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Nr.57938. Jahrgang Ausgabe Nr. 287

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

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Donnerstag, den 8. Dezember 1921

Loucheurs Reise nach England.

Vorwärts- Verlag 6.m.b.h., SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Berlag. Ervedition und nieraten. Abteilung Morisplas 11753-54

Heraus mit den Steuerzetteln!

Erfassung der Kriegs- und Revolutionsgewinne in Industrie und Handel!

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Condon, 8. Dezember.  ( WTB.) Das Reutersche Bureau von den Neutralen, den Amerikanern und den Alliierten im großen Bor furzem las man in den Zeitungen, daß der Minister erfährt, daß bisher keine Entscheidung vom Finanzausschuß Maße gezeichnet werden dürfte. Damit aber diese Anleihe einen Hermes im Reichstag ankündigte, man werde nun energisch des Kabinetts über die deutschen   Reparationen erreicht worden ist. vollen Erfolg habe, müsse Deutschland   ein Moratorium gewährt mit der Steuerveranlagung der Kriegs- und Revo Eine weitere Zusammenkunft, deren Zeitpunkt noch nicht festgesetzt werden. Doch müsse man fordern, daß Deutschlands   Geldeinnahmen Iutionsgewinne, die Industrie und Handel gemacht iff, wird stattfinden. Coucheur wird mit Horne über die Frage für die Berzinsung und Tilgung dieser Anleihe verwendet werden. haben, beginnen. Man richte gegenwärtig Buch- und Be­der deutschen   Reparationen im allgemeinen und im besonderen über Endlich müßten die ausländischen Zeichner dieser Anleihe fordern, triebsprüfungsstellen ein und habe für 1921 bereits 22 Mil­die lehten Erörterungen zwischen den britischen Behörden und den daß das deutsche   Budget in Ordnung gebracht und der Bank- lionen und für 1922 50 Millionen für diese Zwecke ausge­deutschen Vertretern in Condon sprechen. notenumlauf vermindert werde. Gegen ein derartiges Mora- worfen. torium würde Frankreich   nichts einzuwenden haben. Auf den Naturallieferungen würde Frankreich   weiter bestehen, doch müsse es fordern, daß Deutschland   eine innere Anleihe in Mark auflege, das mit die deutschen   Industriellen, die Frankreich   beliefern, vom Reich bezahlt werden.

Paris  , 8, Dezember.( EE.) In einer Unterredung mit Marcel Hutin vem Echo de Paris" erklärte Loucheur gestern, daß er in London   hauptsächlich über das Wiesbadener Abkommen sprechen werde. Mit Robert Horne und Rathenau   werde er 3u­fammenfünfte haben. Loucheur   erklärte, daß er noch nicht wisse, ob er auch über das Moratorium und die bevorstehenden fälligen 3ah­lungen Deutschlands   sprechen werde. Marcel Hutin glaubt, daß Loucheur wenigstens bis Sonnabend in London   bleiben werde, doch Bon einer Be­tönnte dieser Aufenthalt auch länger dauern. gegnung zwischen Loucheur und Lloyd George   sei einstweilen feine Rede..

Die Finanzreform in Oesterreich  . Einstellung der Lebensmittel zuschüsse? Wien  , 7. Dezember.  ( WTB.) Wie die Neue Freie Preffe" meldet, wird die Regierung am Freitag dem Nationalrat eine Vor­lage über die Einstellung der staatlichen Lebensmittel­aufhüffe zugehen laffer. In parlamentarischen Streifen verhehlt man sich die großen Schwierigkeiten nicht, die mit der Lösung des großen Problems zusammenhängen, wenn auch grundsätzlich die Ansicht der Regierung geteilt wird, daß der Abbau der staatlichen Subventionswirtschaft unerläßlich ist. Große Gruppen inner halb der Parteien vertreten jedoch den Stantpunkt, daß eine leber Paris  , 8. Dezember.  ( EE.) Es hat den Anschein, als wollte gangszeit und anderweitige Hilfsaktionen für die Minderbemittelten dabei notwendig sein werden.

Paris  , 7. Dezember.  ( WTB.) Dem Intransigeant" zufolge hat Ministerpräsident Briand   heute vormittag außer dem Minister Boucheur den Berliner   Botschafter Laurent und den Vor­sitzenden der Reparationsfommission Dubois empfangen und mit ihnen des längeren über die Finanzlage Deutschlands   gesprochen.

Frankreich   für ein Moratorium?

Frankreich   der Gewährung eines Moratoriums an Deutschland  taum mehr ernstlichen Widerstand entgegenschen. J: les Gareis' Mörder verhaftet? Sauerwein, dessen Bezichungen zu Briand   bekannt sind, erklärt heute im Matin", deß man Deutschland   jedenfalls einen Zahlungsauf- München  , 8. Dezember.  ( Eigener Drahtbericht.) Der Täter schub von drei, vier oder gar fünf Jahren gewähren würde unter der des politischen Mordes im Forslenrieder Part und wahrscheinliche Bedingung, daß Frankreich   durch eine Anleihe Deutschlands   die Mörder von Gareis, Schweighardt, wurde foeben im Ausland Summen erhalte, die ihm gemäß dem Londoner   Abkommen zu verhaftet und nach München   übergeführt. Die Meldung, die vor fließen würden. Sollte Deutschland   für die genannte Frist ein Mora- furzem aus Oesterreich   fam, daß Schweighardt dort ermordet auf­torium gewährt werden, so wäre es imstande, sein Aktivvermögen gefunden worden sei, war ein ähnliches Manöver zur Berwischung von zu vermehren, und zwar dadurch, daß es innerhalb fünf Jahren seine Mörderspuren, wie wir sie bei der Berfolgung der Mörder Er bergers Handelsflotte wieder aufbauen könnte. Da inzwischen die des öfteren wahrgenommen haben. Die Verhaftung Schweighardts Frachtraten in der ganzen Welt eindreiviertelmal erhöht wurden, bringt sicherlich Licht in die Mordaffäre Gareis. würde Deutschland   an Frachtspesen eindreiviertelmal mehr auf­bringen als vor dem Kriege. Außerdem würden durch fremde Reisende viele auswärtigen Devisen nach Deutschland   gebracht werden, die Deutschen   könnten im Ausland Häuser, Fabriten erwerben, und Während an der gestrigen New Yorker Börse   die Mark Deutschlands Banken würden durch die Kommissionsgebühren bei start abgeschwächt war, fegte heute in Berlin   im Verkehr Balutageschäften große Einnahmen haben. Alle diese Einnahmen zwischen den Banten der Dollar wesentlich höher ein als fönnten sich innerhalb fünf Jahren so vermehren, daß viel für die gestern. Es wurden Kurse zwischen 215 und 217 genannt. Reparationszahlungen übrig bliebe. Doch müsse Deutschland   auch Den offiziellen Berkehr eröffnete der Kurs mit 210 und ging cine Anleihe in ausländischen Devisen aufnehmen, die im Verlauf der ersten Stunde auf etwa 200 zurüď.

Erst Putschist, jetzt feige.

E. K. Leipzig  , 8. Dezember.

Dollar 200.

hörten alle drei zu den von den Militärs von vornherein schief angesehenen und für ganz überflüssig erachteten 3ivil herren". Kapp wurde bekanntlich am 17. März von den Militärs abgesetzt, weil diese in einem Gemisch von Ang't und Größenwahn die Sache nun ganz allein machen wollten. Die Kapp- Jagow- Schiele- Wangenheim usw. haben erfahren müssen, daß auch die all'eutschen Zivilisten für den Leutnantsver and doch eben nur Zivili ten, d. h. Menschen weiter Klasse sind. Diese ihre Blamage ist der Humor der Sache.

Der Hochverrat wird von allen drei Angeklagten mit der Motivierung bestritten, daß der Putsch nicht die Lerfassung habe ändern, sondern die von der Nationalversammlung ver­letzte Verfassung habe wieder herstellen wollen. Merk­würdigerweise stellen weder der Vorsitzende noch der Ober­reichsanwalt die verlegene Behauptung richtig, daß vor Aus­bruch des Kapp- Butsches ein verfassungswidriger Zustand ge­Wird die Verteidigung der Angeklagten durchschlagen? herrscht habe. Mit Nachdruck weit der Borsigende allerdings Bei aller Gewandtheit haben sich Jagow und Schiele starke darauf hin, daß die Dittatur Kapps ein ganz verfassungs Bloößen gegeben. Wangenheim am wenigsten, weil er sich widriges Mittel gewesen sei und an sich eine Verfassungs- in Bauernschlauheit dumm stellte. Manche ihrer Behauptun änderung bedeutet habe. Jagow gesteht das zu, fucht aber gen werden auch die Zeugenaussagen widerlegen. Sie stehen durch den Zwed das Mittel zu heiligen. Schiele entwickelt bevor. frause juristische Theorien, um ein Recht" des Generals

einer

Aus diesen Worten durfte man schließen, daß nun endlich Ernst gemacht werde; daß denjenigen Kreifen Deutschlands  , die Geld Scheffelweise verdienten und verdienen, nun auch der Steuerzettel ins Haus gebracht würde. Das hofften und begrüßten alle die Armen und Aermsten, die seit Jahr und Tag ehrlicher Arbeit obliegen und aus ihrem geringen Ver­dienst längst Steuer bezahlen, während die Kriegs- und Re­volutionsgewinnler bis zur Stunde noch nichts dem Staat geleistet haben. Was gar manche dieser Herrschaften in Bilanzverschleierung und Gewinnverstecken fertig bringen, das geht ins Aschgraue.

Es wäre also nach Ansicht aller redlichen Menschen höchste Zeit, daß man nun endlich einmal die Bücher und Betriebe dieser selbstlosen Herrschaften gründlich prüfen würde. 22 Mil­lionen hat die Regierung für diesen 3wed bereits ausge­worfen, aber wo bleiben die Leistungen aus diesem Aufwand? Wo sind heute Buch- und Betriebsprüfungs­ftellen eingerichtet? Wieviel Revisionen sind durch diese in 1921 vorgenommen worden? 1921 ist beinahe zu Ende! Es find fachkundige, durch jahrzehntelange prattische Arbeit erfahrene tüchtige Leute bereit, auf den Wink der Regierung die Prüfungen und Revisionen als Reichsbeamte vorzunehmen. Man stellt sie aber nicht ein. Warum nicht? Mit ihnen fönnten die Revisionen sofort beginnen. Warum läßt man sie nicht arbeiten, wo das Reich das Geld fo nötig hat? Man will doch nicht etwa gar die Geldbarone schonen! Und wofür sind denn nun eigentlich die 22 Millionen in 1921 verwendet worden?

Bielleicht bringt ein Artifel in Nr. 10 vom 22. November 1921 der Beitschrift füddeutscher Finanzbe amten" Aufklärung dieser Frage.

Er bringt einen Erlaß des Reichsministers der Finanzen Dom 17. Oftober 1921 unter Mr. IVa 550/ I B 69 897 Hg. betreffend Ausbildung von Beamten der Reichsfinanzverwal tung für den Buch- und Betriebsprüfungsdienst.

Dieser Erlaß fordert akademisch gebildete Beamte der Reichsfinanzverwaltung auf, an einem fünfmonatlichen Aus­bildungskursus zu obigem Zweck teilzunehmen. Der Ausbildungslehrgang soll umfassen:

1. Die wissenschaftlichen und rechtlichen Grundlagen der Buch­führung und Buchführungspraxis. 2. Bilanzkunde und Bilanzkritik.

3. Die Buch und Betriebsprüfung in der Landwirtschaft. 4. Die Beziehungen zwischen Buchführung und Steuerveran­lagung. 5. Seminaristische Uebungen unter besonderer Berücksichtigung der Revisionstechnit

die mittleren Beamten der Reichsfinanzverwaltung einge­ Dann   wird weiter verfügt, daß auch Lehrkurse für die mittleren Beamten der Reichsfinanzverwaltung einge­richtet werden, und daß diese Kurse zirka 3 Wochen dauern sollten. Es soll ungefähr ein Zehntel aller mittleren Beam'en daran teilnehmen. Unterzeichnet ist diese Verfügung mit dem Namen Rauch.

dieser Berfügung schreiben zu dürfen, und man muß ihm recht Der Artikelschreiber empfindet es schwer, feine Satire zu

geben, denn

mittlere Bamte nur 3 och en lernen sollen;

1. ist es sonderbar, daß Akademiker 5 Monate und 2. sind alle Finanzbeamten zurzeit so außerordentlich durch ihren Dienst in Anspruch ge..mmen, daß man sich fragen muß, wie man eine so große Anzahl auf Wochen und Monate hinaus ent­behren zu können glauben mag.

v. Lüttwig auf Einsegung der Diftatur Rapp zu beweisen. Heute beginnen die Zeugenvernehmungen. Der erste v. Wangenheim interessiert das elles nicht, weil es nicht zur Beuge Frig Grabowski, Angehöriger der Kavallerie­Landwirtschaft gehört. Er hält überhaupt aus Bersehen statt Schüßendivision und stellvertretender Geschäftsführer der Doch wir wollen davon absehen, uns mit diesen Fragen Berteidigungsrede die eingelernte Agitationsrede Nationalen Vereinigung, ist im Felde schwer belastet. Er zu befaffen. Um was es sich für uns handelt, das ist die Tat­für den Bund der Landwirte. Uebereinstimmend er- wird vorläufig unvereidigt vernommen. Zunächst wäscht er zu befassen. Um was es sich für uns handelt, das ist die Tat­klären aber alle drei, daß sie die Sache eigentlich gar nichts die Nationale Vereinigung von der Anklage des Putschismus führung lernen, um nachher die Buchrevisionen vorzunehmen. sache, daß man gegen Ende 1921 verfügt, Beamte sollen Buch­angeht, denn sie seien an der Gewaltanwendung nicht rein. Die Nationale Vereinigung hatte nur ideale Ziele, So weit ist man also bis heute gludlich ge beteiligt gewesen. sie bestand eigentlich noch gar nicht. Grabowski gehört zu kommen, daß man nun Leute ausbilden lassen Aber halt! Gewalt ist ia gar nicht vorgekommen. Nach den reaktionären Typen, die frank im Bette lagen, will, anstatt nun endlich, endlich einmal mit Herrn Schiele war der Zug der Brigade   Ehrhardt nach Berlin   aber plöglich gefund wurden, als Kapp in der Reichs den Revisionen zu beginnen! nur ein Demonstrations3ug", wie ihn die Arbeiter tanzlei faß. Am 10. März sollte Grabowizfi verhaftet, Sind für diesen Zweck also die 22 Millionen ausge­auch veranstalten. Es hat also nicht nur feine Führer, es werden, natürlich weiß er nicht warum. Nach seiner Ansicht worsen worden, wo doch Fachmänner da sind, die nicht mehr hat nicht mal einen Butsch gegeben. Alles ein großes Miß- wollte Ehrhardt nur demonstrieren. Wenn die Regierung da- zu lernen brauchen, die im Gegenteil alle Kniffe und Pfiffe verständnis! Was wollten die harmlosen Kapp und Lüttwig? geblieben wäre, wäre gar nichts passiert. Nur weil gar feine einer hochwohllöblichen Finanz- und Geschäftswelt fennen Doch nur die Koalition auf breiter Grundlage! Mit Sozial- Regierung mehr bestand, hätte Ehrhardt mit Lüttwiß eine und sich kein x für ein U vormachen lassen werden? demokraten im Kabinett! Wirklich zu freundlich. Der einzig neue einsetzen müssen. Frage des Ober' ten Reichsanwalts: Confequente war der Oberfinanzrat Bang, der sich in die Büsche Und wie erffären Sie das Etelldichein der Kapp, Jagom usw. schlug, weil Kapp ihm die Sozialisten- und Judenreinheit der um 6 Uhr früh am Brandenburger Tor  ? Berge findet es neuen Regierung garantieren wollte. nicht auffällig, er flammert sich an die Absicht, eine neue Re­gierung einzusetzen.

In einem haben die Angeklagten freilich recht. Sie ge­

Warum stellt man denn diese Leute nicht an; warum läßt man diese erprobten Männer nicht schon heute arbeiten? Man schicke aber feht doch nicht Beamte in eine Schnell­bleiche und warte doch nicht noch einmal Monate, bis man dann diese noch halben Lehrlinge im Buchhaltungswesen