf das Rcichsarbeitsministerium eingewirkt, um es zu einer Abkehr von dem Unternehmen zu veranlasten. Man fürchtete direkt eine Gefahr- dunq seiner Profitmöglichkeiten, indirekt die Erbringung des Be- weises, daß eine Planwirtschaft möglich ist, und sah mit größtem Unbehagen auf dir Sache als auf einen'Versuch, die Möglichkeit einer Sozialisierunq praktisch zu beweisen. Besonders der Kredit des Reiches war dem freien Unternehmertum ein Dorn im Auge. Man machte die rechtsstehenden Parteien, vor allem die Deutsche Volks- partes gegen das Reichsarbeitsministerium scharf. Dieselbe R e- g i e r u n g aber, mit deren Hilse seinerzeit die Warenoersorgung geschaffen wurde, brachte nicht soviel Konsequenz aus, um diesen Beeinslustungsversuchen gegenüber seit zu bleiben. Sie verlangt heute die Rückzahlung des Kredites und zwar mit der sehr merkwürdigen Begründung, daß gegenwärtig«ine Arbeitslosigkeit nicht mehr bestehe und infolgedessen ein Kredit aus Mitteln der pro- duktioen Erwerbslosenfürsorge nicht mehr gewährt werden könne. Und das tut das Reichsarbeitsministerium in demselben Augenblick, wo der gleiche Referent, der für die ganze Frage zuständig ist, Mini- steriolrat Dr. Weigert, iyr Beiblatt zur Nr. 258 des8-Uhr-Abend- blattes" unter der UeberschriftRüsten wir uns gegen die kom- mend« Arbeitslosigtett" die gleiche Ansicht vertritt, welche die Ge- werkschasteu der Regierung gegenüber immer geltend gemacht haben, daß nämlich die gegenwärtige Hochkonjunktur nur eine vorüber- gehende krankhafte Erscheinung ist und daß ihr sehr bald eine Zell größter Depression folgen muh. Man gibt also auf der einen Seite zu, daß das. was die Gewerkschaften voraussahen und verfolgen, richtig ist und stellt sich auf der anderen Seite derselben Organi- sation gegenüber, die ein Jahr lang als eine solche Rüstung gegen die Arbeitslosigkeit gedient hat. auf den rein formalen Standvunkt. Die Gewerkschaften werden sich aber dem Druck der Inter - estentenoerbände auf die Regierung aegenüber nicht passiv verhalten, sondern verlangen, daß eine Einrichtung, die sich als notwendig und segensrsick erwiesen hat, nicht dem schrankenlosen Gewinnma-ben einzelner geopfert wird. Von allen Teilen drs Reiches laufen Be- schlüsie ein, in denen sich die Gewcrksckiasten aller Richtungen, nicht nur die freien, lchars gegen das Verhalten der Regie- r u n g wenden, deren Vorgehen sie ücki nur durch kapttalisiischen Einfluß erklären können. Auch die sozialistischen Reichstagssraktionen haben sich mit der Angelegenheit besaßt und der Abgcordn. Krätzig stellte vor einigen Tagen im Reichstag die Forderung auf, daß die gewerkschaftliche Warenversorgung von selten der Regierung keines- falls durch Kreditentziehung lahmgelegt werden dürfe, am aller- wenigsten zu einer Zeit, wo sie sich bei der allgemeinen Preistreiberei als Preisregulator erweist uud wo man bereits mit Sicherheit vor- aussieht, daß dt« Tage der gegenwärtigen Hochkonjunktur gezählt sind. F- buber.